Der Wieder-Auftstieg des Faschismus

Wir erleben das Ende der Demokratie und ein Wieder-Erwachen faschistoider Gesellschaftsstrukturen. Diese Entwicklung wird hier von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit einigen Beispielen belegt.

Wir leben in interessanten Zeiten.

Ich habe den Großteil meines Lebens auf einer historischen Insel der Glückseligkeit verbracht. Mit dem Erwachen meines Bewusstseins erwachte auch das Bewusstsein, dass der kalte Krieg bekloppt ist und wir diesen Planeten nicht gar so schnell verbrauchen sollten. Sexuelle Befreiung und eine Welle demokratischer Partizipation in zahlreichen Demos, Streiks, APOs und basisdemokratisch organisierten kleineren Projekten waren zusammen mit vorgenannten Erkenntnissen die Nachwehen der 68er Revolution vor meiner Geburt. Die Ideale von sozialer Marktwirtschaft, Achtung der Grundrechte, Freiheit der Presse und Demokratie waren völlig unantastbar.

Ich habe das Ufer dieser Insel der Glückseligkeit fühlbar verlassen und finde mich nun in einem stetig windiger werdenden Ozean.

Berichterstattung zur Überwachung

Es ist verblüffend, wie stark Medien die Wahrnehmung großer Phänomene und Ereignisse prägen. Nachdem 1989 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zusammenbrach, schwappte eine lange und hohe Welle der Empörung über die Ausforschung der Bevölkerung der DDR durch die Staats-Sicherheit (StaSi) durch Deutschland. Die viel gründlichere Überwachung durch die zeitgenössischen Geheimdienste wird dagegen fast komplett ignoriert.

Wer glaubt, “unsere” Geheimdienste seien im Gegensatz zur StaSi ja nicht böse, der hat sich offensichtlich nicht mit bekannten und allgemein akzeptierten Fakten zu Organisationen wie der CIA befasst.

Der plausibelste Grund für diesen frappierenden Mangel an Empörung über den aktuellen Geheimdienst-Skandal ist meiner Meinung nach das schleichende Ende der Pressefreiheit. Natürlich behält die Pressefreiheit ihre juristisch-akademische Bedeutung. Aber eine nicht ausgeübte Freiheit endet mit dem Ende ihrer Ausübung. Dieses Ende zeigt sich, wenn man sich tiefer mit der Berichterstattung zu einzelnen Themen befasst – wie zum Beispiel dem Ukraine Konflikt, Charlie Ebdo, islamistischem Terror allgemein, der Flüchtlings-Krise, der Subprime-/Finanz-/Staatsschulden-/Griechenland- … Banken(!)-Krise (ist alles eins).

Das schleichende Ende der Demokratie

Ein Drittel bis die Hälfte der Menschen hat das Wählen aufgegeben, weil eine Wahl heute keine bedeutsame Richtungs-Entscheidung mehr ist. Es gibt nur den Weg des Geldes, je nach Geschmack rot oder schwarz lackiert. Der Sozialstaat wurde gründlich entkernt und seine Aushöhlung schreitet zügig weiter voran. Meine nach unvorstellbaren Gräueltaten 60 Jahre lang weitgehend pazifistische Heimat heizt heute kräftig mit bei den prächtig laufenden Geschäften der internationalen Rüstungs-Industrie.

Selbst wenn man all das richtig findet, weil man glühender Anhänger des Neoliberalismus ist, selbst dann muss man besorgt sein über die zunehmende Ermächtigung totalitärer Willkür. Die unstrittig zentralste Funktion des Staates ist die Definition und Durchsetzung des Strafrechts. Auf das es uns Menschen überhaupt möglich wird, gewaltfrei zu interagieren. Dies sind nur mal zwei Beispiele staatlichen Versagens in dieser zentralsten Funktion: Beweismittel aus 1) Haarproben und 2) Drogentests sind Gegenstand völliger staatlicher Willkür.

Damit ist grob geschätzt die Hälfte aller Straf-Verfahren (und in den USA höchstwahrscheinlich noch mehr) deutlich jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter “Rechtstaatlich” vorstellt. In der Schule fing bei 50% glaube ich die Note sechs an. Aber es muss natürlich auch in dieser Anklage gegen den Staat die Maxime “in dubio pro reo” gelten, “im Zweifel für den Angeklagten”. Das Urteil lautet daher, Staat: Fünf minus, setzen.

Die Machtergreifung des Kapitals

Es läuft seit Jahren ein fortwährender Angriff der Wirtschaft auf die Demokratie in Form dubioser Handels-Abkommen. Ein aktuelles Scharmützel in diesem Krieg ist TTP. Hier findet sich eine gute Analyse nur einiger Gründe wieso die 6000 Seiten Vertragswerk in Juristen-Sprache für die Öffentlichkeit nichts Gutes verheißen. Dieses Handelsabkommen mag wie das letzte von der Öffentlichkeit verhindert werden. Doch die Angriffe hören nicht auf. Irgendwann wird ein solcher Angriff erfolgreich sein. Und dann können nationale Parlamente nichts mehr beschließen, was internationalen Konzernen nicht passt.

Tatsächlich gibt es bereits erste Erfolge der Wirtschaft in diesem Krieg vorzuweisen. So verklagen einige Energie-Konzerne die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Energiecharta Vertrages wegen des Atomausstieges. Der vorläufige Erfolg liegt in der Möglichkeit der Klage, der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.

Jedes dieser Handelsabkommen versucht neue derartige Klage-Möglichkeiten zu schaffen. TTP beispielsweise versucht eine Enteignung des so genannten intellektuellen Eigentums der Öffentlichkeit (der “public domain”) durch die Hintertür zu erschleichen (siehe im bereits oben verlinkten Artikel.

Vorrangig geht es bei diesen Handelsabkommen offenbar nicht darum, Handels-Hemmnisse zu überwinden und die Marktwirtschaft zu stärken. Ich bin Teilhaber einer kleinen Firma, die unter anderem mit bestimmten Komponenten handelt, die auch ins Ausland versandt werden. Dies ist für eine kleine Firma ein bürokratischer Alptraum – schon z.B. bei einem Versand von Deutschland in die Schweiz.

Für kleine Firmen stellt dies ein ernstes wirtschaftliches Problem dar – das relativ leicht und wahrscheinlich völlig ohne öffentlichen Protest zu beheben wäre. Doch im Mittelpunkt der Verhandlungen geht es offensichtlich um anderes. Marktwirtschaft findet im Wettbewerb kleiner Firmen statt. Die großen internationalen Konzerne sind geprägt durch Monopole und Kartelle, Lobbyismus und Marketing-Propaganda. Mit Marktwirtschaft hat das alles wenig zu tun, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe.

Es geht den internationalen Multis, die bei den Verhandlungen von Handelabkommen im Gegensatz zu kleinen Firmen mit am Tisch sitzen, nicht um Marktwirtschaft, im Gegenteil. Es geht um die Usurpation nationaler Legislativen durch die mächtigen Rechts-Abteilungen der Multis und um die Abschaffung eines Kernelements der Marktwirtschaft: des unternehmerischen Risikos. Der Marktwirtschaft – kleinen Firmen und damit auch unliebsamer Konkurrenz der Multis – bleibt dieser äußerst kostspielige Klage-Weg verschlossen. Damit ergaunert sich das große Geld einen weiteren unter vielen Wettbewerbsvorteilen. So wird Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Handstreich geschwächt. Der Erfolg dieser Strategie scheint momentan langfristig unausweichlich.

Das klingt alles weit weg für den Otto-Normal-Bürger. Doch wenn z.B. die Klage der Energie-Konzerne gegen Deutschland Erfolg hat, wird Otto-Normal-Bürger für das Privileg des Atom-Ausstieges 4,7 Milliarden Euro bezahlen. Gesetzes-Änderungen sind ohne Zusatzkosten nur noch zu Gunsten der Wirtschaft möglich nie mehr in zu ihrem Nachteil.

Lohnentwicklung und Wohlstands-Schere

Noch drastischer ist die Auswirkung der Wirtschafts-Politik auf das Lohngefüge, und das spüren bereits sehr viele Menschen. Es ist der Wirtschaft gelungen, die Löhne in den alten sozialen Marktwirtschaften in direkte Konkurrenz zu den Löhnen in aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien, Südamerika und Südafrika zu bringen.

Dies ist eigentlich eine positive Entwicklung. So bekommen diese sich entwickelnden Wirtschaftsräume auch endlich eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Und es schadet Deutschland oder anderen alten Nationen mit starker Wirtschaft als Ganzes betrachtet auch nicht. Doch im Zuge dieser Entwicklung ist es gelungen, den dadurch erlangten wirtschaftlichen Gewinn in den Händen weniger zu belassen und die immer breiter werdende wirtschaftliche Unterschicht auszubluten.

