Der Tod der Schönheit

Wohl denen, die wie Frederick daheim Schönheit für den Winter gehortet haben. Denn heute ist der Tag, an dem die Schönheit stirbt.

Es ist der 7. November 2015. Anfang Oktober war das Wetter mal etwas garstig, aber in den Wochen bis heute, war es extrem mild und freundlich. Darum und aus anderen Gründen haben viele Bäume ihr Laub bis heute behalten. Es war ein außergewöhnlich schöner Herbst.

“There is so much beauty in the world.” An diesen Satz aus dem Film “American Beauty”, gesprochen zum Home-Video von einer weißen Plastiktüte, die in einem Windwirbel tanzt, an diesen Satz denke ich oft.

Wie jedes Jahr strahlten die hiesigen Ginkos in einem grandiosen leuchtenden Gelb. Große, markant gewachsene Bäume in einem leuchtenden freundlichen Gelb. Die Amberbäume zünden jeder ein eindrucksvolles Feuerwerk über die ganze Palette von Grün über Gelb und Orange zu strahlendem Rot. Eins muss man den Amis lassen. Indian Summer haben sie drauf. Doch selbst unsere Buchenhaine mit eingestreuten Eichen, Eschen und Birken waren diesen Herbst besonders prächtig in satten Farben in der freundlichen Oktobersonne.

Heute, am siebten November, erleben wir das herbstliche Ende einer außergewöhnlichen Hitze-Welle. Über Wochen war es viel zu heiß für die Jahreszeit und gegen Ende dieser Phase purzelten auch Temperatur-Rekorde.

Wir waren heute in Münster. Ich war viel zu warm angezogen. Wir gingen unter einem Ahorn her, der sein spitzblättriges Laub nahezu komplett in kurzer Zeit hat fallen lassen. Aufgrund der extrem hohen Luftfeuchtigkeit der letzten Tage ist das Laub prall und seine Spitzen zeigen überall in surrealer Bedrohlichkeit nach oben. Die Blätter sind von einem schönem blassen Gelb mit Dunkelroten Akzenten.

Ein letztes mal hat die Natur für dieses Jahr einen überraschenden Moment atemberaubender Schönheit mal eben auf die Straße fallen lassen. Denn nun kommt der Herbststurm und bläst die meiste Schönheit für die nächsten paar Monate aus der Natur.

Ich war eben im Garten, es regnet gerade nicht. Es ist jetzt, am siebten November um 23:33 Uhr noch 16°C. Ein seltsam warmer Wind zerrt das letzte Laub von den Zweigen. Es ist ein passend ungewöhnliches Ende für einen Herbst von ungewöhnlicher Schönheit.

Der Wieder-Auftstieg des Faschismus

Wir erleben das Ende der Demokratie und ein Wieder-Erwachen faschistoider Gesellschaftsstrukturen. Diese Entwicklung wird hier von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit einigen Beispielen belegt.

Wir leben in interessanten Zeiten.

Ich habe den Großteil meines Lebens auf einer historischen Insel der Glückseligkeit verbracht. Mit dem Erwachen meines Bewusstseins erwachte auch das Bewusstsein, dass der kalte Krieg bekloppt ist und wir diesen Planeten nicht gar so schnell verbrauchen sollten. Sexuelle Befreiung und eine Welle demokratischer Partizipation in zahlreichen Demos, Streiks, APOs und basisdemokratisch organisierten kleineren Projekten waren zusammen mit vorgenannten Erkenntnissen die Nachwehen der 68er Revolution vor meiner Geburt. Die Ideale von sozialer Marktwirtschaft, Achtung der Grundrechte, Freiheit der Presse und Demokratie waren völlig unantastbar.

Ich habe das Ufer dieser Insel der Glückseligkeit fühlbar verlassen und finde mich nun in einem stetig windiger werdenden Ozean.

Berichterstattung zur Überwachung

Es ist verblüffend, wie stark Medien die Wahrnehmung großer Phänomene und Ereignisse prägen. Nachdem 1989 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zusammenbrach, schwappte eine lange und hohe Welle der Empörung über die Ausforschung der Bevölkerung der DDR durch die Staats-Sicherheit (StaSi) durch Deutschland. Die viel gründlichere Überwachung durch die zeitgenössischen Geheimdienste wird dagegen fast komplett ignoriert.

Wer glaubt, “unsere” Geheimdienste seien im Gegensatz zur StaSi ja nicht böse, der hat sich offensichtlich nicht mit bekannten und allgemein akzeptierten Fakten zu Organisationen wie der CIA befasst.

Der plausibelste Grund für diesen frappierenden Mangel an Empörung über den aktuellen Geheimdienst-Skandal ist meiner Meinung nach das schleichende Ende der Pressefreiheit. Natürlich behält die Pressefreiheit ihre juristisch-akademische Bedeutung. Aber eine nicht ausgeübte Freiheit endet mit dem Ende ihrer Ausübung. Dieses Ende zeigt sich, wenn man sich tiefer mit der Berichterstattung zu einzelnen Themen befasst – wie zum Beispiel dem Ukraine Konflikt, Charlie Ebdo, islamistischem Terror allgemein, der Flüchtlings-Krise, der Subprime-/Finanz-/Staatsschulden-/Griechenland- … Banken(!)-Krise (ist alles eins).

Das schleichende Ende der Demokratie

Ein Drittel bis die Hälfte der Menschen hat das Wählen aufgegeben, weil eine Wahl heute keine bedeutsame Richtungs-Entscheidung mehr ist. Es gibt nur den Weg des Geldes, je nach Geschmack rot oder schwarz lackiert. Der Sozialstaat wurde gründlich entkernt und seine Aushöhlung schreitet zügig weiter voran. Meine nach unvorstellbaren Gräueltaten 60 Jahre lang weitgehend pazifistische Heimat heizt heute kräftig mit bei den prächtig laufenden Geschäften der internationalen Rüstungs-Industrie.

Selbst wenn man all das richtig findet, weil man glühender Anhänger des Neoliberalismus ist, selbst dann muss man besorgt sein über die zunehmende Ermächtigung totalitärer Willkür. Die unstrittig zentralste Funktion des Staates ist die Definition und Durchsetzung des Strafrechts. Auf das es uns Menschen überhaupt möglich wird, gewaltfrei zu interagieren. Dies sind nur mal zwei Beispiele staatlichen Versagens in dieser zentralsten Funktion: Beweismittel aus 1) Haarproben und 2) Drogentests sind Gegenstand völliger staatlicher Willkür.

Damit ist grob geschätzt die Hälfte aller Straf-Verfahren (und in den USA höchstwahrscheinlich noch mehr) deutlich jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter “Rechtstaatlich” vorstellt. In der Schule fing bei 50% glaube ich die Note sechs an. Aber es muss natürlich auch in dieser Anklage gegen den Staat die Maxime “in dubio pro reo” gelten, “im Zweifel für den Angeklagten”. Das Urteil lautet daher, Staat: Fünf minus, setzen.

