Querdenken

Ich habe den Eindruck, dass die Querdenker-Bewegung grundlegend verkannt wird. Die Sicht derjenigen, die sich nicht gerade selbst zu den Querdenkern zählen, auf eben jene, scheint mir mit dem Wort “Covidioten” fast erschöpfend zusammengefasst. Die Querdenker werden als irgendwelche Deppen abgetan, die den Schuss nicht gehört haben. Ich glaube, das wird der Sache nicht gerecht und birgt die Gefahr, möglicherweise fatale “Fehl”-Entwicklungen in unserer Gesellschaft zu übersehen.

Man kann bei der Betrachtung der Querdenker-Bewegung sicher viele Gesichtspunkte beleuchten. Ich konzentriere mich hier auf die folgenden: Verschwörungstheorien, Lügenpresse, Ego(zentr)ismus & Menschenverachtung. Es treffen natürlich nicht alle diese Phänomene auf alle Querdenker zu.

Ich werde im Folgenden darlegen, dass diese vier Phänomene große Bedeutung in unserer Gesellschaft erlangt haben. Natürlich gibt es bei uns Gruppierungen aller möglichen Ausprägungen. Und da diese vier Phänomene bei uns eine so starke Ausprägung haben, ist die Querdenker-Bewegung angesichts Corona nicht überraschend sondern zwingend. Querdenken ist eine wenig schmeichelhafte Karikatur dessen, zu dem wir geworden sind.

Verschwörungen allüberall

QAnon ist hierzulande vielleicht nicht die zentrale Verschwörungstheorie der Querdenker, aber sie drängt sich als Einstieg schon auf, wenn ich Querdenken als Karikatur darstellen möchte. QAnon ist dermaßen überzogen, dass es sich selbst kaum noch karikieren lässt: diverse bekannte politische Führer planen die Errichtung einer Diktatur und handeln und essen Kinder. Als kleinster gemeinsamer Nenner der verschwörungsaffinen Querdenker kann wahrscheinlich gelten, dass unsere Demokratie abgeschafft und eine Diktatur an ihrer Stelle errichtet werden soll.

Zunächst ein kleiner Leitfaden für Verschwörungstheoretiker: Bei der Evaluation einer Verschwörungstheorie ist stets zunächst zu erwägen, wie viele Eingeweihte die Verschwörung haben müsste. Ab ein paar Dutzend wird es extrem unwahrscheinlich, wenn diese nicht aufwändig gescreent und unter Druck gesetzt werden, denn irgendwer redet immer. Eine Verschwörungstheorie, die ein paar Millionen Politiker, Ärzte und Krankenpfleger beinhaltet ist nicht mal lustig.

Aber dazu muss man sich schon etwas tiefer mit Verschwörungstheorien auseinander setzen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der dauernd große und kleine Verschwörungen aufgedeckt – und oft nicht streng verfolgt – werden.

  • Die westliche Welt wurde mit Lügen über Massenvernichtungswaffen und  durch die Babymörder-Lügen-Kampagne einer amerikanischen Werbeagentur in den Irakkrieg getrieben. Konsequenzen: im Wesentlichen keine.
  • Dort wurden durch amerikanische Streitkräfte Kriegsverbrechen in Serie begangen. Konsequenz: Die Whistleblower wurden lebenslänglich weggesperrt, Assange wird laut dem zuständigen UN-Berichterstatter fortgesetzt gefoltert.
  • Die ganze Welt wurde (und wird höchstwahrscheinlich noch) von den Five-Eyes (angelsächsische Staaten) konsequent abgehört und ausspioniert. Konsequenz: Der Whistleblower (Snowden) versteckt sich im russischen Exil um Verfolgung und Folter zu entgehen.
  • Etwas bodenständiger und näher: uns wurden über viele Jahre Autos mit getürkten Abgaswerten verkauft. Konsequenz: in Deutschland, wo der Skandal herkommt, im Wesentlichen keine.

Das sind nur die größten belegten Verschwörungen, die mir gerade einfallen. Es gibt noch viel mehr “kleinere” belegte und noch viel mehr plausible unbelegte. Dass Ex-Kanzler Schröder als Abfindung Millionen an dem Pipelinebau verdient, den er kurz vor Amtsende genehmigte, ist so eine unbelegte Verschwörung.

Und unsere Regierung steht offensichtlich auf der Seite der Verbrecher. Snowden bekommt hier selbstverständlich kein Asyl. Und zu Assange’s Verfolgung und Folter innerhalb der EU (England war ja bis 1. 2020 in der EU, der andere beteiligte Staat, Schweden, ist es noch) wird eisern geschwiegen. Und die Diesel-Mafia bekommt relative Winz-Strafen – wenn überhaupt.

Angesichts dessen ist eine (weitere) große Verschwörung gegen die Bevölkerung der westlichen Welt nicht so fürchterlich abwegig. Lediglich die konkrete Gestaltung der Verschwörungstheorie ist es. Abschaffung der Demokratie – echt jetzt? In welchem Jahrtausend lebt ihr?

Dafür müsste man ja erst mal eine Demokratie haben. Für die USA hat eine empirische Untersuchung von Volksmeinung und entsprechenden Gesetzgebungen gezeigt, dass dort keinesfalls das Volk regiert. Eine ähnliche Studie für Deutschland kam zu einem ähnlichen Ergebnis, doch wurde die Studie (im Auftrag der Bundesregierung!) medial so gründlich totgeschwiegen, dass ich sie jetzt nur noch schwer finden kann. Das ist vielleicht die Original-Studie, dies hier ist der mainstreamigste Kommentar, den ich dazu gefunden habe.

Wenn man in einer Demokratiesimulation lebt, deren Entscheidungsfindung ziemlich undurchsichtig ist und mindestens teilweise von waschechten belegten Verschwörungen getrieben wird, kann man angesichts von Corona schon mal auf die Idee kommen, dass es eine Verschwörung zur Abschaffung der Demokratie gibt. Das ist nicht so abwegig, wie es zunächst scheint.

Wir erleben als Gesellschaft regelmäßig reale Verschwörungen, deren Ausmaße an klassische Dystopien wie 1984 gemahnen. Wir werden alle dauernd überwacht, von Unternehmen wie von Staaten. Verbündete wie Saddam Hussein (Ex-Diktator des Irak, der mit Unterstützung der Amis gegen den Iran gekämpft hat, siehe Iran-Contra-Affäre) sind plötzlich Feinde (im Irak-Krieg; siehe Auswechselbarkeit des Feindes in 1984).

Eine Karikatur unserer realen Verschwörungs-Gesellschaft kann nur noch grotesk sein. Was soll man unseren Regierungen auch sonst noch unterstellen, was sie nicht erwiesenermaßen schon getan haben? Dennoch bleibt erklärungsbedürftig, wie so viele Menschen dermaßen absurden Verschwörungstheorien anhängen können. Die Anhänger feiern das ja nicht als Karikatur. Eine faszinierende und sehr lesenswerte Analyse dazu findet sich in diesem Artikel eines Spieleentwicklers.

Dass die ganze Querdenker-Bewegung grenz-dement wirkt, könnte auch daran liegen, dass wir immer wieder staatlich gesteuerte Provokateure sehen, die die Bewegung gezielt diskreditieren. Ich halte diese Idee für abwegig – dafür sind es tendenziell zu viele und zu konsistente dergestalte Äußerungen. Dies ist lediglich ein letztes Beispiel für reale Verschwörungen. Man muss leider immer auch in Betracht ziehen, dass man einen staatlichen Agent Provocateur vor sich hat, denn die gibt es ja nun mal leider auch tatsächlich. Es ist in der Tat sehr schwer zu beurteilen, was man noch glauben soll.

Lügenpresse

Sehr viel wahrscheinlicher wird unser Bild von der Querdenker-Bewegung durch unsere Medien stark verzerrt. Jemand der hanebüchenen Unsinn in die Kamera stammelt hat einfach sehr viel mehr Unterhaltungswert, als jemand, der sich im Wesentlichen vernünftig und besonnen äußert. Und damit bekommt er den Gesetzen unserer Medien folgend auch viel mehr Sendezeit.

Hinzu kommt, dass unsere Berichterstattung selbst von diesem Effekt abgesehen keineswegs neutral ist. Es ist sehr selten, dass unsere Presse tatsächlich Lügen verbreitet, und wenn das geschieht, wird es meist später aufgeklärt. Die Verzerrung der Nachrichtenlage geschieht nicht durch Falschmeldungen, sondern durch Priorisierung.

Diesbezüglich der auffälligste Faktor ist meiner Meinung nach die weit verbreitete und ausgeprägte pro-US-amerikanische Berichterstattung. Geschuldet ist dies wahrscheinlich auch dem Umstand, dass viele der für unsere Medien Verantwortlichen in der Atlantik-Brücke organisiert sind. Merke: Es ist keine Verschwörung, wenn es im Licht der Öffentlichkeit in einer bekannten Lobby-Organisation passiert.

Man vergleiche z.B. die Berichterstattung über Assange, der in der EU zu Gefallen der USA verfolgt und gefoltert wurde (und wird, nur ist GB nicht mehr EU) mit der über Nawalny.

Assange hat Material veröffentlicht, das der USA Kriegsverbrechen nachweist. Daraufhin wurde er von der Schwedischen Staatsanwaltschaft entgegen dem Willen der Betroffenen für Vorwürfe verfolgt, die sich mittlerweile als weitgehend haltlos erwiesen haben. In unseren Medien wurde er hauptsächlich als Sexualstraftäter dargestellt. Die andere Seite der Geschichte – mal wieder eine westliche Verschwörung – fand man auch … wenn man mit Lupe suchte.

Nawalny bekommt als Putin-Gegner hingegen sofort Asyl und wird wochenlang als Märtyrer in unseren Medien gefeiert. In einem Fall ist Assange der Schuldige, im anderen ist es Putin. Und das obwohl Putin nicht mal angeklagt wurde. Ja, ich gehe auch davon, dass Putin oder zumindest der russische Staat hinter dem Anschlag auf Nawalny steckt, aber das ist bisher reine Mutmaßung.

Wir leben in einem Rechtsstaat und wenn wir dieses Ideal – gerade vorm fiesen Putin – vor uns hertragen, dann sollten wir uns an rechtsstaatliche Prinzipien halten. Dann gilt “im Zweifel für den Angeklagten” auch für Putin und für Assange sowieso.

Ein anderes Beispiel: Die USA haben in Kundus ein Hospital von Ärzte ohne Grenzen bombardiert und sind nachher mit Panzern über die Beweise gerollt. Die Meldung dazu gabs kurz in den Medien. Aber einen diesem Terror-Anschlag angemessen wochenlangen medialen Aufschrei inklusive Berichterstattung über die Aufklärung des Vorfalls und Verfolgung der Verantwortlichen sucht man vergeblich.

Wenn möglicherweise Russen involviert sind, wie beim Abschuss einer Verkehrsmaschine über der Ukraine, dann ist wochenlang auf Titelseiten und in den Top-Meldungen der Hauptnachrichten-Sendungen für nichts anderes Platz. Das mag man angemessen finden oder nicht. Bei halbwegs neutraler Berichterstattung wäre auf jeden Fall eine vergleichbare Würdigung beider Vorgänge zu erwarten.