Teile und Herrsche

Getreu der alten Maxime “teile und herrsche” werden so – wenn auch vielleicht nicht zentral koordiniert oder auch nur bewusst – verschiedene Fraktionen dieser Unterschicht gegeneinander ausgespielt. Dies findet in regelrechten Medien-Kampagnen (die Nachdenkseiten berichten regelmäßig dazu) gegen so genannte Hartz 4 Schmarotzer, Migranten, Flüchtlinge und besonders gern die Unterschicht anderer Länder (insbesondere in Südeuropa) statt.

Derweil lebt die stetig schwindende Mittelschicht in Angst vor dem sozialen Abstieg unter dem Dauerfeuer medialer Propaganda, die immer wieder neue Kaninchen aus dem Hut zaubert, die angeblich die Schuld an der Misere tragen. Neben den vorgenannten Unterschichtlern auch “feindliche” Konzerne wie Google und Uber, Russen, Moslems … alle außer denen, die fortwährend den Reichtum anhäufen, den die anderen Schichten vermissen.

Die politischen Entscheider und Wirtschaftsführer finden sich unterdessen in eitler Interesseneinheit, dem Interesse an einem ordentlichen Happen von diesem Reichtum. Während Wirtschaftsführer direkt mit Millionen für ihre moralischen Verfehlungen entschädigt werden ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass hochrangige Politiker nach ihrer politischen Karriere mit hoch dotierten Pöstchen für ihre Gefälligkeiten bedacht werden. Dies und die enorme Macht des Lobbyismus sorgen dafür, dass die Politik der Wirtschaft immer weniger in die Quere kommt.

Die ultimative Propaganda-Maschine

Was für die Politik die Lobby ist für das Demos, das Staatsvolk, die Werbung. Deutsche sind heute jeden Tag durchschnittlich 10 Stunden dem Dauerbombardement mit wirtschaftlicher Propaganda in Form von Werbung ausgesetzt, davon allein 4 Stunden Fernsehen in der Freizeit und noch mal so lange Radio am Arbeitsplatz. Deutsche Gesetze schreiben z.B. bei Fernsehen (noch!) vor, dass vier Fünftel des Programms dem Zweck dienen müssen, die Aufmerksamkeit des Publikums für die Propaganda abzugreifen, während “nur” ein Fünftel der Zeit für die eigentliche Propaganda verwendet darf. Macht zwei volle Stunden reine Propaganda-Berieselung für jeden Bürger vom Kleinkind bis zum Greis, jeden Tag, 24/7.

Doch es ist allgemein bekannt, dass auch die anderen vier Fünftel des Programms zumindest teilweise den Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, gilt es doch ein attraktives Werbeumfeld zu schaffen, und eine attraktive Werbe-Zielgruppe anzuziehen.

Die allgegenwärtige und hoch wirksame Wirtschafts-Propaganda, vulgo “Werbung”, ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich dem einen eigenen Artikel gewidmet habe. Im Zusammenhang mit dem Wieder-Aufstieg des Faschismus bleibt fest zu halten, dass wir täglich rund zwei Stunden mit der Aufnahme lupenreiner pro-Wirtschaftlicher Propaganda beschäftigt sind und den größeren Teil unseres wachen Lebens entweder mit der Vorbereitung auf diese Propaganda oder ihrer Aufnahme beschäftigt sind. Historische faschistische Regime haben von einer solch umfassenden und allgegenwärtigen, bereitwillig aufgenommen Propaganda wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Der rote Faden

Es zieht sich ein roter Faden durch all diese Entwicklungen: Es ist die Machtergreifung des großen Geldes. Und es ist dies in dieser Ausprägung ein historisches Novum. Es gab z.B. auch im 19ten Jahrhundert mächtige Kapital-Konzentrationen wie zum Beispiel das Rothschild-Imperium, welches zu einem guten Teil auf der Finanzierung von Kriegen fußt, oder Standard Oil, Rockefellers Öl-Monopolist.

Doch anders als damals reicht diese Macht heute bis in den letzten Winkel der Gesellschaft. Und obwohl es sicher mächtige Graue Eminenzen gibt und sinistre Verschwörungen unterscheidet sich die Situation gerade hierin von der der vergangen Jahrhunderte: Die Macht wird heute gerade nicht von einem Rockefeller oder einem kleinen Zirkel von Verschwörern ausgeübt sondern von einem Netzwerk, einem System des Geldes.

Das Netz des Geldes

Geknüpft ist dieses Netzwerk aus Geld. Die Handelnden sind keine natürlichen sondern juristische Personen, Firmen, die über gegenseitige Beteiligungen verknüpft sind. Individuen – Politiker, Journalisten, Wirtschafts- und Meinungsführer und alle anderen – sind über ihren Wohlstand und ihr gesellschaftliches Ansehen an dieses Netzwerk gefesselt. Wer sich dagegen zu stellen versucht wird schnell als weltfremd und/oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt und sozial abgewertet.

Dahinter steckt vermutlich kein großer Plan. Wir haben über Jahrtausende ein extrem komplexes Gesellschaftssystem geschaffen, das aus Millionen von Regeln besteht. In Regel-Systemen gibt es Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Manche dieser Rückkopplungen bestehen in sich selbst verstärkenden Effekten. So etwas kennt der Volksmund als “Teufelskreis” oder speziell in Bezug zum Kapital als “Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”. Doch das ist bei weitem nicht die einzige sich selbst verstärkende Rückkopplung in unserem Gesellschaftssystem.

Ein resilientes Gesellschaftssystem

Man muss sich mit dem Prinzip der Rückkopplung auseinander setzen, wenn man die Usurpation durch das Kapital überwinden will. Denn es ist nicht damit getan, ein paar Konzerne zu zerschlagen und ein paar Regierungen auszutauschen. Es ist sicher auch nicht damit getan, das gegenwärtige Oligopol in ein staatliches Monopol zu verwandeln, wie es die Sozialisten fordern.

Wir müssen Regelsysteme finden, die stabiler sind als unser gegenwärtiges. Wir dürfen die Macht nicht sozialistisch konzentrieren, wir müssen meiner Ansicht nach versuchen, was noch nie gelungen ist. Wir müssen die Macht stabil dispergieren. Dazu reicht es nicht, das Regierungssystem zu reformieren. Die Machtergreifung des Kapitals betrifft alle Aspekte der Gesellschaft und die Antwort der Gesellschaft muss ebenso alle Aspekte betreffen.

Da wir mittlerweile eine Informationsgesellschaft sind, kommt dem gesellschaftlichen Umgang mit Information eine besondere Bedeutung zu. Doch diese Problematik ist bei weitem zu komplex, um sie in einem Artikel abzuhandeln. Es ist das Grund-Thema dieses ganzen Blogs (bzw. seiner Artikel aus der Kategorie Utopilotik).

Schluss

Geld regiert die Welt immer absolutistischer. Unsere Gesellschaft schleicht langsam, Schritt für Schritt in eine zunehmend militaristisch, faschistische Zukunft. Wir sind glücklicher Weise noch weit weg von den Schrecken der 30er Jahre. Aber wir sind auch weit weg von den langweiligen 70er und 80er Jahren.

Anhang

Anbei noch einige Fragmente, die ich über einige Zeit zu dem Thema gesammelt habe. Es sind kleine Hinweise, dass vielleicht etwas an der oben von mir ausgebreiteten These dran ist. Man beachte, dass hier ausschließlich Nachrichten aus westlichen Demokratien verwendet werden, die man eigentlich für gefestigt halten sollte. Aus Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei und anderen gibt es noch ganz anderes zu berichten.

Der Begriff „Faschismus“

Zunächst eine Begriffsklärung. Ich verwende den historischen Begriff “Faschismus” hier eher unorthodox. Was wir heute erleben ist etwas historisch völlig Neues, der Begriff passt nicht wirklich. Doch in Ermangelung gängiger Vokabeln für die aktuellen Anti-Demokratischen Tendenzen und den absolutistischen Anspruch des großen Geldes habe ich mich entschlossen, bei dem Begriff zu bleiben. Beim Studium von Wikipedias Definition des Begriffs fallen mir schon eine ganze Reihe Parallelen auf.

Meldungen zum Thema

Cameron Zitat:
For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. This government will conclusively turn the page on this failed approach
“For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. It’s often meant we have stood neutral between different values. And that’s helped foster a narrative of extremism and grievance.
“This government will conclusively turn the page on this failed approach. As the party of one nation, we will govern as one nation and bring our country together. That means actively promoting certain values.
“Freedom of speech. Freedom of worship. Democracy. The rule of law. Equal rights regardless of race, gender or sexuality.
“We must say to our citizens: this is what defines us as a society.”
Der erste Absatz ist ein Zusammenschnitt aus einer Rede von Cameron. Ich habe darunter noch etwas Kontext hinzugefügt aus verfehlter journalistischer Ethik. Ich halte das für bloße Rhetorik. Der relevante Kern der Aussage steckt im Zusammenschnitt. Es genügt nicht mehr, sich ans Gesetz zu halten um nicht Opfer staatlicher Willkür zu werden. Das ist gar keine schlechte Definition für Faschismus. Vom Regierungs-Chef. Für alle künftigen Krisen-Gewinnler wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, den Briten zu ihrer hervorragenden Wahl zu gratulieren 🙂

Zitat Senator und US-Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham:
„If I’m president of the United States and you’re thinking about joining al-Qaida or ISIL — anybody thinking about that?“ he asked to laughs. „I’m not gonna call a judge. I’m gonna call a drone and we’re gonna kill you.“
Wenn Du auch nur darüber nachdenkst, Dich einer “Terror-Organisation” anzuschließen, werde ich keinen Richter rufen sondern eine Drohne und Dich ermorden. Was in meiner Jugend ein Aussage von beängstigender Menschenverachtung gewesen wäre, beschreibt heute sachlich den Stand der Dinge unter Busch und Obama.