Die Machtergreifung des Kapitals

Es läuft seit Jahren ein fortwährender Angriff der Wirtschaft auf die Demokratie in Form dubioser Handels-Abkommen. Ein aktuelles Scharmützel in diesem Krieg ist TTP. Hier findet sich eine gute Analyse nur einiger Gründe wieso die 6000 Seiten Vertragswerk in Juristen-Sprache für die Öffentlichkeit nichts Gutes verheißen. Dieses Handelsabkommen mag wie das letzte von der Öffentlichkeit verhindert werden. Doch die Angriffe hören nicht auf. Irgendwann wird ein solcher Angriff erfolgreich sein. Und dann können nationale Parlamente nichts mehr beschließen, was internationalen Konzernen nicht passt.

Tatsächlich gibt es bereits erste Erfolge der Wirtschaft in diesem Krieg vorzuweisen. So verklagen einige Energie-Konzerne die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Energiecharta Vertrages wegen des Atomausstieges. Der vorläufige Erfolg liegt in der Möglichkeit der Klage, der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.

Jedes dieser Handelsabkommen versucht neue derartige Klage-Möglichkeiten zu schaffen. TTP beispielsweise versucht eine Enteignung des so genannten intellektuellen Eigentums der Öffentlichkeit (der “public domain”) durch die Hintertür zu erschleichen (siehe im bereits oben verlinkten Artikel.

Vorrangig geht es bei diesen Handelsabkommen offenbar nicht darum, Handels-Hemmnisse zu überwinden und die Marktwirtschaft zu stärken. Ich bin Teilhaber einer kleinen Firma, die unter anderem mit bestimmten Komponenten handelt, die auch ins Ausland versandt werden. Dies ist für eine kleine Firma ein bürokratischer Alptraum – schon z.B. bei einem Versand von Deutschland in die Schweiz.

Für kleine Firmen stellt dies ein ernstes wirtschaftliches Problem dar – das relativ leicht und wahrscheinlich völlig ohne öffentlichen Protest zu beheben wäre. Doch im Mittelpunkt der Verhandlungen geht es offensichtlich um anderes. Marktwirtschaft findet im Wettbewerb kleiner Firmen statt. Die großen internationalen Konzerne sind geprägt durch Monopole und Kartelle, Lobbyismus und Marketing-Propaganda. Mit Marktwirtschaft hat das alles wenig zu tun, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe.

Es geht den internationalen Multis, die bei den Verhandlungen von Handelabkommen im Gegensatz zu kleinen Firmen mit am Tisch sitzen, nicht um Marktwirtschaft, im Gegenteil. Es geht um die Usurpation nationaler Legislativen durch die mächtigen Rechts-Abteilungen der Multis und um die Abschaffung eines Kernelements der Marktwirtschaft: des unternehmerischen Risikos. Der Marktwirtschaft – kleinen Firmen und damit auch unliebsamer Konkurrenz der Multis – bleibt dieser äußerst kostspielige Klage-Weg verschlossen. Damit ergaunert sich das große Geld einen weiteren unter vielen Wettbewerbsvorteilen. So wird Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Handstreich geschwächt. Der Erfolg dieser Strategie scheint momentan langfristig unausweichlich.

Das klingt alles weit weg für den Otto-Normal-Bürger. Doch wenn z.B. die Klage der Energie-Konzerne gegen Deutschland Erfolg hat, wird Otto-Normal-Bürger für das Privileg des Atom-Ausstieges 4,7 Milliarden Euro bezahlen. Gesetzes-Änderungen sind ohne Zusatzkosten nur noch zu Gunsten der Wirtschaft möglich nie mehr in zu ihrem Nachteil.

Lohnentwicklung und Wohlstands-Schere

Noch drastischer ist die Auswirkung der Wirtschafts-Politik auf das Lohngefüge, und das spüren bereits sehr viele Menschen. Es ist der Wirtschaft gelungen, die Löhne in den alten sozialen Marktwirtschaften in direkte Konkurrenz zu den Löhnen in aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien, Südamerika und Südafrika zu bringen.

Dies ist eigentlich eine positive Entwicklung. So bekommen diese sich entwickelnden Wirtschaftsräume auch endlich eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Und es schadet Deutschland oder anderen alten Nationen mit starker Wirtschaft als Ganzes betrachtet auch nicht. Doch im Zuge dieser Entwicklung ist es gelungen, den dadurch erlangten wirtschaftlichen Gewinn in den Händen weniger zu belassen und die immer breiter werdende wirtschaftliche Unterschicht auszubluten.

Teile und Herrsche

Getreu der alten Maxime “teile und herrsche” werden so – wenn auch vielleicht nicht zentral koordiniert oder auch nur bewusst – verschiedene Fraktionen dieser Unterschicht gegeneinander ausgespielt. Dies findet in regelrechten Medien-Kampagnen (die Nachdenkseiten berichten regelmäßig dazu) gegen so genannte Hartz 4 Schmarotzer, Migranten, Flüchtlinge und besonders gern die Unterschicht anderer Länder (insbesondere in Südeuropa) statt.

Derweil lebt die stetig schwindende Mittelschicht in Angst vor dem sozialen Abstieg unter dem Dauerfeuer medialer Propaganda, die immer wieder neue Kaninchen aus dem Hut zaubert, die angeblich die Schuld an der Misere tragen. Neben den vorgenannten Unterschichtlern auch “feindliche” Konzerne wie Google und Uber, Russen, Moslems … alle außer denen, die fortwährend den Reichtum anhäufen, den die anderen Schichten vermissen.

Die politischen Entscheider und Wirtschaftsführer finden sich unterdessen in eitler Interesseneinheit, dem Interesse an einem ordentlichen Happen von diesem Reichtum. Während Wirtschaftsführer direkt mit Millionen für ihre moralischen Verfehlungen entschädigt werden ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass hochrangige Politiker nach ihrer politischen Karriere mit hoch dotierten Pöstchen für ihre Gefälligkeiten bedacht werden. Dies und die enorme Macht des Lobbyismus sorgen dafür, dass die Politik der Wirtschaft immer weniger in die Quere kommt.

Die ultimative Propaganda-Maschine

Was für die Politik die Lobby ist für das Demos, das Staatsvolk, die Werbung. Deutsche sind heute jeden Tag durchschnittlich 10 Stunden dem Dauerbombardement mit wirtschaftlicher Propaganda in Form von Werbung ausgesetzt, davon allein 4 Stunden Fernsehen in der Freizeit und noch mal so lange Radio am Arbeitsplatz. Deutsche Gesetze schreiben z.B. bei Fernsehen (noch!) vor, dass vier Fünftel des Programms dem Zweck dienen müssen, die Aufmerksamkeit des Publikums für die Propaganda abzugreifen, während “nur” ein Fünftel der Zeit für die eigentliche Propaganda verwendet darf. Macht zwei volle Stunden reine Propaganda-Berieselung für jeden Bürger vom Kleinkind bis zum Greis, jeden Tag, 24/7.

