Wachstum mussnich kannaber

Wie lässt sich die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von kräftigem Wirtschaftswachstum brechen? Wie können wir die eigentlichen Ursachen der Finanz- und Schuldenkrisen beheben?

Unsere marode Finanzlage ist nur ein Symptom eines systemischen Fehlers. Wir brauchen mehr Wirtschaftswachstum, als spontan entsteht. Wenn die Politik dies wirklich will, werden wir die aktuelle Krise (Eurokrise Herbst 2011) einigermaßen ungeschoren überstehen. Dazu brauchen wir vor allem paneuropäische Solidarität, denn nur gemeinsam können wir den Marktkräften noch einmal die Stirn bieten. Da es sich aber um einen systemischen Fehler handelt, wird auch dann die nächste Krise nicht lange auf sich warten lassen. Und ob wir die dann auch noch überstehen können ist mindestens fraglich. Wir brauchen eine Lösung für das Problem des zu geringen Wirtschaftswachstums. Ich werde im Folgenden eine Idee einer solchen Lösung erläutern.

Wachstumszwang

Die gegenwärtige Krise ist letztendlich eine Wachstumskrise. Der aktuelle Auslöser, der das Überschuldungsfass zum Überlaufen gebracht hat, war die Subprime Finanzkrise 2008. Diese zwang die Staaten, sehr große Summen auf Kredit in das Finanzsystem zu pumpen. Dies führte zur Überschuldung von Staaten, die – wie Irland – vorher eine Mustergültige Finanzpolitik hatten. Doch andere Länder – die großen Volkswirtschaften Europas und auch die USA und Japan – haben schon seit 40 Jahren kein hinreichendes Wirtschaftswachstum mehr gehabt, ohne dieses auf Staatsrechnung herbei zu subventionieren und somit immer größere Schuldenberge anzuhäufen.

Ich vermute, dass ein Grund für das schwindende Wachstum das Easterlin-Paradox ist: Steigendes Einkommen lässt die Zufriedenheit der Bürger wachsen, doch ab etwa 20.000$ pro Kopf Bruttoinlandsprodukt lässt dieser Effekt stark nach. Offenbar treten ab diesem Punkt andere Dinge in den Vordergrund. Die Menschen wünschen sich mehr Freizeit, bessere Arbeitsbedingungen, Sicherheit usw.. Das Wachstum lässt nach.

Wirtschaftswachstum ist für uns vor allem aus zwei Gründen wichtig: 1. Arbeitsplätze und 2. Investitionen.

  1. Der technische Fortschritt und die fortwährende Optimierung von Unternehmensprozessen erhöhen dauernd die Produktivität. Daher braucht es immer weniger Arbeitskraft um das gleiche herzustellen. Das bedeutet, dass ohne Wirtschaftswachstum die Arbeitslosigkeit steigt.
  2. In einer Marktwirtschaft wird nur in etwas investiert, wenn damit die Erwartung verknüpft ist, dass die Investition gewinnbringend ist. Wenn die Wirtschaft aber nicht wächst sinkt die Gewinnerwartung von Unternehmen. Gesamtwirtschaftlich können Investitionen in einer Gesellschaft mit geringem oder ohne Wirtschaftswachstum nur noch auf die Rendite spekulieren. Im schlimmsten Fall kommt es zu Deflation und Kontraktion der Wirtschaft.

Dynamischer Tarif

Ich habe bereits in einigen Artikeln ein spezielles Tarifgesetz erörtert. Ich halte es für möglich, dass ein solches Verfahren beide Probleme lösen könnte. Einerseits würde es für eine Verteilung der verbleibenden Arbeit sorgen, andererseits ließe sich durch adäquate Anpassung des Tarifs ein Ausgleich zwischen Angestellten und Investoren erreichen, der beide Parteien an der Wertschöpfung partizipieren ließe.

Nach dieser Regel wäre der Stundenlohn abhängig von der Wochenarbeitszeit. Je mehr jemand arbeitet, desto mehr verdient er pro Stunde. Natürlich müsste die Arbeitszeit langfristig und über alle Stellen (wenn jemand mehrere Jobs gleichzeitig hat) gemittelt werden. Auch müsste es einen Ausgleich für die Länge der Ausbildung geben. Etwas genauer ist das hier erläutert.

Verteilung der Arbeit

Dies würde dazu führen, dass die Unternehmen dafür sorgen, dass die zu erledigende Arbeit optimal verteilt würde. Denn die Unternehmen hätten ja ein Interesse, möglichst viele Menschen möglichst wenig zu beschäftigen. Heute ist umgekehrt. Unternehmen versuchen, das optimale Personal zu finden und dies möglichst viel arbeiten zu lassen.

Dieser flexible Tarif ist aber etwas völlig anderes als die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Denn der tatsächliche Lohn und die Arbeitszeit wird ja individuell ausgehandelt. Besonders produktive Mitarbeiter würden demnach etwas mehr arbeiten und auch mehr verdienen. Es ist auch anzunehmen, dass Führungspersonal mehr arbeitete und mehr verdiente, denn Führungskräfte arbeiten auch heute im Schnitt mehr als Mitarbeiter ohne Personalverantwortung. Das müsste natürlich nicht so sein, und vielleicht würden Unternehmen das entsprechende Einsparungspotential auch ausschöpfen – was zweifellos im Sinne einer weniger hierarchischen Gesellschaft wäre.

Insgesamt ist allerdings anzunehmen, dass Arbeitnehmer im Schnitt etwas weniger verdienen. Denn es würden ja im Gegensatz zu heute alle Arbeitswilligen in die Arbeitswelt einbezogen. Der heute nur an einen Teil der Arbeitnehmerschaft ausgezahlte Gesamtbetrag würde auf mehr Menschen verteilt werden.

Dadurch, dass Unternehmen zur Kostensenkung jederzeit interessiert wären, neue zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, würden sich andererseits zahlreiche positive Effekte für Arbeitnehmer ergeben. Dies ist ein Schwerpunkt dieses Artikels.

Das tatsächliche Lohngefüge hinge von der genauen Gestaltung der Abhängigkeit von Lohn und Arbeitszeit ab. Wenn bei steigernder Arbeitszeit der Stundenlohn zu stark stiege, würden alle Mitarbeiter eines Unternehmens gleich lange arbeiten und gleich viel verdienen, eine Individualisierung gäbe es nicht. Ist der Anstieg zu schwach, tritt der Arbeitsverteilungseffekt nicht ein. Hier muss der richtige Mittelweg gefunden werden. Dies ist die Steigung der Lohnkurve.

