Es gibt viele Argumente, das Copyright für Software ab zu schaffen. Das mit Abstand wichtigste Argument gegen diese Freigabe lautet in etwa: Dann würde kaum mehr innovative Software entwickelt und für viele Nieschen-Märkte gäbe es gar nichts mehr. Manche Leute führen gar an, dass es dann ja überhaupt keine professionelle Software gäbe. In diesem Artikel versuche ich diese Argumente zu entkräften. Diese Diskussion ist leider sehr fachspezifisch. Aber ihre Implikationen betreffen jedes Mitglied einer Informationsgesellschaft. Tatsächlich ist es eine Diskussion über Freiheit, Transparenz, Solidarität und vor allem Macht-Konzentration. Auch wenn Sie kein IT-Fachmann sind: halten Sie durch.
Verantwortungskultur
Es gibt nach wie vor viele Vorbehalte gegen den professionellen Einsatz freier Software, auch und gerade von IT-Fachleuten. Meiner Erfahrung nach wurzeln diese Vorbehalte aber nicht in Erfahrung mit der Qualität freier Software oder dem Support für diese. Es gibt bei professioneller Software derartig viele Beispiele katastrophaler Qualität und nicht vorhandenen Supports, und bei freier Software so viele gegenteilige Beispiele, dass man derartige Begründungen getrost als vorgeschoben betrachten darf. Derartige Vorbehalte sind schlicht Teil unserer Wirtschafts-Kultur.
Wenn ein Mitarbeiter für seine Firma etwas benötigt, organisiert er ein professionelles Produkt oder einen professionellen Service. Tut er das und es geht etwas schief, ist der Anbieter des Produktes oder Services gegenüber der Firma verantwortlich. Organisiert der Mitarbeiter ein nicht-professionelles Produkt oder eine nicht professionelle Dienstleistung, ist der Mitarbeiter verantwortlich, wenn etwas schief geht.
Hier sind zwei Dinge wichtig: Verantwortung und Professionalität. Mitarbeiter sind oft nicht bereit, Verantwortung für ein überlegenes Produkt zu übernehmen, wenn sie mit einem unterlegenen ihren Job erledigen und sich aus der Verantwortung stehlen können. Das ist völlig verständlich, denn bei IT-Lösungen gibt es praktisch immer Probleme. Wieso sollte man sich unnötig Probleme aufhalsen? Glücklicher Weise führt die in vielen Feldern ausgeprägte Überlegenheit freier Software verbunden mit ihren auf der Hand liegenden geringeren Investitionskosten immer öfter zu professionellem Einsatz freier Software. Dadurch etablieren sich immer mehr professionelle Service-Dienstleister für freie Software und auch professionelle Entwicklungen nehmen zu. Die wirtschaftliche Bedeutung freier Software hat sich massiv gewandelt und der Wandel ist lange nicht abgeschlossen. Die Unkenrufe über angebliche Unprofessionalität werden also bald von allein verstummen, unsere Wirtschafts-Kultur diesen Wandel vollenden.
Service & Anpassung
Wenn man sich den heutigen professionellen Markt freier Software betrachtet, überwiegen zwei Geschäftsmodelle. Viele Unternehmen entwickeln ein Produkt (z.B. ein Programm). Sie verkaufen dann Service-Leistungen rund um ihr Produkt, entwickeln bezahlte Spezial-Versionen ihres Produktes für Kunden mit speziellen Anforderungen und bieten der Allgemeinheit manchmal erweiterte Funktionen zum Kauf. Eine Andere Gruppe von Unternehmen spezialisiert sich auf bestimmte Problemkreise – z.B. e-commerce Plattformen oder Geschäftliche Prozesse – und passt komplexe freie Systeme an die Anforderungen des jeweiligen Kunden an. Natürlich bieten auch solche Unternehmen Service für Ihre Lösungen.