Eine ähnliche Asymmetrie der Berichterstattung gibt es z.B. bei Links- und Rechts-Terrorismus. Während Linksterrorismus regelmäßig als solcher benannt wird, wird Rechtsterrorismus eher als ein Einzelfall nach dem anderen behandelt – und das obwohl sich Linksterrorismus vorwiegend gegen Sachen richtet (Autos anzünden, Schaufenster verwüsten usw.) während Rechtsterroristen immer wieder Menschen ermorden (Asylheime anzünden, Menschen zu Tode prügeln …).

Wenn ich Teil einer großen oppositionellen Bewegung wäre, würde ich von unseren Medien ganz sicher keine faire Berichterstattung erwarten. “Lügenpresse” ist da ein unbeholfener, verzweifelter und leicht widerlegbarer Hilferuf. Ich kann nicht beurteilen, ob die Berichterstattung zu den Querdenkern fair und ausgewogen ist. Aber ich wäre überrascht, wenn sie es wäre.

Ich vermute, auf den Querdenker-Demos laufen sehr viele Menschen mit, deren wirtschaftliche Existenz durch die Corona-Schutzmaßnahmen bedroht ist oder bereits zerstört wurde. Statt über diese zweifellos existierenden Schicksale umfangreich zu berichten, sucht man sich die Demo-Teilnehmer, die ihrer Angst am unbeholfensten Ausdruck verleihen, hält denen eine Kamera ins Gesicht, und lässt sie sich lächerlich machen. “Arschlochmedien” wäre in diesem Fall vielleicht angemessener als “Lügenpresse”.

Man nehme zum Beispiel die 11-Jährige, die sich in Karlsruhe auf einer Bühne mit Anne Frank verglich. Völlig zu Recht findet der örtliche Ministerpräsident, das Kind sei instrumentalisiert worden. Wer die Kleine auf die Bühne gelassen hat, hat da einen echten Arschlochmove abgezogen.

Wenn nun öffentlich-rechtliche Journalisten irgendwelche verängstigten Spinner, die offensichtlich völlig unerfahren im Umgang mit nationalen Massenmedien sind, etwas von “Kinderfressen” in die Kamera stammeln lassen, dann ist das wohlmöglich auch eine (Zitat des Ministerpräsidenten) “Instrumentalisierung”, “erbärmlich und perfide”.

Zwar sind letztere i.d.R. nicht 11 sondern erwachsen, aber wir reden auch nicht von einer Bühne mit zwei Dutzend Zuschauern, sondern von Prime-Time-Sendungen auf nationalen Fernsehsendern. Von RTL ist leider kein Anstand zu erwarten, an den öffentlich-rechtlich Rundfunk, der auch von den GEZ-Einnahmen dieser seiner Opfer lebt, würde ich gerne höhere Maßstäbe anlegen können.

Ich finde es zwar richtig, diese absurden Verschwörungstheorien auch mal zu thematisieren, aber die Berichterstattung immer und immer wieder darum kreisen zu lassen, ist wieder ein Zeichen tendenziöser Priorisierung der Berichterstattung.

Als Querdenker würde ich jedenfalls ganz sicher auch nicht mit der Presse reden wollen. Zwar lügen die Mainstream-Medien anders als von Querdenkern behauptet sehr selten. Aber sie hinterlassen beim Medienkonsumenten durch tendenziöse Priorisierung der Berichterstattung ein Bild von den Querdenkern, das mutmaßlich alles andere als neutral ist. Und “Lügenpresse” funktioniert als Parole halt auch viel besser als “tendenziös priorisierendes Medienerzeugnis”.

Ego(zentr)ismus & Menschenverachtung

Nehmen wir mal an, die Corona-Sterblichkeit ohne Schutzmaßnahmen bei überlastetem Gesundheitssystem liegt bei 2%. Das ist eine eher optimistische Schätzung, Zahlen gibt es dazu nicht, weil weltweit massive Eindämmungsmaßnahmen laufen. Nehmen wir weiterhin an, bei 70% Durchseuchung ist Schluss. Wenn ich angesichts dieser Zahlen gegen Schutzmaßnahmen demonstriere, heißt das, ich nehme allein für Deutschland gut eine Millionen überwiegend alte Tote in Kauf, weil ich Maskentragen doof finde, oder um meine wirtschaftliche Existenz fürchte. Es können übrigens bei pessimistischer Schätzung auch 3 Millionen sein.

Aber die Querdenker glauben ja eher nicht an Corona. Ich nehme denen auch ab, dass sie sich überwiegend erfolgreich eingeredet haben, dass Corona nur eine Grippe ist, und entsprechend von deutlich geringeren Todeszahlen ausgehen. Gestehen wir deren Weltbild also mal zu, dass die erwartbaren Corona-Toten wie bei einer sehr, sehr schlimmen Grippe-Welle um die 100.000 liegen.

Darf ich zum Schutz der Demokratie (das ist ein zentrales Querdenker-Argument) und wirtschaftlicher Interessen 100.000 Tote in Kauf nehmen? Ich persönlich finde eher nicht. Aber der politische Konsens ist: selbstverständlich.

Bei der Flucht durch Sahara und Mittelmeer sind Schätzungen zufolge in diesem Jahrtausend um die 100.000 Menschen gestorben. Das wäre leicht und wirtschaftlich neutral vermeidbar, allerdings müssten die Afrikaner dafür in Europa ihre Asylverfahren erwarten dürfen. Und viele Millionen Asylanten (selbst, wenn die für ihre Kosten selbst aufkommen können) bedeuten ein massives Erstarken rechter Parteien. Das ist politisch nicht machbar, also nehmen wir diese Toten in Kauf.

Was uns als Vorwärtsverteidigung unserer Demokratie in Afghanistan, Irak und einem halben Dutzend weiterer islamischer Länder verkauft wurde, hat hingegen eher so über eine Millionen Leben gekostet.

Und die Menschen, die für uns unter unmenschlichen Bedingung Coltan, Uran und vieles mehr ausbuddeln, auf vergifteten Baumwollfeldern schuften, in maroden Fabriken sterben usw. usf. … sind ungezählt.

Sind Querdenker-Demos nun menschenverachtend? Ich finde schon, aber leider auch nicht signifikant schlimmer, als das Parlament, gegen die sich die Demos richten. Sie stellen wirtschaftliche und politische Interessen über Menschenleben, so wie unserer Regierung das in den dargelegten und weiteren Fällen auch tut.

Die kruden Verschwörungstheorien der Querdenker sind lediglich ein Komparativ der offengelegten und erwiesenen Verschwörungen, die wir regelmäßig erleben. Ihre Diffamierung der Medien als “Lügenpresse” ist in wörtlicher Auslegung schlicht falsch und dumm, in einer großzügigen Auslegung aber gar nicht so daneben, denn Presse zeichnet und hinterlässt durchaus regelmäßig ein schiefes Bild. Ihre Inkaufnahme von Toten für wirtschaftliche und politische Interessen ist eine konsequente Übertragung unserer Grenz-, Außen- und Handelspolitik auf die Innenpolitik.

Querdenken hat viele unserer Schwächen überzeichnet. Auf Querdenker-Demos sehen wir in einem Hohlspiegel unserer eigenes Zerrbild, eine Karikatur der dunkleren Seiten unserer Gesellschaft.

Interoception Link

Elon Musk’s “NeuraLink” company develops hardware and software to link human central nervous systems to computers. The company’s product appears to be in a quite early stage but judging from the development speed Musk drives in his other endeavors we may indeed be just a decade off having a usable electronic link from our thoughts to computers.

So for what are we going to use that? Writing Emails? The ultimate immersive porn? I have my doubts. The first generations of the product will probably be targeted at people with severe disabilities. This seems very reasonable and promising. But after that?

The problem for Neuralink is that the threshold to getting a link implanted is quite high. You need a quite massive incentive in order to have your skull cut open. And porn or games ain’t gonna cut it due to initial fidelity problems. That’s just an intuition on my side – having a neuroscience background, though. So what could be the killer application of NeuraLink?

The ultimate incentive is self preservation. And I think NeuraLink could potentially help significantly with that.

I’m currently inflicted with a minor nuisance. A few joints hurt a bit for two months now, a few headaches, a minor inflammation on the nose, also every other week a sore throat for half a year. Something is off but I don’t know what it is. I’ve seen a doctor, but she doesn’t know either. They took a bit of blood and the lab didn’t find anything suspicious. I’ll just have to wait it out and hope it’s nothing serious.

I have a wealth of sensory information on my malady. But I don’t know it, so I can’t tell what it is. I know a cold coming, I know exactly how that feels, and I know some intestinal diseases from experience and I know sore muscles, tendons and stuff. But happily that’s mostly where it ends. I lack experience with introceptive sensory information for the identification of a million potential diseases. Somebody out there probably would – in my skin – know what it is. I don’t.

I have supreme life chemical, tactile, temperature, pain and other data on what’s befalling me. But the communication link with my doctor is pretty coarse (language, pah 🙂 ) and she may indeed lack the specific required experience for this particular case, too.

In comes NeuraLink. If I were neuralinked, my introceptive sensory data could be compared to a database of likewise data and I could likely have a diagnosis in seconds.

There are significant technological hurdles involved in this. My sensory data is just bits and bytes. But my data is likely significantly differently encoded than yours.

The first problem is identifying what data to use – using everything is out of the questions for decades to come and this application likely requires very specific data that’s mostly useless for other use cases NeruaLink envisions. Then the signal must be separated from the noise and finally data must be encoded in a common format in order to be comparable between users.

But let’s assume all these problems would be solved. Then here’s why you would really want a NeuraLink, why you would seriously consider having your skull cut open.

Having a correct diagnosis for all common maladies fast sounds quite nice. But that’s just a very small part of it. Your health cost could drop dramatically. Instead of getting five wrong diagnoses and treatments for one correct one, you’d mostly get instant correct diagnosis and treatments.

You would likely still see a doctor, but that doctor is already almost certain what it is you have and just does a few definitive tests to be sure. Your treatment could be optimized withe less negative effects and quicker cure due to continuous optimization by life feedback of how the treatment works inside you.

When you feel a minor pain you could be pretty confident on whether there is just something sore and you can go on or something is bad, you are making it worse and should see a doctor right now. When doing sports, you mostly know when to stop and when to continue.

Most importantly, when continually monitoring your data, you could be alerted to problems long before you even become aware of them. Some things may feel a bit funny, but nothing serious … just early stage cancer. Many medical problems could be stopped or cured in early stages instead when a lot of harm is already done.

That link would almost certainly not be the (start of the) cure for all medical problems, but there is significant potential of it cutting down your health cost, improving your life quality and elongating your life expectancy a bit. If that does not persuade you to get the link, nothing will.

Die Angst ist das Böse

Ich habe dem Bösen ins Auge gesehen. Und hinter dem Hass, der Verachtung sah ich ein alles durchdringendes Gefühl: Angst.

Seit Jahren, Jahrzehnten treibt mich eine Frage um, die auch immer mal wieder hier im Blog aufgetaucht ist: Das Rätsel der fehlenden Arschlöcher. Es geschieht so viel Böses in der Welt. Wie kommt es, dass ich persönlich das Böse nur flüchtig kenne? Wo versteckt es sich? Ein Teil der Antwort ist, dass wir ein Gesellschaftssystem geschaffen haben, das teils als sehr effektiver Arschlochselektor wirk. Daher braucht es nicht viele um viel Böses zu erreichen.

