Jobs – KI = Sozialkollaps

Künstliche Intelligenz (KI) wird in den nächsten zwei Dekaden die Mehrzahl unserer Arbeitsplätze ersetzen. Mehrzahl heißt “mehr als die Hälfte”. Keine bisherige technologische Revolution hatte eine derartige Wirkung auf die Gesellschaft. Nicht annähernd. Darum sind alle etwas verwirrt, und wissen nicht, was zu tun ist. “Weiter so”. Und wohin?

Wieso sind wir ausgerechnet heute an einem technologischen Scheidepunkt? So eine Hypothese wäre zu jedem anderen historischen Zeitpunkt lächerlich, wieso ist sie es heute nicht? Diese Artikel illustriert das auf perfekte Weise, dennoch empfehle ich ihn nur hartgesottenen wissenschaftlich Interessierten zum Lesen. Eine Wissenschaftlerin berichtet da über Entwicklungen in ihrem sehr fokussierten Spezialgebiet und erwähnt dabei jeden Punkt, der unsere Zeit zu einer einzigartigen machen. Die künstliche Intelligenz kommt da fast erst zum Schluss.

Eine Schleife, gebunden aus Software

Ihre Entwicklung – KI – ist die Königsdisziplin der Software-Entwickler. Die Entwicklung von Software profitiert von nichts auch nur im Entferntesten so massiv wie von entwickelter Software. Wenn Programmierer Programme programmieren, verwenden sie bei ihrer Arbeit einen byzantinischen Dschungel aus Software. Sie verwenden Software, die ihren Programmcode farblich markiert, damit sie schneller relevante Code-Stellen sehen, Software, die ihnen hilft, Fehler zu finden, Software, die ihnen automatisch ihren Code vervollständigt, während sie tippen usw.

Aber viel wichtiger: die Software, die sie schreiben, verwendet größtenteils Software, die andere vorher geschrieben haben. Fast alle Programmierer fügen immer nur im Verhältnis winzige Mengen eigenen Codes ein. Bei jedem modernen Programm liegt der Anteil des extra dafür geschriebenen Codes maximal im niedrigen Promille-Bereich. Und das, worauf Programmierer zurückgreifen können wächst mit bereits rasender und dennoch stark beschleunigender Geschwindigkeit. Jeder fügt immer nur noch ein bisschen hinzu und schafft damit für andere enorm Nützliches. Große Firmen wie Google unterstützen diesen Prozess massiv, in diesem Fall vermutlich um das Web vor dem Angriff der Apps zu verteidigen. Denn das Web ist Googles goldene Gans.

Alleine dieser Punkt der immer effizienteren Software-Entwicklung wird schon einen stattlichen Batzen Jobs killen, und würde alleine wahrscheinlich reichen, unsere Gesellschaft ordentlich durchzuschütteln. Doch es kommt noch erheblich dicker. Ich habe in meiner Promotion mit künstliche neuronalen Netzen gearbeitet. Das sind die wichtigsten Motoren der gegenwärtigen Durchbrüche in der künstlichen Intelligenz. Die Dinger sind ziemlich schwer zu beherrschen. Doch dabei hilft die zuvor erwähnte Beschleunigung der Software-Entwicklung.

Wolken am sind der Software Himmel

Und sie brauchen ziemlich viel Rechenleistung um Interessante Dinge zu tun. Weder Studenten noch für Firmen arbeitende Programmierer können mal eben beliebige Rechenleistungen abrufen, die sie aber nur in einem Promille ihrer Arbeitszeit benötigen. Können sie doch. Das Zauberwort heißt Cloud-Computing.

Amazon hat wie Google das Problem, einen riesigen Berg Rechenleistung zu managen und immer da verfügbar zu machen, wo er gerade gebraucht wird. Da kann nicht der Administrator der Suche mal ein paar Rechner mehr geben, weil gerade mehr gesucht als gemailt wird. Der Administrator wäre dazu viel zu langsam und unzuverlässig. Das geht automatisch. Und Amazon, eine der geschäftstüchtigsten Firmen dieses Planeten, hat erkannt, dass das ein wichtiges Problem ist und ein Riesen-Geschäft daraus gemacht.

Viele Daten und viel Intelligenz

Und jetzt kann die Autorin des oben verlinkten Artikels mal eben beliebige Rechenleistung abrufen um ein paar Gene mit dem auftreten von ein paar Molekülen zu korrelieren und kann dafür auf einen Riesen-Berg Daten (Zutat Nummer drei nach mehr Software und Cloud-Computing: Big Data) zurückgreifen. Denn einen Riesen-Berg Daten braucht man um ein künstliches neuronales Netz zu trainieren.

Das sind drei Zutaten für eine Software- und Gesellschafts-Revolution. Und die Autorin nennt auch noch die vierte Zutat für den kommenden Boom künstlicher Intelligenz und Bust für den Rest der Wirtschaft: künstliche Intelligenz. Denn was anderes sollte eine KI Forscherin für die Entwicklung der KI verwenden als KI? Wie ich bereits erwähnte ist die Beherrschung künstlicher neuronaler Netze ziemlich schwierig. Ein bisschen KI wäre da schon sehr hilfreich, das muss erst mal gar keine besonders clevere KI sein um mit dem Balancieren dieser Netze zu helfen. Und die KIs werden ja langsam cleverer – der geneigte Leser möge diese Entwicklung mit der der Software-Entwicklung vergleichen. Vielleicht haben wir auch noch dreißig, vierzig Jahre, bis die KIs so richtig clever werden, aber wahrscheinlich eher nicht.

Doch das ist auch egal. Selbst vierzig Jahre wären für so eine Umwälzung sehr wenig Zeit. Wir sollten sicherheitshalber eher mit 15 rechnen. Und dann?

Berufe, die hauptsächlich mit dem Umgang mit Menschen zu tun haben, werden vermutlich am wenigsten betroffen sein – Lehrer, Kinder-, Alten- und Kranken-Betreuung usw. Auch diese Berufe werden betroffen sein, da alle effizienter werden (Roboter, Expertensysteme, Online-Unis und -Lehrmaterial). Am schnellsten und härtesten dürfte es Logistik und Produktion treffen.

Automatisch vom Reißbrett bis zum Kunden

Logistik ist Amazons Spezialität (neben Cloud-Computing). Amazon hat vor drei Jahren eine Firma gekauft, die Lager-Roboter baut und beginnt jetzt, seine Lager zu automatisieren. Das erlaubt es mehr und dezentralere Lager zu haben, die deutlich schneller und billiger sind als solche, in denen Menschen arbeiten. Amazon hat auch vor einiger Zeit mit Tests von Liefer-Drohnen für Artikel bis 2,5Kg (90% von Amazons Lieferungen) begonnen und baut diese aus.

In Singapur, Helsinki und Berlin starten nun die ersten Tests mit autonomen Taxen und Bussen (Personen-Transport ohne Personal-Einsatz). Mercedes testet bereits seit längerem seine autonomen LKWs in den USA und bereitet Tests in Europa vor. Alle relevanten Firmen kündigen vollautonomes Fahren bis c.a. 2020 an. Das mag auch etwas länger dauern und die Regulierung wird das besonders hierzulande noch deutlich verzögern, aber 5 Jahre mehr oder weniger für den häufigsten Job unserer Gesellschaft – Fahrer – ist nichts, um darüber in Lethargie zu verfallen. Die Automatisierung der Logistik bringt es mit sich, dass für jeden Artikel jederzeit Position und Bestimmung bekannt sind, was weiteres großes Optimierungs-Potential erschließt – ein perfektes Betätigungsfeld für künstliche Intelligenz.

Adidas verlagert einen Teil seiner Schuh-Produktion wieder nach Deutschland – statt billiger Bengalen werden die Schuhe hier von noch billigeren Robotern gefertigt. Dies ist ein Pilot-Projekt einer weiteren Revolution: der Kommodifizierung der Produktion.

Moderne Produktions-Robotor werden immer flexibler und einfacher einzusetzen. Es wird immer einfacher und billiger, Produktions-Prozesse kurzfristig umzustellen. Die immer breitere Verfügbarkeit von industtriellen 3D-Druckern tut ihren Teil für die Flexibilisierung der Produktion. Früher war eine Produktions-Anlage eine teure Investition in eine hoch-spezialisierte Anlage zur Produktion spezifischer Artikel. Solche Anlagen banden große Mengen Kapital fest an einen Standort und eine Produkt-Sparte.