Verteilung der Wertschöpfung

Nun kann man auch die Durchschnittshöhe der Lohnkurve ändern. Wenn bei gleicher Arbeitszeit ein höherer Stundenlohn gezahlt wird sinkt die Rendite der Investoren und das Einkommen der Arbeitnehmer steigt. Wenn bei gleicher Arbeitszeit weniger verdient wird verhält es umgekehrt, die Investoren profitieren mehr.

Über diesen Hebel – die Durchschnittshöhe der Lohnkurve – könnte die Investitionsrate ziemlich direkt beeinflusst werden. Die Steigung der Lohnkurve könnte von einer Instanz vergleichbar den Zentralbanken oder von der Regierung festgelegt werden.

Ihre Höhe könnte von der Regierung oder in freier Verhandlung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern festgelegt werden. Es ist durchaus auch denkbar, wie heute nach Branchen unterschiedliche Tarife festzulegen. Allerdings müssten anders als heute alle Arbeitsverhältnisse einem derartigen Tarif unterliegen. Auch sollte die Höhe der Lohnkurve einen automatischen Inflationsausgleich enthalten, das heißt sie sollte immer relativ zum Wert eines Warenkorbes ausgedrückt werden. Letzteres würde allerdings erfordern, dass sie auch mal sinken kann, was bei heutigen Tarifen nicht der Fall zu sein scheint.

Krisenresistenz

Wenn nun das Wirtschaftswachstum schwächelt müssten die Höhe der Lohnkurve sinken, entweder durch politische Festlegung oder in wie entsprechenden Verhandlungen bestimmt. Es würde zu keinem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen, allerdings würden die Arbeitnehmer weniger einnehmen und vermutlich müssten auch die Investoren etwas zurückstecken. So ließen sich auch ohne oder mit geringem Wirtschaftswachstum Dividenden hinreichende Renditen erzielen ohne dass dabei die Arbeitslosigkeit zunähme.

20 Gedanken zu „Wachstum mussnich kannaber“

  1. Mir ist der Ansatz zu theoretisch. Es hört sich sehr nach Laborversuch an, da die Arbeit nicht so eindimensional verteilt werden kann. Lediglich nach Angebot und Nachfrage. Für sehr viele Ergebnisse ( das ist das was bei der ganzen Mühe raus kommt) benötigt man nicht einfach nur eine bestimmte Anzahl an Stunden sondern ein Team mit entsprechenden Kompetenzen und Kommunikation. Das kann man nicht auf beliebig viele Köpfe aufteilen, dann sinkt in der Regel die Qualität. Man muss sich auf einander verlassen können, das erfordert verlässliche Kollegen. Bei einer großen Flexibilität schwer vorstellbar.

    Außerdem widerspricht eine große Flexibilität den Grundbedürfnissen der meisten Menschen. Die überwiegende Mehrheit der Menschen möchten Wissen wie ihre Zukunft aussieht. Also was Sie nächste Woche tun und nächstes Jahr usw. Sie benötigen ein verlässliches Einkommen um privat planen zu können (z.B. Schulden für Hausbau und Ähnliches). Diese Aspekte lassen sich beliebig fortführen….

    Arbeit ist kein Verteilungsproblem. So einen Ansatz ist nicht durchsetzbar, selbst wenn er eine theoretische Prüfung bestehen würde, dann sind da noch unzählige Fragen zur Lebensgestaltung. Darüber hinaus halte ich die Idee für zu kompliziert und zwar im Sinne von: Es ist nicht einfach genug. Einfachheit scheint mir das Stichwort zu sein. Gute Konzepte sind vor allem einfach, leicht zu verstehen und umzusetzen. Meiner Meinung nach sollte die Grundsätzlichen gesellschaftlichen und politischen Fragen unter diesem Aspekt betrachtet werden. Welcher Ansatz ist pragmatisch? Wie geht es einfacher? Im Moment fügen wir immer nur mehr Komplexität hinzu. Wir müssen sie herausnehmen. Der erste Schritt wäre hier einen Konsens zu schaffen, der möglichst breit ist und dann so viele Bereiche vereinfachen wie möglich. Steuererklärung auf dem Bierdeckel und so weiter…

    1. Hi Margret, freut mich, dass Du hierher gefunden hast. Und dass Du gleich so fundierte Dinge schreibst, freut mich noch viel mehr.

      Das ganze Zeug was ich dazu geschrieben habe war mal als Gedanken-Experiment einer Systemalternative gedacht. Ich wollte zeigen, dass man die Dinge auch völlig anders sehen kann und völlig anders über Gesellschaft nachdenken kann. Jenseits tradierter rechter und linker, reaktionärer und progressiver Ideen. Ich wollte Denkanstöße. Und ich wollte ein Modell für mich. Ich wollte nicht immer nur sagen, dass das, was wir haben schlecht ist, ich wollte auch mal einen Vorschlag machen, wie man manches besser machen könnte. Das zum Hintergrund. Aber ich schreibe auch nicht nur was mir gerade in den Kopf kommt, ich glaube auch ein Stück weit daran (wird immer schlimmer). Also zur Sache.

      Mir ist klar, dass eine 15 Stunden-Woche in einer komplexen Arbeitswelt unproduktiv ist. Daher schreibe ich im Originaltext auch, dass die Arbeitszeit langfristig gemittelt werden muss. Es muss natürlich mal möglich sein, zwei Jahre 40 Stunden zu arbeiten ohne unbezahlbar zu werden. Aber dann muss man auch mal wieder andere ran lassen.

      Natürlich widerspricht Flexibilität den Grundbedürfnissen vieler Menschen. Doch das ist ein Trade-Off. Ich gehe davon aus, dass Erwerbsarbeit in diesem Jahrhundert stark an Bedeutung verlieren wird. Ich kann das ebensowenig beweisen wie Du das Gegenteil. Wenn man meine Prämisse annimmt geht die Bedeutung dieser Flexibilität zurück. Und erst durch die Annahme dieser Flexibilität bekomme ich Planungssicherheit. Heute sind die meisten Menschen von existenzbedrohendem Jobverlust bedroht. Das wäre bei allgegenwärtiger Verfügbarkeit von Erwerbsarbeit ausgeräumt.

      Ich will nichts durchsetzen. Wenn jemand obige Idee durchsetzen wollte, wäre ich sein größter Gegner (naja, das ist überspitzt, aber ich wär dagegen). Durchsetzen ist hoffentlich bald Geschichte. Ich glaube, wir sollten uns unsere gesellschaftliche Organisationsform selbst wählen können. Das Netz macht es möglich, Staat und Geografie zu trennen. Die einzige Ausnahme davon ist Kommunalpolitik und selbst die ließe sich reduzieren. Ich nenne diese metageografische Gesellschaftsorganisation Metaverfassung oder Mosaikgesellschaft. Schon im 19. Jahrhundert wurde das als Panarchie gefordert (bin ich später drauf gestoßen). Gerade obige Idee beißt sich mit der Mosaikgesellschaft, ist mir klar. Wenn sich irgendwas von meinen Ideen lupenrein umsetzen ließe, wäre ich ziemlich überrascht.