Die Angst geht um

Doch das ist nur ein Teil der Antwort. Wenn man das Böse persönlich kennen lernt und sich vielleicht mit ihm anfreundet, ist es meist unsichtbar. Es ist allzu menschlich. Ich habe auch Böses kennen gelernt, bin wahrscheinlich Opfer von Bösem geworden, das andere Antriebskräfte hatte. Doch sein mit Abstand wichtigster Treibstoff ist die Angst. Und je existentieller sie ist, desto maßloser ist sein Vernichtungswille.

Wir neigen generell dazu, unsere Rationalität zu überschätzen. Doch es gibt einen Punkt, an dem Rationalität völlig irrelevant wird, höchstens noch ein Hilfsmittel im Krieg Ich gegen die Welt. Wir sind das Ergebnis von mindestens 4 Milliarden Jahren Evolution, die Ahnen einer Reihe so alt wie die Erde selbst. Jede einzelne dieser schier endlosen Reihe von Ahnen teilt eine Gemeinsamkeit: Sie überlebte und pflanzte sich fort. Wenn es ums nackte Überleben geht, schalten wir in den Kampfmodus und Kämpfen um unsere Existenz.

ICH

“Ich” ist ein winziger Homunculus in einem Ozean von Unterbewusstem. “Ich” ordnet die Tropfen dieses Ozeans, ignoriert das meiste und baut aus einer Tasse von Tropfen ein mehr oder weniger konsistentes Selbstbild. Wir sehen nicht die Welt sondern eine stark “verarbeitete” Projektion der Welt in unserem Geist. Und “Ich” ist nicht mein Körper, mein Geist oder gar meine Seele sondern ein winziges immer wieder an die jetzt vorliegende Situation angepasstes Konstrukt, dessen Bauteile von meinem Körper und Geist abgeleitet sind.

Um “Ich” existentiell zu bedrohen bedarf es nicht unbedingt physischer Gewalt. Der Körper ist nur ein Aspekt – seine Bedrohung wird auf jeden Fall den Überlebensinstinkt wecken. Doch eine Bedrohung des Selbstbildes kann dies – abhängigen vom konkreten Ich – ebenfalls tun.

Und das Selbstbild kann alles mögliche beinhalten: “Ich” als Individuum, meine wirtschaftliche Existenz, mein gefühltes Lebenswerk, meine Familie, Kultur, Nation. Und vieles mehr.

Wie leicht “Ich” sich bedroht fühlt hängt von der Stabilität seines Selbstbildes ab. Ist es gesättigt von Urvertrauen, das Mama zwei Jahrzehnte lang beständig injiziert hat? Ist es durch stetig wiederholte erfolgreiche Selbstbehauptung überzeugt von der eigenen Beständigkeit? Ist es durch Jahrzehnte währende Meditation und Übung von Demut/Askese in religiösem Gebet oder säkularer Meditation geschult, die Bedeutung des Selbstbildes nicht als absolut anzunehmen?

Oder ist sein Selbstbild gebaut auf dem Fundament wirtschaftlichen Erfolges, einer völkischen Identität oder sonst einer angenommen Rolle im Schauspiel des modernen Lebens?

Was Angst macht

Ist letzteres der Fall, sieht “Ich” sich ganz schnell mal in die Ecke getrieben und reagiert radikal. Im gesellschaftlichen Maßstab ist die ökonomische Existenz der wichtigste Faktor. Durch fortwährende alles durchdringende Propaganda gedrillt neigt der moderne Mensch dazu, seinen ökonomischen Erfolg zum elementaren Bestandteil des Weltbildes zu machen. Doch durch was “Ich” sich konkret bedroht sieht, ist so komplex, vielfältig und variable wie die bald sieben Milliarden Bewohner dieses Planeten.

Es kann auch das Kind sein, das die kompetente Ausübung der Rolle der Mutter in Frage stellt, es kann die Mutter sein, die die sexuelle, emotionale oder intellektuelle Kompetenz des Vaters in Frage stellt, es kann der Kanacke sein, der die konstruierte Reinheit der völkischen Seele bedroht. Es kann eine Fantastillion unscheinbarer Umstände sein, die unsichtbar irgendeinen Aspekt eines Selbstbildes ins wanken bringt. Und “Ich” bekommt es mit der Angst zu tun, der Autopilot übernimmt und zeigt “Ich” den Weg. Je existentieller die Bedrohung, desto blutiger der Weg.

Die Erkenntnis dieses Wirkmechanismus hat zahlreiche Konsequenzen. Leider ergeben sich keine einfachen Lösungen. Dennoch wird es sicher nicht schaden und vielleicht sogar helfen, sich dies in diversen Umständen bewusst zu machen und zu versuchen, entsprechend gegen zu wirken.

Liebe

Liebe bedeutet auch Selbstaufgabe. “Ich” lässt sich zu 100% auf ein anderes “Ich” ein, akzeptiert alle “Fehler” und “Unzulänglichkeiten” des anderen. Fehler und Unzulänglichkeiten sind subjektiv und stellen zu einem guten Teil einfach Inkompatibilitäten mit dem eigenen Selbst- und Weltbild dar. In einer langfristigen Zweier-Beziehung erweitern die Partner jeweils ihr Selbstbild und integrieren den anderen.

Kommt es nun zu Konflikten, stellt allein die Existenz des Konflikts schon eine Bedrohung der Selbstbilder dar. Das ist der Grund, aus dem Liebe relativ leicht in sein diametrales Gegenteil, den Hass, umschlägt.

Es gibt fast immer mindestens die Tendenz, sich in Konflikten zu rechtfertigen. Eine Rechtfertigung kann den Konflikt verschärfen oder zur Lösung beitragen, abhängig davon ob sie hilft Inkonsistenzen zwischen den Selbstbildern zu unterstreichen oder zu kitten.

Das soziale Tier

Der Mensch ist ein soziales Tier. Ein Mensch allein kann in der Natur bestenfalls gerade so eine Zeit lang überleben. Eine Gruppe von Menschen dagegen ist eine Macht, die ihr lokales Ökosystem bestimmt und formt.

Sehr wahrscheinlich verdanken wir einen Großteil der Merkmale, die uns als Menschen ausmachen, einem ganz spezifischen Evolutionsdruck: Eine größere Gruppe hat zahlreiche Vorteile gegenüber einen kleineren. Der Mensch ist das Tier mit den größten Gruppen, die aus individuellen Beziehungen geschmiedet sind. Bei anderen Primaten funktioniert das bis rund 20 Individuen, bei Menschen bis über 100.

Diesem Umstand verdanken wir wahrscheinlich unsere Sprache, ausgeprägte soziale Intelligenz, unser soziales – und damit auch anderes – Gedächtnis, und mit all dem letztlich was uns zum Despoten dieses Planeten gemacht hat: unsere ausgeprägte kulturelle Überlieferung.

Dass wir uns – auch – über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und unserer Rolle in dieser definieren, liegt tief in unserer Natur, in der Conditio Humana. Menschen können zwar fast alle Aspekte ihrer Natur überwinden, aber die wenigsten tun dies.

Facebook & Co.

Viele, insbesondere jüngere, verbringen heute einen großen Teil ihrer Zeit in sozialen Netzwerken. Diese adressieren direkt unser Grundbedürfnis der Gruppenzugehörigkeit. Das Selbst- und Gruppenbild wird dort definiert durch das Teilen von Inhalten und oft Botschaften.

Widersprechende Botschaften sind damit direkte Kriegserklärungen, Angriffe auf das Selbstbild, und die Reaktionen entsprechend heftig. Eine unablässige Folge eskalierender Shitstorms sind die Konsequenz dieses Mechanismus.

Die sozialen Netzwerke haben sich so zu einem zivilisatorischen Gift erster Güte entwickelt. Aber das ist nicht die “Schuld” von Mark Zuckerberg oder sonst einem Macher von sozialen Netzwerken. Es gilt als latent unhöflich auf Parties über Politik, Religion und andere Selbstbild-kritische Themen zu reden. Aus gutem Grund.

Aus Netzkultur wird Leitkultur

Mit dem kometenhaften Aufstieg der sozialen Netzwerke hat eine jungen und somit tendenziell ideologisch engagierte Generation in kurzer Zeit eine gigantische Parallel-Kultur errichtet. Das begann in den 1980er Jahren zaghaft mit den Usenet Foren, hat ab 2004 mit Facebook massenhafte Verbreitung gefunden und innerhalb von rund 10 Jahren von praktisch null auf fast 100% der Bevölkerung der westlichen Nationen einbezogen.

Die Kommunikationsform in sozialen Netzen ist eine andere als auf Parties. Es gelten andere Regeln und diese wurden von der jungen – ideologisch engagierten – Generation neu gemacht. Unsere Kultur braucht Zeit, den Umgang mit sozialen Netzen zu lernen.

Ich bin mitschuldig an der aktuellen kulturellen Misere. Ich werde lernen müssen zu akzeptieren, dass Katzenbilder im sozialen Kontext gut sind und ideologische Statements unanständig.

Das heißt nicht, dass es keine Ideologie in sozialen Netzwerken geben darf. Im Gegenteil. Wir müssen lernen, die neue Technologie für den demokratischen Diskurs zu nutzen. Aber damit das möglich wird – heute ist es das kaum – müssen wir lernen, unsere soziale Interaktion strikt vom ideologischen Diskurs zu trennen. Und wer es nicht schafft, seine Selbstdefinition von der Ideologie zu trennen, ist für Teilnahme am Diskurs nicht qualifiziert.

Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe

Diverse Studien haben einen deutlichen Zusammenhang zwischen Angst und Konservativismus aufgedeckt. Das heißt nicht, dass jeder Rechte ängstlich ist oder jeder Ängstliche rechts. Aber Angst ist offenbar auch eine wichtiger Treibstoff für konservative Überzeugungen und Brandbeschleuniger rechtsextremer Ideologien.

Ich habe den Zusammenhang mit dem erweiterten Selbstbild des Ich als Teil eines/einer hypothetischen Volkes/Kultur/Nation oben bereits angedeutet. Aus dieser Erkenntnis lässt sich nicht ableiten, wie rechtsextremem Gedankengut zu begegnegnen ist.

Es lässt sich aber vermuten, wie es nicht geht. Alles was die Ideologie abwertet, sie minderwertig darstellt, abtut, die Ängste der Betroffenen nährt (ja, die “Betroffenen” sind in diesem Kontext die Rechten) wird nur die Konfrontation verschärfen, die Gräben im ideologischen Stellungskrieg vertiefen. Keine neue Erkenntnis, aber vielleicht eine andere Sicht auf Bekanntes.

Liebe und Leistung

Das beste Gegenmittel gegen die ubiquitäre Angst vor der Vernichtung des Selbst ist das Urvertrauen. Diese Impfung kann nur – in der Regel von den Eltern – in der Kindheit verabreicht werden. Sie besteht aus bedingungsloser Liebe. Das heißt nicht, dass man Fehlverhalten seiner Kinder ignorieren soll. Kritik und (auch negative) Konsequenzen sind für Lernen und Erziehung so wichtig wie Liebe und Förderung. Doch niemals sollte Fehlverhalten zum Liebesentzug oder mangelndem Respekt führen.