Beide Geschäftsmodelle haben Gemeinsamkeiten: eine wichtige Komponente ist immer Software-Service. Mit der Komplexität moderner Systeme ist Service eine Notwendigkeit geworden. Genauso wie kaum noch jemand ein modernes Fahrzeug selbst warten würde, würde kaum noch eine Firma selbst ihre Software warten, selbst wenn sie selbst Entwickler zu ihrem Personal zählt. Professioneller Software-Service wäre auch in einer copyrightlosen Marktwirtschaft zweifellos ein signifikantes Geschäftsfeld.
Wichtiger noch ist aber folgender Faktor: beide Geschäftsmodelle leben (auch) von der Anpassung bestehender freier Lösungen. Man kann offensichtlich nur etwas anpassen, was schon da ist. Da im Laufe der Zeit immer mehr (und komplexere Software) entwickelt wird, wird auch der Fundus immer größer, aus dem Anpassungen entwickelt werden können. Bezüglich der Anpassbarkeit sind freie Lösungen professionellen schon heute in der Regel weit überlegen. Die Ursachen hierfür liegen in Entwicklungsprozessen und kulturellen Hintergründen, ich werde jetzt aber nicht weiter darauf eingehen. Die Frage ist also nur: wird Software-Copyright auf Dauer von alleine Bedeutungslos? Und wenn nicht, hat es dann nicht eine Daseins-Berechtigung?
Virale Freiheit
Ich vermute, sehr langfristig würde Software-Copyright tatsächlich bedeutungslos. RMS wird mit seiner viralen GPL diesen Krieg langfristig gewinnen (die GPL ist eine virale freie Software-Lizenz, die sich immer weiter ausbreitet). Es sei denn Software Patente blieben uns erhalten. Doch die Diskussion dieses volkswirtschaftlichen Wahnsinns, sei anderen überlassen. Hier muss der Verweis genügen, dass maximal Infotags volkswirtschaftlichen Sinn machen könnten. Ein weiteres potentielles Hemmnis für die Verbreitung freier Software ist Software as a Service, doch dazu später mehr.
Wie auch immer, es könnte lange dauern, bis freie Software sich komplett durchsetzt. Denn Unternehmen in marktbeherrschender Stellung werden diese Position immer nutzen um die Weiterentwicklung ihres Marktsegmentes zu verhindern. Microsoft ist es z.B. gelungen, die enorme Innovationskraft des World Wide Web für ein ganzes Jahrzehnt stark zu bremsen. Freie Software würde sich also vermutlich sowieso irgendwann durchsetzen, bis dahin ließe sich aber erheblicher Schaden abwenden, wenn die Abschaffung des Copyrights vorgezogen würde.
Innovation durch Monopole?
Würde somit die Innovationskraft der Softwarebranche beschnitten? Patente gelten gemeinhin als guter Anzeiger der Innovationskraft. Da ist es billig, auf ein paar Beispiele der vorgeblichen Innovationskraft des Marktes zu verweisen. Informativer ist es aber wohl ein paar Beispiele an zu führen, die nicht oder nicht ausschließlich kommerziell entwickelt wurden: Die E-Mail wurde in einem Unternehmen erfunden, allerdings tat der Entwickler es aus eigenem Interesse, entgegen seiner eigentlichen Aufgabenstellung; MP3 ist eine halb-kommerzielle Entwicklung, die aber auf rund hundert Jahre, großen Teils öffentlich finanzierter, psycho-akustischer Forschung zurück geht; Die SMS wurde von einer Behörde (Bundespost) in Kooperation mit einem Unternehmen entwickelt; Das World Wide Web wurde an einer Forschungseinrichtung entwickelt.
In diesen Beispielen, spiegelt sich ein Grund-Thema. Sie zeigen, dass Innovation nicht grundsätzlich auf Marktwirtschaft angewiesen ist. Aber all diese Beispiele betreffen grundlegende Technologien, was sicher kein Zufall ist. Die Ausgestaltung dieser Technologien geschieht dann doch oft im Rahmen marktwirtschaftlicher Unternehmungen. Während also das Argument der mangelnden Innovationskraft freier Entwicklung relativ leicht zu entkräften ist, ist das mit dem Nieschen-Markt-Argument ungleich schwieriger.