      Das vorgeschlagene Tarifsystem ist ein Aspekt meines Gesamtentwurfs. Zur Evaluation der Einfachheit sollte das Gesamtsystem betrachtet werden. Das vorgeschlagene Tarifsystem erlaubt eine gesteuerte Verteilung des Volkseinkommens zwischen Investoren und Arbeitnehmern und kann so große Teile des Steuerrechts obsolet machen (ich schlage tatsächlich einen völligen Verzicht auf Steuern vor, schon aus Gründen der Initialen Umsetzbarkeit). Es erlaubt einen starken Rückbau des Sozialsystems und könnte dort zu massiven Vereinfachungen führen. Ich fordere noch einen Haufen anderes Zeugs, dass ich auch für vereinfachend halte.

  2. „Viele Köche verderben den Brei“ – das war so meine erste Assoziation zu deinem Vorschlag. Als nächstes fand ich es bedauerlich, dass der Wachstumszwang so fraglos voraus gesetzt wird. Ein Wirtschaftssystem, dass als „systemischen Fehler“ einen Ressourcen-vernichtenden Wachzstumszwang beinhaltet, weil es bei Null-Wachstum oder gar Schrumpfung nicht funktioniert, ein System, das den technischen Fortschritt nicht zur Entlastung der Menschen nutzt, sondern allein zur Maximierung von Profit – warum dem noch Futter geben, indem man auch noch die restlichen Arbeitsverhältnisse von einiger Stabilität atomisiert?

    Jetzt bin ich selbst im von mir an anderem Ort kritisierten „geht-nicht-weil-Modus“ – und ich erkenne deinen Wunsch nach einer eigenen Alternative durchaus an. Aber an dieser Stelle halte ich mein „geht nicht weil“ für nicht weiter schädlich, denn: kostet es nicht einfach nur nutzlos Lebenszeit, sich systemische Veränderungen auszudenken, die vielleicht irgendwann mal ein etablierter Weltstaat andiskutieren kann – die aber momentan doch komplett unumsetzbar sind?

    Und noch etwas: Ich halte das klassische Angestelltenverhältnis für ein Auslaufmodell. Der Trend zu Minibelegschaften mit Projekt-orientierter Mítarbeit von Freien/Selbstständigen ist ungebrochen. Am unteren Ende sind Minijobs seit Jahren Praxis, und der Weg in die Selbständigkeit wird seit Jahren sogar von der „Arbeitsagentur“ unterstützt.
    Wie aber will man Selbständigen vorschreiben, zu welchem Stundenlohn sie wie lange arbeiten dürfen?

    „Das vorgeschlagene Tarifsystem ist ein Aspekt meines Gesamtentwurfs.“

    Wirst du ihn der UNO schicken? Oder der Piratenpartei? 😉 Im Ernst: ich glaube nicht mehr daran, dass man einen „stimmigen Gegenentwurf“ fürs große Ganze haben muss, um sich sinnvoll und legitim zu engagieren. Bzw. ich denke, dass das sogar lähmen kann. Es sind schon viele Streiter für eine bessere Welt im Streit ums Gesamtkonzept versackt…

    „Es würde zu keinem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen“ schreibst du am Ende. Es zählt zu den Verrücktheiten unserer Zeit, dass sie Arbeit an sich schon als Wert ansieht – unabhängig von jeglicher Sinnhaftigkeit. Dass die Produktivität pro Arbeitsstunde extrem gewachsen ist, sollte den Menschen mehr Zeit geben: Zeit für Muße und Besinnung, für spielerisches Lernen und Erkunden, für den Kontakt mit der Natur, körperliche Bewegung, Pflege von Beziehungen und Hobbys, für Kunst und Kultur.

    Statt dessen wird weiter malocht, das Kapital sammelt sich oben an und vagabundiert als notleidendes Kapital um die Erde, immer auf der Suche nach der profitableren Anlage oder dem aktuell sicher scheinenden Hafen. Mit all den zerstörerischen Wirkungen, die wir jetzt in der Zuspitzung der Krise sehen und noch sehen werden.

    Ein anderes Tarifsystem reicht da als Pflaster nicht.

    1. Unter meinen Artikeln ist „geht nicht weil“ Pflicht. Meinst Du, mir ist nicht klar, dass das alles absurd wirkt? Danke, dass Du mir die Chance gibst, mich zu erklären.

      Einerseits kritisierst Du die vielen Köche und die Atomisierung der restlichen stabilen Arbeitsverhältnisse, andererseits sagst Du selbst: „Der Trend zu Minibelegschaften mit Projekt-orientierter Mítarbeit von Freien/Selbstständigen ist ungebrochen“. Ich stimme letzterer Beobachtung zu und diese ist meiner Ansicht nach mit dem Tarif vereinbar. Wie gesagt, man muss natürlich 40 oder auch 60 Stunden Arbeiten können. Aber nicht 40 Jahre. Und ja, man muss den Selbstständigen diesen Tarif aufzwingen, wenn man die Tarif-Idee für sinnvoll hält. Selbstständig, angestellt … der Übergang ist fließend und nur eine Frage der Rechtsform. Ich sehe da kein legislatives Problem, wenn man nicht von vornherein von unserem Rechtsmodell ausgeht.

      Ich mache zahlreiche Vorschläge, von denen ich annehme, dass sie zu riesigen volkswirtschaftlichen Effizienzsteigerungen führen würden. Das bedeutet ganz viel Freizeit (Entlastung! Zeit, Kultur zu schaffen, für die ich an anderer Stelle Freiheit fordere). Ich stimme Dir voll zu und finde diese Aussicht toll (unter anderem weil ich ganz grässlich faul bin). Die verhältnismäßig wenige Arbeit, die verbleibt muss meiner Ansicht nach vorerst verteilt werden. Ich halte es für wahrscheinlich, dass in 100, 200 Jahren Arbeit ein eher seltenes Privileg ist und sich unsere Kultur diesbezüglich gewandelt haben wird. Doch heute ist für viele Menschen Arbeit teil der Menschenwürde. Wenn ich allen ihre Würde lassen will, bleibt nur Verteilung … wenn denn meine Annahme richtig ist, dass die durchschnittliche Lebensarbeitszeit stark zurück geht und schon heute massiv künstlich aufgebläht ist. Also ja, Du hast im Prinzip recht, aber ich gehe davon aus, dass wir einen Übergang brauchen. Erwerbsarbeit als Lebensinhalt muss zurückgefahren werden. Sofortiges Umschalten erzeugt viel Unglück.