Sehr wichtig ist auch, Liebe nicht leistungsabhängig zu vergeben. Wer seinen Kindern Achtung, Respekt, Liebe abhängig davon schenkt, wie gut die Noten, sportliche oder sonstige Leistungen sind, erzieht Menschen, die tendenziell bereit sein werden, für beruflichen oder sonstigen Erfolg auch über Leichen zu gehen, wenn es eng – beängstigend – wird.

Ich wollte die Leichen zunächst in Anführungsstriche stellen. Doch wirtschaftliche Entscheidung fordern leider leicht Menschenleben – auch wenn sich diese Entscheidungen wie abstrakte bürokratische Akte anfühlen.

Die Macht der Algorithmen

Um der fatalen Bellifizierung des demokratischen Diskurses in sozialen Netzwerken Herr zu werden, wird es einer grundsätzlichen Änderung unserer Kultur bedürfen und das wird viel Zeit brauchen. Doch die Macher dieser Netzwerke könnten durchaus zur positiven Veränderung des Diskurses – und der Kultur – beitragen.

Die Macht der Ranking-Algorithmen dieser Netzwerke ist enorm. Diverse Studien haben gezeigt, dass Youtube und Facebook im Dienste der Aufmerksamkeits-Vermarktung eine dramatische Radikalisierung der dargebotenen Inhalte in Kauf nehmen. Wer auf diesen Plattformen surft und auf einer gemäßigt linken oder rechten Welle einsteigt und dann den Empfehlungen folgt, landet schnell bei zunehmend radikalen Beiträgen der entsprechenden Richtung.

Dass das für die Gesellschaft schädlich ist, braucht nicht diskutiert zu werden. Abhilfe kann hier wahrscheinlich nur ein Kampf gegen die Aufmerksamkeits-Ökonomie schaffen.

Doch wie oben angedeutet, sollten die Netzwerke bei der Trennung von sozialem und ideologischem helfen. Ideologische Inhalte sollten jenseits von spezialisierten Foren/Gruppen/Kanälen/… , die explizit dem demokratischen Diskurs dienen, im Ranking stark abgewertet werden.

Der demokratische Diskurs kann nur gelingen, wenn wir uns nicht mit seinen Inhalten identifizieren. Da wir uns fast immer auch über unsere Zugehörigkeit zu unserem sozialen Umfeld definieren, darf unser soziales Netz nicht aus ideologischen Botschaften geknüpft sein, wenn unsere Auseinandersetzung mit diesen Botschaften eine Chance haben soll.

Kulturelle Erneuerung

Letztlich müssen wir alle stetig daran arbeiten, wieder eine de-ideologisierte Gesellschaft zu werden, die von gegenseitiger Achtung, Respekt und Wertschätzung geprägt ist. Die Revolution der sozialen Netze hat mit ihrer Geschwindigkeit unsere Kulturbildung massiv überfordert. Wir werden Jahrzehnte brauchen, die aktuelle Zerrüttung zu überwinden – wenn es überhaupt gelingen kann.

Ich hoffe, dass dabei hilft, wenn wir uns stets vergegenwärtigen, dass sich die Äußerung unserer Überzeugung für unser Gegenüber wie der Lauf einer Pistole an der Schläfe anfühlen kann – ohne, dass Ich oder Du sich dessen bewusst sind.

Jobs – KI = Sozialkollaps

Künstliche Intelligenz (KI) wird in den nächsten zwei Dekaden die Mehrzahl unserer Arbeitsplätze ersetzen. Mehrzahl heißt “mehr als die Hälfte”. Keine bisherige technologische Revolution hatte eine derartige Wirkung auf die Gesellschaft. Nicht annähernd. Darum sind alle etwas verwirrt, und wissen nicht, was zu tun ist. “Weiter so”. Und wohin?

Wieso sind wir ausgerechnet heute an einem technologischen Scheidepunkt? So eine Hypothese wäre zu jedem anderen historischen Zeitpunkt lächerlich, wieso ist sie es heute nicht? Diese Artikel illustriert das auf perfekte Weise, dennoch empfehle ich ihn nur hartgesottenen wissenschaftlich Interessierten zum Lesen. Eine Wissenschaftlerin berichtet da über Entwicklungen in ihrem sehr fokussierten Spezialgebiet und erwähnt dabei jeden Punkt, der unsere Zeit zu einer einzigartigen machen. Die künstliche Intelligenz kommt da fast erst zum Schluss.

Eine Schleife, gebunden aus Software

Ihre Entwicklung – KI – ist die Königsdisziplin der Software-Entwickler. Die Entwicklung von Software profitiert von nichts auch nur im Entferntesten so massiv wie von entwickelter Software. Wenn Programmierer Programme programmieren, verwenden sie bei ihrer Arbeit einen byzantinischen Dschungel aus Software. Sie verwenden Software, die ihren Programmcode farblich markiert, damit sie schneller relevante Code-Stellen sehen, Software, die ihnen hilft, Fehler zu finden, Software, die ihnen automatisch ihren Code vervollständigt, während sie tippen usw.

Aber viel wichtiger: die Software, die sie schreiben, verwendet größtenteils Software, die andere vorher geschrieben haben. Fast alle Programmierer fügen immer nur im Verhältnis winzige Mengen eigenen Codes ein. Bei jedem modernen Programm liegt der Anteil des extra dafür geschriebenen Codes maximal im niedrigen Promille-Bereich. Und das, worauf Programmierer zurückgreifen können wächst mit bereits rasender und dennoch stark beschleunigender Geschwindigkeit. Jeder fügt immer nur noch ein bisschen hinzu und schafft damit für andere enorm Nützliches. Große Firmen wie Google unterstützen diesen Prozess massiv, in diesem Fall vermutlich um das Web vor dem Angriff der Apps zu verteidigen. Denn das Web ist Googles goldene Gans.

Alleine dieser Punkt der immer effizienteren Software-Entwicklung wird schon einen stattlichen Batzen Jobs killen, und würde alleine wahrscheinlich reichen, unsere Gesellschaft ordentlich durchzuschütteln. Doch es kommt noch erheblich dicker. Ich habe in meiner Promotion mit künstliche neuronalen Netzen gearbeitet. Das sind die wichtigsten Motoren der gegenwärtigen Durchbrüche in der künstlichen Intelligenz. Die Dinger sind ziemlich schwer zu beherrschen. Doch dabei hilft die zuvor erwähnte Beschleunigung der Software-Entwicklung.

Wolken am sind der Software Himmel

Und sie brauchen ziemlich viel Rechenleistung um Interessante Dinge zu tun. Weder Studenten noch für Firmen arbeitende Programmierer können mal eben beliebige Rechenleistungen abrufen, die sie aber nur in einem Promille ihrer Arbeitszeit benötigen. Können sie doch. Das Zauberwort heißt Cloud-Computing.

Amazon hat wie Google das Problem, einen riesigen Berg Rechenleistung zu managen und immer da verfügbar zu machen, wo er gerade gebraucht wird. Da kann nicht der Administrator der Suche mal ein paar Rechner mehr geben, weil gerade mehr gesucht als gemailt wird. Der Administrator wäre dazu viel zu langsam und unzuverlässig. Das geht automatisch. Und Amazon, eine der geschäftstüchtigsten Firmen dieses Planeten, hat erkannt, dass das ein wichtiges Problem ist und ein Riesen-Geschäft daraus gemacht.

Viele Daten und viel Intelligenz

Und jetzt kann die Autorin des oben verlinkten Artikels mal eben beliebige Rechenleistung abrufen um ein paar Gene mit dem auftreten von ein paar Molekülen zu korrelieren und kann dafür auf einen Riesen-Berg Daten (Zutat Nummer drei nach mehr Software und Cloud-Computing: Big Data) zurückgreifen. Denn einen Riesen-Berg Daten braucht man um ein künstliches neuronales Netz zu trainieren.

Das sind drei Zutaten für eine Software- und Gesellschafts-Revolution. Und die Autorin nennt auch noch die vierte Zutat für den kommenden Boom künstlicher Intelligenz und Bust für den Rest der Wirtschaft: künstliche Intelligenz. Denn was anderes sollte eine KI Forscherin für die Entwicklung der KI verwenden als KI? Wie ich bereits erwähnte ist die Beherrschung künstlicher neuronaler Netze ziemlich schwierig. Ein bisschen KI wäre da schon sehr hilfreich, das muss erst mal gar keine besonders clevere KI sein um mit dem Balancieren dieser Netze zu helfen. Und die KIs werden ja langsam cleverer – der geneigte Leser möge diese Entwicklung mit der der Software-Entwicklung vergleichen. Vielleicht haben wir auch noch dreißig, vierzig Jahre, bis die KIs so richtig clever werden, aber wahrscheinlich eher nicht.

Doch das ist auch egal. Selbst vierzig Jahre wären für so eine Umwälzung sehr wenig Zeit. Wir sollten sicherheitshalber eher mit 15 rechnen. Und dann?

Berufe, die hauptsächlich mit dem Umgang mit Menschen zu tun haben, werden vermutlich am wenigsten betroffen sein – Lehrer, Kinder-, Alten- und Kranken-Betreuung usw. Auch diese Berufe werden betroffen sein, da alle effizienter werden (Roboter, Expertensysteme, Online-Unis und -Lehrmaterial). Am schnellsten und härtesten dürfte es Logistik und Produktion treffen.

Automatisch vom Reißbrett bis zum Kunden

Logistik ist Amazons Spezialität (neben Cloud-Computing). Amazon hat vor drei Jahren eine Firma gekauft, die Lager-Roboter baut und beginnt jetzt, seine Lager zu automatisieren. Das erlaubt es mehr und dezentralere Lager zu haben, die deutlich schneller und billiger sind als solche, in denen Menschen arbeiten. Amazon hat auch vor einiger Zeit mit Tests von Liefer-Drohnen für Artikel bis 2,5Kg (90% von Amazons Lieferungen) begonnen und baut diese aus.

In Singapur, Helsinki und Berlin starten nun die ersten Tests mit autonomen Taxen und Bussen (Personen-Transport ohne Personal-Einsatz). Mercedes testet bereits seit längerem seine autonomen LKWs in den USA und bereitet Tests in Europa vor. Alle relevanten Firmen kündigen vollautonomes Fahren bis c.a. 2020 an. Das mag auch etwas länger dauern und die Regulierung wird das besonders hierzulande noch deutlich verzögern, aber 5 Jahre mehr oder weniger für den häufigsten Job unserer Gesellschaft – Fahrer – ist nichts, um darüber in Lethargie zu verfallen. Die Automatisierung der Logistik bringt es mit sich, dass für jeden Artikel jederzeit Position und Bestimmung bekannt sind, was weiteres großes Optimierungs-Potential erschließt – ein perfektes Betätigungsfeld für künstliche Intelligenz.

Adidas verlagert einen Teil seiner Schuh-Produktion wieder nach Deutschland – statt billiger Bengalen werden die Schuhe hier von noch billigeren Robotern gefertigt. Dies ist ein Pilot-Projekt einer weiteren Revolution: der Kommodifizierung der Produktion.