Teuer sind Produktions-Anlagen immer noch, doch die Flexibilisierung wird dazu führen, dass diese Anlagen nicht mehr an einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Firma gebunden sind. Produktion wird selbst zur gehandelten Ware, das ist die Bedeutung von “Kommodifizierung”. Firmen wie Adidas werden dann noch die Schuhe designen und die Vermarktung koordinieren, doch der gesamte Prozess von der Herstellung bis zum Kunden wird weitgehend automatisiert und kommodifiziert sein (Amazon Marketplace ist die Kommodifizierung der Logistik wie Cloud-Computing die Kommodifizierung von Rechenleistung ist).

Kommodifizierung ist deshalb so wichtig, weil sie stets große Effizienz-Gewinne bringt und die Automatisierung weiter voran treibt, da die Markt-Gesetze mit ihrem unerbittlichen Preis-Druck nur auf kommodifizierte, also “gehandelte” Produkte ihre volle Wirkung entfalten können.

Ein Teufelskreis, der aus immer mehr immer weniger Kunden macht

Und wie bei den Programmierern, die von Programmen profitieren und KI, die von KI profitiert, profitiert eine automatisierte und kommodifizierte Produktion und Logistik von eben dieser, da natürlich auch Produktions-Anlagen, Lager- und Transport-Robotor produziert werden können.

Es gibt also eine ganze Reihe gegenwärtiger Entwicklungen, die sich selbst und gegenseitig beschleunigen: Software Entwicklung, Cloud Computing, Big Data, KI, Automation von Produktion, Logistik und anderem, Kommodifizierung. Es gibt zwischen all diesen Entwicklungen zahlreiche positive Rückkopplungen, das heißt, wenn A schneller und billiger wird, wird B schneller und billiger, was wiederum A noch schneller und billiger macht. Es gibt da Rückkopplungen der Form A macht A schneller wie bei Software-Entwicklung und KI und es gibt zahlreiche A -> B -> A, A -> B -> C -> A und so weiter Rückkopplungen.

Deshalb sind all dies sogenannte exponentielle Entwicklungen und speziell die exponentielle Entwicklung von Produktion und Logistik könnte uns theoretisch ein ökonomisches Schlaraffenland bescheren. Denn exponentiell heißt “je mehr desto mehr und das immer schneller, je schneller desto schneller”. Doch die Produktion wird womöglich an den Marktgesetzen scheitern, da kaum jemand ihre Produkte mehr kaufen kann, wenn kaum jemand für ihre Produktion bezahlt wird. Auch das ist eine Rückkopplung – eine negative.

Liebe Mitbürger, wir sollten uns alle mal ein paar Gedanken machen und besprechen, wie wir damit umgehen würden, wenn plötzlich die Mehrheit der Jobs im Schlaraffenland flöten ginge. Nur mal so rein hypothetisch.

Der Wieder-Auftstieg des Faschismus

Wir erleben das Ende der Demokratie und ein Wieder-Erwachen faschistoider Gesellschaftsstrukturen. Diese Entwicklung wird hier von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit einigen Beispielen belegt.

Wir leben in interessanten Zeiten.

Ich habe den Großteil meines Lebens auf einer historischen Insel der Glückseligkeit verbracht. Mit dem Erwachen meines Bewusstseins erwachte auch das Bewusstsein, dass der kalte Krieg bekloppt ist und wir diesen Planeten nicht gar so schnell verbrauchen sollten. Sexuelle Befreiung und eine Welle demokratischer Partizipation in zahlreichen Demos, Streiks, APOs und basisdemokratisch organisierten kleineren Projekten waren zusammen mit vorgenannten Erkenntnissen die Nachwehen der 68er Revolution vor meiner Geburt. Die Ideale von sozialer Marktwirtschaft, Achtung der Grundrechte, Freiheit der Presse und Demokratie waren völlig unantastbar.

Ich habe das Ufer dieser Insel der Glückseligkeit fühlbar verlassen und finde mich nun in einem stetig windiger werdenden Ozean.

Berichterstattung zur Überwachung

Es ist verblüffend, wie stark Medien die Wahrnehmung großer Phänomene und Ereignisse prägen. Nachdem 1989 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zusammenbrach, schwappte eine lange und hohe Welle der Empörung über die Ausforschung der Bevölkerung der DDR durch die Staats-Sicherheit (StaSi) durch Deutschland. Die viel gründlichere Überwachung durch die zeitgenössischen Geheimdienste wird dagegen fast komplett ignoriert.

Wer glaubt, “unsere” Geheimdienste seien im Gegensatz zur StaSi ja nicht böse, der hat sich offensichtlich nicht mit bekannten und allgemein akzeptierten Fakten zu Organisationen wie der CIA befasst.

Der plausibelste Grund für diesen frappierenden Mangel an Empörung über den aktuellen Geheimdienst-Skandal ist meiner Meinung nach das schleichende Ende der Pressefreiheit. Natürlich behält die Pressefreiheit ihre juristisch-akademische Bedeutung. Aber eine nicht ausgeübte Freiheit endet mit dem Ende ihrer Ausübung. Dieses Ende zeigt sich, wenn man sich tiefer mit der Berichterstattung zu einzelnen Themen befasst – wie zum Beispiel dem Ukraine Konflikt, Charlie Ebdo, islamistischem Terror allgemein, der Flüchtlings-Krise, der Subprime-/Finanz-/Staatsschulden-/Griechenland- … Banken(!)-Krise (ist alles eins).

Das schleichende Ende der Demokratie

Ein Drittel bis die Hälfte der Menschen hat das Wählen aufgegeben, weil eine Wahl heute keine bedeutsame Richtungs-Entscheidung mehr ist. Es gibt nur den Weg des Geldes, je nach Geschmack rot oder schwarz lackiert. Der Sozialstaat wurde gründlich entkernt und seine Aushöhlung schreitet zügig weiter voran. Meine nach unvorstellbaren Gräueltaten 60 Jahre lang weitgehend pazifistische Heimat heizt heute kräftig mit bei den prächtig laufenden Geschäften der internationalen Rüstungs-Industrie.

Selbst wenn man all das richtig findet, weil man glühender Anhänger des Neoliberalismus ist, selbst dann muss man besorgt sein über die zunehmende Ermächtigung totalitärer Willkür. Die unstrittig zentralste Funktion des Staates ist die Definition und Durchsetzung des Strafrechts. Auf das es uns Menschen überhaupt möglich wird, gewaltfrei zu interagieren. Dies sind nur mal zwei Beispiele staatlichen Versagens in dieser zentralsten Funktion: Beweismittel aus 1) Haarproben und 2) Drogentests sind Gegenstand völliger staatlicher Willkür.

Damit ist grob geschätzt die Hälfte aller Straf-Verfahren (und in den USA höchstwahrscheinlich noch mehr) deutlich jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter “Rechtstaatlich” vorstellt. In der Schule fing bei 50% glaube ich die Note sechs an. Aber es muss natürlich auch in dieser Anklage gegen den Staat die Maxime “in dubio pro reo” gelten, “im Zweifel für den Angeklagten”. Das Urteil lautet daher, Staat: Fünf minus, setzen.

Die Machtergreifung des Kapitals

Es läuft seit Jahren ein fortwährender Angriff der Wirtschaft auf die Demokratie in Form dubioser Handels-Abkommen. Ein aktuelles Scharmützel in diesem Krieg ist TTP. Hier findet sich eine gute Analyse nur einiger Gründe wieso die 6000 Seiten Vertragswerk in Juristen-Sprache für die Öffentlichkeit nichts Gutes verheißen. Dieses Handelsabkommen mag wie das letzte von der Öffentlichkeit verhindert werden. Doch die Angriffe hören nicht auf. Irgendwann wird ein solcher Angriff erfolgreich sein. Und dann können nationale Parlamente nichts mehr beschließen, was internationalen Konzernen nicht passt.