Kanada Terror-Gesetze (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Interessant auch, dass der deutsche Qualitätsjournalismus zwar im Vorfeld immerhin leise über das Gesetz berichtet hat, den endgültigen Abschied vom Rechtsstaat im Mai dann aber weitestgehend ignoriert hat.

Australien, Journalisten droht 10 Jahre Knast, wenn sie über Geheimdienst-Aktivitäten berichten.

Eine sehr interessante Analyse darüber, wie moderne Propaganda funktioniert.

Demonstrationsverbot in Spanien, Organisatoren von Demos müssen mit Existenz-Zerstörenden Bußgeldern rechnen (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Siehe auch.

Frankreich Total-Überwachung (vorher schon noch schlimmer als in Deutschland, jetzt noch einmal massive Verschärfung).

Guantanamo hat man von gehört. Andere CIA Folterknäste gibt es in anderen Ländern. Aber selbst mitten in den USA in der Jurisdiktion derselben gibt es einen Knast, der so übel ist, dass Irland einen “Terrorismus-Verdächtigen” lieber nicht an die USA ausliefern wollte.

Kleine obskure Winkelzüge mit gigantischen Effekten in Gesetzen: Ende der 90er Jahre wurde in den USA das Ermächtigungs-Gesetz der Finanz-Industrie gebaut.

Eine empirische Studie aus Princeton belegt in verstörender Klarheit, dass das politische System der USA keine Demokratie (mehr?) ist. Bei uns dürfte es ähnlich aussehen.

Die Verstrickungen der Briten in die Folter-Parties der Amis wurde auf Bitten der Briten aus dem entsprechenden Report entfernt. Begründet wird diese undemokratische Intransparenz, erwirkt auf undemokratischem Weg, mit den gleichen Argumenten wie die Folter Selbst: Innere Sicherheit.

In den USA werden Regelmäßig wichtige Gesetz verabschiedet, von denen die abstimmenden Abgeordneten nichts wissen. Z.B. wurde eine beängstigende Abhörklausel mal eben weitgehend unbemerkt mit dem Budget verabschiedet. Selbst die ohnehin teils alberne Demokratie-Simulation, die regelmäßig vor den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt, wird ist bei näherem Hinsehen löchrig wie ein Schweizer Käse.

“the real dimensions of the US military-intelligence-police-prison complex begin to come into view: a staggering $830 billion, more than 80 cents out of every dollar in the funding bill, is devoted to killing, spying on, imprisoning or otherwise oppressing the people of the world, including the American people.” (Quelle) An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass US-Gefängnisse mittlerweile vielfach kommerziell betrieben werden und ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Menschen einzusperren.

Wer den (fernauslesbaren) Chip auf seinem e-Perso zerstört, muss mit strafrechtlicher Verfolgung und Haft- oder Geldstrafe rechnen.

An east London schoolgirl who was „radicalised“ by Islamic State propaganda provided by her „deceitful parents“ must be removed from her home for her own safety, a judge has said. (Quelle) Das ist eine schwierige Problematik, die mindestens einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion bedürfte. Dem politischen Gegner wegen Gesinnungsverbrechen mal eben die Kinder weg zu nehmen, sollte nicht so einfach möglich sein.

Via Fefe: “Portugals Präsident weigert sich anscheinend gerade, der linken Anti-Austerity-Koalition die Regierungsbildung zu erlauben”

Kommentar Zitat: “This article furnishes additional evidence that democratic regimes tend to fight tyranny by adopting some of its methods.” Die erste Hälfte des Artikels listet diverse Entwicklungen in Europa, die in diese (falsche) Richtung gehen.

Die Freiheit vorm Maschinengewehr

Der Angriff auf unsere Freiheit geht nicht vom Terror aus sondern von den Medien und der Militarisierung.

Die Propaganda versucht heute – eine halbe Woche nach den Anschlägen vom Freitag den 13.11.2015 in Paris – die Propaganda versucht heute eine interessante Idee zu verkaufen: Die Freiheit vor dem Maschinengewehr.

Die “Freiheit”, das sind nämlich wir, meine Mitbürger und ich. In allen westlichen Medienerzeugnissen ist zu vernehmen, dass die Anschläge von Paris Anschläge auf die Freiheit waren. Bei Pressetexten taucht die Phrase oft im Titel auf, kaum ein Text kommt ganz ohne diese vermeintliche Erkenntnis aus. Wenn ich mich mal in so einen Daesch Kämpfer im Mittleren Osten versetze, dann fallen mir spontan folgende abstrakte Konzepte ein, auf die ich ein Attentat verüben wollen könnte:

Gründe, uns zu hassen

Den Kulturimperialismus der Consumer-Culture, die meine Jahrtausende alte Kultur sichtbar auslöscht; die allgegenwärtige weitgehende Macht-Übernahme des Kapitals, das fast alle historisch gewachsene Machtgefüge meiner Gesellschaft auslöscht; die Verwandlung meiner gesellschaftlichen Elite in groteske Öl-Scheichs; die Ermordung tausender Unschuldiger (wo ich herkomme gilt als unschuldig, wer nicht vor einem ordentlichen Gericht als schuldig verurteilt wurde) durch westliche Luft-Kampf-Roboter; die massive Bombardierung der islamischen Länder Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Libyen, Irak und Syrien durch den Westen.

Und wenn mir tatsächlich gar kein abgehobener Grund einfiele, wieso ich ein paar hundert Pariser ermorden will, dann fiele mir vielleicht noch ein, dass das meine Feinde sind, die Franzosen, die mich seit einem Jahr bombardieren, und denen werde ichs zeigen! Aber die Freiheit? Bitte was???

Das Maschinengewehr, Dein Freind und Helfer

Und jetzt tauchen überall Bilder von freundlichen Polizisten mit Maschinengewehren auf. Die beschützen uns, wird alles gut! Nur mal so zum Beispiel zeigten irgendwelche Spätnachrichten Bobbies mit Maschinengewehren in einer Menschenmenge vorm Wembley-Stadion. Die Botschaft ist klar: Wir sind eine wehrhafte Gesellschaft und schützen unsere Ideale (Freiheit!) mit Maschinengewehren. Völlig absurd. Was ich in einer Menschenmenge bei einem drohenden oder vollzogenen Anschlag als allerletztes brauche, ist ein Polizist mit einem Maschinengewehr. In einer Menschenmenge brauche ich nur Präzision, und die wird durch die Vollautomatik zerhackt.

Interessant ist, dass das immer öfter zu sehen ist – Bilder von Polizisten mit einer Ausrüstung eher für die militärische Eindämmung von Aufständen als für die Verbrechens-Bekämpfung. In meiner Kindheit war das sehr ungewöhnlich, Polizei an öffentlichen Orten mit schwerer Bewaffnung. In den USA ist es heute völlig normal, hier wird es immer normaler. Und die Propaganda lässt keine Gelegenheit aus, das Bild von Männern in der Fußgängerzone mit Maschinengewehren umzudeuten.

Ich fühle mich nicht sicherer.

Risikoanalyse

Wir haben ein Problem, hier im Westen, und es ist nicht der völlig irrelevante Terrorismus. Terrorismus ist eine eigentlich gänzlich unbedeutende Randerscheinung, die kein auch nur nennenswertes Risiko für irgendwen bedeutet, aber durch die Medien zu einem absolut grotesken Fantasy-Monster aufgeblasen wird.

Die statistische Gefährdung durch Terrorismus ist in Deutschland nicht messbar, weil zu klein, da muss man schon ganz Europa nehmen. Und dann kommt man auf eine Gefährdung, die deutlich geringer ist als die, durch Mukoviszidose zu sterben. Sollten Sie schon mal von Mukoviszidose (übrigens eine reine Erbkrankheit) gehört haben, dann nur dann, weil das eine besonders grausame Krankheit ist, die eine sehr starke Lobby hat. Mukoviszidose ist ziemlich irrelevant für die allermeisten Menschen, Terrorismus ist deutlich irrelevanter.

Wieso verbrauchen die Medien die Massen-Aufmerksamkeit so gerne für Terrorismus? Nun, Terror ist als Story deutlich interessanter als jemand, der ganz langsam an seinem eigenen Schleim erstickt. Hysterie ist scheinbar das einzige, das sich noch besser verkauft, als Sex. Doch ist das wie gesagt ein Problem. Ein ernstes.