Doch es ist allgemein bekannt, dass auch die anderen vier Fünftel des Programms zumindest teilweise den Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, gilt es doch ein attraktives Werbeumfeld zu schaffen, und eine attraktive Werbe-Zielgruppe anzuziehen.

Die allgegenwärtige und hoch wirksame Wirtschafts-Propaganda, vulgo “Werbung”, ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich dem einen eigenen Artikel gewidmet habe. Im Zusammenhang mit dem Wieder-Aufstieg des Faschismus bleibt fest zu halten, dass wir täglich rund zwei Stunden mit der Aufnahme lupenreiner pro-Wirtschaftlicher Propaganda beschäftigt sind und den größeren Teil unseres wachen Lebens entweder mit der Vorbereitung auf diese Propaganda oder ihrer Aufnahme beschäftigt sind. Historische faschistische Regime haben von einer solch umfassenden und allgegenwärtigen, bereitwillig aufgenommen Propaganda wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Der rote Faden

Es zieht sich ein roter Faden durch all diese Entwicklungen: Es ist die Machtergreifung des großen Geldes. Und es ist dies in dieser Ausprägung ein historisches Novum. Es gab z.B. auch im 19ten Jahrhundert mächtige Kapital-Konzentrationen wie zum Beispiel das Rothschild-Imperium, welches zu einem guten Teil auf der Finanzierung von Kriegen fußt, oder Standard Oil, Rockefellers Öl-Monopolist.

Doch anders als damals reicht diese Macht heute bis in den letzten Winkel der Gesellschaft. Und obwohl es sicher mächtige Graue Eminenzen gibt und sinistre Verschwörungen unterscheidet sich die Situation gerade hierin von der der vergangen Jahrhunderte: Die Macht wird heute gerade nicht von einem Rockefeller oder einem kleinen Zirkel von Verschwörern ausgeübt sondern von einem Netzwerk, einem System des Geldes.

Das Netz des Geldes

Geknüpft ist dieses Netzwerk aus Geld. Die Handelnden sind keine natürlichen sondern juristische Personen, Firmen, die über gegenseitige Beteiligungen verknüpft sind. Individuen – Politiker, Journalisten, Wirtschafts- und Meinungsführer und alle anderen – sind über ihren Wohlstand und ihr gesellschaftliches Ansehen an dieses Netzwerk gefesselt. Wer sich dagegen zu stellen versucht wird schnell als weltfremd und/oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt und sozial abgewertet.

Dahinter steckt vermutlich kein großer Plan. Wir haben über Jahrtausende ein extrem komplexes Gesellschaftssystem geschaffen, das aus Millionen von Regeln besteht. In Regel-Systemen gibt es Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Manche dieser Rückkopplungen bestehen in sich selbst verstärkenden Effekten. So etwas kennt der Volksmund als “Teufelskreis” oder speziell in Bezug zum Kapital als “Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”. Doch das ist bei weitem nicht die einzige sich selbst verstärkende Rückkopplung in unserem Gesellschaftssystem.

Ein resilientes Gesellschaftssystem

Man muss sich mit dem Prinzip der Rückkopplung auseinander setzen, wenn man die Usurpation durch das Kapital überwinden will. Denn es ist nicht damit getan, ein paar Konzerne zu zerschlagen und ein paar Regierungen auszutauschen. Es ist sicher auch nicht damit getan, das gegenwärtige Oligopol in ein staatliches Monopol zu verwandeln, wie es die Sozialisten fordern.

Wir müssen Regelsysteme finden, die stabiler sind als unser gegenwärtiges. Wir dürfen die Macht nicht sozialistisch konzentrieren, wir müssen meiner Ansicht nach versuchen, was noch nie gelungen ist. Wir müssen die Macht stabil dispergieren. Dazu reicht es nicht, das Regierungssystem zu reformieren. Die Machtergreifung des Kapitals betrifft alle Aspekte der Gesellschaft und die Antwort der Gesellschaft muss ebenso alle Aspekte betreffen.

Da wir mittlerweile eine Informationsgesellschaft sind, kommt dem gesellschaftlichen Umgang mit Information eine besondere Bedeutung zu. Doch diese Problematik ist bei weitem zu komplex, um sie in einem Artikel abzuhandeln. Es ist das Grund-Thema dieses ganzen Blogs (bzw. seiner Artikel aus der Kategorie Utopilotik).

Schluss

Geld regiert die Welt immer absolutistischer. Unsere Gesellschaft schleicht langsam, Schritt für Schritt in eine zunehmend militaristisch, faschistische Zukunft. Wir sind glücklicher Weise noch weit weg von den Schrecken der 30er Jahre. Aber wir sind auch weit weg von den langweiligen 70er und 80er Jahren.

Anhang

Anbei noch einige Fragmente, die ich über einige Zeit zu dem Thema gesammelt habe. Es sind kleine Hinweise, dass vielleicht etwas an der oben von mir ausgebreiteten These dran ist. Man beachte, dass hier ausschließlich Nachrichten aus westlichen Demokratien verwendet werden, die man eigentlich für gefestigt halten sollte. Aus Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei und anderen gibt es noch ganz anderes zu berichten.

Der Begriff „Faschismus“

Zunächst eine Begriffsklärung. Ich verwende den historischen Begriff “Faschismus” hier eher unorthodox. Was wir heute erleben ist etwas historisch völlig Neues, der Begriff passt nicht wirklich. Doch in Ermangelung gängiger Vokabeln für die aktuellen Anti-Demokratischen Tendenzen und den absolutistischen Anspruch des großen Geldes habe ich mich entschlossen, bei dem Begriff zu bleiben. Beim Studium von Wikipedias Definition des Begriffs fallen mir schon eine ganze Reihe Parallelen auf.