Tatsächlich gibt es bereits erste Erfolge der Wirtschaft in diesem Krieg vorzuweisen. So verklagen einige Energie-Konzerne die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Energiecharta Vertrages wegen des Atomausstieges. Der vorläufige Erfolg liegt in der Möglichkeit der Klage, der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.

Jedes dieser Handelsabkommen versucht neue derartige Klage-Möglichkeiten zu schaffen. TTP beispielsweise versucht eine Enteignung des so genannten intellektuellen Eigentums der Öffentlichkeit (der “public domain”) durch die Hintertür zu erschleichen (siehe im bereits oben verlinkten Artikel.

Vorrangig geht es bei diesen Handelsabkommen offenbar nicht darum, Handels-Hemmnisse zu überwinden und die Marktwirtschaft zu stärken. Ich bin Teilhaber einer kleinen Firma, die unter anderem mit bestimmten Komponenten handelt, die auch ins Ausland versandt werden. Dies ist für eine kleine Firma ein bürokratischer Alptraum – schon z.B. bei einem Versand von Deutschland in die Schweiz.

Für kleine Firmen stellt dies ein ernstes wirtschaftliches Problem dar – das relativ leicht und wahrscheinlich völlig ohne öffentlichen Protest zu beheben wäre. Doch im Mittelpunkt der Verhandlungen geht es offensichtlich um anderes. Marktwirtschaft findet im Wettbewerb kleiner Firmen statt. Die großen internationalen Konzerne sind geprägt durch Monopole und Kartelle, Lobbyismus und Marketing-Propaganda. Mit Marktwirtschaft hat das alles wenig zu tun, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe.

Es geht den internationalen Multis, die bei den Verhandlungen von Handelabkommen im Gegensatz zu kleinen Firmen mit am Tisch sitzen, nicht um Marktwirtschaft, im Gegenteil. Es geht um die Usurpation nationaler Legislativen durch die mächtigen Rechts-Abteilungen der Multis und um die Abschaffung eines Kernelements der Marktwirtschaft: des unternehmerischen Risikos. Der Marktwirtschaft – kleinen Firmen und damit auch unliebsamer Konkurrenz der Multis – bleibt dieser äußerst kostspielige Klage-Weg verschlossen. Damit ergaunert sich das große Geld einen weiteren unter vielen Wettbewerbsvorteilen. So wird Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Handstreich geschwächt. Der Erfolg dieser Strategie scheint momentan langfristig unausweichlich.

Das klingt alles weit weg für den Otto-Normal-Bürger. Doch wenn z.B. die Klage der Energie-Konzerne gegen Deutschland Erfolg hat, wird Otto-Normal-Bürger für das Privileg des Atom-Ausstieges 4,7 Milliarden Euro bezahlen. Gesetzes-Änderungen sind ohne Zusatzkosten nur noch zu Gunsten der Wirtschaft möglich nie mehr in zu ihrem Nachteil.

Lohnentwicklung und Wohlstands-Schere

Noch drastischer ist die Auswirkung der Wirtschafts-Politik auf das Lohngefüge, und das spüren bereits sehr viele Menschen. Es ist der Wirtschaft gelungen, die Löhne in den alten sozialen Marktwirtschaften in direkte Konkurrenz zu den Löhnen in aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien, Südamerika und Südafrika zu bringen.

Dies ist eigentlich eine positive Entwicklung. So bekommen diese sich entwickelnden Wirtschaftsräume auch endlich eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Und es schadet Deutschland oder anderen alten Nationen mit starker Wirtschaft als Ganzes betrachtet auch nicht. Doch im Zuge dieser Entwicklung ist es gelungen, den dadurch erlangten wirtschaftlichen Gewinn in den Händen weniger zu belassen und die immer breiter werdende wirtschaftliche Unterschicht auszubluten.

Teile und Herrsche

Getreu der alten Maxime “teile und herrsche” werden so – wenn auch vielleicht nicht zentral koordiniert oder auch nur bewusst – verschiedene Fraktionen dieser Unterschicht gegeneinander ausgespielt. Dies findet in regelrechten Medien-Kampagnen (die Nachdenkseiten berichten regelmäßig dazu) gegen so genannte Hartz 4 Schmarotzer, Migranten, Flüchtlinge und besonders gern die Unterschicht anderer Länder (insbesondere in Südeuropa) statt.

Derweil lebt die stetig schwindende Mittelschicht in Angst vor dem sozialen Abstieg unter dem Dauerfeuer medialer Propaganda, die immer wieder neue Kaninchen aus dem Hut zaubert, die angeblich die Schuld an der Misere tragen. Neben den vorgenannten Unterschichtlern auch “feindliche” Konzerne wie Google und Uber, Russen, Moslems … alle außer denen, die fortwährend den Reichtum anhäufen, den die anderen Schichten vermissen.

Die politischen Entscheider und Wirtschaftsführer finden sich unterdessen in eitler Interesseneinheit, dem Interesse an einem ordentlichen Happen von diesem Reichtum. Während Wirtschaftsführer direkt mit Millionen für ihre moralischen Verfehlungen entschädigt werden ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass hochrangige Politiker nach ihrer politischen Karriere mit hoch dotierten Pöstchen für ihre Gefälligkeiten bedacht werden. Dies und die enorme Macht des Lobbyismus sorgen dafür, dass die Politik der Wirtschaft immer weniger in die Quere kommt.

Die ultimative Propaganda-Maschine

Was für die Politik die Lobby ist für das Demos, das Staatsvolk, die Werbung. Deutsche sind heute jeden Tag durchschnittlich 10 Stunden dem Dauerbombardement mit wirtschaftlicher Propaganda in Form von Werbung ausgesetzt, davon allein 4 Stunden Fernsehen in der Freizeit und noch mal so lange Radio am Arbeitsplatz. Deutsche Gesetze schreiben z.B. bei Fernsehen (noch!) vor, dass vier Fünftel des Programms dem Zweck dienen müssen, die Aufmerksamkeit des Publikums für die Propaganda abzugreifen, während “nur” ein Fünftel der Zeit für die eigentliche Propaganda verwendet darf. Macht zwei volle Stunden reine Propaganda-Berieselung für jeden Bürger vom Kleinkind bis zum Greis, jeden Tag, 24/7.

Doch es ist allgemein bekannt, dass auch die anderen vier Fünftel des Programms zumindest teilweise den Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, gilt es doch ein attraktives Werbeumfeld zu schaffen, und eine attraktive Werbe-Zielgruppe anzuziehen.

Die allgegenwärtige und hoch wirksame Wirtschafts-Propaganda, vulgo “Werbung”, ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich dem einen eigenen Artikel gewidmet habe. Im Zusammenhang mit dem Wieder-Aufstieg des Faschismus bleibt fest zu halten, dass wir täglich rund zwei Stunden mit der Aufnahme lupenreiner pro-Wirtschaftlicher Propaganda beschäftigt sind und den größeren Teil unseres wachen Lebens entweder mit der Vorbereitung auf diese Propaganda oder ihrer Aufnahme beschäftigt sind. Historische faschistische Regime haben von einer solch umfassenden und allgegenwärtigen, bereitwillig aufgenommen Propaganda wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Der rote Faden

Es zieht sich ein roter Faden durch all diese Entwicklungen: Es ist die Machtergreifung des großen Geldes. Und es ist dies in dieser Ausprägung ein historisches Novum. Es gab z.B. auch im 19ten Jahrhundert mächtige Kapital-Konzentrationen wie zum Beispiel das Rothschild-Imperium, welches zu einem guten Teil auf der Finanzierung von Kriegen fußt, oder Standard Oil, Rockefellers Öl-Monopolist.

Doch anders als damals reicht diese Macht heute bis in den letzten Winkel der Gesellschaft. Und obwohl es sicher mächtige Graue Eminenzen gibt und sinistre Verschwörungen unterscheidet sich die Situation gerade hierin von der der vergangen Jahrhunderte: Die Macht wird heute gerade nicht von einem Rockefeller oder einem kleinen Zirkel von Verschwörern ausgeübt sondern von einem Netzwerk, einem System des Geldes.

