Angefangen hat es vor Jahren mit Chilipulver. Etwas davon auf ein Brot mit dem richtigen Ketchup – die Schärfe wirkt kurz wie ein Geschmacksverstärker bevor sie den Geschmack weitgehend ausknipst. Vielleicht ist das sogar ein und dasselbe: das Capsaicin des Chilis stimuliert den ganzen Mund – auch die Geschmacksnerven – dermaßen, dass aufgrund sensorischer Ermüdung kurz nach dem Flash der Geschmackssinn durchbrennt. Und es ist auch so schön, wenn der Schmerz nachlässt.
Angefangen hat es also mit Chilipulver. Das war jetzt sehr laienhaft geschrieben, “Chilipulver”. Es handelte sich um gemahlenen Cayenne-Pfeffer. Das ist so die Einstiegsdroge in die Chilitis.
Jetzt wirds mal kurz wissenschaftlich. Schärfe misst man in “Scoville”. Ohne jetzt auf die vielleicht etwas langweilige Geschichte der Scoville-Skala einzugehen sei gesagt, dass hier letztlich der Gehalt an dem im Chili enthaltenen Molekül “Capsaicin” gemessen wird.
Cayenne-Pfeffer hat rund 10 mal so viele Scoville wie Tabasco-Soße: 30.000 bis 50.000 Scoville. Mittlerweile bin ich bei Habanero-Pfeffer angelangt. Der hat so 100.000 bis 350.000 Scoville. Den Pfeffer habe ich im Internet bestellt. In normalen Läden gibts das nicht.
Das geht gut zu Pringles, weil die so gleichförmig sind: eine Priese davon auf jeden einzelnen Chip – man breitet sie dazu am besten auf einem Teller aus – und man isst keine ganze Packung mehr am Stück, bekommt aber ein vielfaches des Geschmackserlebnisses.
Geeignet ist eine Pringles-Sorte, die man mag, bei mir Sweet Paprika. In Kombination mit weiteren Zutaten eignet sich auch Pringles Original sehr gut. Die sind leicht gesalzen (weniger als die meisten anderen salzigen Chips) und ziemlich neutral. Wenn es bei Chilipulver bleibt, kann man beliebige Chips nehmen: etwas Chilipulver in die Tüte und gut schütteln, fertig. Aber wenn man weiter verfeinert, ist es angenehm, einen gleichförmigen Chip wie Pringles zu haben.
Ich habe z.B. festgestellt, dass geschroteter Habanero Chili aromatischer ist als gemahlener. Chilis sind leckere, tropisch Früchte mit einer fruchtigen Süße hinter der Schärfe und dieses Aroma kommt dann noch besser zur Geltung. Geschrotete Chili kennt man u.a. vom Türken. Da wird man oft gefragt, ob der Döner scharf gemacht werden soll. Antwortet man “ja”, wird etwas Rotes, Grobkörniges auf den Döner gestreut. Das ist Chili, allerdings kein Habanero sondern wahrscheinlich Cayenne. Die groben, getrockneten Chili-Flocken haften nicht so an Chips wie Pulver. Darum muss man auf jeden Chip einzeln ein wenig streuen.
Ich habe auch mit verschiedenen Soßen experimentiert, mit und ohne zusätzliches Chili. Klar, Ketchup auf jeden Chip ist naheliegend. Verschiedene Grillsoßen bieten sich an. Mein persönlicher Favorit ist die klassische “Sweet Chilisauce for Chicken”. Die enthält aber Knoblauch, muss man vorsichtig dosieren. Dann kann auch ein kleines Stück Putenbrust zwischen den Chip und die Soße.
Wir hatten auch mal Mango-Chutney vom Grillen übrig. Das war nicht übel, aber auch nicht richtig gut. Ich wusste, dass es Mango-Chutney gibt, dass ich sehr gerne esse. Also habe ich mal im Netz recherchiert, welches Mango-Chutney denn gemeinhin für lecker gehalten wird: Geeta’s. Ich habs dann mal bestellt. Super.