Als roter Faden dieser Erörterung mag folgendes Beispiel dienen: Die automatisierte Spracherkennung ist ein etabliertes Forschungsgebiet an dem sehr viele öffentlich finanzierte Forscher gearbeitet haben. Doch nachdem die (kommerziell viel-versprechenden) Prinzipien erforscht waren, haben kommerzielle Unternehmen die Perfektionierung dieser Verfahren übernommen. Insbesondere haben Unternehmen die Spracherkennung für Diktate von Anwälten und Medizinern optimiert.
Gerade letzteres ist ein perfektes Beispiel für die Vorteile der Marktwirtschaft. Irgendwer hat erkannt, dass sich u.a. bei Anwälten und Medizinern große Einsparungen erzielen lassen, wenn man Diktate automatisieren könnte. Also wurde investiert und so ein Mehrwert geschaffen. Es ist nicht sonderlich naheliegend, dass freie Entwickler aus Spaß oder zur Mehrung des eigenen Ruhms den hohen, großen teils vermutlich stupiden Aufwand zur Bewältigung dieser Aufgabe auf sich genommen hätten – zumal sich Anwälte in Kreisen, die sich freier Software widmen, nicht gerade eines hohen Ansehens erfreuen.
Software als Service
Wie könnte so eine Software also in einer Copyright-losen Gesellschaft entwickelt werden? Eine naheliegende Antwort aus heutiger Perspektive ist: Als Software as a Service. Der Arzt diktiert, die Audio-Daten werden an den Server der Transkriptions-Firma übermittelt und dort in einen Text übersetzt, der wiederum an den Arzt zurück übertragen wird. Für den Arzt gibt es keinen merklichen Unterschied in seinem Arbeitsablauf. Aber die Übersetzungs-Software verlässt nie die Server der Übersetzungsfirma und somit kann sie niemand kopieren.
Aber darf der Arzt, der ja einer Schweigepflicht unterliegt, seine Diagnosen an eine fremde Firma übertragen? Bei freier Software geht es nicht vorrangig um Copyright, sondern offen gelegte Programme. Bei freien Programmen kann jeder (der sich damit auskennt) nachvollziehen, was sie tun. Wenn der Software Service freie Software verwendete, müsste der Arzt keine Bedenken haben. Andernfalls kann er nicht sicher sein, was mit seinen Diagnosen geschieht, auch wenn er sich vielleicht rechtlich absichern kann.
Es zeigt sich also, dass eine Abschaffung des Copyright nicht genügt. Ohne die Forderung der Offenlegung der Software, würden Software-Services die Copyright-Regelungen aushebeln und die wichtige Forderung der Transparenz umgehen. Ist Offenlegung aber gefordert, funktioniert auch Software as a Service nicht mehr zur Vermarktung von Nieschen-Produkten – zumindest nicht mit den überkommenen Formen von Marketing. Diese bestehen darin, Software entweder zu verkaufen oder zu vermieten.
Service als Chance
Doch Software Services bieten hier sehr wohl eine Chance, man muss das Problem nur anders betrachten. Wozu überhaupt Software? Software erlaubt uns zuweilen, Dinge zu tun, die wir ohne sie nicht tun könnten. Doch der bei weitem verbreitere Grund für den wirtschaftlichen Einsatz von Software ist Kostenersparnis. Man möchte menschliche Arbeitskräfte effizienter machen oder sie für bestimmte Aufgaben ersetzen. In diesem Fall besteht die Aufgabe in der Transkription von Diktaten.
Man stelle sich also einen Internet Service für die Transkription von Diktaten vor. Wohlgemerkt, hier geht es um die Finanzierung der Entwicklung von Software. Nehmen wir also an, unser Service verfügt nur über einen frühen Prototypen einer Spracherkennungs-Software, der gerade aus der öffentlichen Forschung abgeleitet wurde. Auch damit ließen sich vor 15 Jahren (in den 1990er Jahren) prinzipiell Kosten gegenüber Diktaten mit menschlichen Sekretären sparen. Allerdings war das eher umständlich. Speziell auf diese Software geschultes Personal wäre aber für unseren Service selbstverständlich. Und so könnte der Diktierservice die gleiche Qualität günstiger bieten als ohne den Einsatz seiner Software.