Das Netz des Geldes

Geknüpft ist dieses Netzwerk aus Geld. Die Handelnden sind keine natürlichen sondern juristische Personen, Firmen, die über gegenseitige Beteiligungen verknüpft sind. Individuen – Politiker, Journalisten, Wirtschafts- und Meinungsführer und alle anderen – sind über ihren Wohlstand und ihr gesellschaftliches Ansehen an dieses Netzwerk gefesselt. Wer sich dagegen zu stellen versucht wird schnell als weltfremd und/oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt und sozial abgewertet.

Dahinter steckt vermutlich kein großer Plan. Wir haben über Jahrtausende ein extrem komplexes Gesellschaftssystem geschaffen, das aus Millionen von Regeln besteht. In Regel-Systemen gibt es Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Manche dieser Rückkopplungen bestehen in sich selbst verstärkenden Effekten. So etwas kennt der Volksmund als “Teufelskreis” oder speziell in Bezug zum Kapital als “Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”. Doch das ist bei weitem nicht die einzige sich selbst verstärkende Rückkopplung in unserem Gesellschaftssystem.

Ein resilientes Gesellschaftssystem

Man muss sich mit dem Prinzip der Rückkopplung auseinander setzen, wenn man die Usurpation durch das Kapital überwinden will. Denn es ist nicht damit getan, ein paar Konzerne zu zerschlagen und ein paar Regierungen auszutauschen. Es ist sicher auch nicht damit getan, das gegenwärtige Oligopol in ein staatliches Monopol zu verwandeln, wie es die Sozialisten fordern.

Wir müssen Regelsysteme finden, die stabiler sind als unser gegenwärtiges. Wir dürfen die Macht nicht sozialistisch konzentrieren, wir müssen meiner Ansicht nach versuchen, was noch nie gelungen ist. Wir müssen die Macht stabil dispergieren. Dazu reicht es nicht, das Regierungssystem zu reformieren. Die Machtergreifung des Kapitals betrifft alle Aspekte der Gesellschaft und die Antwort der Gesellschaft muss ebenso alle Aspekte betreffen.

Da wir mittlerweile eine Informationsgesellschaft sind, kommt dem gesellschaftlichen Umgang mit Information eine besondere Bedeutung zu. Doch diese Problematik ist bei weitem zu komplex, um sie in einem Artikel abzuhandeln. Es ist das Grund-Thema dieses ganzen Blogs (bzw. seiner Artikel aus der Kategorie Utopilotik).

Schluss

Geld regiert die Welt immer absolutistischer. Unsere Gesellschaft schleicht langsam, Schritt für Schritt in eine zunehmend militaristisch, faschistische Zukunft. Wir sind glücklicher Weise noch weit weg von den Schrecken der 30er Jahre. Aber wir sind auch weit weg von den langweiligen 70er und 80er Jahren.

Anhang

Anbei noch einige Fragmente, die ich über einige Zeit zu dem Thema gesammelt habe. Es sind kleine Hinweise, dass vielleicht etwas an der oben von mir ausgebreiteten These dran ist. Man beachte, dass hier ausschließlich Nachrichten aus westlichen Demokratien verwendet werden, die man eigentlich für gefestigt halten sollte. Aus Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei und anderen gibt es noch ganz anderes zu berichten.

Der Begriff „Faschismus“

Zunächst eine Begriffsklärung. Ich verwende den historischen Begriff “Faschismus” hier eher unorthodox. Was wir heute erleben ist etwas historisch völlig Neues, der Begriff passt nicht wirklich. Doch in Ermangelung gängiger Vokabeln für die aktuellen Anti-Demokratischen Tendenzen und den absolutistischen Anspruch des großen Geldes habe ich mich entschlossen, bei dem Begriff zu bleiben. Beim Studium von Wikipedias Definition des Begriffs fallen mir schon eine ganze Reihe Parallelen auf.

Meldungen zum Thema

Cameron Zitat:
For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. This government will conclusively turn the page on this failed approach
“For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. It’s often meant we have stood neutral between different values. And that’s helped foster a narrative of extremism and grievance.
“This government will conclusively turn the page on this failed approach. As the party of one nation, we will govern as one nation and bring our country together. That means actively promoting certain values.
“Freedom of speech. Freedom of worship. Democracy. The rule of law. Equal rights regardless of race, gender or sexuality.
“We must say to our citizens: this is what defines us as a society.”
Der erste Absatz ist ein Zusammenschnitt aus einer Rede von Cameron. Ich habe darunter noch etwas Kontext hinzugefügt aus verfehlter journalistischer Ethik. Ich halte das für bloße Rhetorik. Der relevante Kern der Aussage steckt im Zusammenschnitt. Es genügt nicht mehr, sich ans Gesetz zu halten um nicht Opfer staatlicher Willkür zu werden. Das ist gar keine schlechte Definition für Faschismus. Vom Regierungs-Chef. Für alle künftigen Krisen-Gewinnler wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, den Briten zu ihrer hervorragenden Wahl zu gratulieren 🙂

Zitat Senator und US-Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham:
„If I’m president of the United States and you’re thinking about joining al-Qaida or ISIL — anybody thinking about that?“ he asked to laughs. „I’m not gonna call a judge. I’m gonna call a drone and we’re gonna kill you.“
Wenn Du auch nur darüber nachdenkst, Dich einer “Terror-Organisation” anzuschließen, werde ich keinen Richter rufen sondern eine Drohne und Dich ermorden. Was in meiner Jugend ein Aussage von beängstigender Menschenverachtung gewesen wäre, beschreibt heute sachlich den Stand der Dinge unter Busch und Obama.

Kanada Terror-Gesetze (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Interessant auch, dass der deutsche Qualitätsjournalismus zwar im Vorfeld immerhin leise über das Gesetz berichtet hat, den endgültigen Abschied vom Rechtsstaat im Mai dann aber weitestgehend ignoriert hat.

Australien, Journalisten droht 10 Jahre Knast, wenn sie über Geheimdienst-Aktivitäten berichten.

Eine sehr interessante Analyse darüber, wie moderne Propaganda funktioniert.

Demonstrationsverbot in Spanien, Organisatoren von Demos müssen mit Existenz-Zerstörenden Bußgeldern rechnen (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Siehe auch.

Frankreich Total-Überwachung (vorher schon noch schlimmer als in Deutschland, jetzt noch einmal massive Verschärfung).

Guantanamo hat man von gehört. Andere CIA Folterknäste gibt es in anderen Ländern. Aber selbst mitten in den USA in der Jurisdiktion derselben gibt es einen Knast, der so übel ist, dass Irland einen “Terrorismus-Verdächtigen” lieber nicht an die USA ausliefern wollte.

Kleine obskure Winkelzüge mit gigantischen Effekten in Gesetzen: Ende der 90er Jahre wurde in den USA das Ermächtigungs-Gesetz der Finanz-Industrie gebaut.

Eine empirische Studie aus Princeton belegt in verstörender Klarheit, dass das politische System der USA keine Demokratie (mehr?) ist. Bei uns dürfte es ähnlich aussehen.

Die Verstrickungen der Briten in die Folter-Parties der Amis wurde auf Bitten der Briten aus dem entsprechenden Report entfernt. Begründet wird diese undemokratische Intransparenz, erwirkt auf undemokratischem Weg, mit den gleichen Argumenten wie die Folter Selbst: Innere Sicherheit.

In den USA werden Regelmäßig wichtige Gesetz verabschiedet, von denen die abstimmenden Abgeordneten nichts wissen. Z.B. wurde eine beängstigende Abhörklausel mal eben weitgehend unbemerkt mit dem Budget verabschiedet. Selbst die ohnehin teils alberne Demokratie-Simulation, die regelmäßig vor den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt, wird ist bei näherem Hinsehen löchrig wie ein Schweizer Käse.

“the real dimensions of the US military-intelligence-police-prison complex begin to come into view: a staggering $830 billion, more than 80 cents out of every dollar in the funding bill, is devoted to killing, spying on, imprisoning or otherwise oppressing the people of the world, including the American people.” (Quelle) An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass US-Gefängnisse mittlerweile vielfach kommerziell betrieben werden und ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Menschen einzusperren.

Wer den (fernauslesbaren) Chip auf seinem e-Perso zerstört, muss mit strafrechtlicher Verfolgung und Haft- oder Geldstrafe rechnen.