Meldungen zum Thema

Cameron Zitat:
For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. This government will conclusively turn the page on this failed approach
“For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. It’s often meant we have stood neutral between different values. And that’s helped foster a narrative of extremism and grievance.
“This government will conclusively turn the page on this failed approach. As the party of one nation, we will govern as one nation and bring our country together. That means actively promoting certain values.
“Freedom of speech. Freedom of worship. Democracy. The rule of law. Equal rights regardless of race, gender or sexuality.
“We must say to our citizens: this is what defines us as a society.”
Der erste Absatz ist ein Zusammenschnitt aus einer Rede von Cameron. Ich habe darunter noch etwas Kontext hinzugefügt aus verfehlter journalistischer Ethik. Ich halte das für bloße Rhetorik. Der relevante Kern der Aussage steckt im Zusammenschnitt. Es genügt nicht mehr, sich ans Gesetz zu halten um nicht Opfer staatlicher Willkür zu werden. Das ist gar keine schlechte Definition für Faschismus. Vom Regierungs-Chef. Für alle künftigen Krisen-Gewinnler wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, den Briten zu ihrer hervorragenden Wahl zu gratulieren 🙂

Zitat Senator und US-Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham:
„If I’m president of the United States and you’re thinking about joining al-Qaida or ISIL — anybody thinking about that?“ he asked to laughs. „I’m not gonna call a judge. I’m gonna call a drone and we’re gonna kill you.“
Wenn Du auch nur darüber nachdenkst, Dich einer “Terror-Organisation” anzuschließen, werde ich keinen Richter rufen sondern eine Drohne und Dich ermorden. Was in meiner Jugend ein Aussage von beängstigender Menschenverachtung gewesen wäre, beschreibt heute sachlich den Stand der Dinge unter Busch und Obama.

Kanada Terror-Gesetze (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Interessant auch, dass der deutsche Qualitätsjournalismus zwar im Vorfeld immerhin leise über das Gesetz berichtet hat, den endgültigen Abschied vom Rechtsstaat im Mai dann aber weitestgehend ignoriert hat.

Australien, Journalisten droht 10 Jahre Knast, wenn sie über Geheimdienst-Aktivitäten berichten.

Eine sehr interessante Analyse darüber, wie moderne Propaganda funktioniert.

Demonstrationsverbot in Spanien, Organisatoren von Demos müssen mit Existenz-Zerstörenden Bußgeldern rechnen (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Siehe auch.

Frankreich Total-Überwachung (vorher schon noch schlimmer als in Deutschland, jetzt noch einmal massive Verschärfung).

Guantanamo hat man von gehört. Andere CIA Folterknäste gibt es in anderen Ländern. Aber selbst mitten in den USA in der Jurisdiktion derselben gibt es einen Knast, der so übel ist, dass Irland einen “Terrorismus-Verdächtigen” lieber nicht an die USA ausliefern wollte.

Kleine obskure Winkelzüge mit gigantischen Effekten in Gesetzen: Ende der 90er Jahre wurde in den USA das Ermächtigungs-Gesetz der Finanz-Industrie gebaut.

Eine empirische Studie aus Princeton belegt in verstörender Klarheit, dass das politische System der USA keine Demokratie (mehr?) ist. Bei uns dürfte es ähnlich aussehen.

Die Verstrickungen der Briten in die Folter-Parties der Amis wurde auf Bitten der Briten aus dem entsprechenden Report entfernt. Begründet wird diese undemokratische Intransparenz, erwirkt auf undemokratischem Weg, mit den gleichen Argumenten wie die Folter Selbst: Innere Sicherheit.

In den USA werden Regelmäßig wichtige Gesetz verabschiedet, von denen die abstimmenden Abgeordneten nichts wissen. Z.B. wurde eine beängstigende Abhörklausel mal eben weitgehend unbemerkt mit dem Budget verabschiedet. Selbst die ohnehin teils alberne Demokratie-Simulation, die regelmäßig vor den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt, wird ist bei näherem Hinsehen löchrig wie ein Schweizer Käse.

“the real dimensions of the US military-intelligence-police-prison complex begin to come into view: a staggering $830 billion, more than 80 cents out of every dollar in the funding bill, is devoted to killing, spying on, imprisoning or otherwise oppressing the people of the world, including the American people.” (Quelle) An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass US-Gefängnisse mittlerweile vielfach kommerziell betrieben werden und ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Menschen einzusperren.

Wer den (fernauslesbaren) Chip auf seinem e-Perso zerstört, muss mit strafrechtlicher Verfolgung und Haft- oder Geldstrafe rechnen.

An east London schoolgirl who was „radicalised“ by Islamic State propaganda provided by her „deceitful parents“ must be removed from her home for her own safety, a judge has said. (Quelle) Das ist eine schwierige Problematik, die mindestens einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion bedürfte. Dem politischen Gegner wegen Gesinnungsverbrechen mal eben die Kinder weg zu nehmen, sollte nicht so einfach möglich sein.

Via Fefe: “Portugals Präsident weigert sich anscheinend gerade, der linken Anti-Austerity-Koalition die Regierungsbildung zu erlauben”

Kommentar Zitat: “This article furnishes additional evidence that democratic regimes tend to fight tyranny by adopting some of its methods.” Die erste Hälfte des Artikels listet diverse Entwicklungen in Europa, die in diese (falsche) Richtung gehen.

Berenike Steiger

Oder Nike, wie sie sich selbst nennt. Es ist schon erstaunlich, wie durch das Weglassen von zwei Silben aus dem altmodisch, schrägen “Berenike” der coole Name “Nike”, Turnschuh-Gigant und Siegesgöttin wird. Mit Turnschuhen hat unsere Nike so weit nicht viel zu tun, aber von der Siegesgöttin hat sie etwas.

Dieser Text steht in meiner Blog-Kategorie “Egotrip”. Das ist ausnahmsweise mehrfach zutreffend. Nikes Reise ist ein monumentaler Egotrip. Sie reist allein. Sie segelt allein.Das muss ich wahrscheinlich etwas ausführen.

Segeln auf dem Meer ist wunderbar. Aber es kann auch sehr schrecklich sein. Ein Sturm auf dem Ozean ist auch mit modernsten Segelyachten immer ein großes Risiko. Es braucht nur einen kleinen Fehler und die Segel oder Stricke werden beschädigt. Und beschädigtes Material bei einem Sturm kann den Tod bedeuten.

Menschen, die allein auf das Meer segeln, müssen ein ganz besonderer Schlag sein. Kommt ein Sturm, können sie glücklich sein, wenn sie nach 48 Stunden ohne Schlaf keine ernsten Fehler gemacht haben. Aber auch wenn – wie natürlich meist – kein Sturm ist, sind sie allein. Und allein auf einem Segelboot ist, zumindest auf dem Meer, ganz schön allein. Auf langen Strecken muss man mit speziellen Techniken mit wenigen Stunden Schlaf auskommen und während des Schlafens halt blind übers Meer schippern. Und man gehört zu den alleinsten Menschen auf dem Planeten. In jede Richtung ist in x Meilen: niemand.

Nicht nur segelt Nike nur mit sich (na gut, auch immer wieder mit wechselnden Gästen), sie segelt auch zu sich. Ihr Ziel ist ihr persönlicher Traum: auf einem Segelboot zu leben und um tropische Traumstrände zu schippern. Das ist kein besonders origineller Traum. Meiner ist es auch, und der Traum vieler Hobby-Segler und von Träumern, die es werden wollen. Ein dreifacher Egotrip: Nike segelt nur mit sich zu ihrem Traum und zu meinem.

