Eine gewisse surreal gravitätische Erhabenheit

Ein sehr geschätzter Bekannter (hey, was ist mit Deinem Buch, hast Du es schon draußen?) hat mir mal geschrieben, dass er den Titel „Extreme Governing“ blöd findet. Er hat das nicht besonders tief begründet, aber er schrieb, „extrem“ sei auf jeden Fall falsch für einen Titel.

Verdammt! Da hatte er natürlich recht. Ich habe da nie groß drüber nachgedacht, es war zu offensichtlich. „Extrem“ ist falsch. Irgendwie konnte ich mich nicht so recht von dem Titel trennen. Doch ich habe ihn nie wieder verwendet.

Jetzt ist mir plötzlich wieder klar geworden, wieso ich den Titel vor einer kleinen Ewigkeit gewählt hatte. Weil er perfekt ist. Meinen Bekannten habe ich auf „Extreme Programming“ hingewiesen, welches ein kleines bisschen Inspiration für die Ideen hinter „Extreme Governing“ lieferte, und welches dafür eine Referenz im Titel bekam. Doch „Extreme Programming“ ist natürlich nicht der Grund, aus dem „Extreme Governing“ „Extreme Governing“ heißt. Das hatte sich in meiner Erinnerung verklärt.

„Extreme Governing“ ist ein englischer Begriff, kein deutscher. Es ist der Titel eines englischen Büchleins. Ich hatte damals Englisch geschrieben, weil ich glaubte, so mehr Menschen erreichen zu können. Doch später ist mir klar geworden, dass meine Ideen über Kultur und Gesellschaft sehr tief von meiner Kultur und Gesellschaft geprägt sind. Das ist natürlich offensichtlich. Doch ich glaube nun, dass das was ich schreibe wahrscheinlich am ehesten von Deutschen verstanden werden kann, auch wenn meine abartige Form von extremem Liberalismus nicht so gut in meine Kultur passt. Denn was ich schreibe ist so fremd, dass ich Zweifel habe, dass ich meine Ideen überhaupt meinen persönlichen Bekannten verständlich machen kann. Wenn jemand, der meinen kulturellen Hintergrund nicht teilt, dies liest, dann habe ich keine Ahnung, was von dem, das ich eigentlich vermitteln möchte, noch bei ihm ankommt.

„Extreme Governing“ ist also Englisch. Die meisten kennen Begriffe wie „Extreme Skiing“, „Extreme Climbing“, „Extreme Chillen“ oder ähnliches. „Extreme Governing“ klingt nach einer Extremsportart, es klingt wie ein billiger Witz, und hat doch, durch das enhaltene „Governing“, eine gewisse surreal gravitätische Erhabenheit. Und es ist nun mal extrem. Die meisten Ideen sind so weit auf ihr satirisches Extrem zugespitzt, dass sie einzeln betrachtet mehr oder weniger grotesk wirken. „Extrem Governing“ klingt je nach (muttersprachlichem) Zuhörer blöd bis selbstironisch, doch auf keinen Fall ernst.

Und aus diesen Gründen ist der Name perfekt. Nun, wo ich hauptsächlich Deutsch schreibe, hätte ich mir ja mal einen vernünftigen Deutschen Namen ausdenken können. Doch im Deutschen ist „Regierung“ oder „Gesellschaft“ nur schlecht mit Selbstironie zusammen zu bringen. Das wird dann schnell arg platt. Und besser als der perfekte Name würde es kaum. Also bleibt es „Extreme Governing“.

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