Gleichzeitig könnte sich der Anbieter vor Nachahmern schützen, da er einen Vorsprung in der Schulung seines Personals hat. Da der Service auch seine Software weiter entwickelt und optimiert, kann er diesen Vorsprung bei entsprechendem Einsatz auch halten. Wenn die Software irgendwann ausgereift ist, schwindet der Vorsprung und das Produkt geht automatisch ins allgemein Gut über.
Eine denkbare Möglichkeit der Abgrenzung gegen die Konkurrenz besteht auch darin, umfassenderen Service an zu bieten. So könnten weitere IT-Bedürfnisse der Kunden – z.B. Arzt-Praxen – in Services ausgegliedert werden. In den Praxen stünden nur noch einfach zu wartende so genannte thin Clients. Der Service-Anbieter pflegt und Administriert die IT-Systeme der Kunden in seiner (des Anbieters) virtualisierten Server Landschaft.
In einem transparenten System würde dies die Sicherheit der Daten der Kunden der Praxen wahrscheinlich eher erhöhen. Denn heute kümmern sich eben oft keine Profis um die Wartung und Sicherung dieser Systeme. Aus Anbietersicht stellt dies einen Schutz gegen Konkurrenz dar, da es natürlich schwieriger ist, einen komplexen rund-um Service zu bieten als sich auf einen Diktier-Service zu beschränken.
Man vergleiche dieses Geschäftsmodell mit heutigen – aus Kundensicht. Heute würde der Prototyp verkauft und Kunden sehen sich über Jahre den Zumutungen von Entwicklungssoftware ausgesetzt, während sich Einsparungen aufgrund des Einsatzes durch ungeschultes Personal in Grenzen halten. Der Hersteller muss viel Kapital vorschießen, da er ein unausgereiftes nicht lukratives Produkt am leben halten muss, bis es sich für alle lohnt. Dann darf er damit weitgehend ohne weitere Leistungen seinerseits Geld drucken.
König Kunde
Im Service-Modell lohnt sich der Einsatz von Anfang an für alle Seiten. Der Hersteller hat gute Einnahmen während der Entwicklung und nicht danach. Kunden bekommen von Anfang an ein ausgereiftes Produkt. Durch die kontinuierliche Entwicklung ist der Preis des Produktes am Anfang hoch (wenn auch dennoch billiger als die herkömmliche Diktiermethode) und sinkt kontinuierlich, bis er am Ende gegen Null geht. Aufgrund der Transparenz des Service Dienstleisters kann durch jeden überprüft werden, ob die Prozesse des Service-Anbieters den Anforderungen an Umgang mit Daten beispielsweise einer Arztpraxis genügen.
Natürlich ist diese Vermarktungsstrategie nicht im Interesse der etablierten Anbieter. Sie verlieren ihre Gelddruck-Monopole. Zudem setzt dieses Modell auch künftige Anbieter einem größeren Konkurrenz-Druck aus als heutige Modelle. Denn im Service Modell kann jeder auf der aktuellen Version der Diktiersoftware aufsetzen und versuchen einen konkurrierenden Service zu etablieren. Im herkömmlichen Modell schützen frühere Investitionen vor Konkurrenz, da ein Vorsprung in der Investition in geschützte Software schwieriger auf zu holen ist als der Vorsprung in der Schulung der Anwendung dieser Software. Das Service-Modell ist also tatsächlich viel Stärker Markt-orientiert als das Monopol-Modell.
Das Service-Modell lässt sich auf viele Anwendungen übertragen, doch bei weitem nicht auf alle. Ich werde noch drei weitere Klassen von Anwendungsentwicklung betrachten.