Das erste hatte ich bei Amazon bestellt. Als es alle war, habe ich mal nach einem Laden gesucht, der das vertreibt, um Versandkosten zu sparen. Denn bei Amazon Marketplace muss man den Versand für jeden einzelnen Artikel zahlen, auch wenn man mehrere Artikel vom gleichen Anbieter kauft. Und die Versandkosten dort waren auch noch relativ hoch. Der Laden, den ich gefunden habe, hatte auch andere Sorten Geeta’s im Angebot. Also habe ich die auch mal bestellt. Mango-Chili Chutney ist nicht übel, aber von der Schärfe relativ mild.
Geeta’s Lime and Chili Chutney ist der Hammer. Chutney ist so ungefähr die indische Variante von Marmelade. Man kocht Früchte mit Zucker ein um sie haltbar zu machen. Bei der indischen Variante kommen dann noch Gewürze dazu. Und Geeta’s Chutneys sind genial gewürzt, wenn man denn indische Küche mag. Geeta’s Lime and Chili Chutney ist eingekochte Limette und Chilischote mit ordentlich Zucker und Gewürzen. In Geeta’s Chutney werden die Früchte klein geschnitten, nicht püriert. Man merkt also deutlich die Fruchtstücke.
Limetten-Chili-Chutney ist eine Geschmacksbombe. Starke Zitronen-Säure entschärft durch den Zucker aber verstärkt durch die Chili-Schärfe zusammen mit intensivem Limetten-Aroma und exotischen Gewürzen (die auch mit eingekocht also nicht getrocknet und/oder gemahlen sind). Boom.
Das ist der Stand, jetzt. Das geht sicher noch weiter. Eine Frucht würde glaube ich gut passen: Unten der Chip, darauf ein kleines Eckchen Putenbrust, dann vielleicht eine dünne Scheibe von einem Apfel (?) und oben drauf das Chutney mit evtl. etwas Chili. Zum Beispiel.
Ich kann diese Diät jedem empfehlen. Ich esse jetzt deutlich weniger Chips als früher. Und die fortdauernde Suche nach dem perfekten Chips-Rezept hat etwas seltsam Zen-haftes. Ok, vergesst mal die diversen Perversionen in dem “Rezept”. Was ist denn Eure Droge? Schokolade vielleicht? Da ist haufenweise Platz für Zen. Gummibärchen sieht schon schlechter aus. Und falls es Tabak ist, tut Eurer Umwelt einen Gefallen und kommt nicht auf die Idee, dass Zigarren das Zen des Rauchens sind.
Mit Schokolade habe ich immerhin kleine Eindrücke. Ich nasche vermutlich mehr als man mir ansieht. Und was man mir ganz sicher nicht ansieht ist irgendeine Andeutung von Dürrheit oder Magerkeit. In der Weihnachtszeit hatten wir ab Nikolaus eine immer gut bestückte Etagere mit Weihnachts-Süßkram. Und das sind alles leckere Sachen. Marzipan-Kartoffeln, Mandeln im Schoko-Mantel, mit Marzipan, Karamel oder Knister-Brause gefüllte Schoko-Kugeln, fast alles einzeln verpackt. Ja, ein Müll, der Wahnsinn. Aber darum gehts gerade mal nicht.
Ich habe festgestellt, dass ich nicht mehr nasche als sonst. Und nicht, weils nicht geht, im Gegenteil. Die Psychologie meines Naschens scheint wenig mit der Menge zu tun zu haben. Es geht mehr so um die Handgriffe und die sensorischen Stimulationen. Eine Schoko-Kugel ist einfach viel weniger als ein Riegel von der dicken Milka-Extra.
Das ist natürlich noch weit weg von Zen. Aber es hat die Richtung eingeschlagen und ist ein kleines Stück des Weges gegangen:
Zen und die Kunst des Naschens.