Moderne Produktions-Robotor werden immer flexibler und einfacher einzusetzen. Es wird immer einfacher und billiger, Produktions-Prozesse kurzfristig umzustellen. Die immer breitere Verfügbarkeit von industtriellen 3D-Druckern tut ihren Teil für die Flexibilisierung der Produktion. Früher war eine Produktions-Anlage eine teure Investition in eine hoch-spezialisierte Anlage zur Produktion spezifischer Artikel. Solche Anlagen banden große Mengen Kapital fest an einen Standort und eine Produkt-Sparte.

Teuer sind Produktions-Anlagen immer noch, doch die Flexibilisierung wird dazu führen, dass diese Anlagen nicht mehr an einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Firma gebunden sind. Produktion wird selbst zur gehandelten Ware, das ist die Bedeutung von “Kommodifizierung”. Firmen wie Adidas werden dann noch die Schuhe designen und die Vermarktung koordinieren, doch der gesamte Prozess von der Herstellung bis zum Kunden wird weitgehend automatisiert und kommodifiziert sein (Amazon Marketplace ist die Kommodifizierung der Logistik wie Cloud-Computing die Kommodifizierung von Rechenleistung ist).

Kommodifizierung ist deshalb so wichtig, weil sie stets große Effizienz-Gewinne bringt und die Automatisierung weiter voran treibt, da die Markt-Gesetze mit ihrem unerbittlichen Preis-Druck nur auf kommodifizierte, also “gehandelte” Produkte ihre volle Wirkung entfalten können.

Ein Teufelskreis, der aus immer mehr immer weniger Kunden macht

Und wie bei den Programmierern, die von Programmen profitieren und KI, die von KI profitiert, profitiert eine automatisierte und kommodifizierte Produktion und Logistik von eben dieser, da natürlich auch Produktions-Anlagen, Lager- und Transport-Robotor produziert werden können.

Es gibt also eine ganze Reihe gegenwärtiger Entwicklungen, die sich selbst und gegenseitig beschleunigen: Software Entwicklung, Cloud Computing, Big Data, KI, Automation von Produktion, Logistik und anderem, Kommodifizierung. Es gibt zwischen all diesen Entwicklungen zahlreiche positive Rückkopplungen, das heißt, wenn A schneller und billiger wird, wird B schneller und billiger, was wiederum A noch schneller und billiger macht. Es gibt da Rückkopplungen der Form A macht A schneller wie bei Software-Entwicklung und KI und es gibt zahlreiche A -> B -> A, A -> B -> C -> A und so weiter Rückkopplungen.

Deshalb sind all dies sogenannte exponentielle Entwicklungen und speziell die exponentielle Entwicklung von Produktion und Logistik könnte uns theoretisch ein ökonomisches Schlaraffenland bescheren. Denn exponentiell heißt “je mehr desto mehr und das immer schneller, je schneller desto schneller”. Doch die Produktion wird womöglich an den Marktgesetzen scheitern, da kaum jemand ihre Produkte mehr kaufen kann, wenn kaum jemand für ihre Produktion bezahlt wird. Auch das ist eine Rückkopplung – eine negative.

Liebe Mitbürger, wir sollten uns alle mal ein paar Gedanken machen und besprechen, wie wir damit umgehen würden, wenn plötzlich die Mehrheit der Jobs im Schlaraffenland flöten ginge. Nur mal so rein hypothetisch.

Der Tod der Schönheit

Wohl denen, die wie Frederick daheim Schönheit für den Winter gehortet haben. Denn heute ist der Tag, an dem die Schönheit stirbt.

Es ist der 7. November 2015. Anfang Oktober war das Wetter mal etwas garstig, aber in den Wochen bis heute, war es extrem mild und freundlich. Darum und aus anderen Gründen haben viele Bäume ihr Laub bis heute behalten. Es war ein außergewöhnlich schöner Herbst.

“There is so much beauty in the world.” An diesen Satz aus dem Film “American Beauty”, gesprochen zum Home-Video von einer weißen Plastiktüte, die in einem Windwirbel tanzt, an diesen Satz denke ich oft.

Wie jedes Jahr strahlten die hiesigen Ginkos in einem grandiosen leuchtenden Gelb. Große, markant gewachsene Bäume in einem leuchtenden freundlichen Gelb. Die Amberbäume zünden jeder ein eindrucksvolles Feuerwerk über die ganze Palette von Grün über Gelb und Orange zu strahlendem Rot. Eins muss man den Amis lassen. Indian Summer haben sie drauf. Doch selbst unsere Buchenhaine mit eingestreuten Eichen, Eschen und Birken waren diesen Herbst besonders prächtig in satten Farben in der freundlichen Oktobersonne.

Heute, am siebten November, erleben wir das herbstliche Ende einer außergewöhnlichen Hitze-Welle. Über Wochen war es viel zu heiß für die Jahreszeit und gegen Ende dieser Phase purzelten auch Temperatur-Rekorde.

Wir waren heute in Münster. Ich war viel zu warm angezogen. Wir gingen unter einem Ahorn her, der sein spitzblättriges Laub nahezu komplett in kurzer Zeit hat fallen lassen. Aufgrund der extrem hohen Luftfeuchtigkeit der letzten Tage ist das Laub prall und seine Spitzen zeigen überall in surrealer Bedrohlichkeit nach oben. Die Blätter sind von einem schönem blassen Gelb mit Dunkelroten Akzenten.

Ein letztes mal hat die Natur für dieses Jahr einen überraschenden Moment atemberaubender Schönheit mal eben auf die Straße fallen lassen. Denn nun kommt der Herbststurm und bläst die meiste Schönheit für die nächsten paar Monate aus der Natur.

Ich war eben im Garten, es regnet gerade nicht. Es ist jetzt, am siebten November um 23:33 Uhr noch 16°C. Ein seltsam warmer Wind zerrt das letzte Laub von den Zweigen. Es ist ein passend ungewöhnliches Ende für einen Herbst von ungewöhnlicher Schönheit.

Der Wieder-Auftstieg des Faschismus

Wir erleben das Ende der Demokratie und ein Wieder-Erwachen faschistoider Gesellschaftsstrukturen. Diese Entwicklung wird hier von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit einigen Beispielen belegt.

Wir leben in interessanten Zeiten.

Ich habe den Großteil meines Lebens auf einer historischen Insel der Glückseligkeit verbracht. Mit dem Erwachen meines Bewusstseins erwachte auch das Bewusstsein, dass der kalte Krieg bekloppt ist und wir diesen Planeten nicht gar so schnell verbrauchen sollten. Sexuelle Befreiung und eine Welle demokratischer Partizipation in zahlreichen Demos, Streiks, APOs und basisdemokratisch organisierten kleineren Projekten waren zusammen mit vorgenannten Erkenntnissen die Nachwehen der 68er Revolution vor meiner Geburt. Die Ideale von sozialer Marktwirtschaft, Achtung der Grundrechte, Freiheit der Presse und Demokratie waren völlig unantastbar.

Ich habe das Ufer dieser Insel der Glückseligkeit fühlbar verlassen und finde mich nun in einem stetig windiger werdenden Ozean.

Berichterstattung zur Überwachung

Es ist verblüffend, wie stark Medien die Wahrnehmung großer Phänomene und Ereignisse prägen. Nachdem 1989 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zusammenbrach, schwappte eine lange und hohe Welle der Empörung über die Ausforschung der Bevölkerung der DDR durch die Staats-Sicherheit (StaSi) durch Deutschland. Die viel gründlichere Überwachung durch die zeitgenössischen Geheimdienste wird dagegen fast komplett ignoriert.

Wer glaubt, “unsere” Geheimdienste seien im Gegensatz zur StaSi ja nicht böse, der hat sich offensichtlich nicht mit bekannten und allgemein akzeptierten Fakten zu Organisationen wie der CIA befasst.

Der plausibelste Grund für diesen frappierenden Mangel an Empörung über den aktuellen Geheimdienst-Skandal ist meiner Meinung nach das schleichende Ende der Pressefreiheit. Natürlich behält die Pressefreiheit ihre juristisch-akademische Bedeutung. Aber eine nicht ausgeübte Freiheit endet mit dem Ende ihrer Ausübung. Dieses Ende zeigt sich, wenn man sich tiefer mit der Berichterstattung zu einzelnen Themen befasst – wie zum Beispiel dem Ukraine Konflikt, Charlie Ebdo, islamistischem Terror allgemein, der Flüchtlings-Krise, der Subprime-/Finanz-/Staatsschulden-/Griechenland- … Banken(!)-Krise (ist alles eins).

Das schleichende Ende der Demokratie

Ein Drittel bis die Hälfte der Menschen hat das Wählen aufgegeben, weil eine Wahl heute keine bedeutsame Richtungs-Entscheidung mehr ist. Es gibt nur den Weg des Geldes, je nach Geschmack rot oder schwarz lackiert. Der Sozialstaat wurde gründlich entkernt und seine Aushöhlung schreitet zügig weiter voran. Meine nach unvorstellbaren Gräueltaten 60 Jahre lang weitgehend pazifistische Heimat heizt heute kräftig mit bei den prächtig laufenden Geschäften der internationalen Rüstungs-Industrie.

Selbst wenn man all das richtig findet, weil man glühender Anhänger des Neoliberalismus ist, selbst dann muss man besorgt sein über die zunehmende Ermächtigung totalitärer Willkür. Die unstrittig zentralste Funktion des Staates ist die Definition und Durchsetzung des Strafrechts. Auf das es uns Menschen überhaupt möglich wird, gewaltfrei zu interagieren. Dies sind nur mal zwei Beispiele staatlichen Versagens in dieser zentralsten Funktion: Beweismittel aus 1) Haarproben und 2) Drogentests sind Gegenstand völliger staatlicher Willkür.

Damit ist grob geschätzt die Hälfte aller Straf-Verfahren (und in den USA höchstwahrscheinlich noch mehr) deutlich jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter “Rechtstaatlich” vorstellt. In der Schule fing bei 50% glaube ich die Note sechs an. Aber es muss natürlich auch in dieser Anklage gegen den Staat die Maxime “in dubio pro reo” gelten, “im Zweifel für den Angeklagten”. Das Urteil lautet daher, Staat: Fünf minus, setzen.

Die Machtergreifung des Kapitals

Es läuft seit Jahren ein fortwährender Angriff der Wirtschaft auf die Demokratie in Form dubioser Handels-Abkommen. Ein aktuelles Scharmützel in diesem Krieg ist TTP. Hier findet sich eine gute Analyse nur einiger Gründe wieso die 6000 Seiten Vertragswerk in Juristen-Sprache für die Öffentlichkeit nichts Gutes verheißen. Dieses Handelsabkommen mag wie das letzte von der Öffentlichkeit verhindert werden. Doch die Angriffe hören nicht auf. Irgendwann wird ein solcher Angriff erfolgreich sein. Und dann können nationale Parlamente nichts mehr beschließen, was internationalen Konzernen nicht passt.

Tatsächlich gibt es bereits erste Erfolge der Wirtschaft in diesem Krieg vorzuweisen. So verklagen einige Energie-Konzerne die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Energiecharta Vertrages wegen des Atomausstieges. Der vorläufige Erfolg liegt in der Möglichkeit der Klage, der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.