      Das böse Kapital, der schändliche Profit … ja schlimm alles. Wär schön wenns anders ginge, auch da stimme ich zu. Und wenn mir jemand erklärt wie, und ich das „wie“ glaube, bin ich dabei. Bisher ist dieser Fall noch nicht eingetreten. Und solange setze ich auf Marktwirtschaft. Aus Pragmatismus, in Ermangelung einer überzeugenden Alternative.

      Vor gut 10 Jahren hat mir die gesellschaftliche Visionslosigkeit zugesetzt. Mein gesamtes Umfeld kritisierte dauernd unser System und ich vorneweg. Aber Alternativen konnte keiner benennen. Also habe ich beschlossen, mir selbst was auszudenken. Na und? Es gibt Hobbys, die noch weniger bringen. Ich mache auch Musik. Das bringt mir persönlich mehr, aber ich glaube der Gesellschaft weniger. Es gibt Leute, die bauen Modelleisenbahnen, ich baue Utopien. Und seit ich vom reinen Ausdenken verstärkt aufs publik machen umgeschwenkt habe (seit gerade einem Jahr) sehe ich, dass meine spinnerten Ideen was bewegen. Ich kenne eine Frau, die glaubt was ich schreibe. Das gibt ihr etwas Hoffnung. Hoffnung, dass eine bessere Gesellschaft möglich wäre. Ich gebe mir übrigens selbst auch diese Hoffnung. Und andere Leute setzen sich damit auseinander. Du zum Beispiel. Du denkst über Ideen nach, über die Du nicht nachgedacht hättest, wenn ich sie nicht aufgeschrieben hätte. Du siehst Ideen jenseits althergebrachter Ideologien. Heute ist das nicht mehr so ungewöhnlich, aber als ich vor zehn Jahren angefangen habe kannte ich praktisch nichts, keine Alternativen jenseits von rechts und links. Mir ist es das wert.

      Übrigens ist das natürlich umsetzbar, wozu sollte ich mir sonst die ganze Mühe machen 🙂
      Ich glaube nicht daran, eine bessere Welt anderen aufzuzwingen. Egal ob es sich um meine oder jemand anderes bessere Welt handelt. Die meisten gesellschaftlichen Aspekte sind heute dank des Netzes von der Geografie entkoppelt. Ich werde versuchen, Leute zu überzeugen. Sollte mir das gelingen, werden diese Menschen eine Organisation gründen. Diese wird nach und nach Schwächen unseres Systems auszugleichen Versuchen (z.B. Schwächen des Sozialsystems). Diese Organisation wächst hoffentlich. Wenn sich zeigt, dass diese Organisation, die natürlich nach heute utopischen Regeln funktioniert, wenn sich zeigt, dass die eine stabile Gesellschaft mit allen relevanten Aspekten bildet und wenn das System funktioniert, dann können immer mehr staatliche Aufgaben übernommen werden. Gleichzeitig werde ich versuchen, Leute mit anderen Ideen zu überzeugen, dasselbe zu tun und andere alternative Organisationen zu bilden. Wenn meine Ideen scheitern funktionieren vielleicht die von jemand anderem, z.B. eine LSN basierte Gesellschaft, und dann kann ich mich da anschließen. Und wenn es genug solche Organisationen gibt, und diese erfolgreich sind, dann können wir uns auch von unserem historischen Nationalismus emanzipieren.

      Du siehst, ich bin ein viel schlimmerer Spinner, als Du dachtest.

  3. Den Aspekt, dass es nicht sinnvoll ist seine Zeit mit Utopien zu verbringen finde ich sehr wichtig und stimme überhaupt nicht zu. Wenn wir das nicht tun können wir uns nicht weiterentwickeln. Wir brüten viele Ideen aus, die zu nichts führen oder falsch oder nicht umsetzbar sind ….oder …oder… Aber irgendwann ist dann mal eine dabei die gut ist und umsetzbar usw. Und die Gehör findet und dann passiert etwas. Das ist wirklich seeeeeeeeeehr wichtig. Wir sollten mehr Zeit damit verbringen. Viel mehr!

    In meiner Antwort auf die Wurzelbehandlung zur Finanzkrise vertretet ich die Meinung, das unser Wohlstand auf der Ausbeutung der Armen basiert. Ich gehe noch weiter, unser ganzes Gesellschaftssystem basiert darauf. Wir sind darum bemüht Profit zu machen und tun dies in aller Regel auf Kosten anderer. Dies trifft auch auf den Erwerbsbereich zu. Um eine sinnvolle Verteilung der Arbeit zu erreichen muss diese Prämisse (Gewinnstreben, ohne Wachstum geht es nicht, Ausbeutung der Armen) vollständig aufgegeben werden. Besonders die Ausbeutung der Ressourcen unseres Planeten muss gestoppt (idealerweise umgekehrt) werden. Sonst machen wir uns mittelfristig eh selbst den gar aus:-) was dann wieder ne Menge Probleme lösen würde.

    Meine Idee zu einer möglichen Utopie ist ein Lebenskonto zu haben. Jeder Mensch bekommt bei seiner Geburt ein Konto. Drücken wir es der Einfachheit halber mal in Geld aus. Es werden 100 Jahre angenommen und der Mensch bekommt pro Jahr eine Summe mit der er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, soll, muss, darf und die jährlich „ausgezahlt“ wird. Die Summe sollte ausreichen um ein sorgenfreies Leben zu führen. Kleidung, Wohnung, Auto, Urlaub, Gesundheitsversorgung – um im Bild von heute zu bleiben. Dafür muss er einen sinnvollen Beitrag leisten. Arbeiten. In der Landwirtschaft zur Erzeugung der notwendigen Lebensmittel oder bei einem Sportschuhersteller um die Menschen mit Laufschuhen zu versorgen…… Es würde mich interessieren ob die Neigung der Menschen sich mit überflüssigem Luxus zu umgeben dann abnimmt (Diamanten, die 5te Winterjacke, Dingen entsorgen obwohl sie noch einen Gebrauchswert haben). Ich glaube es wären immer genug Arbeitskräfte da, weil ein Grundbedürfnis des Menschen ist, etwas sinnvolles zu tun, gebraucht zu werden. Die vorausbezahlte Summe würde von den Menschen so eingesetzt werden ein möglichst gutes erfülltes Leben zu führen. Ich denke es ginge mehr in Richtung Tauschhandel, da jeder die gleichen Voraussetzungen hat. Es gäbe trotzdem weiter Anführer, weil manche Menschen eben gerne anführen. Nur die Kriterien für deren Wahl würden sich wahrscheinlich wandeln, da es nicht mehr um Profitmaximierung geht. Man müsste das kommunistische Problem lösen. Planwirtschaft und gerechte Verteilung aus sich selbst heraus funktioniert ja nicht.