Geschäfts-Logik
Ein sehr großer Teil der Software-Entwicklung besteht heute darin, Software für die Optimierung von Geschäftsprozessen diverser Firmen an zu passen. Da diese Prozesse so individuell sind wie die Firmen, gibt es hier einen großen Markt. Es gibt drei große Fraktionen, die sich nicht ganz klar trennen lassen, die sich diesen Markt teilen.
Da wären zunächst die Software-Riesen wie SAP und Oracle (vormals Sun, da es hier vor allem um Java geht). Diese haben es geschafft, Software-Ökosysteme von enormer Komplexität zu schaffen. Ein Heer von Beratern, Entwicklern und Dienstleistern lebt davon, diese Systeme an die Anforderungen individueller Firmen an zu passen.
Dann gibt es zahlreiche kleinere Firmen und Freelancer, die das selbe mit unbekannteren, oft innovativen und teils schon freien Technologien tun. Die Kunden dieser Unternehmen sind oft selbst eher kleine und mittlere Unternehmen.
Und schließlich haben viele mittlere und große Unternehmen eigene IT-Abteilungen, die eben diese Aufgaben für sie erfüllen und aus dem Pool der Technologien und Services der ersten beiden Gruppen schöpfen.
All diese Anpassungen wären durch einen Fall des Copyright nicht gefährdet. Problematisch ist augenscheinlich aber die Finanzierung der Weiterentwicklung der Software-Plattformen. Das ist heute die Aufgabe eben dieser Software-Riesen. Doch interessanter Weise sind Java und SAP schon heute weitgehend Open Source. Auch hier also keine unlösbaren Probleme.
Automation
Ich arbeite für eine Firma, die Automationssysteme, Smart Systems, Smart Meters und ähnliches verkauft. Während es auf dem Markt der Gebäudeautomation viele kleinere Anbieter und Projekte gibt, werden Smart Systems (z.B. Automation von Straßenbeleuchtung) und intelligente Zähler meist von sehr großen Firmen und in großen Projekten eingesetzt. Die Leistung der Software-Entwicklung besteht hier heute darin, bestehende Lösungen zu integrieren und an zu passen. Aufgrund der Größe dieser Projekte wäre es möglich, diese Leistungen durch ihren Einsatz in sehr großen Projekten zu finanzieren.
Heute werden Lösungen oft zunächst in kleineren Projekten eingesetzt. Erst, wenn sich die Systeme dort bewähren, werden sie in größerem Maßstab eingesetzt. Dies würde von den Großunternehmen, die solche Projekte umsetzen, langfristige Planungen und Strategien erfordern. Doch ist dies kein Ausschlusskriterium für derartige Finanzierungs-Modelle. Der Schutz gegen die Konkurrenz besteht hier wieder darin, dass auch beim Personal viel Know-How über die Umsetzung derartiger Projekte angehäuft werden muss. Man kann nicht einfach eine Software stehlen und dann damit große Beleuchtungs-Projekte umsetzen. Derartige Software ist im übrigen oft auch an bestimmte Hardware gebunden. Die muss man ja nicht unbedingt an seine Konkurrenz verkaufen.
Allerdings würde sich durch eine Abschaffung des Copyrights vermutlich auch hier der Konkurrenzdruck erhöhen – was ja aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht schlecht ist. Es bleibt fest zu halten, dass derartige Großprojekte langfristige Planung und große vorab-Investitionen erfordern. Dies würde möglicher Weise den Markt für derartige Produkte deutlich verändern. Es ist jedoch nicht an zu nehmen, dass Großprojekte der Automatisierungstechnik grundsätzlich durch eine Abschaffung des Copyrights unmöglich gemacht würden.
Klassische freie Software
Eine letzte große Software-Sparte soll nicht verschwiegen werden, obwohl man meinen sollte, dass die hier gemachten Feststellungen mittlerweile Gemeingut sind. Heim-Anwender benötigen bereits heute kaum kommerzielle Software. Ich verwende seit über zehn Jahren fast ausschließlich freie Software und mein Nutzungsumfang sowie meine Ansprüche sind wahrscheinlich eher hoch. Sicher gibt es noch die eine oder andere Nieschenanwendung, die mancher nicht so leicht wird ersetzen können. Aber das sind eher Ausnahmen, die mit dem Fall des Copyrights bald obsolet wären.