Aber zum Segeln braucht man ein Boot. Nike hat eins in Panama gekauft, für 10.000 Euro. Und sie hat auch so ziemlich bekommen, was sie bezahlt hat. “You get what you pay for” sagt da der Angelsachse. Ein Wrack sage ich.

Und diese wunderbare Siegesgöttin macht sich an die Arbeit. Schuftet neun Monate an dem Boot ohne zu segeln und mit haufenweise Enttäuschungen. Aber sie gibt nicht auf. Und sie packt es.

Es wäre eine saublöde Story, wenn sie nicht wahr wäre. Diese uralte Geschichte ist ausnahmweise mal mitreißend – weil sie tatsächlich authentisch ist. “Untie the lines” ist eine Weekly Soap. Aber wenn eine Soap das echte Leben nicht schlecht imitiert sondern das echte Leben ist, dann hat das eine ganz andere Qualität.

Die Darstellerin der Hauptfigur – oder in diesem Fall tatsächlich nur die Hauptfigur – war mir zunächst unsympathisch. Vielleicht lag es daran, dass es Nike unangenehm war, eine Niederlage nach der anderen ins YouTube zu senden. Als sich die dunklen Wolken endlich verziehen, wird sie etwas sympathischer. Aber sie bleibt seltsam unzugänglich. Vielleicht liegt es daran, dass sie eine starke Frau auf einem doppelten Egotrip ist. Vielleicht will sie ihre Seele aber auch einfach nicht zu nackig ins YouTube senden. Letzteres glaube ich.

Es gibt Spannungsbögen, Cliffhanger, Sex-Appeal und kleine Dramen inklusive beinahe-Havarien, Abwechslung im Setting und in den Nebenrollen. Es ist noch mit mindestens zwei Jahren zu rechnen, wenn Nike nicht scheitert oder aufgibt. Das nächste wirklich große Abenteuer wird der Pazifik werden. “Wirklich groß” bedeutet: wenn man sich einen Globus aus einer bestimmten Richtung ansieht, sieht man fast nur Pazifik. Ein halber Globus voller Wasser, zu bezwingen mit einer 37 Fuß Alu-Schüssel von zweifelhafter Zuverlässigkeit, dafür aber haufenweise Charakter und Chuzpe sowie einem ungewöhnlichen Namen.

Ein cleverer „Kniff“ (oder tatsächlich vermutlich eher ein persönlicher Spleen) der Akteurin personifiziert Karl, ihr Boot, und schafft so einen immer anwesenden Sidekick der eine eigene “Charakter-Entwicklung” vollzieht. Vor allem: es ist ein interessantes Format, eine Weekly-Soap-Reality-TV-Sendung, nur echt. Es ist professionell geschnitten und in brauchbarer Qualität gefilmt. Anseh-Empfehlung!

  • Youtube Kanal c.a. ein Video a 5-10 Minuten pro Woche
  • Facebook Updates je nach Netz-Zugang
  • Blog mit Hintergrund-Informationen

Die Freiheit vorm Maschinengewehr

Der Angriff auf unsere Freiheit geht nicht vom Terror aus sondern von den Medien und der Militarisierung.

Die Propaganda versucht heute – eine halbe Woche nach den Anschlägen vom Freitag den 13.11.2015 in Paris – die Propaganda versucht heute eine interessante Idee zu verkaufen: Die Freiheit vor dem Maschinengewehr.

Die “Freiheit”, das sind nämlich wir, meine Mitbürger und ich. In allen westlichen Medienerzeugnissen ist zu vernehmen, dass die Anschläge von Paris Anschläge auf die Freiheit waren. Bei Pressetexten taucht die Phrase oft im Titel auf, kaum ein Text kommt ganz ohne diese vermeintliche Erkenntnis aus. Wenn ich mich mal in so einen Daesch Kämpfer im Mittleren Osten versetze, dann fallen mir spontan folgende abstrakte Konzepte ein, auf die ich ein Attentat verüben wollen könnte:

Gründe, uns zu hassen

Den Kulturimperialismus der Consumer-Culture, die meine Jahrtausende alte Kultur sichtbar auslöscht; die allgegenwärtige weitgehende Macht-Übernahme des Kapitals, das fast alle historisch gewachsene Machtgefüge meiner Gesellschaft auslöscht; die Verwandlung meiner gesellschaftlichen Elite in groteske Öl-Scheichs; die Ermordung tausender Unschuldiger (wo ich herkomme gilt als unschuldig, wer nicht vor einem ordentlichen Gericht als schuldig verurteilt wurde) durch westliche Luft-Kampf-Roboter; die massive Bombardierung der islamischen Länder Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Libyen, Irak und Syrien durch den Westen.

Und wenn mir tatsächlich gar kein abgehobener Grund einfiele, wieso ich ein paar hundert Pariser ermorden will, dann fiele mir vielleicht noch ein, dass das meine Feinde sind, die Franzosen, die mich seit einem Jahr bombardieren, und denen werde ichs zeigen! Aber die Freiheit? Bitte was???

Das Maschinengewehr, Dein Freind und Helfer

Und jetzt tauchen überall Bilder von freundlichen Polizisten mit Maschinengewehren auf. Die beschützen uns, wird alles gut! Nur mal so zum Beispiel zeigten irgendwelche Spätnachrichten Bobbies mit Maschinengewehren in einer Menschenmenge vorm Wembley-Stadion. Die Botschaft ist klar: Wir sind eine wehrhafte Gesellschaft und schützen unsere Ideale (Freiheit!) mit Maschinengewehren. Völlig absurd. Was ich in einer Menschenmenge bei einem drohenden oder vollzogenen Anschlag als allerletztes brauche, ist ein Polizist mit einem Maschinengewehr. In einer Menschenmenge brauche ich nur Präzision, und die wird durch die Vollautomatik zerhackt.

Interessant ist, dass das immer öfter zu sehen ist – Bilder von Polizisten mit einer Ausrüstung eher für die militärische Eindämmung von Aufständen als für die Verbrechens-Bekämpfung. In meiner Kindheit war das sehr ungewöhnlich, Polizei an öffentlichen Orten mit schwerer Bewaffnung. In den USA ist es heute völlig normal, hier wird es immer normaler. Und die Propaganda lässt keine Gelegenheit aus, das Bild von Männern in der Fußgängerzone mit Maschinengewehren umzudeuten.

Ich fühle mich nicht sicherer.

Risikoanalyse

Wir haben ein Problem, hier im Westen, und es ist nicht der völlig irrelevante Terrorismus. Terrorismus ist eine eigentlich gänzlich unbedeutende Randerscheinung, die kein auch nur nennenswertes Risiko für irgendwen bedeutet, aber durch die Medien zu einem absolut grotesken Fantasy-Monster aufgeblasen wird.