An east London schoolgirl who was „radicalised“ by Islamic State propaganda provided by her „deceitful parents“ must be removed from her home for her own safety, a judge has said. (Quelle) Das ist eine schwierige Problematik, die mindestens einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion bedürfte. Dem politischen Gegner wegen Gesinnungsverbrechen mal eben die Kinder weg zu nehmen, sollte nicht so einfach möglich sein.

Via Fefe: “Portugals Präsident weigert sich anscheinend gerade, der linken Anti-Austerity-Koalition die Regierungsbildung zu erlauben”

Kommentar Zitat: “This article furnishes additional evidence that democratic regimes tend to fight tyranny by adopting some of its methods.” Die erste Hälfte des Artikels listet diverse Entwicklungen in Europa, die in diese (falsche) Richtung gehen.

Unwürdig

Dies ist Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Ich möchte auf ein paar Dinge hinweisen. Diese zwei Sätze sind die Prämisse unseres Staates. Wir Deutschen haben einen Vertrag miteinander abgeschlossen und diese zwei Sätze sagen uns, worum es in diesem Vertrag geht.

Es geht um die Würde des Menschen. Also die Pointe hier ist: da steht “Mensch”. Da steht nicht “die Würde der Deutschen”. Und das hat übrigens auch einen ganz plausiblen historischen Grund, wieso im Grundgesetz der Deutschen “Menschen” und nicht “Deutschen” steht. Also sicherlich, wenn wie heute die Würde der Deutschen schon keineswegs gewährleistet ist, macht es wenig Sinn zu hoffen, dass das Deutsche Volk sich für die Würde des Menschen einsetzt. Aber trotzdem: Die Würde des Menschen zur Achtung zu bringen ist unser höchster Auftrag.

OK, klar, wir haben alle Day-Jobs. Und es ist auch nicht leicht in einer so großen Familie wie Deutschland. Da zanken sich die Geschwister ganz ordentlich, da geht schon mal was schief. Kommt vor, wäre ja noch zu entschuldigen. Aber ehrlich, dass die Würde des Menschen die allererste “Verpflichtung aller staatlichen Gewalt” ist, davon merke ich wenig.

Massenüberwachung, Waffenlieferungen, zigtausende Tote an den Mauern der Europäischen Festung, radikale Sparmaßnahmen, die die Hälfte der jungen Südeuropäer unter der dünnen Decke unserer kuscheliegen Zivilisation weg-schupsen in die Arbeitslosigkeit ohne (soziales) Netz und doppelten Boden; Massenimporte von Nahrungsmitteln für die Tiermast und für unser grünes Gewissen aus Ländern in denen Menschen verhungern; Export billigster großindustriell gefertigten Güter in ärmste Länder, wo dadurch die lokale Wirtschaft völlig zerstört wird.

Wie gesagt, es kann schon mal was schief gehen. Aber von unserem Artikel 1, Absatz 1 kann ich in unserer Vertragsumsetzung wenig erkennen.

Wie ich gewählt habe und warum

Der Glaube an den Neoliberalismus setzt den Glauben voraus, dass mit Wachstum alles gut wird. Doch dieses Wachstum – genug davon – gibt es in Deutschland seit 40 Jahren nicht mehr.

In Deutschland gibt es heute 10 Millionen Arbeitnehmer, die keine Arbeit haben, von der sie leben können – 3 Millionen Arbeitslose und 7 Millionen prekär Beschäftigte. Das sind ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeitnehmer und damit ein ähnlich großer Teil der ganzen Gesellschaft. Die 7 Millionen prekär Beschäftigten sind Ergebnis der Deutschen Niedriglohnpolitik, die SPD und Grüne eingeführt und CDU/CSU und FDP ausgebaut haben.

Außerhalb Deutschlands hat diese Politik aufgrund relativ sinkender deutscher Lohnstückkosten zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen innerhalb Europas geführt und dazu, dass die Lage in Südeuropa noch weit schlimmer ist, als bei uns. Wir versuchen – mit durchaus signifikanten Teilerfolgen – unser Beschäftigungsproblem zu exportieren.

Da ich nicht an das heilbringende Wachstum glaube und aufgrund zahlreicher Einzelpositionen sind für mich in dieser Reihenfolgen CDU/ CSU, FDP und SPD nicht wählbar.

Ich habe bisher meist Grün gewählt. An der Wählerschaft der Grünen kann man sehen, dass man sich die hehren Ziele der Grünen leisten können muss. Wir Grünenwähler sind satt, wohlhabend, besser gestellt, wirtschaftlich wie moralisch überlegen, aber eher keine Unternehmer, die durch Grüne Politik wieder zu viel zu verlieren haben.

Deshalb muss man selbst, wenn man Grüne Ziele verfolgt, erst die Probleme der sich ausbreitenden Massenarmut bekämpfen. Denn der stets steif aufgereckte moralische Zeigefinger der Grünen kann nur Beachtung finden, wenn der Bauch gefüllt ist. Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

Bleiben die Linken. Im Kern stehen sie für den Glauben, dass es besser wird, wenn wir kapitalistische Bevormundung durch staatliche Bevormundung ersetzen. Bei historischer Betrachtung scheint mir diese These gewagt. Und hier im deutschen Westen sind die Chaoten der ehemaligen WASG unwählbar. Dennoch. Stärkere Linke heißt, dass die Problematik deutschen Lohndumpings mehr mediale Airtime bekommt, dass Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik in öffentlichen Diskussionen nicht gänzlich ignoriert wird, dass es noch eine pazifistische Stimme im ehemals pazifistischen Deutschland gibt.

Ich habe meine Stimme dafür verwendet, bestimmten Standpunkten in den Medien etwas mehr Raum zu verschaffen. Wenn die Linke eine realistische Machtoption hätte, hätte sie meine Stimme nicht bekommen. Doch selbst als Junior-Partner der gemäßigt neoliberalen SPD – eine sehr unwahrscheinliche Option – könnte die Linke kaum all zu viel Schaden anrichten.

Wachstum mussnich kannaber

Wie lässt sich die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von kräftigem Wirtschaftswachstum brechen? Wie können wir die eigentlichen Ursachen der Finanz- und Schuldenkrisen beheben?

Unsere marode Finanzlage ist nur ein Symptom eines systemischen Fehlers. Wir brauchen mehr Wirtschaftswachstum, als spontan entsteht. Wenn die Politik dies wirklich will, werden wir die aktuelle Krise (Eurokrise Herbst 2011) einigermaßen ungeschoren überstehen. Dazu brauchen wir vor allem paneuropäische Solidarität, denn nur gemeinsam können wir den Marktkräften noch einmal die Stirn bieten. Da es sich aber um einen systemischen Fehler handelt, wird auch dann die nächste Krise nicht lange auf sich warten lassen. Und ob wir die dann auch noch überstehen können ist mindestens fraglich. Wir brauchen eine Lösung für das Problem des zu geringen Wirtschaftswachstums. Ich werde im Folgenden eine Idee einer solchen Lösung erläutern.

Wachstumszwang

Die gegenwärtige Krise ist letztendlich eine Wachstumskrise. Der aktuelle Auslöser, der das Überschuldungsfass zum Überlaufen gebracht hat, war die Subprime Finanzkrise 2008. Diese zwang die Staaten, sehr große Summen auf Kredit in das Finanzsystem zu pumpen. Dies führte zur Überschuldung von Staaten, die – wie Irland – vorher eine Mustergültige Finanzpolitik hatten. Doch andere Länder – die großen Volkswirtschaften Europas und auch die USA und Japan – haben schon seit 40 Jahren kein hinreichendes Wirtschaftswachstum mehr gehabt, ohne dieses auf Staatsrechnung herbei zu subventionieren und somit immer größere Schuldenberge anzuhäufen.

Ich vermute, dass ein Grund für das schwindende Wachstum das Easterlin-Paradox ist: Steigendes Einkommen lässt die Zufriedenheit der Bürger wachsen, doch ab etwa 20.000$ pro Kopf Bruttoinlandsprodukt lässt dieser Effekt stark nach. Offenbar treten ab diesem Punkt andere Dinge in den Vordergrund. Die Menschen wünschen sich mehr Freizeit, bessere Arbeitsbedingungen, Sicherheit usw.. Das Wachstum lässt nach.