Jedes dieser Handelsabkommen versucht neue derartige Klage-Möglichkeiten zu schaffen. TTP beispielsweise versucht eine Enteignung des so genannten intellektuellen Eigentums der Öffentlichkeit (der “public domain”) durch die Hintertür zu erschleichen (siehe im bereits oben verlinkten Artikel.

Vorrangig geht es bei diesen Handelsabkommen offenbar nicht darum, Handels-Hemmnisse zu überwinden und die Marktwirtschaft zu stärken. Ich bin Teilhaber einer kleinen Firma, die unter anderem mit bestimmten Komponenten handelt, die auch ins Ausland versandt werden. Dies ist für eine kleine Firma ein bürokratischer Alptraum – schon z.B. bei einem Versand von Deutschland in die Schweiz.

Für kleine Firmen stellt dies ein ernstes wirtschaftliches Problem dar – das relativ leicht und wahrscheinlich völlig ohne öffentlichen Protest zu beheben wäre. Doch im Mittelpunkt der Verhandlungen geht es offensichtlich um anderes. Marktwirtschaft findet im Wettbewerb kleiner Firmen statt. Die großen internationalen Konzerne sind geprägt durch Monopole und Kartelle, Lobbyismus und Marketing-Propaganda. Mit Marktwirtschaft hat das alles wenig zu tun, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe.

Es geht den internationalen Multis, die bei den Verhandlungen von Handelabkommen im Gegensatz zu kleinen Firmen mit am Tisch sitzen, nicht um Marktwirtschaft, im Gegenteil. Es geht um die Usurpation nationaler Legislativen durch die mächtigen Rechts-Abteilungen der Multis und um die Abschaffung eines Kernelements der Marktwirtschaft: des unternehmerischen Risikos. Der Marktwirtschaft – kleinen Firmen und damit auch unliebsamer Konkurrenz der Multis – bleibt dieser äußerst kostspielige Klage-Weg verschlossen. Damit ergaunert sich das große Geld einen weiteren unter vielen Wettbewerbsvorteilen. So wird Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Handstreich geschwächt. Der Erfolg dieser Strategie scheint momentan langfristig unausweichlich.

Das klingt alles weit weg für den Otto-Normal-Bürger. Doch wenn z.B. die Klage der Energie-Konzerne gegen Deutschland Erfolg hat, wird Otto-Normal-Bürger für das Privileg des Atom-Ausstieges 4,7 Milliarden Euro bezahlen. Gesetzes-Änderungen sind ohne Zusatzkosten nur noch zu Gunsten der Wirtschaft möglich nie mehr in zu ihrem Nachteil.

Lohnentwicklung und Wohlstands-Schere

Noch drastischer ist die Auswirkung der Wirtschafts-Politik auf das Lohngefüge, und das spüren bereits sehr viele Menschen. Es ist der Wirtschaft gelungen, die Löhne in den alten sozialen Marktwirtschaften in direkte Konkurrenz zu den Löhnen in aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien, Südamerika und Südafrika zu bringen.

Dies ist eigentlich eine positive Entwicklung. So bekommen diese sich entwickelnden Wirtschaftsräume auch endlich eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Und es schadet Deutschland oder anderen alten Nationen mit starker Wirtschaft als Ganzes betrachtet auch nicht. Doch im Zuge dieser Entwicklung ist es gelungen, den dadurch erlangten wirtschaftlichen Gewinn in den Händen weniger zu belassen und die immer breiter werdende wirtschaftliche Unterschicht auszubluten.

Teile und Herrsche

Getreu der alten Maxime “teile und herrsche” werden so – wenn auch vielleicht nicht zentral koordiniert oder auch nur bewusst – verschiedene Fraktionen dieser Unterschicht gegeneinander ausgespielt. Dies findet in regelrechten Medien-Kampagnen (die Nachdenkseiten berichten regelmäßig dazu) gegen so genannte Hartz 4 Schmarotzer, Migranten, Flüchtlinge und besonders gern die Unterschicht anderer Länder (insbesondere in Südeuropa) statt.

Derweil lebt die stetig schwindende Mittelschicht in Angst vor dem sozialen Abstieg unter dem Dauerfeuer medialer Propaganda, die immer wieder neue Kaninchen aus dem Hut zaubert, die angeblich die Schuld an der Misere tragen. Neben den vorgenannten Unterschichtlern auch “feindliche” Konzerne wie Google und Uber, Russen, Moslems … alle außer denen, die fortwährend den Reichtum anhäufen, den die anderen Schichten vermissen.

Die politischen Entscheider und Wirtschaftsführer finden sich unterdessen in eitler Interesseneinheit, dem Interesse an einem ordentlichen Happen von diesem Reichtum. Während Wirtschaftsführer direkt mit Millionen für ihre moralischen Verfehlungen entschädigt werden ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass hochrangige Politiker nach ihrer politischen Karriere mit hoch dotierten Pöstchen für ihre Gefälligkeiten bedacht werden. Dies und die enorme Macht des Lobbyismus sorgen dafür, dass die Politik der Wirtschaft immer weniger in die Quere kommt.

Die ultimative Propaganda-Maschine

Was für die Politik die Lobby ist für das Demos, das Staatsvolk, die Werbung. Deutsche sind heute jeden Tag durchschnittlich 10 Stunden dem Dauerbombardement mit wirtschaftlicher Propaganda in Form von Werbung ausgesetzt, davon allein 4 Stunden Fernsehen in der Freizeit und noch mal so lange Radio am Arbeitsplatz. Deutsche Gesetze schreiben z.B. bei Fernsehen (noch!) vor, dass vier Fünftel des Programms dem Zweck dienen müssen, die Aufmerksamkeit des Publikums für die Propaganda abzugreifen, während “nur” ein Fünftel der Zeit für die eigentliche Propaganda verwendet darf. Macht zwei volle Stunden reine Propaganda-Berieselung für jeden Bürger vom Kleinkind bis zum Greis, jeden Tag, 24/7.

Doch es ist allgemein bekannt, dass auch die anderen vier Fünftel des Programms zumindest teilweise den Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, gilt es doch ein attraktives Werbeumfeld zu schaffen, und eine attraktive Werbe-Zielgruppe anzuziehen.

Die allgegenwärtige und hoch wirksame Wirtschafts-Propaganda, vulgo “Werbung”, ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich dem einen eigenen Artikel gewidmet habe. Im Zusammenhang mit dem Wieder-Aufstieg des Faschismus bleibt fest zu halten, dass wir täglich rund zwei Stunden mit der Aufnahme lupenreiner pro-Wirtschaftlicher Propaganda beschäftigt sind und den größeren Teil unseres wachen Lebens entweder mit der Vorbereitung auf diese Propaganda oder ihrer Aufnahme beschäftigt sind. Historische faschistische Regime haben von einer solch umfassenden und allgegenwärtigen, bereitwillig aufgenommen Propaganda wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Der rote Faden

Es zieht sich ein roter Faden durch all diese Entwicklungen: Es ist die Machtergreifung des großen Geldes. Und es ist dies in dieser Ausprägung ein historisches Novum. Es gab z.B. auch im 19ten Jahrhundert mächtige Kapital-Konzentrationen wie zum Beispiel das Rothschild-Imperium, welches zu einem guten Teil auf der Finanzierung von Kriegen fußt, oder Standard Oil, Rockefellers Öl-Monopolist.

Doch anders als damals reicht diese Macht heute bis in den letzten Winkel der Gesellschaft. Und obwohl es sicher mächtige Graue Eminenzen gibt und sinistre Verschwörungen unterscheidet sich die Situation gerade hierin von der der vergangen Jahrhunderte: Die Macht wird heute gerade nicht von einem Rockefeller oder einem kleinen Zirkel von Verschwörern ausgeübt sondern von einem Netzwerk, einem System des Geldes.

Das Netz des Geldes

Geknüpft ist dieses Netzwerk aus Geld. Die Handelnden sind keine natürlichen sondern juristische Personen, Firmen, die über gegenseitige Beteiligungen verknüpft sind. Individuen – Politiker, Journalisten, Wirtschafts- und Meinungsführer und alle anderen – sind über ihren Wohlstand und ihr gesellschaftliches Ansehen an dieses Netzwerk gefesselt. Wer sich dagegen zu stellen versucht wird schnell als weltfremd und/oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt und sozial abgewertet.

Dahinter steckt vermutlich kein großer Plan. Wir haben über Jahrtausende ein extrem komplexes Gesellschaftssystem geschaffen, das aus Millionen von Regeln besteht. In Regel-Systemen gibt es Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Manche dieser Rückkopplungen bestehen in sich selbst verstärkenden Effekten. So etwas kennt der Volksmund als “Teufelskreis” oder speziell in Bezug zum Kapital als “Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”. Doch das ist bei weitem nicht die einzige sich selbst verstärkende Rückkopplung in unserem Gesellschaftssystem.

Ein resilientes Gesellschaftssystem

Man muss sich mit dem Prinzip der Rückkopplung auseinander setzen, wenn man die Usurpation durch das Kapital überwinden will. Denn es ist nicht damit getan, ein paar Konzerne zu zerschlagen und ein paar Regierungen auszutauschen. Es ist sicher auch nicht damit getan, das gegenwärtige Oligopol in ein staatliches Monopol zu verwandeln, wie es die Sozialisten fordern.

Wir müssen Regelsysteme finden, die stabiler sind als unser gegenwärtiges. Wir dürfen die Macht nicht sozialistisch konzentrieren, wir müssen meiner Ansicht nach versuchen, was noch nie gelungen ist. Wir müssen die Macht stabil dispergieren. Dazu reicht es nicht, das Regierungssystem zu reformieren. Die Machtergreifung des Kapitals betrifft alle Aspekte der Gesellschaft und die Antwort der Gesellschaft muss ebenso alle Aspekte betreffen.

Da wir mittlerweile eine Informationsgesellschaft sind, kommt dem gesellschaftlichen Umgang mit Information eine besondere Bedeutung zu. Doch diese Problematik ist bei weitem zu komplex, um sie in einem Artikel abzuhandeln. Es ist das Grund-Thema dieses ganzen Blogs (bzw. seiner Artikel aus der Kategorie Utopilotik).

Schluss

Geld regiert die Welt immer absolutistischer. Unsere Gesellschaft schleicht langsam, Schritt für Schritt in eine zunehmend militaristisch, faschistische Zukunft. Wir sind glücklicher Weise noch weit weg von den Schrecken der 30er Jahre. Aber wir sind auch weit weg von den langweiligen 70er und 80er Jahren.

Anhang

Anbei noch einige Fragmente, die ich über einige Zeit zu dem Thema gesammelt habe. Es sind kleine Hinweise, dass vielleicht etwas an der oben von mir ausgebreiteten These dran ist. Man beachte, dass hier ausschließlich Nachrichten aus westlichen Demokratien verwendet werden, die man eigentlich für gefestigt halten sollte. Aus Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei und anderen gibt es noch ganz anderes zu berichten.

Der Begriff „Faschismus“

Zunächst eine Begriffsklärung. Ich verwende den historischen Begriff “Faschismus” hier eher unorthodox. Was wir heute erleben ist etwas historisch völlig Neues, der Begriff passt nicht wirklich. Doch in Ermangelung gängiger Vokabeln für die aktuellen Anti-Demokratischen Tendenzen und den absolutistischen Anspruch des großen Geldes habe ich mich entschlossen, bei dem Begriff zu bleiben. Beim Studium von Wikipedias Definition des Begriffs fallen mir schon eine ganze Reihe Parallelen auf.