    Anscheinend ist es ja so das die Wirtschaft davon profitiert das einige Wenige sehr großen wirtschaftlichen Erfolg erzielen können. Die tun dann alles um dieses Ziel zu erreichen und bringen in der Gruppe dann die Wirtschaft voran. Für das von mir vorgeschlagene System benötigen wir andere Motivatoren als mehr Geld und Wohlstand. Wir benötigen eine Umdefinition unserer Statussymbole. Diejenigen in unserer Gesellschaft, die schon soweit sind müssten mehr Bedeutung bekommen als die jetzt Mächtigen (die mit dem Geld). Diese Utopie ist natürlich noch etwas wage formuliert aber zu viele Vorgaben schaden wahrscheinlich eher.

    Die wichtigsten Aspekte im menschlichen Leben sind frei nach Maslow und wohl auch sonst die Sicherstellung der Grundbedürfnisse und die Selbstverwirklichung. Wenn man dies nicht auf die Ausbeutung einer Bevölkerungsmehrheit fußt kann ein neues Gesellschaftssystem und Wirtschaftssystem gelingen. Wir (Menschen) müssten uns von vielen Ideen verabschieden, die unser Leben und unsere Lebensentwürfe bisher geprägt haben. Aber das würde dann jede Menge Raum für Neues schaffen. Ich bin sehr optimistisch, dass ne Menge Gutes dabei raus kommen würde. Besonders wenn wir Menschen das als erstrebenswert deklarieren würden. Es kling sehr verlockend für mich. Damit würde ich am liebsten gleich anfangen:-)) Aber der Leidensdruck der Menschheit ist wohl noch nicht groß genug um solche Utopien anzugehen.

    1. Ein Wirtschaftssystem hat zwei Aspekte von herausragender Bedeutung: Verteilung und Steuerung. Die Kritik an der Marktwirtschaft – auch Deine – bezieht sich (zurecht) meist auf die Verteilungsfrage. Alternativ-Entwürfe beleuchten entsprechend meist die Verteilungsfrage. Ich glaube, die Verteilungsfrage ist lösbar. Es gibt dazu einige Ansätze und viele davon – auch Deiner, wobei da einige Fragen zu klären wären – würden wohl funktionieren. Verteilung hat z.B. im Sozialismus hinreichend funktioniert.

      Das große ungelöste Problem ist die Steuerung der Wirtschaft. Auch Dein Ansatz bietet dazu wenig. Ich werde mal demnächst einen Blog-Artikel dazu schreiben, wieso ich Marktwirtschaft trotz allem für den größten Hoffnungsträger der Wirtschaftssysteme halte. Hier führt das zu weit. Aber auf einige Aspekte, die Du angeschnitten hast gehe ich kurz ein.

      Statussymbole sind kein inhärentes Problem der Marktwirtschaft sonder ein kulturelles. Ein sehr großer Teil des Wahnsinns, den wir anrichten, rührt daher, dass Geld das absolute und alleinige Maß aller Dinge ist. Dass das schief geht kann eigentlich kaum wundern. Ich bezweifle, dass irgendein Maßstab in so grotesk übertriebener Anwendung kein Übel anrichten würde. Mein Versuch, dem entgegen zu wirken ist KiIsWhoWi.

      Das größte Problem der Marktwirtschaft ist meiner Ansicht nach die positive Rückkopplung des „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“. Du hast das oben so beschrieben: „die Wirtschaft davon profitiert das einige Wenige sehr großen wirtschaftlichen Erfolg erzielen“. Ich verstehe leider nicht genügend, woran das liegt. Aber einige Aspekte sind vermutlich folgende:
      – Wer bereit ist, über Leichen zu gehen, wird belohnt (Arschlochselektor).
      – Wer die richtigen Kontakte hat hat einen Vorteil, große Unternehmen haben mehr Kontakte.
      – Wissensvorsprung ist bares Geld Wert, große Unternehmen akkumulieren Wissen während kleine es eher generieren (im Verhältnis zur Belegschaftsgröße).
      – Große Unternehmen minimieren die Transaktionskosten in geschlossenen Wertschöpfungsketten (z.B. kein Marketing, kein Sales).
      – Große Unternehmen können ihre geschlossenen Wertschöpfungsketten schneller justieren (z.B. keine Neuaushandlung von Verträgen kleinerer Unternehmen in einer Wertschöpfungskette).

      All diese Punkte sind Ansatzpunkte um das Problem zu lösen. Einige Punkte adressiere ich meiner Ansicht nach: KiIsWhoWi ist ein Gegenmittel für den Arschlochselektor, Transparenz (ich fordere völlige Transparenz von Unternehmen) ein weiterer. Soziale Netze (gut, kommt jetzt nicht direkt von mir, ich glaub nicht, dass Zuckerberg mein erstes Manifest gelesen hat obwohl es manchmal so aussieht 🙂 ) könnten das ausgleichen. Transparenz gleicht den Wissensvorsprung vollständig aus. Die Vorteile geschlossener Wertschöpfungsketten adressiere ich bisher nicht (abgesehen davon, dass mein gefordertes Propagandaverbot die Marketingkosten allgemein senken dürfte). Vorschläge irgendwer? Ich denke, es würde sich irgendwie lösen lassen.

      Die Ausbeutung ist natürlich ein krasses Problem der Marktwirtschaft. Doch hatte man dieses Problem hier und in Skandinavien schon mal für ein paar Jahrzehnte einigermaßen im Griff. Ich denke da geht noch was. Der hier vorgeschlagene Tarif ist ein Ansatz. Mein Vorschlag der 100%igen Vermögensübetragungs-„Steuer“ ein weiterer. Das sieht für mich lösbar aus.

  4. @schrotie: nichts gegen Spinner, die sich dran machen, auf friedliche Weise die Welt zu bewegen.. das ist immerhin mehr sinnvolle Action als die meisten bringen! 🙂

    Du kennst nichts Besseres als Marktwirtschaft, sagst du. Gleichzeitig willst du Selbständigen ihre Stundensätze vorschreiben (die oft genug gar nicht nach Stunden abrechnen, sondern pauschal). Das ist NICHT Marktwirtschaft, denn in einer solchen ermitteln sich die Preise mittels Angebot und Nachfrage – gehört zu den Basics, ist dir sicher nicht unbekannt. 😉 Und dann wieder sagst du „Ich glaube nicht daran, eine bessere Welt anderen aufzuzwingen.“ Ja was denn nun?