Der Militärisch-Industrielle Komplex

Der US-Präsident Eisenhower hat schon Anfang der 1960er Jahre vor dem Militärisch-Industriellen Komplex gewarnt. Der Mann war ein durch und durch Konservativer, dessen zweit-größte Sorge zur Zeit der betreffenden Rede war, dass der Hippie Kennedy sein Nachfolger werden könnte.

Eisenhower war selbst ein Ex-Militär, und hatte zum Ende des zweiten Weltkrieges das Gesamt-Kommando über die US-Army und die alliierten Truppen in Europa. Doch noch größer als vor Kennedy war seine Angst vor den Geistern, die man zur Hilfe gegen die Nazis gerufen hatte, seine Angst vor dem Militärisch-Industriellen Komplex.

In den 65 Jahren seit Eisenhowers eindringlicher Warnung ist die Macht dieses Komplexes nicht kleiner geworden. In den USA ist die Militarisierung der Polizei weit fortgeschritten, das Militär selbst ist der mit Abstand größte Ausgaben-Posten im US-Haushalt, die Macht der Geheimdienste macht vor nichts mehr Halt, nicht vor fremden Regierungen und Völkern, befreundet oder nicht, nicht vorm eigenen Volk und nicht vor den Menschenrechten.

Cui bono?

Die einzigen, denen die Fantasy-Geschichten der Medien nutzen, sind (neben den Medien) die Terroristen, die so ein extrem effizientes Mittel für die Verbreitung ihrer Botschaft bekommen, eine Marketing-Kampagne, die sich nicht mal Apple leisten könnte – und der Militärisch-Industrielle Komplex.

Der Angriff auf unsere Freiheit geht nicht vom Terror aus sondern von den Medien und der Militarisierung. Wir Bürger bekommen eine „Freiheit“, die durch die Geheimdienste minutiös überwacht wird und die von schwer bewaffneten Polizisten bewacht wird. Wir bekommen, was von der Freiheit vor dem Lauf eines Maschinengewehrs übrig bleibt.

Wetten Dass wir uns besser kennen?

Dass “Wetten Dass ..?” abgesetzt wurde, ist eine Revolution. Oder besser: es ist Teil und sichtbarstes Symbol einer Revolution. Gleichzeitig war “Wetten Dass ..?” mit seiner Erstausstrahlung ihr Beginn sowie mit dem Absetzen ein wichtiger Meilenstein derselben.

TV Historie

Als “Wetten Dass ..?” vor 34 Jahren herauskam, war es schon eine TV-Revolution. Es war die Show von uns Normalos. Und mit Thomas Gottschalk sprach diese Show dann auch seit 27 Jahren in der Sprache der Normalos zu uns – in unserer Sprache. Beides gab es vorher nicht. Normalos kamen im Fernsehen nicht vor – außer als Opfer irgendwelcher Katastrophen oder als Kasper in einer altbackenen Spielshow. Und die Sprache, selbst in den großen Spielshows von Kuhlenkampf, Rosenthal und Heck, war nicht die Sprache des Volkes.

“Wetten Dass ..?” machte Normalos zu Stars. Sie spielten nun nicht mehr eine vorgesehen Rolle als Opfer oder Teilnehmer eines Spiels, dessen Regeln sie nicht bestimmen konnten, sonder sie spielten ihr eigenes Spiel nach ihren eigenen Regeln. Die Sendung gab uns einen kleinen Einblick in das Leben von anderen Normalos und ihre teils absurden Hobbies. “Wetten Dass..?” war damit der Anfang von dem, was heute 90% des Programm-Inhaltes der Privaten Sender (die es damals noch nicht gab!) ausmacht. Und was sich zuletzt bei Gottschalk sehr bemüht locker anfühlte, war 1987 eine Sensation. Gottschalk hatte schon mit anderen Sendungen für ein jüngeres Publikum Erfolge gehabt: weil er eine natürliche kodderige Sprache ins Fernsehen brachte. Als erster.

Und beides zusammen machte “Wetten Dass ..?” zu einem 34 Jahre währenden Mega-Erfolg, der bis zuletzt der Quotensieger seines Sendetermins war. Die größte und erfolgreichste Show Europas über drei Dekaden. Weil wir uns kennen lernen wollten, Liebe Mitbürger. Es war auch der Beginn des einen Megatrends der letzten Dekaden des seriellen TVs. Der Blick in unsere Wohnzimmer.

Das Ende vom Anfang einer neuen Epoche

Und jetzt wird “Wetten Dass ..?” abgesetzt, was zeigt, dass die Revolution in vollem Gange ist. Denn so langsam kennen wir unsere Wohnzimmer. Die Privaten Fernsehsender hatten uns da schon weit gebracht. Aber da sie fast ausschließlich auf Voyeurismus zielten, war ihr Blick letztlich doch verstellt. Doch mit YouTube haben wir auch dieses Problem gelöst. Wir sehen uns gegenseitig beim Leben zu. Klar, wir bekommen nur die kleinen Ausschnitte mit, die es zu kleiner Berühmtheit schaffen, Warhol’s 15 Minutes of Fame. Nur, dass es meist eher so 1 bis 3 Minuten sind und manchmal auch nur 15 Sekunden. Aber es genügt. Wir kennen unsere Wohnzimmer, wir kennen uns ein wenig. Das macht “Wetten Dass ..?” irrelevant und uns zu Revolutionären.

Erlauben Sie? Roggendorf

Denn sehen Sie: wir kennen uns. Darf ich mich vorstellen? Ich bin übrigens Thorsten Roggendorf. Wir sehen uns auf Youtube, wir lesen uns in den Kommentarspalten. Wir chatten und flirten, debattieren und streiten, Grüßen und flamen uns im Internet und teilen Bilder unserer Katzen. Wir brauchen keine Gatekeeper mehr, denn wir haben jetzt Katzenbilder. Und das ist keineswegs so trivial und lächerlich wie es oft gemacht wird.

Gatekeeper waren dass zentrale Element der Welt, aus der wir kommen. Wir kannten uns nicht gegenseitig, konnten uns nicht kontrollieren und wussten nicht, ob die anderen uns nicht ausnutzten oder ob wir auf ihre Kooperation vertrauen können. Um das Problem zu lösen, wurden die Gatekeeper eingeführt. Die Bürokratie, der abstrakte Gesetzgebungsprozess, die mächtige und seriöse Exekutive – wir brauchten all das, um dafür zu sorgen, dass wir einigermaßen fair zusammenleben können.

Der Mensch ist das sozialste Tier

Doch nun kennen wir uns oder können uns zumindest kennen. Und das brauchen wir nun mal. Sie können es als primitiven Voyeurismus sehen oder als liebevollen Blick auf unsere Nächsten, als seelisches, audio-visuelles Lausen. Wir Menschen stammen von Tieren ab. Wir sind soziale Tiere, die in Gruppen leben von der Größe der Kleinfamilie bis zu wenigen hundert. In Gruppen, wo wir es noch mental auf die Reihe kriegen, jeden irgendwie zu kennen, einordnen zu können. Millionen Jahre haben wir ganz überwiegend so gelebt. Seit höchstens wenigen hundert, probieren wir es nun auch anders.

Aber wir bleiben Menschen, wir müssen unser Rudel kennen. Das ist vielleicht auch ein wichtiger Grund für unsere Intelligenz. Unsere soziale Intelligenz ist beeindruckend. Wir bauen extrem komplexe Modelle vom Verhalten unserer Mitmenschen auf. Wenn wir jemanden gut kennen, erkennen wir schon an winzigen Details, wenn etwas nicht stimmt. Und wir können in ziemlich großen Gruppen leben. Vielleicht ist das der evolutionäre Schlüssel unseres Erfolges als Spezies. Wir können größere Gruppen bilden als alle andere soziale Tiere (wenn man mal die strunzen-dummen Herden außen vor lässt, die kaum kooperieren). Und der Rest ist ein Neben-Effekt unserer hohen sozialen Intelligenz.

Bleibt alles anders

Doch wir machen momentan recht wenig aus dieser hohen sozialen Intelligenz. Weil wir uns in unseren zu schnell zu groß werdenden Gruppen aus den Augen verloren haben. Doch nun können wir uns wieder sehen. Und brauchen darum die Gatekeeper nicht mehr.

Gatekeeper sind die “Torwächter”. Sie halten alle Schlüssel in der Hand für die Gewährung und den Entzug der gesellschaftlichen Teilhabe und damit die Schlüssel zu einem zentralen Teil unserer Menschlichkeit. Gatekeeper haben wir in der Wirtschaft wie im Staat. Wir mussten diese immense Macht in die Hände einzelner legen, um ihren allzu krassen Missbrauch zu unterbinden. Denn ohne soziale Kontrolle – und die verloren wir in unseren zu groß gewordenen Gruppen – war dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet und er fand auch nur zu umfangreich statt.