Wirtschaftswachstum ist für uns vor allem aus zwei Gründen wichtig: 1. Arbeitsplätze und 2. Investitionen.

  1. Der technische Fortschritt und die fortwährende Optimierung von Unternehmensprozessen erhöhen dauernd die Produktivität. Daher braucht es immer weniger Arbeitskraft um das gleiche herzustellen. Das bedeutet, dass ohne Wirtschaftswachstum die Arbeitslosigkeit steigt.
  2. In einer Marktwirtschaft wird nur in etwas investiert, wenn damit die Erwartung verknüpft ist, dass die Investition gewinnbringend ist. Wenn die Wirtschaft aber nicht wächst sinkt die Gewinnerwartung von Unternehmen. Gesamtwirtschaftlich können Investitionen in einer Gesellschaft mit geringem oder ohne Wirtschaftswachstum nur noch auf die Rendite spekulieren. Im schlimmsten Fall kommt es zu Deflation und Kontraktion der Wirtschaft.

Dynamischer Tarif

Ich habe bereits in einigen Artikeln ein spezielles Tarifgesetz erörtert. Ich halte es für möglich, dass ein solches Verfahren beide Probleme lösen könnte. Einerseits würde es für eine Verteilung der verbleibenden Arbeit sorgen, andererseits ließe sich durch adäquate Anpassung des Tarifs ein Ausgleich zwischen Angestellten und Investoren erreichen, der beide Parteien an der Wertschöpfung partizipieren ließe.

Nach dieser Regel wäre der Stundenlohn abhängig von der Wochenarbeitszeit. Je mehr jemand arbeitet, desto mehr verdient er pro Stunde. Natürlich müsste die Arbeitszeit langfristig und über alle Stellen (wenn jemand mehrere Jobs gleichzeitig hat) gemittelt werden. Auch müsste es einen Ausgleich für die Länge der Ausbildung geben. Etwas genauer ist das hier erläutert.

Verteilung der Arbeit

Dies würde dazu führen, dass die Unternehmen dafür sorgen, dass die zu erledigende Arbeit optimal verteilt würde. Denn die Unternehmen hätten ja ein Interesse, möglichst viele Menschen möglichst wenig zu beschäftigen. Heute ist umgekehrt. Unternehmen versuchen, das optimale Personal zu finden und dies möglichst viel arbeiten zu lassen.

Dieser flexible Tarif ist aber etwas völlig anderes als die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Denn der tatsächliche Lohn und die Arbeitszeit wird ja individuell ausgehandelt. Besonders produktive Mitarbeiter würden demnach etwas mehr arbeiten und auch mehr verdienen. Es ist auch anzunehmen, dass Führungspersonal mehr arbeitete und mehr verdiente, denn Führungskräfte arbeiten auch heute im Schnitt mehr als Mitarbeiter ohne Personalverantwortung. Das müsste natürlich nicht so sein, und vielleicht würden Unternehmen das entsprechende Einsparungspotential auch ausschöpfen – was zweifellos im Sinne einer weniger hierarchischen Gesellschaft wäre.

Insgesamt ist allerdings anzunehmen, dass Arbeitnehmer im Schnitt etwas weniger verdienen. Denn es würden ja im Gegensatz zu heute alle Arbeitswilligen in die Arbeitswelt einbezogen. Der heute nur an einen Teil der Arbeitnehmerschaft ausgezahlte Gesamtbetrag würde auf mehr Menschen verteilt werden.

Dadurch, dass Unternehmen zur Kostensenkung jederzeit interessiert wären, neue zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, würden sich andererseits zahlreiche positive Effekte für Arbeitnehmer ergeben. Dies ist ein Schwerpunkt dieses Artikels.

Das tatsächliche Lohngefüge hinge von der genauen Gestaltung der Abhängigkeit von Lohn und Arbeitszeit ab. Wenn bei steigernder Arbeitszeit der Stundenlohn zu stark stiege, würden alle Mitarbeiter eines Unternehmens gleich lange arbeiten und gleich viel verdienen, eine Individualisierung gäbe es nicht. Ist der Anstieg zu schwach, tritt der Arbeitsverteilungseffekt nicht ein. Hier muss der richtige Mittelweg gefunden werden. Dies ist die Steigung der Lohnkurve.

Verteilung der Wertschöpfung

Nun kann man auch die Durchschnittshöhe der Lohnkurve ändern. Wenn bei gleicher Arbeitszeit ein höherer Stundenlohn gezahlt wird sinkt die Rendite der Investoren und das Einkommen der Arbeitnehmer steigt. Wenn bei gleicher Arbeitszeit weniger verdient wird verhält es umgekehrt, die Investoren profitieren mehr.

Über diesen Hebel – die Durchschnittshöhe der Lohnkurve – könnte die Investitionsrate ziemlich direkt beeinflusst werden. Die Steigung der Lohnkurve könnte von einer Instanz vergleichbar den Zentralbanken oder von der Regierung festgelegt werden.

Ihre Höhe könnte von der Regierung oder in freier Verhandlung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern festgelegt werden. Es ist durchaus auch denkbar, wie heute nach Branchen unterschiedliche Tarife festzulegen. Allerdings müssten anders als heute alle Arbeitsverhältnisse einem derartigen Tarif unterliegen. Auch sollte die Höhe der Lohnkurve einen automatischen Inflationsausgleich enthalten, das heißt sie sollte immer relativ zum Wert eines Warenkorbes ausgedrückt werden. Letzteres würde allerdings erfordern, dass sie auch mal sinken kann, was bei heutigen Tarifen nicht der Fall zu sein scheint.

Krisenresistenz

Wenn nun das Wirtschaftswachstum schwächelt müssten die Höhe der Lohnkurve sinken, entweder durch politische Festlegung oder in wie entsprechenden Verhandlungen bestimmt. Es würde zu keinem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen, allerdings würden die Arbeitnehmer weniger einnehmen und vermutlich müssten auch die Investoren etwas zurückstecken. So ließen sich auch ohne oder mit geringem Wirtschaftswachstum Dividenden hinreichende Renditen erzielen ohne dass dabei die Arbeitslosigkeit zunähme.

Arbeit umzu Leben

Wir setzen Marktwirtschaft zur effizienten Ausnutzung von Arbeitskraft ein. Damit gehen wir das Problem aus gesellschaftlicher, sozialer aber auch volkswirtschaftlicher Sicht genau falsch herum an. Wir müssen den Markt zur effizienten Ausnutzung der verfügbaren Arbeitsplätze einsetzen.

Die Propagandamaschine läuft wieder auf Hochtouren. Wir erleben angeblich zur Zeit den Aufschwung XXL. Vollbeschäftigung ist in Sicht. Tatsächlich wurde dieses Frühjahr erst das Vorkrisenniveau von vor drei Jahren (2008) erreicht. Schlimmer noch: in Deutschland sind wirtschaftliche Boomphasen seit 15 Jahren vom Wohlergehen der breiten Bevölkerung entkoppelt. Zwar werden Schwächephasen von den Arbeitgebern genutzt um unliebsame und unproduktive Mitarbeiter los zu werden, doch in den Boomphasen gibt es im Gegenzug keine Lohnerhöhungen mehr. Der Aufbau der Beschäftigungszahlen erfolgt überwiegend in Leiharbeit und im Niedriglohnsektor. Zu diesem Themenkreis sei die umfangreiche einschlägige Berichterstattung der Nachdenkseiten empfohlen.

Eigentlich „sollte“ es so sein, dass in Boomphasen die Nachfrage nach Arbeit steigt und diese als begrenztes Gut somit teurer wird. Doch augenscheinlich versagt hier der Markt. Der aktuelle Grund für dieses Versagen ist die Globalisierung der Wirtschaft. Große Konzerne operieren global. Sie bauen ihre Produktionsstätten dort auf, wo es Arbeit billig zu haben gibt. Und da Deutschland mit Niedriglohn-Standorten konkurriert, müssen auch hier die Löhne relativ niedrig gehalten werden. Und trotz dieser Niedriglohnpolitik haben wir selbst im aktuellen Boom noch 10% Arbeitslose und sehr viel mehr, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, die vom Staat in Fortbildungsmaßnahmen jenseits der Arbeitslosenstatistik geparkt werden, die Vollzeit arbeiten und trotzdem auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

Notorisch erfolglose Beschätfigungspolitik

Seit nunmehr rund vierzig Jahren versucht die Politik, dieses Problem in den Griff zu bekommen – vorher gab es in Deutschland das „Wirtschaftswunder“ und keine eklatante Beschäftigungsproblematik. Erfolglos war die Politik dabei immer. Seit Harz IV wird diese Erfolglosigkeit nur offensichtlicher und für die Betroffenen schmerzhafter.