Die statistische Gefährdung durch Terrorismus ist in Deutschland nicht messbar, weil zu klein, da muss man schon ganz Europa nehmen. Und dann kommt man auf eine Gefährdung, die deutlich geringer ist als die, durch Mukoviszidose zu sterben. Sollten Sie schon mal von Mukoviszidose (übrigens eine reine Erbkrankheit) gehört haben, dann nur dann, weil das eine besonders grausame Krankheit ist, die eine sehr starke Lobby hat. Mukoviszidose ist ziemlich irrelevant für die allermeisten Menschen, Terrorismus ist deutlich irrelevanter.

Wieso verbrauchen die Medien die Massen-Aufmerksamkeit so gerne für Terrorismus? Nun, Terror ist als Story deutlich interessanter als jemand, der ganz langsam an seinem eigenen Schleim erstickt. Hysterie ist scheinbar das einzige, das sich noch besser verkauft, als Sex. Doch ist das wie gesagt ein Problem. Ein ernstes.

Der Militärisch-Industrielle Komplex

Der US-Präsident Eisenhower hat schon Anfang der 1960er Jahre vor dem Militärisch-Industriellen Komplex gewarnt. Der Mann war ein durch und durch Konservativer, dessen zweit-größte Sorge zur Zeit der betreffenden Rede war, dass der Hippie Kennedy sein Nachfolger werden könnte.

Eisenhower war selbst ein Ex-Militär, und hatte zum Ende des zweiten Weltkrieges das Gesamt-Kommando über die US-Army und die alliierten Truppen in Europa. Doch noch größer als vor Kennedy war seine Angst vor den Geistern, die man zur Hilfe gegen die Nazis gerufen hatte, seine Angst vor dem Militärisch-Industriellen Komplex.

In den 65 Jahren seit Eisenhowers eindringlicher Warnung ist die Macht dieses Komplexes nicht kleiner geworden. In den USA ist die Militarisierung der Polizei weit fortgeschritten, das Militär selbst ist der mit Abstand größte Ausgaben-Posten im US-Haushalt, die Macht der Geheimdienste macht vor nichts mehr Halt, nicht vor fremden Regierungen und Völkern, befreundet oder nicht, nicht vorm eigenen Volk und nicht vor den Menschenrechten.

Cui bono?

Die einzigen, denen die Fantasy-Geschichten der Medien nutzen, sind (neben den Medien) die Terroristen, die so ein extrem effizientes Mittel für die Verbreitung ihrer Botschaft bekommen, eine Marketing-Kampagne, die sich nicht mal Apple leisten könnte – und der Militärisch-Industrielle Komplex.

Der Angriff auf unsere Freiheit geht nicht vom Terror aus sondern von den Medien und der Militarisierung. Wir Bürger bekommen eine „Freiheit“, die durch die Geheimdienste minutiös überwacht wird und die von schwer bewaffneten Polizisten bewacht wird. Wir bekommen, was von der Freiheit vor dem Lauf eines Maschinengewehrs übrig bleibt.

Feuerkunst

Ein Feuer ist das perfekte abstrakte Kunstwerk.

Und damit meine ich nur das Feuer, nicht sein Substrat, denn das ist ja meist nicht nur gegenständlich sondern gar Gegenstand. Also zum Beispiel ein Holzscheit. Aber wenn man sich den wegdenkt und auch das Drum-Herum (vulgo z.B. “Kamin”), wenn nur die Flamme bleibt, blickt man in die perfekte abstrakte Kunst.

Auch abstrakte Kunst ist letztlich ein Gegenstand – ein Gemälde, eine Skulptur, eine Video-Installation, eine Flamme. Wie wird ein Feuer „gemalt“? Aufgrund der großen Hitze vergasen flüchtige organische Verbindungen. Diese Kohlenwasserstoffe verbinden sich mit dem Sauerstoff der Luft zu Kohlendioxid und Wasser. Dabei wird viel Energie frei, die die beteiligten Moleküle so aufgeregt, dass sie anfangen zu leuchten. Sie leuchten von mildem Rot zu heißem Blau.

Die Formen- und Farb-Vielfalt des Feuers übersteigt die der Wolken ums Unendliche. Es verbrennt in einer endlosen Folge von Andeutungen und Schemen. Doch anders als die der Wolken lassen sich die Allusionen des Feuers nie festhalten. Hat der Beobachter geglaubt, etwas zu erkennen, ist es auch schon wieder dahin. Man kann im Feuer alles sehen. Und nichts.

Sogar eine vulgäre Kerzen-Flamme kann manchen Betrachter lange gefangen nehmen. Und schon die banale Choreografie eines einzelnen Scheits, der in meinem Kamin abbrennt, hat eine hypnotische Kraft, die man in den meisten Museen vergebens sucht.

Mein Kamin ist schmal und hoch – ein Durchmesser von vielleicht fünfundzwanzig Zentimetern bei einer Höhe von sechzig. Ein einzelner Scheit steht aufrecht auf den Resten der abgebrannten vorigen Füllung und verbrennt in der Hitze der blauen Flammen auf feuriger Glut.

Die Kunst! Die Flammen! Hoch recken sie sich über die ganzen sechzig Zentimeter in den wohl-bekannten Zungen. An einer Ecke entspringen kleine Feuerschlangen aus einer unregelmäßigen Folge unterschiedlich großer Brennpunkte. Anderswo brennen größere Flächen relativ regelmäßig. Oben in der Brennkammer jagt frischer Sauerstoff von der Hitze durch die dortigen Luftlöcher gesogen der Flamme frisches Blau in dieselbe und drischt eine schnelle Folge vielfältiger Formen in die oben schon sterbende Flamme.

Das Feuer bewegt sich stets in dieser schmalen, Symbol-trächtigen Zone zwischen Struktur und Chaos. Es ist der manifeste wie flüchtige Ausdruck der größten Macht des Universums – der alles zermahlenden Kraft der Entropie. Die Vielfalt der Farben und Formen des Feuers ist unendlich. Denn sie entspringt der unendlichen Vielfalt des gewesenen Lebens, aus der es sich speist.

Unwürdig

Dies ist Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Ich möchte auf ein paar Dinge hinweisen. Diese zwei Sätze sind die Prämisse unseres Staates. Wir Deutschen haben einen Vertrag miteinander abgeschlossen und diese zwei Sätze sagen uns, worum es in diesem Vertrag geht.

Es geht um die Würde des Menschen. Also die Pointe hier ist: da steht “Mensch”. Da steht nicht “die Würde der Deutschen”. Und das hat übrigens auch einen ganz plausiblen historischen Grund, wieso im Grundgesetz der Deutschen “Menschen” und nicht “Deutschen” steht. Also sicherlich, wenn wie heute die Würde der Deutschen schon keineswegs gewährleistet ist, macht es wenig Sinn zu hoffen, dass das Deutsche Volk sich für die Würde des Menschen einsetzt. Aber trotzdem: Die Würde des Menschen zur Achtung zu bringen ist unser höchster Auftrag.