Nun wiederum können wir uns wieder kennen und wir können andere Lösungen für unser Zusammenleben finden. Das Internet und die Informationstechnik erlauben es uns, die Gruppen, in denen wir menschlich zusammenleben können, noch einmal drastisch zu vergrößern. Durch das knüpfen von individuellen Netzwerken innerhalb der Mega-Gruppe der globalen Gesellschaft können wir unsere nun vergrößerte Horde, unseren Stamm wiederherstellen, ohne ihn wie früher zu einer geschlossenen, isolierten Einheit zu machen. Wir können und müssen das Konzept der Ehre wieder herstellen und ihr diesmal mitgeben, was ihr früher fehlte und wessen Fehlen sie zu einer Geißel der Gesellschaft machte: die Toleranz.

Wetten dass wir das hin-bekommen? Versagen wir, verlieren wir alle nicht nur diese Wette, gewinnen wir, gewinnen alle.

Das I in CIA steht für Igitt

Die CIA, das sind wir alle. Das sind unsere Folterknechte, die haben unsere vollste Unterstützung und wir werden bestimmt nicht insistieren, dass da auch nur einer angeklagt wird.

Schon eklig die CIA. Fragen Sie zum Beispiel mal Abu Zubaydah. Gut, den können Sie jetzt schlecht fragen, denn der sitzt nach wie vor ohne Anklage oder gar ordentliche Gerichtsverhandlung in Guantanamo. Aber Die Amis haben ja jetzt selbst veröffentlicht, wie sie Abu Zubaydah als ersten ihren “verbesserten Befragungstechniken” unterzogen haben: Schlafentzug, körperliche Misshandlung, sexuelle Erniedrigung, regelmäßiges Waterboarding und insgesamt 10 Tage und Nächte in einem Sarg einsperren. Also wenn man die Seele von jemandem gezielt zerstören will, klingt das wie eine ziemlich clevere Strategie – interessante Herangehensweise für eine zutiefst christliche Nation. Gut, man könnte jetzt meinen, zünftige Folterprogramme sind halt was man bekommt, wenn man, wie die Amis mit dem Bush, eine fundamental-christliche Regierung wählt. Aber da machen wir es uns etwas einfach.

Wir sind die CIA

Leider sind die CIA auch wir. Ja, echt. “Die spinnen, die Amis” zählt nicht. Die spinnen ja schon immer. Trotzdem stecken wir so tief im Enddarm der Amis, dass wir anatomisch schwer von ihnen zu unterscheiden sind. Und wenn die Amis vor 70 Jahren 6 Millionen Juden und rund 60 Millionen andere Menschen ermordet hätten, wären die Amis jetzt vielleicht auch etwas ruhiger.

Fakt ist, wir sind nicht nur das Volk, wir sind auch die CIA. Das ist unser System. So sieht es in der ganzen westlichen Welt aus. Wir Deutschen haben uns da in den letzten 70 Jahren etwas zurückgehalten, aber auch wir werden von Dekade zu Dekade wieder sichtbar bellizistischer. Und die Geschichte kennt einige wundervoll gruselige Geschichten. Bleiben wir doch mal bei unseren aller-engsten Verbündeten und ihrer CIA. Das Folterprogramm war nämlich nicht wirklich ein Ausrutscher. Das fügt sich nahtlos in eine lange Reihe ähnlich gruseliger Geschichten.

Contra Affäre

In den 80ern gab es eine echte Hammer-Story, die Contra-Affäre. Die Amis haben total geheim Waffen an den Iran verkauft. Das allein ist schon so krass unmoralisch, da könnte man sich Stunden drüber gruseln. Die haben nämlich nicht nur dem Iran Waffen für den Krieg gegen den Irak verkauft, nein sie haben auch den Irakern beim in mehrfacher Weise völkerrechtswidrigen Chemie-Waffen Angriff auf den Iran geholfen. Das war natürlich bevor die Amis selbst die Iraker zurück ins Mittelalter gebombt haben. Natürlich wieder völkerrechtswidrig und gerechtfertigt mit einem riesigen Sack voller Lügen. Na, wer ist der Babo?

Aber das ist wie gesagt nur eine Nebenhandlung. Die Amis verkauften also Waffen an den Iran. Mit der Kohle aus diesen geheimen Waffendeals haben die Amis die Contras unterstützt. Denn nichts machen Amis lieber, als ein sozialistisches Regime durch ein faschistisches zu ersetzen. Dahinter steckt wieder Stoff für wochenlanges Gruseln. Also die Contras das war so eine faschistische Mörderbande, wie sie die Amis gerne unterstützen. Also wie zum Beispiel die Taliban und Osama Bin Laden, die die Amis ja lange militärisch in Afghanistan unterstützt haben – wie viele vormalige “Freiheitskämpfer”, die die Amis heute als “Terroristen” bekämpfen. Wieder eine andere Geschichte …

Ihre eigene Regierung hatte den Amis verboten, sich da bei den Contras einzumischen. Aber die eigene Regierung konnte einen Ami noch nie von irgendwas abhalten. Darum sind die Amis ja die Amis. Die sind aus Europa geflüchtet um der Regierung zu entkommen, darauf fußt ihr Staat, das Land der Freien, und das hat heute noch sehr großen Einfluss in den USA.

Die Amis haben also die Contras mit Kohle aus den Waffenverkäufen im Iran unterstützt. Aber die Contras haben ja Krieg geführt gegen irgendwelche Sozialisten, und für einen Krieg kann man nicht zu viel Kohle habe. Also haben die Contras so viel Koks wie möglich vertickt um mehr Kohle für ihren Krieg zu kriegen. Und an wen vertickt man möglichst viel Kokain am besten? Klar, an Amis.

Und die CIA wusste von diesen Drogenverkäufen – Drogenverkäufen an die eigenen Leute. Also ich halte diesen ganzen Drogen-Prohibitions-Scheiß ja für Schwachsinn, aber die Amis waren da damals streng gläubig. Tiefer als als Drogenhändler konnte man demnach nicht sinken (außer vielleicht als Kinderficker, wenn die Regierung mal wieder ein paar hübsche Abhörprogramme gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen will … wieder andere Geschichten). Und die CIA hats gewusst. Und geduldet. Denn wenn so ein feiner Fascho-Mob ein paar Sozialisten verprügelt, muss man schon mal Prioritäten setzen.

Von kleinen und großen Arschlöchern

Jo, das war die Contra-Affäre. Das waren auch schon wir. Denn das ist unser System, das sind unsere aller-engsten Verbündeten. Alle mit diesem System machen das so, wir haben uns nur mal eine kleine Auszeit genommen, nachdem wir etwas über die Stränge geschlagen haben. Bei uns läuft auch ne Menge Scheiße, nur halt ein paar Nummern kleiner, weil wir auch ein paar Nummern kleiner sind und wie gesagt, vor 70 Jahren …

Aber hey, wir sind trotzdem besser als die anderen! Hat mir gerade ein Radio-Kommentator erklärt. Der hat nicht etwa uns/und oder die Amis gegeißelt, nein, der hat mir erklärt, was bei uns, respektive den Amis, besser läuft. Denn so aufgeklärte Journalisten, die durchblicken das einfach besser als das blöde Volk, das gleich wieder in dumpfen, völlig unbegründeten Antiamerikanismus verfällt. So ein Journalist hat in der Regel auch viel präzisere Innenansichten aus dem Enddarm der Amis. Also besser ist jedenfalls bei uns, dass wir über so etwas reden. Da hat unsere Demokratie tolle Selbstheilungskräfte.

Also nicht dass es langfristig irgendwie besser wird – das zeigt jedenfalls die Geschichte. Aber stimmt schon, ich bin wirklich und ehrlich sehr froh, dass ich für so einen Artikel hier nicht an die Wand gestellt werde. Und ich wette, in der islamischen Welt wird uns das haufenweise Respekt bringen, wie wir drüber reden, wie wir deren Brüder foltern.

Schüss Chef

Der Chef ist ein zivilisatorischer Atavismus. Seine gesellschaftliche Rolle ist so reformbedürftig, dass die Reform eher eine Abschaffung und Neuerfindung ist.

Die Chefs sind an allem Schuld. Immer. Sei es Politik, Wirtschaft, öffentlicher Dienst – geht es schief ist der Chef Schuld. Also der Chef an sich. Denn das Konzept “Chef” ist heute falsch. Ein Chef ist jemand, der anderen sagen darf, was sie zu tun und zu lassen haben. Und ein Chef ist folgerichtig für alles Tun und Lassen seiner Untergebenen verantwortlich.

Ich habe das in der Einleitung dieses Artikels schon erörtert und werde das im Detail hier nicht wiederholen: Der “Chef” ist ein zivilisatorischer Atavismus. Ich habe das in jenem Artikel in Bezug auf Hierarchien erörtert und die gesamte Arbeitsorganisation behandelt. Hier geht es nun speziell um die Rolle des Chefs. Diese Rolle ist grundsätzlich sinnvoll, oft sogar notwendig, doch ihre Ausgestaltung, ja schon ihre grundsätzliche Definition ist heute kaum mehr tragbar.