Das Scheitern der Politik am Arbeitsmarkt ist dabei kein Deutsches Phänomen, es lässt sich vielmehr weltweit beobachten. In Wirtschaftwunderphasen – das heißt bei sehr starkem wirtschaftlichen Wachstum – funktioniert der Markt, es gibt genügend Arbeitsplätze und die Löhne steigen. Doch offenbar gibt es eine Schwelle, ab der eine Saturierung eintritt, das Wirtschaftswachstum lässt nach und die Probleme beginnen.

Arbeitslosigkeit ist ein Problem, dass für die Betroffenen ein tiefen Einschnitt in ihre Würde bedeutet. Dabei ist die Würde das höchste Gut in der Deutschen Verfassung, geschützt durch den ersten Artikel derselben. Deshalb müsste der Lösung der Beschäftigungsproblematik eigentlich höchste Priorität eingeräumt werden. Und die Lösung dürfte nicht – wie gegenwärtig versucht – über Leiharbeit, die die Betroffenen in ständiger Zukunftsangst entwürdigt, und prekäre Beschäftigung versucht werden, die die Betroffenen weiterhin als Almosenempfänger des Staates entwürdigt.

Die Politik scheitert an der Beschäftigungsproblematik und sie muss daran scheitern, weil sie das Problem völlig falsch betrachtet. Wir gehen davon aus, dass Arbeit ein begrenztes Gut ist und daher der Markt zur effizienten Nutzung dieser Ressource optimal geeignet ist. Das ist falsch. Arbeit unterliegt aus mehreren Gründen in einer saturierten Marktwirtschaft nicht dieser Logik. Die seit 40 Jahren jederzeit verfügbare Mindestreserve von einem Zehntel der Arbeiterschaft zeigt deutlich, dass Arbeit keine im Sinne der Marktwirtschaft begrenzte Ressource ist. Es sind vielmehr die Arbeitsplätze, die als begrenzte Ressource angesehen werden sollten. Zudem müsste eine Gesellschaft, die sich der Menschenwürde verschrieben hat, Arbeitslosigkeit als inakzeptabel ansehen. Marktwirtschaft führt aber gar nicht zwangsläufig zur völligen Erschöpfung einer Ressource – in diesem Fall der Arbeitskraft – sie kann durchaus etwas übrig lassen, in diesem Fall also Arbeitslosigkeit erzeugen.

Arbeitsplatz statt Arbeitskraft als begrenztes Gut

Wir setzen die Marktwirtschaft dazu ein, Arbeitskraft zu verteilen. Das ist falsch. Wir sollten sie statt dessen dazu nutzen, Arbeitsplätze zu verteilen. Dies ließe sich relativ einfach erreichen. Heute verhandeln Arbeitnehmer und Arbeitgeber hauptsächlich darüber, wie viel der Arbeitnehmer pro Stunde verdient. Stattdessen sollten sie darüber verhandeln, wie viele Stunden der Arbeitnehmer arbeiten darf. Das lässt sich dadurch erreichen, dass Arbeitszeit und Stundenlohn gekoppelt werden.

Jeder erhalte erst einmal grundsätzlich den gleichen Stundenlohn. Wer mehr arbeitet erhält einen höheren Stundenlohn, wer weniger arbeitet, einen geringeren. Natürlich muss es einen Lohnausgleich für die Ausbildungszeit geben. Diesen eher technischen Aspekt habe ich hier erläutert.

Vorteile des Flächentarifs

Dieses Vorgehen hat zahlreiche positive Effekte über die Verteilung der Arbeit hinaus, doch jene ist sicher der wichtigste Aspekt. Arbeitgeber haben ein Interesse, möglichst geringe Löhne zu zahlen. Daher würden sie in diesem System automatisch dafür sorgen, dass Arbeit optimal verteilt wird. Statt wie heute möglichst wenige Angestellte möglichst viel arbeiten zu lassen, würden Arbeitgeber möglichst viele Angestellte möglichst wenig arbeiten lassen. Bewerbungen von qualifizierten Bewerbern würden in der Regel angenommen werden, da es immer im Interesse der Arbeitgeber ist, mehr Arbeitnehmer zu beschäftigen und dafür die durchschnittliche Arbeitszeit ihrer Angestellten zu senken.

Dennoch würde es natürlich Leistungsbezogene Lohnunterschiede geben. Arbeitnehmer, die besonders seltene Qualifikationen besitzen oder besonders unbeliebte Arbeiten übernehmen, könnten durchaus sehr viel mehr verdienen als ihre Kollegen. Das gleiche gilt für Arbeitnehmer, die besonders effizient und leistungsfähig sind. Doch im Gegensatz zu heute würde dieser höhere Lohn auch zwangsläufig mit höherem persönlichen Einsatz (hier also längerer Arbeitszeit) einhergehen. Auch würden unbeliebte Arbeiten besser entlohnt als beliebte. Daher würden solche Lohnunterschiede in der Gesellschaft eher als gerecht empfunden werden als die heutigen.

„Überstunden“ in diesem Sinn gäbe es nicht mehr, da die Löhne automatisch angepasst würden. Der Arbeitgeber hätte allerdings ein Interesse, „Überstunden“ so gut wie möglich zu vermeiden. Da es für Arbeitswillige niemals ein Problem wäre, Arbeit zu finden, könnten die Arbeitsmarktgesetze massiv gelockert und flexibilisiert werden. Arbeitnehmer bräuchten keine Angst vor Arbeitsplatzverlust zu haben, da sie leicht eine neue Position finden und Arbeitgeber könnten jederzeit Leute einstellen: wenn die Auftragslage schlecht ist und der Arbeitgeber seinen Angestellten weniger Arbeit anbieten kann, sinkt automatisch der durchschnittliche Stundenlohn, den er zu zahlen hat.

Der Gesetzgeber könnte, wenn notwendig, die genaue Beziehung zwischen Arbeitszeit und Stundenlohn so einstellen, dass einerseits jeder, der möchte, Arbeit bekommen kann und andererseits die Löhne an die Wirtschaftsleistung angepasst sind. Der Gesetzgeber hätte also direkten Einfluss auf die Verteilung der Arbeit und auf eine faire Verteilung der Wirtschaftsleistung zwischen Investoren und Arbeitnehmern.

Da Arbeitgeber in ständiger Konkurrenz um Arbeitskräfte stünden, würden sie in einen Wettbewerb um attraktive Arbeitsplätze eintreten. Um möglichst viele Arbeitswillige anzuziehen, wären Arbeitgeber gehalten, ein möglichst attraktives Arbeitsumfeld zu bieten.

Verantwortung ist eine schlechte Rechtfertigung für Lohnunterschiede

Heute werden höhere Löhne meist mit größerer Verantwortung gerechtfertigt. Es ist verblüffend, dass diese Rechtfertigung immer noch verfängt. Wir haben insbesondere im Zuge der Finanzkrise beobachten können, dass diese angebliche Verantwortung keine Konsequenzen für die Verantwortlichen hat. Die Verantwortlichen haften nicht für ihre beruflichen Verfehlungen, ja sie werden oft nicht einmal von ihren Firmen zur Verantwortung gezogen. Ärzte haften kaum für ihre Kunstfehler, das tun vielmehr ihre Versicherungen.

Verantwortliche mögen in der Tat zuweilen ihre Arbeit „mit nach Hause nehmen“. Das heißt sie können sich mental oft nicht von ihrer Verantwortung frei machen und in der Freizeit richtig entspannen. Doch das trifft genauso auf viele andere Arbeitnehmer zu – die dafür aber nicht besonders entlohnt werden.