Meldungen zum Thema

Cameron Zitat:
For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. This government will conclusively turn the page on this failed approach
“For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. It’s often meant we have stood neutral between different values. And that’s helped foster a narrative of extremism and grievance.
“This government will conclusively turn the page on this failed approach. As the party of one nation, we will govern as one nation and bring our country together. That means actively promoting certain values.
“Freedom of speech. Freedom of worship. Democracy. The rule of law. Equal rights regardless of race, gender or sexuality.
“We must say to our citizens: this is what defines us as a society.”
Der erste Absatz ist ein Zusammenschnitt aus einer Rede von Cameron. Ich habe darunter noch etwas Kontext hinzugefügt aus verfehlter journalistischer Ethik. Ich halte das für bloße Rhetorik. Der relevante Kern der Aussage steckt im Zusammenschnitt. Es genügt nicht mehr, sich ans Gesetz zu halten um nicht Opfer staatlicher Willkür zu werden. Das ist gar keine schlechte Definition für Faschismus. Vom Regierungs-Chef. Für alle künftigen Krisen-Gewinnler wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, den Briten zu ihrer hervorragenden Wahl zu gratulieren 🙂

Zitat Senator und US-Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham:
„If I’m president of the United States and you’re thinking about joining al-Qaida or ISIL — anybody thinking about that?“ he asked to laughs. „I’m not gonna call a judge. I’m gonna call a drone and we’re gonna kill you.“
Wenn Du auch nur darüber nachdenkst, Dich einer “Terror-Organisation” anzuschließen, werde ich keinen Richter rufen sondern eine Drohne und Dich ermorden. Was in meiner Jugend ein Aussage von beängstigender Menschenverachtung gewesen wäre, beschreibt heute sachlich den Stand der Dinge unter Busch und Obama.

Kanada Terror-Gesetze (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Interessant auch, dass der deutsche Qualitätsjournalismus zwar im Vorfeld immerhin leise über das Gesetz berichtet hat, den endgültigen Abschied vom Rechtsstaat im Mai dann aber weitestgehend ignoriert hat.

Australien, Journalisten droht 10 Jahre Knast, wenn sie über Geheimdienst-Aktivitäten berichten.

Eine sehr interessante Analyse darüber, wie moderne Propaganda funktioniert.

Demonstrationsverbot in Spanien, Organisatoren von Demos müssen mit Existenz-Zerstörenden Bußgeldern rechnen (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Siehe auch.

Frankreich Total-Überwachung (vorher schon noch schlimmer als in Deutschland, jetzt noch einmal massive Verschärfung).

Guantanamo hat man von gehört. Andere CIA Folterknäste gibt es in anderen Ländern. Aber selbst mitten in den USA in der Jurisdiktion derselben gibt es einen Knast, der so übel ist, dass Irland einen “Terrorismus-Verdächtigen” lieber nicht an die USA ausliefern wollte.

Kleine obskure Winkelzüge mit gigantischen Effekten in Gesetzen: Ende der 90er Jahre wurde in den USA das Ermächtigungs-Gesetz der Finanz-Industrie gebaut.

Eine empirische Studie aus Princeton belegt in verstörender Klarheit, dass das politische System der USA keine Demokratie (mehr?) ist. Bei uns dürfte es ähnlich aussehen.

Die Verstrickungen der Briten in die Folter-Parties der Amis wurde auf Bitten der Briten aus dem entsprechenden Report entfernt. Begründet wird diese undemokratische Intransparenz, erwirkt auf undemokratischem Weg, mit den gleichen Argumenten wie die Folter Selbst: Innere Sicherheit.

In den USA werden Regelmäßig wichtige Gesetz verabschiedet, von denen die abstimmenden Abgeordneten nichts wissen. Z.B. wurde eine beängstigende Abhörklausel mal eben weitgehend unbemerkt mit dem Budget verabschiedet. Selbst die ohnehin teils alberne Demokratie-Simulation, die regelmäßig vor den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt, wird ist bei näherem Hinsehen löchrig wie ein Schweizer Käse.

“the real dimensions of the US military-intelligence-police-prison complex begin to come into view: a staggering $830 billion, more than 80 cents out of every dollar in the funding bill, is devoted to killing, spying on, imprisoning or otherwise oppressing the people of the world, including the American people.” (Quelle) An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass US-Gefängnisse mittlerweile vielfach kommerziell betrieben werden und ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Menschen einzusperren.

Wer den (fernauslesbaren) Chip auf seinem e-Perso zerstört, muss mit strafrechtlicher Verfolgung und Haft- oder Geldstrafe rechnen.

An east London schoolgirl who was „radicalised“ by Islamic State propaganda provided by her „deceitful parents“ must be removed from her home for her own safety, a judge has said. (Quelle) Das ist eine schwierige Problematik, die mindestens einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion bedürfte. Dem politischen Gegner wegen Gesinnungsverbrechen mal eben die Kinder weg zu nehmen, sollte nicht so einfach möglich sein.

Via Fefe: “Portugals Präsident weigert sich anscheinend gerade, der linken Anti-Austerity-Koalition die Regierungsbildung zu erlauben”

Kommentar Zitat: “This article furnishes additional evidence that democratic regimes tend to fight tyranny by adopting some of its methods.” Die erste Hälfte des Artikels listet diverse Entwicklungen in Europa, die in diese (falsche) Richtung gehen.

Berenike Steiger

Oder Nike, wie sie sich selbst nennt. Es ist schon erstaunlich, wie durch das Weglassen von zwei Silben aus dem altmodisch, schrägen “Berenike” der coole Name “Nike”, Turnschuh-Gigant und Siegesgöttin wird. Mit Turnschuhen hat unsere Nike so weit nicht viel zu tun, aber von der Siegesgöttin hat sie etwas.

Dieser Text steht in meiner Blog-Kategorie “Egotrip”. Das ist ausnahmsweise mehrfach zutreffend. Nikes Reise ist ein monumentaler Egotrip. Sie reist allein. Sie segelt allein.Das muss ich wahrscheinlich etwas ausführen.

Segeln auf dem Meer ist wunderbar. Aber es kann auch sehr schrecklich sein. Ein Sturm auf dem Ozean ist auch mit modernsten Segelyachten immer ein großes Risiko. Es braucht nur einen kleinen Fehler und die Segel oder Stricke werden beschädigt. Und beschädigtes Material bei einem Sturm kann den Tod bedeuten.

Menschen, die allein auf das Meer segeln, müssen ein ganz besonderer Schlag sein. Kommt ein Sturm, können sie glücklich sein, wenn sie nach 48 Stunden ohne Schlaf keine ernsten Fehler gemacht haben. Aber auch wenn – wie natürlich meist – kein Sturm ist, sind sie allein. Und allein auf einem Segelboot ist, zumindest auf dem Meer, ganz schön allein. Auf langen Strecken muss man mit speziellen Techniken mit wenigen Stunden Schlaf auskommen und während des Schlafens halt blind übers Meer schippern. Und man gehört zu den alleinsten Menschen auf dem Planeten. In jede Richtung ist in x Meilen: niemand.

Nicht nur segelt Nike nur mit sich (na gut, auch immer wieder mit wechselnden Gästen), sie segelt auch zu sich. Ihr Ziel ist ihr persönlicher Traum: auf einem Segelboot zu leben und um tropische Traumstrände zu schippern. Das ist kein besonders origineller Traum. Meiner ist es auch, und der Traum vieler Hobby-Segler und von Träumern, die es werden wollen. Ein dreifacher Egotrip: Nike segelt nur mit sich zu ihrem Traum und zu meinem.

Aber zum Segeln braucht man ein Boot. Nike hat eins in Panama gekauft, für 10.000 Euro. Und sie hat auch so ziemlich bekommen, was sie bezahlt hat. “You get what you pay for” sagt da der Angelsachse. Ein Wrack sage ich.

Und diese wunderbare Siegesgöttin macht sich an die Arbeit. Schuftet neun Monate an dem Boot ohne zu segeln und mit haufenweise Enttäuschungen. Aber sie gibt nicht auf. Und sie packt es.

Es wäre eine saublöde Story, wenn sie nicht wahr wäre. Diese uralte Geschichte ist ausnahmweise mal mitreißend – weil sie tatsächlich authentisch ist. “Untie the lines” ist eine Weekly Soap. Aber wenn eine Soap das echte Leben nicht schlecht imitiert sondern das echte Leben ist, dann hat das eine ganz andere Qualität.

Die Darstellerin der Hauptfigur – oder in diesem Fall tatsächlich nur die Hauptfigur – war mir zunächst unsympathisch. Vielleicht lag es daran, dass es Nike unangenehm war, eine Niederlage nach der anderen ins YouTube zu senden. Als sich die dunklen Wolken endlich verziehen, wird sie etwas sympathischer. Aber sie bleibt seltsam unzugänglich. Vielleicht liegt es daran, dass sie eine starke Frau auf einem doppelten Egotrip ist. Vielleicht will sie ihre Seele aber auch einfach nicht zu nackig ins YouTube senden. Letzteres glaube ich.

Es gibt Spannungsbögen, Cliffhanger, Sex-Appeal und kleine Dramen inklusive beinahe-Havarien, Abwechslung im Setting und in den Nebenrollen. Es ist noch mit mindestens zwei Jahren zu rechnen, wenn Nike nicht scheitert oder aufgibt. Das nächste wirklich große Abenteuer wird der Pazifik werden. “Wirklich groß” bedeutet: wenn man sich einen Globus aus einer bestimmten Richtung ansieht, sieht man fast nur Pazifik. Ein halber Globus voller Wasser, zu bezwingen mit einer 37 Fuß Alu-Schüssel von zweifelhafter Zuverlässigkeit, dafür aber haufenweise Charakter und Chuzpe sowie einem ungewöhnlichen Namen.

Ein cleverer „Kniff“ (oder tatsächlich vermutlich eher ein persönlicher Spleen) der Akteurin personifiziert Karl, ihr Boot, und schafft so einen immer anwesenden Sidekick der eine eigene “Charakter-Entwicklung” vollzieht. Vor allem: es ist ein interessantes Format, eine Weekly-Soap-Reality-TV-Sendung, nur echt. Es ist professionell geschnitten und in brauchbarer Qualität gefilmt. Anseh-Empfehlung!

  • Youtube Kanal c.a. ein Video a 5-10 Minuten pro Woche
  • Facebook Updates je nach Netz-Zugang
  • Blog mit Hintergrund-Informationen

Die Freiheit vorm Maschinengewehr

Der Angriff auf unsere Freiheit geht nicht vom Terror aus sondern von den Medien und der Militarisierung.

Die Propaganda versucht heute – eine halbe Woche nach den Anschlägen vom Freitag den 13.11.2015 in Paris – die Propaganda versucht heute eine interessante Idee zu verkaufen: Die Freiheit vor dem Maschinengewehr.