Der Chef ist unqualifiziert

Die moderne Arbeitswelt ist zunehmend durch die Kooperation hochgradiger Spezialisten gekennzeichnet. Kein Mitglied des Teams deckt alle Qualifikationen des gesamten Teams ab, schon gar nicht der Chef. Denn jener sollte idealer Weise ein Spezialist in seinem eigenen Fachgebiet, dem Führen von Mitarbeitern, sein. Dennoch ist der Chef für alle Aktivitäten seines Teams verantwortlich.

Um dem gerecht zu werden, müsste der Chef seinen Team-Mitgliedern fachlich überlegen sein, er müsste die beste Taktik und die beste Strategie haben (was nicht das Gleiche ist!), er müsste über die besten Kommunikationsfähigkeiten verfügen, die größte Empathie besitzen … der Mensch, der den Anforderungen an einen “Chef” gerecht wird, existiert in der modernen Arbeitswelt nicht.

Führer, vielleicht folgen wir

Der “Chef” ist durch seine Weisungsbefugnis definiert. Hier liegt der Systemfehler. Wir brauchen Menschen, die Entscheidungen für andere treffen. Das ist nicht nur sinnvoll sondern unerlässlich. Doch wir haben das falsche Leitbild. Wir sollten nicht an Generäle denken sondern an Führer. Bitte alle Assoziationen an den Führer ausblenden!

Ein Führer ist jemand, der den Weg kennt. Er zeigt dem Team fortwährend in welche Richtung das Ziel liegt, welche Abkürzung man nehmen sollte, wo verborgene Hindernisse oder Fallen liegen. Andere Team-Mitglieder lösen alle möglichen Probleme auf dem Weg. Niemand ist gezwungen, einem Führer in diesem Sinn zu folgen. Er überzeugt durch Kompetenz in seinem Fachgebiet.

Doch ein Führer steht nicht über der Gruppe, die er führt. Ein Bergführer ist in der Regel Angestellter, Untergebener seiner Gruppe. Es gibt keinen prinzipiellen Grund, wieso das in der Arbeitswelt anders sein sollte. Meist ist es ja richtig, wenn den Anweisungen des Chefs folge geleistet wird. Aber die Definition des “Chefs” – Weisungsbefugnis – untegräbt gerade die Kernkompetenz desselben: Führen.

Führen auf dem Drahtseil

Das Führen hoch qualifizierter Mitarbeiter ist ein delikater Balanceakt. Die hohe Qualifikation des Personals in der Informationsökonomie sorgt dafür, dass kaum ein Chef mehr eine wirklich signifikante Überlegenheit über seine Kollegen besitzt. Die Arbeitsabläufe erfordern eine hohe Motivation des Personals und diese wird durch unsensible den Vorstellungen des Personals zuwiderlaufende Anordnungen gestört. Diese Störung kann größere Schäden anrichten, als kleinere Fehler – zumal es meist viele Wege zum Ziel gibt.

Es gilt also, stets eine Balance zu finden, möglichst nur die Anordnungen zu geben, die das Team auf einem Weg zum Ziel halten und so weit möglich, das Team machen zu lassen. Wenn Korrekturen nötig sind, sollte dies nicht in Form von Befehlen geschehen. Der Führer sagt, welchen Weg er warum für den richtigen hält und wo er Probleme beim eingeschlagenen Weg sieht. Das Team kann das diskutieren und evtl. andere Lösungen vorschlagen. Ein Chef, der sein Handwerk versteht, muss praktisch nie Befehle erteilen.

Den Weg zeigen

Muss er es doch einmal, sagt er dem Team, ausdrücklich, dass er glaubt einen gewissen Weg einschlagen zu müssen. Das Team wird einem bewährten Führer folgen, auch ohne dass er unbedingte Macht über seine Gefolgschaft besitzt – auch dann, wenn der Führer, wie jeder Kollege, mal Fehler macht.

Darüber hinaus trifft ein Chef natürlich zahlreiche Entscheidungen in seiner täglichen Arbeit. Auch seine Kollegen tun dies ja dauernd. Oft benötigen seine Kollegen Entscheidungen, die nicht allein ihren Bereich betreffen und fragen den Chef, der dies dann für sie tut. Dies bedeutet aber nicht, dass der Chef über seinen Kollegen steht. Dieses Entscheidungen treffen lässt sich auch als Service für seine Kollegen begreifen.

Bis hierhin habe ich “lediglich” eine Umdefinition der Rolle des Chefs vorgenommen. Dies ist nötig doch erst der halbe Weg. Ich habe die für einen Chef erforderlichen Qualifikationen in der Einleitung kurz anklingen lassen: Fachkompetenz, Strategie, Taktik, Kommunikation, Empathie und vieles mehr. Kein Mensch kann all das, was ein Chef braucht, wirklich gut. Daher sollte die Rolle des Chefs nicht nur umdefiniert sondern auch verteilt werden.

Crowd-Cheffing

In Ansätzen geschieht dies heute schon. Es gibt Personalchefs, Produktmanager, technische Leiter und so weiter. Hier werden verteilte Führungsrollen nach Fachkompetenzen geschaffen. Doch ist es immer noch so, dass diese Partialführer jeweils ihr Team haben, dem gegenüber sie weisungsbefugt sind. Dies ist falsch und das nicht nur wegen der Weisungsbefugnis.

Es gibt Menschen, die visionäre Ideen haben, die eine Firma oder ein Team weit bringen können. Es gibt Menschen, die die analytischen Fähigkeiten besitzen, die nötig sind, um visionäre Ideen in Produkte zu verwandeln. Es gibt Menschen, die den ökonomischen Verstand besitzen, dies bezahlbar umzusetzen. Es gibt Menschen, die die Moderationsfähigkeiten besitzen, all diesen Aspekten und mehr den nötigen Raum zu verschaffen.

All diese Menschen – und mehr! – sollten als “Führer” betrachtet werden. Sie führen gemeinsam mit allen anderen das Team oder die Teams zum Erfolg. Warum hat man das nicht schon immer so gemacht? Weil es zu Kompetenzgerangel und hohen Reibungsverlusten führt.

Eine disfunktionale Kultur

Dies ist ein kulturelles Problem. Solange es die Rolle des Chefs gibt, gibt es Menschen, die diese Rolle anstreben, die keine Rücksicht auf den Erfolg des Teams nehmen, sondern ihren eigenen Vorteil über alles stellen. Diese Menschen, zerstören diesen Ansatz. Doch wenn es die Rolle des Chefs nicht mehr gibt, funktioniert diese egoistische Strategie nicht mehr. Wer führt tut dies allein aus dem Grund, dass die anderem ihm folgen, weil die anderem ihm vertrauen. So funktioniert menschliche Gesellschaft natürlicher Weise und genau so sollte sie in der Wirtschaft funktionieren.

In vielen Situationen funktioniert das aber heute nicht ad hoc. Eine komplexe vertrauensbasierte Arbeitsverteilung erfordert ein eingespieltes Team. Es ist schwer zu beurteilen, wer am besten welche Aufgaben übernehmen kann. Doch dieses Problem wird gelöst werden. Wir erleben heute die sich entwickelnde Vernetzung von Information. Wir werden die Vernetzung von Vertrauen erleben und dies wird völlig andere Arbeitsorganisationsformen erlauben. Ich habe mich damit z.B. hier und hier beschäftigt (hier ist eine Übersicht relevanter Artikel von mir).

Wer Menschen institutionelle Macht gibt, überfordert die meisten, tut den Machtbefugten wie ihren Untergebenen Unrecht. Chefs sollten die Diener ihrer Kollegen sein. Sie stehen nicht über ihnen sondern erfüllen – wie alle anderen auch – spezielle Aufgaben für das Team. Hierarchien – auch flache – sind nicht nötig sondern kontraproduktiv. Auf der untersten Organisationsstufe moderner Software-Entwicklung setzt sich hierarchielose Arbeitsorganisation zunehmend durch. Man benötigt, damit das funktioniert, spezielle Arbeitsprozesse.

Doch Hierarchielosigkeit sollte das Leitbild für die gesamte Arbeitswelt sein. Natürlich werden die meisten Chefs ihre komfortable, weitgehend unangreifbare Positionen nicht einfach aufgeben. Die Macht der Chefs wurde über Jahrtausende zu Ungunsten ihrer Untergebenen durchgesetzt. Doch letztlich wird sich das überlegene System durchsetzen.

Dieser Artikel (Englisch) verfolgt sehr ähnliche Ideen aus einer etwas anderen Perspektive.

Anonymi tät uns nicht gut

Regeln formen unser Sein. Welche Regeln machen uns zu guten Menschen?