Beispiele hierfür sind Mitarbeiter, die sozialen Spannungen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind – zum Beispiel durch sozial unfähige Vorgesetzte oder im schlimmsten Fall durch Mobbing. Ebenfalls betroffen sind Arbeitnehmer, die Angst vor Arbeitsplatzverlust haben müssen. Auch alle Arbeitnehmer, die schöpferisch Tätig sind – Ingenieure, die Bauteile oder ganze Produkte entwerfen oder Programmierer arbeiten oft zu hause weiter indem sie über Alternativen nachgrübeln, selbst wenn ihre Abteilungsleiter die eigentlich Verantwortlichen sind. Fachkräfte, die kritische Komponenten montieren, Tester und Controller, die Funktion und Arbeitsabläufe sicher stellen müssen. All diese Menschen – und mehr – nehmen zuweilen ihren Job mit nach hause ohne dafür entschädigt zu werden.

Es gibt also keine logischen oder moralischen Gründe, wieso ausgerechnet Verantwortung besser entlohnt werden muss. Dennoch würden auch bei dem hier vorgeschlagenen System verantwortliche Positionen oft besser entlohnt. Denn solche Positionen werden im Sinn der Firma am besten mit besonders hoch qualifizierten Mitarbeitern besetzt, die zudem eine große Eigenständigkeit und soziale Kompetenz besitzen. Solche Mitarbeiter gibt es einfach nicht all zu viele. Daher würden die entsprechenden Individuen evtl. eine höhere Arbeitsbelastung tragen und entsprechend besser entlohnt werden.

Nicht-hierarchische Arbeitsorganisation

Es wäre natürlich auch denkbar, dass sich unter den hier vorgeschlagenen Bedingungen andere Formen der Arbeitsorganisation durchsetzen würden, die auf weniger hierarchische Strukturen setzen, um eben dieses Problem zu umgehen. Auch das wäre im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung.

Denn in streng hierarchischen Systemen ist es so, dass der Chef grundsätzlich für alles verantwortlich ist, was seine Untergebenen so tun. Die meisten Chefs sind damit fachlich mehr oder weniger überfordert und viele sind sozial gänzlich ungeeignet, eine so unmenschliche Position ein zu nehmen. Neben besonderen fachlichen und sozialen Qualifikationen erfordert so eine Position nämlich auch Demut und Selbstkritik, damit die Interaktion mit den Untergebenen nicht langfristig aus dem Ruder läuft. Gerade diese Eigenschaften widersprechen aber den besonderen Qualifikationen und werden durch den Arbeitsalltag als Weisungsbefugter unterminiert.

Insbesondere in der Softwareentwicklung wurden in den letzten Jahren Produktionsprozesse entwickelt, die sehr stark auf nicht hierarchische Strukturen setzen (zum Beispiel das Extreme Programming, das als Vorbild für Namensgebung und einige andere Aspekte des Extreme Governing diente). Toyota hat vergleichbares in Ansätze in der Automobilproduktion etabliert (z.B. der dezentrale Kanban Prozess). Es wäre sowohl im Sinne der Angestellten als auch der Chefs, wenn die überkommene Position des Allverantwortlichen zugunsten modernerer Verhältnisse zurück gedrängt würde.

Und es wäre ebenso im Sinne der Investoren. Denn Hierarchische Systeme mit vorgeblich verantwortungsbasierter Entlohnung haben einen fatalen Konstruktionsfehler: Da Respekt und Entlohnung sich nach der „Größe“ der Verantwortung richten, sind alle stets bedacht, ihre Verantwortung zu mehren. Das heißt, jeder versucht, seinen persönlichen Verantwortungsbereich, sein Team, seine Abteilung, sein Budget zu vergrößern. Dies führt zwangsläufig zu ständigen unnötigen Aufblähungen von den Arbeitsbereichen, deren Verantwortliche dieses Spiel besonders gut beherrschen. Das trifft sowohl die staatliche Verwaltung wie auch die private Wirtschaft.

Extreme Governing macht konkrete Vorschläge, wie politische Entscheidungen effizient, sozial verträglich und dezentral in nicht hierarchischen Systemen getroffen werden können. Diese Vorschläge lassen sich auch für privatwirtschaftliche Entscheidungsprozesse und Verwaltungsakte anpassen.

Bürokratische Hürden

Ein wichtiges Argument gegen die Einführung des Arbeitszeit-abhängigen Stundenlohns ist der große bürokratische Aufwand, der damit verbunden ist. Zwar ließen sich die lohnbuchhalterischen Berechnungen der Löhne leicht computerisiert automatisieren. Doch die Überwachung der Einhaltung dieser Regeln erfordert eine staatliche Bürokratie, die mit der vergleichbar ist, die heute Steuern und Sozialabgaben überwacht. Extreme Governing macht Vorschläge, wie letztere Systeme stark vereinfacht werden könnten. Doch diese Vereinfachungen würden durch die arbeitszeit-abhängige Entlohnung teils wieder zunichte gemacht. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die oben beschrieben massiven Vorteile dieses Systems die Nachteile klar überwiegen.

Arbeiten um zu leben

Dabei wurde der größte Vorteil noch gar nicht angeführt. Extreme Governing macht zahlreiche Vorschläge, die zu einer massiven Effektivitätssteigerung unserer Wirtschaft führen. Durch Änderungen der Regeln des sogenannten geistigen Eigentums würde Entwicklung sehr viel effizienter und Rechtsabteilungen würden stark entlastet. Durch Vereinfachungen des Steuer– und Sozialsystems würden Buchhaltungs- und Personalabteilungen entlastet. Durch das Propaganda-Verbot würden Marketing-Abteilung stark verkleinert. Der gesamte Sektor der Medien- und des Kulturbetriebes würde aus dem Bereich der Marktwirtschaft herausfallen. Der gesamte staatliche Beschäftigungssektor würde wegfallen und die Arbeitskräfte der Marktwirtschaft zugeführt (staatliche Arbeit fällt nicht weg, sie wird nur anders organisiert und effizienter). Wie oben gezeigt würden zehn Prozent der Arbeitnehmer – eben die heute Arbeitslosen – der Wirtschaft wieder zugeführt. Das gilt ebenso für all diejenigen, die heute auf die eine oder andere Weise aus der Arbeitslosenstatistik heraus-gerechnet werden.

Da unter all diesen Maßnahmen keinesfalls die Produktivität leidet – eher ist das Gegenteil anzunehmen – würde sich eine Entlastung der heutigen Beschäftigten um vielleicht 50% ergeben, ohne dass wir dafür große Abstriche machen müssten.

Das klingt zunächst absurd. Doch man vergegenwärtige sich z.B. das selbst extrem entwicklungslastige Unternehmen wie Apple nur rund ein drittel ihres Aufwandes für Entwicklung und Produktion betreiben. Der Rest ist Marketing, Verwaltung, Recht, personal usw. All dies sind Bereiche, die der Volkswirtschaft nicht unmittelbar zugute kommen und stark optimiert werden könnten. Große Personal- und Rechtsabteilungen werden durch komplizierte Steuer-, Arbeitsrechts- und Patentgesetze erzwungen. In all diesen Bereichen macht Extreme Governing Vorschläge, die zu drastischen Vereinfachungen führen könnten. Diese Vereinfachungen betreffen primär die staatliche Verwaltung, so dass es dort zu Einsparungen käme. Doch diese Verwaltung erzeugt wiederum direkten Aufwand bei den Unternehmen, so dass Vereinfachungen hier zu doppel-Entlastungen führen. Da bestimmte (verbreitete) Formen des Marketings volkswirtschaftlich zutiefst destruktiv sind und zahlreiche gesellschaftliche Probleme bedingen, würden diese Formen des Marketings abgeschafft und so auch hier die gesamtwirtschaftliche Effizienz erhöht.

Das Verhältnis von Arbeitszeit zu Lohn würde gesetzlich festgelegt. Der Staat könnte also bei entsprechender Effizienzsteigerung durchaus Stundenlöhne festlegen die den Arbeitnehmern Einkommenserhalt bei deutlich niedrigerer Arbeitsbelastung garantieren – und das alles bei gerechterer Verteilung und einem attraktiveren Arbeitsumfeld.