    Auch ist Marktwirtschaft nicht Marktwirtschaft. Es gibt sie mehr oder weniger frei, mehr oder weniger „sozial“. Und wir merken seit den 90gern, dass das „soziale“ der bisherigen Marktwirtschaft ein Geschenk der Wachstumsjahrzehnte in der Nachkriegszeit einerseits und der Block-Konfrontation andrerseits war – nicht etwa ein selbst erkämpftes Gut. Genauso wenig, wie wir die Demokratie erkämpft haben, die uns (bzw. unseren Eltern und Großeltern) von den Siegermächten als „Repräsentative“ beigebracht wurde.

    Das muss jetzt also nachgeholt werden. Erschwert durch den Umstand, dass die zerstörerischen Potenziale der Marktwirtschaft im Blick auf „Nachhaltigkeit“ ja mittlerweile bekannt sind. Firma A bringt ein tolles neues Produkt raus, 20 andere Firmen bauen MeTo-Produkte mit kleinen Unterschieden – Ressourcen und Arbeitskraft für z.B. 1 Mio Produkteinheiten werden in der Produktion verbraten, dann aber werden nur 25.000 verkauft. Der Hype ist vorbei, alle, die sowas haben wollten, haben es – der Rest liegt wie Blei in den Regalen.

    Meine Gedanken hierzu:

    -> in immer „digitaleren“ Zeiten könnte/sollte/müsste der Drang nach materiellen Gegenständen zum Labeln der eigenen Wichtigkeit abnehmen…

    -> der Markt braucht Regeln – und die sollten je nach Eingriffsintensität auch per direkt-demokratischer Diskussions- und Abstimmungsverfahren verabschiedet werden.

    -> Materielle Ressourcen wie Rohstoffe und Energie müssten richtig teuer werden – auch dann, wenn sie ein Konzern selber in Nigeria oder sonstwo aus der Erde buddelt. Dann würden auch die Produkte teurer und pflegen, teilen, umnutzen, reparieren und gebraucht-kaufen & verkaufen wäre wieder sinnvoll und nahe liegend.

    -> Transparenz auf viel mehr Ebenen sollte dem „bewussten Käufer“ mit mehr Wissen zum politischen Einkaufen unterfüttern.

    -> Krasse Reduzierung von Patenten und Urheberrechten bezüglich geistigen Eigentums.

    -> Verregelung und Entschleunigung der Finanzmärkte.

    Jeder dieser Punkte wäre für viele Seiten Text gut. Ich belasse es beim Auflisten..

    @Mary: deine Intention teile ich, deine Idee halte ich für nicht zu den real existierenden Menschen passend. Einerseits schaffen es manche ALG2-Empfänger schon nicht, auch nur die Miete an den Vermieter zu überweisen. Andrerseits kenne ich Menschen, die phasenweise Geld genug hatten, um nach allgemeiner Ansicht „ausgesorgt“ zu haben – nacht etlichen Jahren war es dann aber alle!

    Ob noch irgend jemand die echt unbeliebten Arbeiten machen würde, wenn es keinerlei Anreiz dafür gäbe (außer dem Gefühl, dass das ja einer machen muss), wage ich zu bezweifeln. Und so ein Arbeitszwang gefällt mir in einer Utopie nicht wirklich.

    Woher soll im übrigen das Vermögen kommen, dass du jedem Kind in die Wiege legen willst?

    1. Ich bin verblüfft, wie groß unsere Übereinstimmungen sind. Doch zunächst zu Deinen ersten Absätzen: Sicher, von der reinen Lehre des liberatistischen Anarcho-Kapitalismus halte ich nichts. Ich steh auf Regeln, da bin ich mehr als Deutsch. Und jawoll! Der Markt braucht Regeln. Am besten finde ich solche, die keine Steuerung implementieren sondern eine Selbstorganisation fördern. Mein Tarif ist ein Versuch, durch eine Regel einen freien Markt zu definieren auf dem sich „von selbst“ Löhne und Arbeitszeiten verteilen. Das ist ein Markt, das wird nicht von oben gesteuert. Löhne und Arbeitszeiten werden durch Angebot und Nachfrage geregelt. Kanalarbeiter verdienen besser, weil das weniger Leute machen wollen (behaupte ich mal). Natürlich ist es kein völlig freier Markt, dieser Markt basiert komplett auf einer Regel. So wie der gescheiterte Markt der CO2 Zertifikate auf einer Regel basiert(e?). Aber das ändert nichts daran, dass es ein Markt ist der Markt-Gesetzen gehorcht.

      Dein Beispiel der Überproduktion illustriert ein Problem der Marktwirtschaft. Doch mir scheint, dass das keins der ganz großen Probleme ist und ich glaube auch, dass gerade da Marktwirtschaft tendenziell etwas besser ist als bekannte Alternativen. Ich glaube auch, dass ein Propagandaverbot dem etwas entgegenwirken könnte.

      -> in immer “digitaleren” Zeiten könnte/sollte/müsste der Drang nach materiellen Gegenständen zum Labeln der eigenen Wichtigkeit abnehmen…
      Ja genau, the Key is Who We are 🙂 Nicht böse sein.

      -> der Markt braucht Regeln – und die sollten je nach Eingriffsintensität auch per direkt-demokratischer Diskussions- und Abstimmungsverfahren verabschiedet werden.
      Regeln ja unbedingt, demokratische Diskussion ja, von Abstimmung halte ich nichts. Wir wollns auch mal nicht übertreiben mit der Übereinstimmung.

      -> Materielle Ressourcen wie Rohstoffe und Energie müssten richtig teuer werden – auch dann, wenn sie ein Konzern selber in Nigeria oder sonstwo aus der Erde buddelt. Dann würden auch die Produkte teurer und pflegen, teilen, umnutzen, reparieren und gebraucht-kaufen & verkaufen wäre wieder sinnvoll und nahe liegend.
      Stimme ich zu, hab aber glaube ich keine Lösungsansätze.

      -> Transparenz auf viel mehr Ebenen sollte dem “bewussten Käufer” mit mehr Wissen zum politischen Einkaufen unterfüttern.
      Ja, Transparenz ist eins meiner Schlüsselthemen.