Das Leben ist kein Spiel. Und doch prägen uns die Spielregeln stärker, als wir gemeinhin glauben. Sie regeln nicht nur, welche Handlungsalternativen wir haben, sie beeinflussen auch teils erheblich wer wir sind. Unser Sein ist ganz oder teilweise bestimmt durch unser Tun. Und letzteres ist den Regeln unseres Zusammenlebens unterworfen.

Seins-Regeln

Die offensichtlichsten dieser Regeln sind unsere Gesetze. Doch wichtiger noch als diese sind subtilere Regeln, wie Benimmregeln. Ob wir reserviert, höflich oder gerade-heraus sind wird nicht zuletzt durch unsere Kultur geformt. Auch die subtileren Regeln sind ein Stück weit dem politischen System unterworfen, in dem wir zusammen leben. Das betrifft sicher nicht alle Menschen gleichermaßen, doch es genügt, Gesellschaften einen deutlichen Stempel aufzudrücken.

Es war mit Nichten so, dass um die Wende zum 20sten Jahrhundert eine abnorme Häufung böser Menschen in Deutschland geboren wurde, die dann die Mitte dieses Jahrhunderts zur Hölle auf Erden machten. Vielmehr lebte unsere Gesellschaft nach Regeln, die offensichtlich das Schlechteste in vielen Menschen heraus kehren. Gleiches lässt sich in geringerem Maße von den folgenden Regimen des Ostblocks und auch vom Neoliberalismus sagen.

Leitbilder

Es gibt einen universellen Antrieb der meisten Menschen, der herausragende Bedeutung für unser Zusammenleben hat. Es ist das Streben nach Anerkennung. Dementsprechend sind die Regeln nach denen sich diese Anerkennung erringen lässt von größter Bedeutung für unsere Gesellschaft. Noch vor hundert Jahren ging es um Ehre, dann um Blut und „Deutsche Tugenden“, heute um Geld.

All diese Leitbilder gegenseitiger Anerkennung sind nicht sonderlich angetan, unsere besten Seiten zum Vorschein zu bringen. Das liegt nicht daran, dass die Menschen schlecht sind. Wir sind, was wir sind. Doch unsere Regeln, die sind schlecht. Das Netz kennt ein hervorragendes Rezept, Schlechtes zu Tage zu fördern: Anonymität + Publikum. Das resultierende Phänomen wird liebevoll als Troll bezeichnet. Und Anonymität prägt unsere Gesellschaft zunehmend.

Spiel-Theorie

„Journey“ ist ein Spiel. Es ist auch eine Reise zu unseren guten Seiten.  Hier wurde offenbar ein Regelsatz entworfen, der das Beste in uns zeigt. Leider lässt sich das nicht auf unsere Gesellschaft übertragen. Dennoch empfehle ich, den verlinkten Artikel über Journey zu lesen.

Journey hat für eine bestimmte Klasse von Spielen einen Regelsatz gefunden, der das Beste in uns zum Vorschein bringt. Es ist das Ziel, das ich mit diesem Blog Verfolge: Regeln zu finden, die das Beste in uns zum Vorschein bringen. Dies sind einige meiner Regeln: Universelle Transparenz, das Gegenteil von Anonymität. Verteilung von Macht so breit wie möglich. Konzentration von Macht, stark genug um die Gesellschaft zu formen, aber so kurfristig, dass Missbrauch kaum möglich ist. Persönliche Verantwortung. Soziale Kontrolle und gegenseitige Anerkennung. Gegenseitige Verantwortung füreinander. Freiheit der Wahl der persönlichen Mikro- und Makrogesellschaft.

Hier Archie dort Teamwork

Die Organisation unserer Arbeitswelt folgt überwiegend archaischen Mustern. Das ließe sich – für alle Beteiligten – sehr viel besser und angenehmer regeln.

Wir stammen aus einer Welt in der kaum jemand Ahnung hatte und in der Fehlentscheidungen schnell mal tödlich waren. Zu früh gesät, zu spät? Ernteausfall, Exitus. Gedacht, die Strecke ist sicher? Ausgeraubt, aufgeschlitzt. Krankheit nicht gekannt? Angesteckt, hingestreckt. Wetter verschätzt, rausgesegelt? Blub, blub. Mit dem falschen angelegt? Ganz schlechte Idee.

Hierarchie rettete Leben

Wir stammen aus einer Welt mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von Mitte 40. Wer die Kombination aus Unerfahrenheit, Ahnungslosigkeit und letaler Umwelt lebt, ist sehr froh, wenn er jemanden hat, der brauchbare Entscheidungen für ihn trifft. Wir stammen aus einer Welt, in der Hierarchie einen großen Wert auch für die hatte, die unten in der Pyramide der Macht standen.

Folgerichtig war und ist Hierarchie das zentrale Organisationsprinzip unserer Gesellschaft. Hierarchie ist das System, in dem die vielen Unerfahrenen Ahnungslosen optimal vom Wissen der weisen Wissenden profitieren können. Nicht, dass letztere das nicht gnadenlos ausgenutzt hätten.

Hierarchie ist ein zivilisatorischer Atavismus

Doch in den letzten paar hundert Jahren hat es zwei Entwicklungen gegeben, die die Prämissen grundlegend geändert haben: Die meisten Menschen verfügen über spezialisierte Kompetenzen. Fehler sind kaum noch unmittelbar tödlich. Somit sind alle Gründe, die Hierarchie zum Organisationsprinzip der Wahl machen, obsolet. Hierarchie ist heute ein Atavismus unserer kulturellen Evolution. Sie nutzt nur noch denen, die oben stehen – und wird von diesen entsprechend verteidigt.

In jüngerer Zeit gibt es eine weitere Entwicklung, die die Unterlegenheit der Hierarchie verschärft und offensichtlicher werden lässt: das omnipräsente Datennetz mit seinen im Prinzip gleichberechtigten Knoten. Dieses Netz könnte eine elementare Rolle in einer egalitäreren Organisation unserer Gesellschaft spielen. Doch in diesem Artikel soll es um ein Beispiel gehen, in dem das Netz keine hervorgehobene Rolle spielt: wie könnte eine vernünftigere Organisation der Arbeitsabläufe im Krankenhaus aussehen?

Der Medicus

Es war einmal in einer Welt vor unserer Zeit, da verfügten Ärzte über ein gehütetes Spezialwissen. Ihre Kunst bestand in der Stellung der Diagnose. Die eigentliche Behandlung war aufgrund der sehr beschränkten Möglichkeiten i.d.R. relativ simpel und konnte von weitgehend unqualifiziertem Pflege-Personal durchgeführt werden. Eine echte Prüfung der Diagnose war oft nicht möglich, da es wenig aussagekräftige Analyse-Techniken gab. In diesem Umfeld waren Ärzte unangefochtene Halbgötter auf deren Schultern allein sich Verantwortung und Ruhm verteilten.

Doch dann kam die Aufklärung, dann kamen die Volks-Bildung, die Naturwissenschaft, die moderne Technologie und ein galoppierendes Expertentum, das jeden antiken Arzt neben einer modernen Krankenschwester aussehen lässt wie der schäbige Quacksalber, der er war. Schwestern und Ärzte sind heute Teams mit verteilten Spezialfähigkeiten. Ein Patient benötigt das spezielle Wissen von Schwestern und Ärzten. Es ist keineswegs so, dass Ärzte über alle Fähigkeiten und Erkenntnisse des Pflegepersonals verfügen und lediglich aus Effizienzgründen delegieren.

Arbeit ist eine Team-Sportart

Wie bei fast allen modernen Unternehmen liegt der Erfolg eines Krankenhauses nicht in den arkanen Künsten seiner Halbgötter, sondern im Prozess der alle Team-Mitglieder zusammen zum Erfolg führt. Jede ungewaschene Hand, zahllose Unaufmerksamkeiten oder Therapiefehler von Ärzten oder Pflegern können den Erfolg vereiteln. Nur wenn jeder seinen Job gut erledigt – und das gilt „selbst“ und hier besonders fürs Raumpflege-Personal – kann die gemeinsame Anstrengung von Erfolg gekrönt sein.

Dennoch gibt es ihn immer noch. Schlecht bezahlt und überarbeitet, doch Halbgott bleibt Halbgott. In den Händen der Ärzte liegt nach wie vor die ganze „Verantwortung“ für das Wohl und Wehe der Patienten. „Verantwortung“ bedeutet hier, sie müssen teure Versicherungen abschließen, die einspringen, wenn im „Verantwortungsbereich“ des Arztes z.B. eine Schwester auf Anordnung des Arztes ihre „Kompetenzen“ überschritten hat und dabei ein Fehler unterläuft. Diese Praxis der Konzentration der Verantwortung und Weisungsbefugnis auf die Halbgötter ist genauso deplaziert und anachronistisch wie ein Aderlass.

Orderlass

Doch im Gegensatz zum Aderlass erfreut sich die Hierarchie nach wie vor bester Gesundheit. Denn die wahrhaft großen Führer – jene die zum Erfolg der Geführten führen statt zum eigenen – sind eine seltene Spezies. Und jene, die vor allem den eigenen Erfolg im Blick haben, profitieren trefflich von ihren Führungspositionen.