Die “Freiheit”, das sind nämlich wir, meine Mitbürger und ich. In allen westlichen Medienerzeugnissen ist zu vernehmen, dass die Anschläge von Paris Anschläge auf die Freiheit waren. Bei Pressetexten taucht die Phrase oft im Titel auf, kaum ein Text kommt ganz ohne diese vermeintliche Erkenntnis aus. Wenn ich mich mal in so einen Daesch Kämpfer im Mittleren Osten versetze, dann fallen mir spontan folgende abstrakte Konzepte ein, auf die ich ein Attentat verüben wollen könnte:

Gründe, uns zu hassen

Den Kulturimperialismus der Consumer-Culture, die meine Jahrtausende alte Kultur sichtbar auslöscht; die allgegenwärtige weitgehende Macht-Übernahme des Kapitals, das fast alle historisch gewachsene Machtgefüge meiner Gesellschaft auslöscht; die Verwandlung meiner gesellschaftlichen Elite in groteske Öl-Scheichs; die Ermordung tausender Unschuldiger (wo ich herkomme gilt als unschuldig, wer nicht vor einem ordentlichen Gericht als schuldig verurteilt wurde) durch westliche Luft-Kampf-Roboter; die massive Bombardierung der islamischen Länder Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Libyen, Irak und Syrien durch den Westen.

Und wenn mir tatsächlich gar kein abgehobener Grund einfiele, wieso ich ein paar hundert Pariser ermorden will, dann fiele mir vielleicht noch ein, dass das meine Feinde sind, die Franzosen, die mich seit einem Jahr bombardieren, und denen werde ichs zeigen! Aber die Freiheit? Bitte was???

Das Maschinengewehr, Dein Freind und Helfer

Und jetzt tauchen überall Bilder von freundlichen Polizisten mit Maschinengewehren auf. Die beschützen uns, wird alles gut! Nur mal so zum Beispiel zeigten irgendwelche Spätnachrichten Bobbies mit Maschinengewehren in einer Menschenmenge vorm Wembley-Stadion. Die Botschaft ist klar: Wir sind eine wehrhafte Gesellschaft und schützen unsere Ideale (Freiheit!) mit Maschinengewehren. Völlig absurd. Was ich in einer Menschenmenge bei einem drohenden oder vollzogenen Anschlag als allerletztes brauche, ist ein Polizist mit einem Maschinengewehr. In einer Menschenmenge brauche ich nur Präzision, und die wird durch die Vollautomatik zerhackt.

Interessant ist, dass das immer öfter zu sehen ist – Bilder von Polizisten mit einer Ausrüstung eher für die militärische Eindämmung von Aufständen als für die Verbrechens-Bekämpfung. In meiner Kindheit war das sehr ungewöhnlich, Polizei an öffentlichen Orten mit schwerer Bewaffnung. In den USA ist es heute völlig normal, hier wird es immer normaler. Und die Propaganda lässt keine Gelegenheit aus, das Bild von Männern in der Fußgängerzone mit Maschinengewehren umzudeuten.

Ich fühle mich nicht sicherer.

Risikoanalyse

Wir haben ein Problem, hier im Westen, und es ist nicht der völlig irrelevante Terrorismus. Terrorismus ist eine eigentlich gänzlich unbedeutende Randerscheinung, die kein auch nur nennenswertes Risiko für irgendwen bedeutet, aber durch die Medien zu einem absolut grotesken Fantasy-Monster aufgeblasen wird.

Die statistische Gefährdung durch Terrorismus ist in Deutschland nicht messbar, weil zu klein, da muss man schon ganz Europa nehmen. Und dann kommt man auf eine Gefährdung, die deutlich geringer ist als die, durch Mukoviszidose zu sterben. Sollten Sie schon mal von Mukoviszidose (übrigens eine reine Erbkrankheit) gehört haben, dann nur dann, weil das eine besonders grausame Krankheit ist, die eine sehr starke Lobby hat. Mukoviszidose ist ziemlich irrelevant für die allermeisten Menschen, Terrorismus ist deutlich irrelevanter.

Wieso verbrauchen die Medien die Massen-Aufmerksamkeit so gerne für Terrorismus? Nun, Terror ist als Story deutlich interessanter als jemand, der ganz langsam an seinem eigenen Schleim erstickt. Hysterie ist scheinbar das einzige, das sich noch besser verkauft, als Sex. Doch ist das wie gesagt ein Problem. Ein ernstes.

Der Militärisch-Industrielle Komplex

Der US-Präsident Eisenhower hat schon Anfang der 1960er Jahre vor dem Militärisch-Industriellen Komplex gewarnt. Der Mann war ein durch und durch Konservativer, dessen zweit-größte Sorge zur Zeit der betreffenden Rede war, dass der Hippie Kennedy sein Nachfolger werden könnte.

Eisenhower war selbst ein Ex-Militär, und hatte zum Ende des zweiten Weltkrieges das Gesamt-Kommando über die US-Army und die alliierten Truppen in Europa. Doch noch größer als vor Kennedy war seine Angst vor den Geistern, die man zur Hilfe gegen die Nazis gerufen hatte, seine Angst vor dem Militärisch-Industriellen Komplex.

In den 65 Jahren seit Eisenhowers eindringlicher Warnung ist die Macht dieses Komplexes nicht kleiner geworden. In den USA ist die Militarisierung der Polizei weit fortgeschritten, das Militär selbst ist der mit Abstand größte Ausgaben-Posten im US-Haushalt, die Macht der Geheimdienste macht vor nichts mehr Halt, nicht vor fremden Regierungen und Völkern, befreundet oder nicht, nicht vorm eigenen Volk und nicht vor den Menschenrechten.

Cui bono?

Die einzigen, denen die Fantasy-Geschichten der Medien nutzen, sind (neben den Medien) die Terroristen, die so ein extrem effizientes Mittel für die Verbreitung ihrer Botschaft bekommen, eine Marketing-Kampagne, die sich nicht mal Apple leisten könnte – und der Militärisch-Industrielle Komplex.

Der Angriff auf unsere Freiheit geht nicht vom Terror aus sondern von den Medien und der Militarisierung. Wir Bürger bekommen eine „Freiheit“, die durch die Geheimdienste minutiös überwacht wird und die von schwer bewaffneten Polizisten bewacht wird. Wir bekommen, was von der Freiheit vor dem Lauf eines Maschinengewehrs übrig bleibt.

Feuerkunst

Ein Feuer ist das perfekte abstrakte Kunstwerk.

Und damit meine ich nur das Feuer, nicht sein Substrat, denn das ist ja meist nicht nur gegenständlich sondern gar Gegenstand. Also zum Beispiel ein Holzscheit. Aber wenn man sich den wegdenkt und auch das Drum-Herum (vulgo z.B. “Kamin”), wenn nur die Flamme bleibt, blickt man in die perfekte abstrakte Kunst.

Auch abstrakte Kunst ist letztlich ein Gegenstand – ein Gemälde, eine Skulptur, eine Video-Installation, eine Flamme. Wie wird ein Feuer „gemalt“? Aufgrund der großen Hitze vergasen flüchtige organische Verbindungen. Diese Kohlenwasserstoffe verbinden sich mit dem Sauerstoff der Luft zu Kohlendioxid und Wasser. Dabei wird viel Energie frei, die die beteiligten Moleküle so aufgeregt, dass sie anfangen zu leuchten. Sie leuchten von mildem Rot zu heißem Blau.

Die Formen- und Farb-Vielfalt des Feuers übersteigt die der Wolken ums Unendliche. Es verbrennt in einer endlosen Folge von Andeutungen und Schemen. Doch anders als die der Wolken lassen sich die Allusionen des Feuers nie festhalten. Hat der Beobachter geglaubt, etwas zu erkennen, ist es auch schon wieder dahin. Man kann im Feuer alles sehen. Und nichts.

Sogar eine vulgäre Kerzen-Flamme kann manchen Betrachter lange gefangen nehmen. Und schon die banale Choreografie eines einzelnen Scheits, der in meinem Kamin abbrennt, hat eine hypnotische Kraft, die man in den meisten Museen vergebens sucht.

Mein Kamin ist schmal und hoch – ein Durchmesser von vielleicht fünfundzwanzig Zentimetern bei einer Höhe von sechzig. Ein einzelner Scheit steht aufrecht auf den Resten der abgebrannten vorigen Füllung und verbrennt in der Hitze der blauen Flammen auf feuriger Glut.

Die Kunst! Die Flammen! Hoch recken sie sich über die ganzen sechzig Zentimeter in den wohl-bekannten Zungen. An einer Ecke entspringen kleine Feuerschlangen aus einer unregelmäßigen Folge unterschiedlich großer Brennpunkte. Anderswo brennen größere Flächen relativ regelmäßig. Oben in der Brennkammer jagt frischer Sauerstoff von der Hitze durch die dortigen Luftlöcher gesogen der Flamme frisches Blau in dieselbe und drischt eine schnelle Folge vielfältiger Formen in die oben schon sterbende Flamme.

Das Feuer bewegt sich stets in dieser schmalen, Symbol-trächtigen Zone zwischen Struktur und Chaos. Es ist der manifeste wie flüchtige Ausdruck der größten Macht des Universums – der alles zermahlenden Kraft der Entropie. Die Vielfalt der Farben und Formen des Feuers ist unendlich. Denn sie entspringt der unendlichen Vielfalt des gewesenen Lebens, aus der es sich speist.

Unwürdig

Dies ist Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Ich möchte auf ein paar Dinge hinweisen. Diese zwei Sätze sind die Prämisse unseres Staates. Wir Deutschen haben einen Vertrag miteinander abgeschlossen und diese zwei Sätze sagen uns, worum es in diesem Vertrag geht.

Es geht um die Würde des Menschen. Also die Pointe hier ist: da steht “Mensch”. Da steht nicht “die Würde der Deutschen”. Und das hat übrigens auch einen ganz plausiblen historischen Grund, wieso im Grundgesetz der Deutschen “Menschen” und nicht “Deutschen” steht. Also sicherlich, wenn wie heute die Würde der Deutschen schon keineswegs gewährleistet ist, macht es wenig Sinn zu hoffen, dass das Deutsche Volk sich für die Würde des Menschen einsetzt. Aber trotzdem: Die Würde des Menschen zur Achtung zu bringen ist unser höchster Auftrag.

OK, klar, wir haben alle Day-Jobs. Und es ist auch nicht leicht in einer so großen Familie wie Deutschland. Da zanken sich die Geschwister ganz ordentlich, da geht schon mal was schief. Kommt vor, wäre ja noch zu entschuldigen. Aber ehrlich, dass die Würde des Menschen die allererste “Verpflichtung aller staatlichen Gewalt” ist, davon merke ich wenig.

Massenüberwachung, Waffenlieferungen, zigtausende Tote an den Mauern der Europäischen Festung, radikale Sparmaßnahmen, die die Hälfte der jungen Südeuropäer unter der dünnen Decke unserer kuscheliegen Zivilisation weg-schupsen in die Arbeitslosigkeit ohne (soziales) Netz und doppelten Boden; Massenimporte von Nahrungsmitteln für die Tiermast und für unser grünes Gewissen aus Ländern in denen Menschen verhungern; Export billigster großindustriell gefertigten Güter in ärmste Länder, wo dadurch die lokale Wirtschaft völlig zerstört wird.

Wie gesagt, es kann schon mal was schief gehen. Aber von unserem Artikel 1, Absatz 1 kann ich in unserer Vertragsumsetzung wenig erkennen.