OK, klar, wir haben alle Day-Jobs. Und es ist auch nicht leicht in einer so großen Familie wie Deutschland. Da zanken sich die Geschwister ganz ordentlich, da geht schon mal was schief. Kommt vor, wäre ja noch zu entschuldigen. Aber ehrlich, dass die Würde des Menschen die allererste “Verpflichtung aller staatlichen Gewalt” ist, davon merke ich wenig.

Massenüberwachung, Waffenlieferungen, zigtausende Tote an den Mauern der Europäischen Festung, radikale Sparmaßnahmen, die die Hälfte der jungen Südeuropäer unter der dünnen Decke unserer kuscheliegen Zivilisation weg-schupsen in die Arbeitslosigkeit ohne (soziales) Netz und doppelten Boden; Massenimporte von Nahrungsmitteln für die Tiermast und für unser grünes Gewissen aus Ländern in denen Menschen verhungern; Export billigster großindustriell gefertigten Güter in ärmste Länder, wo dadurch die lokale Wirtschaft völlig zerstört wird.

Wie gesagt, es kann schon mal was schief gehen. Aber von unserem Artikel 1, Absatz 1 kann ich in unserer Vertragsumsetzung wenig erkennen.

ISS

Anfang August, Hochdruck, 23 Uhr 20, T-Shirt, Garten, allein. Ich schaue zufällig in den West-Himmel. Es ist klar, viele Sterne sind zu sehen und die ISS geht auf, die “International Space Station”, die in gut 400 km Höhe einmal alle ein einhalb Stunden die Erde umrundet.

Die ISS ist der hellste “Stern” am Himmel und einer der zackigsten. Ich habe sie bei ihrem ganzen Zug über den Himmel beobachtet. Im Osten gab es ein paar zarte Schleierwolken, aber sonst war die ganze Bahn von Horizont zu Horizont frei. Das hat so schätzungsweise fünf Minuten gedauert.

Die ISS zog fast durch den Zenit. Der Mensch ist nicht dafür gebaut, in den Zenit zu starren. Das mag das Genick gar nicht. Aber im Zenit sind die Leute da oben gerade noch gut 400 Kilometer von mir entfernt, einmal von hier bis Flensburg.

Da oben schweben Leute von allen Teilen der Erde und schauen auf uns herab. Sie sehen unseren fragilen anmutig schönen Planeten aus einer einzigartigen Perspektive. Und deshalb begreifen sie unmittelbar wie irrsinnig unsere Konflikte und Verwüstungen hier unten auf unserer Glaskugel sind.

Diese Perspektive bleibt mir verwehrt. Aber – da muss das Genick dann halt mal durch – ich kann zu ihnen aufschauen.

Peeple

Peeple ist ein neuer (während ich dies Schreibe erst angekündigter) Service mit dem sich normale Menschen gegenseitig bewerten können, und mit dem diese Bewertungen allen zugänglich gemacht werden. Der Service ist damit der erste (kommerzielle) Versuch, das KiIsWhoWi Konzept kommerziell umzusetzen. Und das ist gut.

Es war nur eine Frage der Zeit. Zwei Kanadierinnen sind es, die als erste die Idee von KiIsWhoWi in Reinform zu kommerzialisieren versuchen. So vorhersehbar wie die App selbst ist der künstliche Aufruhr um die Digitalisierung und Explizit-Machung des allgegenwärtigen gegenseitigen Bewertungs-Prozesses von Menschen – der auch bekannt ist als “Klatsch und Tratsch”.

Natürlich handelt es sich bei Peeple wie bei ähnlichen Angeboten (z.B. die Bewertung spezifischer Qualifikationen bei LinkedIn) um ein kommerzielles Angebot. Peeple zeichnet sich gegenüber z.B. LinkedIn dadurch aus, dass bei Peeple die Bewertung von Menschen die Kernfunktion ist, während es bei LinkedIn ein ziemlich untergeordnetes Feature ist.

Auch aus anderen Services ergeben sich, wie ich auch an anderer Stelle schon geschrieben habe, indirekt Bewertungen anderer Menschen – z.B. aus den Likes bei Facebook. Um solche indirekten Bewertungen auszuwerten, müsste man allerdings Zugriff auf große Mengen dieser Bewertungen haben und diese mit Hilfe von Computern auswerten.

Darum habe ich geschrieben, dass das Vertrauens-Netz momentan nur Firmen zugänglich ist, denn nur Facebook und die Firmen, an die Facebook (und andere Services) seine Daten verkauft, haben diese Möglichkeit. Ich gehe davon aus, dass solche Informationen z.B. in den Recruiting-Abteilungen großer Unternehmen teils auch bereits genutzt werden.

Hier kommt Peeple ins Spiel. Es handelt sich zwar um ein kommerzielles Angebot, doch gibt es normalen Nutzern die Möglichkeit, selbst auf Informationen dieser Art zuzugreifen. Damit ist es aus meiner Sicht ein bedeutender Fortschritt.

Dieser Artikel liefert eine valide Kritik an dem Konzept von Peeple. Ganz kurz: Einzelne Urteile zwischen Individuen sind nicht besonders wertvoll, weil a) Urteilende oft sehr schnell Urteile aus einzelnen Situationen Fällen, die nicht repräsentativ sein müssen, und b) die Beurteilten vielfältige Persönlichkeiten haben, die in in unterschiedlichen Situationen sehr unterschiedlich reagieren können und sich zudem mittel- und langfristig stark ändern können.

Das ist richtig, doch ist dies ein Problem, das sich durch richtige Auslegung des Services in den Griff kriegen lässt. Wie das genau funktionieren könnte, habe ich hier und hier angerissen.

Natürlich wäre es besser, wenn ein Service dieser Art von einer gemeinnützigen Institution betrieben würde, wie Wikimedia. Und idealer Weise sollte die Datenbank, die all diese Bewertungen enthält, öffentlich zugänglich sein, was bei Peeple vermutlich nicht der Fall sein wird. Dennoch ist Peeple aus Normal-Nutzer-Sicht ein Fortschritt und der Shitstorm, dem sich der angekündigte Service im Vorfeld ausgesetzt sieht, ist heuchlerisch, “hypocritical”, wie der Angelsachse sagt.

USA: Bomben ohne Grenzen

Die USA hat am 3. Oktober 2015 ein Hospital der Ärzte ohne Grenzen bombardiert. Wikipedia dazu. Ich schätze, das war irgendwie ein Unfall. So dämlich böse sind die USA eigentlich nicht. Sollte man denken.