      -> Krasse Reduzierung von Patenten und Urheberrechten bezüglich geistigen Eigentums.
      JA, das ist ein weiteres. Aber den meisten gehe ich da viel zu weit. Wundert mich irgendwie, aber ich glaube es liegt auch daran, dass ich hauptsächlich mit der schreibenden Zunft darüber streite, die sind da eher befangen 🙂

      -> Verregelung und Entschleunigung der Finanzmärkte.
      Tobin Tax wär vielleicht nicht doof. Aber ich glaube mit Transparenz wie ich sie fordere (also völlige Transparenz) wären die meisten Probleme der Finanzmärkte vom Tisch. Diese ganze gegenseitige Bescheißerei basiert zu 99,9% auf Wissensvorsprüngen nimm die weg und der allergrößte Teil der Auswüchse ist weg. Leg den Quellcode der automatischen Handelssysteme offen und die Probleme des automatischen Handels verschwinden (weil es verdammt gefährlich würde, Computer High Frequency Trading machen zu lassen). Wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen gibt es weniger Blasen (die ja gerade auf Unwissen basieren) und somit weniger Crashs.

  5. Schrotie macht den Vorschlag den Stundenlohn zu tarifieren. Dagegen gibt es hier bereits einige Einwände (und ich hätte auch einen substantiellen Einwand). Hier geht es mir aber darum zu überlegen, was (anderes) man besser tarifieren würde. Das heisst, ich nehme die Idee auf und übertrage sie. Da sind viele Dinge denkbar.
    Mein Vorschlag: Man könnte die Energie tarifieren. Je mehr Energie jemand braucht umso exponetiell teurer muss sie werden. Das ist technisch ganz leicht zu machen aber natürlich geht es – wie beim LSN – nicht um Technik. Tarifieren ist eine gute Idee, sie ist über Steuersatzprogression in der Bevölkerung bereits verankert.
    Ich bin gespannt, welche Ideen Ihr dazu habt.

    Durchgedacht habe ich meinen Vorschlag natürlich noch nicht, aber ich werde dran bleiben.

    1. Klingt plausibel und sinnvoll. Ich halte das allerdings für eine im aktuellen System zwar idealistische aber noch borderline-realpolitische Maßnahme, die kurzfristig relevant ist. Es ist möglich, dass Energie in 30 Jahren nicht mehr die Rolle spielt, die sie heute spielt. So ein riesen Schritt ist es nicht vom Zertifikate-Handel dahin.

  6. Wenn wir bei unserer Marktwirtschaft bleiben dann ist tarifieren gut. Wir müssen erreichen, dass die Ausbeutung unseres Planeten und sehr vieler Menschen darauf aufhört. Ein neues Wirtschaftssystem könnte da Abhilfe schaffen unseres ist eh total pervertiert, mit einer Wirtschaft, die von den Finanzmärkten abhängig ist, die von computergesteuerten Käufen und Verkäufen geregelt wird. Rule engines entscheiden über wohl und wehe auf diese Märkten mit direktem Einfluss auf Politik, wirtschaftliche Entscheidungen und vieles mehr. Die Frage ist ja nun wie wir das ändern können.

    Menschen wie wir (die hier diskutieren zum Beispiel) sind nicht machtgeil genug um da einzugreifen. Außerdem sind wir auch nicht selbstverliebt genug. Wir haben Zweifel ob das was wir denken und wollen ausgereift und gut genug ist um es vorstellen zu können. Ich habe auch ernsthaft meine Zweifel ob es sinnvoll ist sich mit Reformen des Bestehenden herumzuschlagen.

    Aber wenn ja dann sollte man mal darüber nachdenken wie wir tarifieren durchsetzen können. Wenn denn Energie mit steigendem Verbrauch immer teuer wird, dann wird das schon eine Menge gute Wirkungen haben. Ich habe nur noch nie gehört, das eine sagen wir mal Partei oder sonst eine Gruppe, damit punkten konnte die Kosten wofür auch immer anzuheben. Wenn wir rauskriegen wie das geht, dann können wir auch mehr erreichen und sicher etwas bewegen.

    1. Ich glaube, der Finanzmarkt ließe sich durch Transparenz in den Griff kriegen. Siehe meine Antwort auf Claudia.

      Ich glaube wie gesagt nicht an Durchsetzen. Jede Instanz, die etwas durchsetzen könnte ist Teil des Problems. Denn so eine Instanz ist zwangsläufig immer eine Machtkonzentration. Egal wie man es anstellt, so eine Machtkonzentration zieht immer die falschen Leute an wie das Licht die Motten. Das ist meiner Meinung nach übrigens der eigentliche Grund für das Scheitern des Sozialismus: es gab nur noch eine hierarchische Machtkonzentration, das kann nur ein Terrorregime werden. Wie auch immer: Menschen, die bereits haben, bietet staatliche Machtkonzentration ein Angriffziel zur Durchsetzung ihrer Interessen. Machtlosen Machtgeilen bietet sie ein Ziel ihre Wünsche. Machtkonzentration ist fast zwangsläufig ein Arschlochselektor. Vielleicht hilft Transparenz, aber ich fürchte sie fördert nur immer geschicktere Arschlöcher zutage.

      Wenn es gelänge, eine Organisation zu bilden, die dieses Problem löst und trotzdem entscheidungsfähig im Sinne der Mitglieder ist, dann wäre diese Organisation sehr attraktiv für genau die richtigem Menschen. Und von denen gibt es eine ganze Menge. Zusammen mit vielen können wir alles schaffen. Wir müssen es nur wollen.

  7. offenbar haben wir vordergründige Einigkeit auf Tarife. Aber wir sind noch nicht so viel weiter mit der Frage was wir wie trarifieren sollten. (ich überspringe mal das borderline-geht-nicht-nützt-nichts). Die Öko-Zertifikat-Geschichte zeigt, dass die Tarifierung als solche Akzeptanz finden kann. Die Ökozertifikate sind aber sinnlos, weil sie sich auf Schadstoffe, statt auf Energieträger beziehen.
    Ich frage mich, inwiefern die Energie ihre Rolle je verlieren könnte. Da wäre ich um Hinweise sehr dankbar.

    Und noch etwas zur Sprache: Der Ausdruck „Macht“ erscheint mir als uns Euphemismus (Hüll- oder Versteckwort), weil Macht als solche und nicht als Ausdruck von Kapital/Energie erscheint.
    „Durchsetzen“ ist schon an „Macht“ gebunden, aber es ist ja nicht nur so gemeint, dass „Mächtige“ etwas durchsetzen, sondern dialektisch, dass bestimmtes Durchsetzen verhindert wird. Wenn viele Menschen nein zu AKWs sagen, wird durchgesetzt, dass es keine AKWs mehr gibt, obwohl keiner „Macht“ hat.