Es ist zu erwarten, dass sich die Entwicklungsmodelle klassischer freier Software – die andere sind als die von Software-Riesen wie SAP, die ihre Mammut-Produkte offen gelegt haben – sich auch weiter in die Welt jener Software ausbreiten werden, die vorrangig kommerziell eingesetzt wird. Eine Abschaffung des Copyrights würde diesen Vorgang natürlich beschleunigen.
Ein Sektor der vermutlich unter einer Abschaffung des Copyrights leiden würde, ist Unterhaltungssoftware. Es ist denkbar, dass manche Unterhaltungsfirmen Modelle finden, mit denen sich weiter Geld zur Finanzierung dieser Software-Sparte verdienen lässt. Dies könnten z.B. Services sein, die die Etablierung großer Communities für massive multiplayer games oder ähnliches erlaubt. Auch gibt es freie Unterhaltungs-Software. Diese reicht aber im Gegensatz zur Anwendungssoftware und anderen produktiven Sparten bei weitem nicht an das Niveau der kommerziellen Pendants heran.
Auch hier ist zu erwarten, dass eine Abschaffung des Copyrights freien Produkten zu gute käme. Doch erwarte ich, dass diese Sparte qualitativ ein paar Jahre hinter den heutigen kommerziellen Status Quo zurück fällt. Man mag das bedauern oder nicht. Volkswirtschaftlich ist es bedeutungslos, da diese Software eben keine produktive Bedeutung hat.
Was vom Tage übrig blieb
Es wurde eine mögliche Software-Marktwirtschaft illustriert, die nicht trotz der Abwesenheit von Copyright funktioniert, sondern eine, die gerade deswegen viel marktwirtschaftlicher ist. Gewaltige Kapital-Anhäufungen durch anti-marktwirtschaftliche Monopole würden verhindert. Durch die Einsparung dieser Anhäufungen ergibt sich ein Volkswirtschaftlicher Nutzen – dieses Geld steht dann anderswo zur Verfügung. Denn Software Giganten waren selten große Innovatoren. Microsoft z.B. hat sich dadurch hervor getan, Konkurrenz zu zerstören und den Fortschritt soweit irgend möglich auf zu halten. Denn der Fortschritt entzieht den etablierten Monopolen oft die Grundlage.
Hier wurden nur einige Beispiele von Software-Entwicklung und ihrer Finanzierung beleuchtet. Es gibt noch viele viele andere, und sicher auch anders geartete, auf die sich die hier illustrierten Beispiele vielleicht nicht übertragen lassen. Man muss sich jedoch einen zentralen Punkt vor Augen halten: Mit Software lässt sich Geld sparen. Ich weigere mich zu glauben, dass sich ohne Copyright keine Wege finden ließen, etwas von diesem Geld für die Entwicklung von Software ab zu zweigen. Ich habe in einigen Beispielen gezeigt, wie es gehen könnte. Wenn es wirklich kein Copyright mehr gäbe, davon bin ich überzeugt, fänden sich kreative Köpfe, die Wege finden, trotzdem Geld zu verdienen. Tatsächlich gibt es ja heute schon reichlich derartige Beispiele, obwohl es Copyright gibt.
Die Feinde freier Software bezeichnen diese oft als Software-Sozialismus. Dabei sind diese Feinde freier Software selbst die Feinde der Marktwirtschaft. Denn sie versuchen Monopole zu errichten und zu verteidigen. Eine Welt ohne Copyright wäre weniger sozialistisch, da sie nicht auf die destruktive Planwirtschaft der siechen Software-Riesen angewiesen wäre. Sie wäre im Gegenteil von einer freieren Wirtschaft, und was wichtiger ist, von freieren Nutzern geprägt.