Am 15. Oktober rollten sie dann mit einem „gepanzerten Fahrzeug“ durch die Trümmer und haben womöglich Beweise zerstört. Das mit dem „Beweise zerstören“ kann auch wieder Hass-Rhetorik von „Ärzte ohne Grenzen“ sein, wer weiß. Wikipedia dazu, Wikpedias Quelle und der Guardian.

Fakt bleibt: die Amis bombardieren ein Krankenhaus der „Ärzte ohne Grenzen“, warum auch immer, und dann schicken sie einen bewaffneten Trupp an den Schauplatz des potentiellen Kriegsverbrechens.

Wenn irgendein anderes Land der Welt (außer vielleicht Israel) sich so ein Ding leisten würde, wäre der mediale Aufschrei ohrenbetäubend. Und unsere Kanzlerin sowie jeder halbwegs ambitionierte Bundes-Politiker würde sich vor eine Kamera stellen und „diesen barbarischen Akt auf schärfste verdammen“. Oder so.

Dann beobachtet doch mal, was jetzt passiert. Nur so Spaßes halber.

Kalorien-Flash

Ich habe vier Monate auf 500 Kalorien verbracht. Das ist schon eine bemerkenswert hirnrissige  Brutal-Diät. Wenn man so einen par force Ritt machen möchte, gibt es einen limitierenden Faktor. Nicht den, dass man Vitamin-Pillen nehmen muss, vier Monate lang. Das ist nicht gut, aber normaler Weise hat man Glück, und das macht keine gesundheitlichen, gustatorischen oder psychologischen Probleme. Aber man braucht Protein. Proteinmangel ist überhaupt gar nicht gut.

Ich musste so rund 80g Protein zu mir nehmen (jetzt sind es weniger, weil ich weniger bin). 80g sind gut 400 Kilokalorien. Long Story short: 4 Monate lang pro Tag eineinhalb Hühnerbrüste, nett verpackt mit ein bisschen Sauce und etwas knackigem Gemüse.

30 Kilo später: Heute ist meine Diät zu Ende. Heute ist mein Geburtstag. Rückblickend eine interessante Kombination.

7 Uhr 15, ich werde mit einem Geburtstags-Kuchen geweckt. Mein erstes Frühstück nach vier Monaten ist ein Stück Nuss-Nougat-Kuchen – Zucker geht direkt ins Blut, die Stärke des Mehls hält den Blutzucker-Spiegel mittelfristig oben, Fett gibt dem Stoffwechsel Gehalt und Manövrierraum. Ich nehme das in dem Moment nicht bewusst wahr: Kalorien durchfließen den Körper als ein unfassbarer Strom aus reiner Energie.

Vorgestern war ich einkaufen. Durch das bisschen Sport, das ich jetzt zweimal die Woche mache, habe ich verblüffend viel mehr Kraft und Ausdauer. Ich habe mal zwei Kisten Wasser gleichzeitig aus dem Auto getragen. Das ist schon schwer. Noch vier Monate früher habe ich ständig zwei einhalb Kisten Wasser (genau-genommen: Fett) durch die Gegend getragen. Weil ich mit fortschreitender Auszehrung meines Körpers kontinuierlich diesen Ballast abgeworfen habe, habe ich nicht gemerkt, wie die Diät mich schwächt. Es ging ja trotzdem sanft bergauf.

Ich habe den ganzen Vormittag keinen Hunger, das erste Mal seit vier Monaten. Mein Körper kann noch nicht recht glauben, dass die Dürre nun zu Ende gehen könne. Entschuldigt diese mindestens dubiose Aberration: in der Firma gebe ich zum Mittag-Essen Mett-Brötchen für alle aus. Selbst meine automatische Rechtschreibprüfung findet “Mett” anrüchig und unterkringelt es rot.

12 Uhr, mit dem Näher-Rücken des Mittags hellt sich meine Laune auf. Schon kurz vor dem Mittag ist meine Laune so gut wie schon lange nicht mehr. Ich esse viereinhalb halbe Mett-Brötchen. So viel wie fünf meiner Kollegen. Einer isst weniger.

Halb eins, bis fünf Uhr Freitagnachmittag arbeiten: kurz aufräumen, nach dem Essen, noch schnell ein paar Programm-Fehler beheben, damit nächste Woche, wenn ich im Urlaub bin, nichts anbrennt, zwischendurch mit einem Kollegen diskutieren, wie er ein bestimmtest Feature implementieren soll, unter Zeitdruck noch zwei letzte dringend benötigte Features vor dem Urlaub implementieren, öfter unterbrochen von den Fragen anderer Kollegen, selbst einen Fehler bei der Implementierung gemacht, den glücklicher Weise ein Kollege noch schnell gefunden hat, den beheben.

15 Uhr. Aus dem Gedächtnis und mit Hilfe einiger Notizen aus der Diskussion mit dem ganzen Team gestern muss vor dem Urlaub noch eine Spezifikation fertig geschrieben werden, damit die Kollegen wissen, wie das umgesetzt werden soll. Es kommt auf jedes Wort an, Fehler im Text führen zu Fehlern im Programm und somit zu teurer Zeit-Verschwendung. Immer wieder Unterbrechungen von Kollegen. Ein ganz normaler Tag im Büro, Stress leicht überdurchschnittlich, kaum mentale Atempausen. Normaler Weise baue ich Freitagnachmittag merklich ab. Heute nicht.

17 Uhr, “Tschüss”, “Schönes Wochenende”, “Schönen Urlaub!”. Direkt zum Einkaufen fahren, noch ein paar Sachen für das Geburtstags-Essen besorgen. In der Reihenfolge: Getränkemarkt, Supermarkt, Weinhandlung. Nach Hause, meiner Frau bei den letzten Vorbereitungen helfen. 10 vor acht, 7 Minuten Pause, bevor die ersten Gäste kommen, dann noch aller-allerletzte Vorbereitungen.

20 Uhr, Ding Dong, “Hallo!”, “Herzlichen Glückwunsch”, 5 Stunden Party. Viel Essen, wie früher (Fehler, ich weiß, aber hey: Geburtstag, Party, Ausnahme): zwei selbst gemachte Hamburger, einen kleinen Wrap mit Lachs, zum Nachtisch Apple-Crumble mit Vanille-Sauce, etwas Süßigkeiten, ein Bier, drei Gin Tonic, etwas Käse. “Tschüss”, “Danke für die Einladung”, “Schön, dass Ihr hier wart”.  Nahtlos weiter mit Aufräumen. Kurze Pause.

Viertel nach eins, 18 Stunden fast völlig ohne Abschalten, immer Arbeit oder engagierte Konversation, dabei immer besser gelaunt, nicht ein Fitzel von Ermüdung. Jetzt erst mal einen Text über diese ungewöhnliche Erfahrung schreiben:

Kalorien sind ein ziemlich coole Droge. Guten Appetit!