    1. Natürlich wird Energie immer eine Rolle spielen. Heute ist Energie ein limitierender Faktor erstens für unsere Existenz auf diesem Planeten (Umweltzerstörung durch Primär-Energiegewinnung und Kilmawandel durch Verbrennung fossiler Energieträger) und zweitens für unsere Wirtschaft (Energie ist teuer und wird teurer). In dreißig Jahren ist „erstens“ vermutlich gelöst (wenn auch die Lösung nicht unbedingt komplett umgesetzt sein wird, gelöst ist das Problem im Grunde heute schon) und zweitens wird sich zeigen. Wenn man billige Energie in der Wüste aus Sand und Sonne gewinnen kann, kann man mit dem Automationsgrad der in 30 Jahren angenommen werden kann auch gleich noch mehr Energiequellen billig in die Wüste klatschen. Ich vermute, dass Energie dann wieder billiger wird und nicht mehr so eine herausragende Rolle spielt. Vielleicht ist das auch erst in 50 Jahren der Fall oder in 70. Na und? Ich rede hier von grundlegenden gesellschaftlichem Wandel, das dauert Jahrzehnte, da lege ich mein Hauptgewicht nicht auf Dinge, die in Jahrzehnten nicht mehr die erdrückende Rolle spielen wie heute.

      Dein AKW Beispiel ist schon sehr treffend. Die Abschaltung aller AKWs sollte man durchsetzen, da bin ich voll Deiner Meinung (und die ethische Argumentation muss hier genau andersherum laufen, aber lassen wir das). Aber genau dieses „Durchsetzen“ will ich für Utopien nie, nicht und auf gar keinen Fall. Ich will nicht, dass Menschen gezwungen werden den Kapitalismus oder was auch immer abzuschalten. Ich will endlich nicht mehr gezwungen werden, da mitzumachen. Aber ich will auch niemanden zwingen das für sich zu lassen. Wieso glauben fast alle Idealisten, andere mit ihren Ideen zu ihrem Glück zwingen zu müssen? Die einzige Konstante der menschlichen Geschichte ist der Kampf um Freiheit. Komm mir nicht mit „Durchsetzen“.

      1. Lieber Schrotie, wie schon gesagt, ich verwende das Wort etwas anders: nicht „zwingen“ ist hier thema, sondern realisieren, umsetzen, festlegen, einrichten. Es geht nicht darum, dass jemand mitmachen MUSS, sondern darum, dass eine bestimmte Utopie an Bedingungen geknüpft ist, die notwendig erfüllt sein müssen. Wenn wir nicht AKW-verstrahlt werden wollen, dürfen wir nur ganz sichere, also gar keine AKWs bauen. Das ist eine notwendige Bedingung. Niemand MUSS irgendetwas. Aber ich kann natürlich auf das Wort „durchsetzen“ gerne verzichten, wenn Dich das Wort stört 😉

        Zur Energie: Ich weiss nicht genau, was Du mit Sonne, Sand und Wüste meinst, aber ich kann mir keinen Energieträger vorstellen, der nicht monopolisiert werden kann. Ich sehe beispielsweise nicht, warum Erdöl den „Ländern“ gehört, in welchen es hochgepumpt werden kann. Und was immer in welcher Wüste auch immer möglich wird, kann wiederum durch „Länder“ (Staaten, oder was auch immer) monopolisiert werden. Energie ist also in der Tat kein Problem – auch heute nicht. Das Problem ist, dass die Energieträger als Privateigentum „durchgesetzt“ werden.

  8. Durchsetzen: menschliche Gemeinschaft funktioniert nicht ohne Regeln; Beispiel Du sollst nicht töten oder Kinder schänden. Es gibt natürlich noch andere Beispiele. Mindestens muss die Gemeinschaft sich auf einen Mindestsatz an Regeln einigen. Tja und der sollte dann auch wohl durchgesetzt werden….

    In der idealen Utopie ist es wohl nicht nötig solche Regeln aufzustellen weil alle Mitglieder der Gemeinschaft von sich aus edel und diszipliniert genug sind diese Regeln einzuhalten. Hierzu bedarf es mindestens einer Übergangsphase in der alle Mitglieder lernen von sich aus einen wichtigen Basisregelsatz zu respektieren. Manche Menschen möchten evt an der Utopie teilnehmen sind aber nicht in der Lage das ohne Anleitung und Reglementierung zu schaffen.

    Der Homo Utopieticus fällt ja nicht irgendwo herunter. Die Idee von einer idealen Gesellschaft ist aber zu wertvoll um mit so einem Totschlagargument: Komm mir nicht mit durchsetzen. Ewig nur Utopie zu bleiben. Ich finde es ungeheuer wichtig und spannend einen Weg zu finden die Utopie in die Realität zu bringen. Und dann werden einige Dinge wohl durchgesetzt werden. Zum Beispiel, dass kein Individuum oder eine Gruppe basierend auf dem Besitz von Energie, zu viel Macht erhält.

    Energie: hier mit irgendeiner Art von Tarifierug zu beginnen finde ich sehr gut, z.B. die Energiekosten voll auf die Produkte umzulegen. Auch ich bin mir relativ sicher, dass die Menschheit ihre Energieprobleme lösen wird. Andere Dinge wie die Klimaerwärmung und die Tatsache das jedes Wirtschaftssystem auf der Erde auf der Ausbeutung von großen Teilen der Bevölkerung beruhen halte ich für problematischer. Hierfür sehe ich noch nicht mal einen Ansatz…..

    1. Du hast völlig recht, das bestreite ich auch keineswegs. Eine Gemeinschaft muss sich auf Regeln einigen und diese müssen dann durchgesetzt werden. Ich beziehe mich auf folgendes: Man sollte Menschen nicht mehr zwingen, sich einer bestimmten Gemeinschaft anzuschließen und ihren Regeln zu folgen. Das meine ich mit „man darf keine Utopien durchsetzen“. Innerhalb einer (auch utopischen) Gemeinschaft deren Mitglieder sich frei für die Gemeinschaft entschieden haben, geht das in Ordnung, das ist etwas anderes. Denn dann beruht die Durchsetzung schon auf Zustimmung und Konsens. Für Menschen außerhalb der Gemeinschaft gilt natürlich, dass sie ihrerseits nichts gegen Mitglieder der Gemeinschaft durchsetzen dürfen, natürlich auch nicht Mord oder Schändung. Eine sinnvolle Richtlinie ist wahrscheinlich die Maxime der Toleranz: Des einen Freiheit geht genau soweit, wie er die Freiheit des anderen nicht berührt.

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