Das Pflegepersonal hat sehr viel mehr Kontakt zu einzelnen Patienten als die Ärzte. Das Pflegepersonal kümmert sich auch – mit Ausnahme intravenöser Spritzen – um die Verabreichung der Medikation und hat daher bei einem gegebenen Patienten einen besseren Überblick als der Arzt darüber, was der Patient alles bekommt, und wie die Therapie anschlägt. Wenn dieser reiche Informationsschatz von den Ärzten genutzt wird – was durchaus vorkommt – geschieht das nicht wegen des Systems, sondern gegen das System.

Besonders augenfällig ist diese kontraproduktive Arbeitsteilung bei Hebammen und Reproduktionsmedizinern. Erstere umgeben sich mit allerlei Mumpitz und realen Therapie-formen, die das Gesetz ihnen lässt, letztere blicken mit mehr oder weniger Verachtung auf die Hebammen und ihr teils Jahrtausende altes Wissen. Die feine Beobachtungsgabe und der oft enge Kontakt der Hebammen zu den Müttern wird von Ärzten kaum genutzt.

Team-Diagnose

In einer idealen Welt – oder auch in jeder Welt, die den Realitäten der modernen Medizin auch nur halbwegs gerecht würde – wären Ärzte und Pflegepersonal Teil gleichberechtigter Teams. Natürlich können Schwestern Diagnosen stellen. Einen Patienten allein der Diagnose einer einzigen Schwester zu überlassen ist natürlich genau so idiotisch, wie ihn der Diagnose eines einzigen Arztes zu überlassen.

Es gibt nichts wichtigeres als Gesundheit. Sie ist das höchste Gut, das wir haben. Diesem Wert ist ein einzelnes Urteil niemals angemessen. Das Team muss gemeinsam überzeugt sein von der Diagnose – oder mehrere Pfade gleichzeitig verfolgen. Wertvolle Informationen wie die Beobachtungen, die Schwestern über Tage machen, einfach wegzuwerfen, ist eine bemerkenswerte Torheit.

Fehler und Verantwortung

Und wenn eine Schwester eine Fehldiagnose stellt? Dann haftet sie. Es ist jedoch falsch, ein Mitglied eines Teams alleine haften zu lassen. Es müssen alle zusammen überzeugt sein, also müssen sie auch zusammen haften. Ein Pfleger, der gerade von der Schule kommt und mit der Ausbildung beginnt, kann natürlich nicht die gleiche Verantwortung übernehmen, wie ein erfahrener Arzt. Ein auszubildender Pfleger haftet also mit einem deutlich geringeren Anteil als der Arzt.

Wer mit welchem Anteil haftet hängt von der individuellen Kompetenz ab. Diese wird durch gegenseitige Zuschreibung in einem System wie KiIsWhoWi ermittelt. Jeder teilt dort mit, für wie kompetent er andere in Fachgebieten hält. Jemand, der von anderen für kompetent gehalten wird, hat in seiner Fachdisziplin eine größere Wertungskraft als „Inkompetente“. In so einem System trüge eine erfahrene Hebamme eine größere Verantwortung als ein Arzt frisch von der Uni – und so sollte es auch sein.

Vertrauen und Verantwortung

Ich sollte auch nicht für Fehler von Kollegen haften, die ich für inkompetent halte. Wenn also eine Fehlentscheidung getroffen wird, haftet zunächst der oder die EntscheiderIn. Dann wird geschaut, wie die Kompetenz und das gegenseitige Vertrauen im Team  verteilt sind und die Haftung ausgehend vom Entscheider entsprechend verteilt. Jedes Teammitglied kann mit diesem Wissen selbst entscheiden, wie viel Verantwortung es übernehmen möchte, ob es Entscheidungen trifft oder Mangels „Deckung durchs Team“ lieber anderen überlässt.

Da Ärzte in der Regel über besondere Kompetenzen verfügen, würde sich oberflächlich betrachtet gar nicht viel ändern. Doch tatsächlich würde sich sehr viel und sehr grundlegend ändern. Es gäbe keinen Chef per Dekret mehr. Führung und Verantwortung wären abhängig vom gegenseitigen Ansehen. Erfahrene Schwestern trügen große Verantwortung. Senile Professoren verlören nach und nach ihren Status. Ärzte, die nicht teamfähig sind, könnten entsprechend auch keine Teams führen. Es wäre eine Arbeitswelt, wie sie sein sollte.

Dank

Dieser Artikel ist aus einer Diskussion mit Christiane Kretschmer entstanden.
Vielen Dank Christiane.
Christiane kennt die Abläufe im Krankenhaus aus erster Hand –
von Seiten des Pflegepersonals. Ihre Einsichten, decken sich mit
denen meiner Mutter, die die gleichen Missstände aus Sicht der
Ärzteschaft kritiert hat.

Von Gläsern, Dietrichen und der großen Freiheit

Wir glauben Freiheit für unsere Sicherheit eintauschen zu können und verlieren dabei beides.

Meine Thesen sind radikal. Denn es sind die Kompromisse, die ich einer radikalen Realität abringe. Vor über zehn Jahren schrieb ich am ersten Entwurf der Utopie, die Thema dieses Blogs ist. Ich entwarf eine Gesellschaft, in der jeder jeden Moment seines Lebens dokumentiert. Eine Gesellschaft ohne Verbrechen, Misstrauen … Privatsphäre. Nun – etwas später als ich damals erwartete – steht das Life-Logging-Device vor unserer Tür: Google-Glass. Und ich habe meine Meinung geändert.

Wir können und müssen unsere Privatsphäre noch ein bisschen schützen. Doch um das zu tun, müssen wir unseren Begriff von Privatheit sehr viel enger fassen als es den meisten lieb ist.

Als ich mit diesem Thema anfing, gab es Handys, Digitalkameras, erste soziale Netze und Moore’s Law. Es war ziemlich klar, dass das Life-Logging-Device kommen würde. Heute sind ein paar andere Dinge ebenso klar.

2023

Ein Ausflug in die Welt von 2023 – wenn unsere Kultur bis dahin nicht kollabiert. Überwachungskameras auf öffentlichen Plätzen werden langsam bedeutungslos, weil autonome Automobile jeden Quadratzentimeter mit Infrarot, Radar, Ultraschall und Video abscannen. Mit dem Arsenal, kann man vielleicht auch schon einfache Lügendetektoren verwirklichen. Mini-Drohnen erledigen kleine Kurierdienste und liefern Sensor-Überwachung aus der Luft. Unsere Handys, Wrist-Screens oder was auch immer registrieren unsere Position, Richtung, Beschleunigung. Glass-ähnliche Geräte erfassen uns aus unmittelbarer Nähe. Jeder Druck auf einen Lichtschalter wird von einem intelligenten Stromzähler registriert. Bewegungsmelder, Heizungen, Ladegeräte und weitere Elemente des allgegenwärtigen Energie-Managements umgeben uns mit ihren Sensoren und Netzwerken.

Mehr Mauern!

Wers mag kann sich bei diesen Aussichten ordentlich gruseln und auch gleich noch mal auf Google Glass schimpfen. Ändern wird das nichts. Mich gruselt es vor der sozialen Vision, die der Mainstream für diese Zukunft vorsieht.

Wir wollen eine Welt voller Mauern und Zäune. Man kann keine paar Meter gehen, ohne vor einer Tür zu stehen. Und alle diese Türen sind fest verschlossen. Nur für ganz wenige habe ich einen Schlüssel. Was hinter diesen Türen liegt, bleibt mir verborgen. Aber einige Menschen – gar nicht mal so wenige – haben Generalschlüssel. Einige haben auch Dietriche und das Wissen, damit Türen zu öffnen.

Die Menschen mit den Generalschlüsseln bestimmen, wie das Manna dieser magischen Zukunft – die Information – durch die Knoten des allgegenwärtigen Informationsnetzes fließt. Sie legen falsche Spuren in Amazon-Bewertungen und Facebook-Profilen und zeigen den Menschen nur das, was diese sehen sollen, lenken sie dahin, wo sie sie haben wollen.

„Together the powerful spy on the powerless, and they’re not going to give up their positions of power, despite what the people want.“

Bruce Scheier in The Internet is a surveillance state

Alu gegen Freiheit

Unsere Leben verlagern sich mehr und mehr in die Welt der Information. Diese ist ein dystopischer Gefängnisstaat. Und die, die unser Streben nach Freiheit anführen sollten, die digitalen Bürgerrechtler, setzen sich Aluhüte auf und schreien nach dickeren Gefängnismauern. Was ist nur aus uns geworden? Freiheit war über Jahrtausende das Ziel, das die Beherrschten einte. Und heute? Heute geht es nicht um Freiheit, sondern um Sicherheit. Die Sicherheit einer Gefängniszelle. Wir glauben Freiheit für unsere Sicherheit eintauschen zu können und verlieren dabei beides. Ich will das nicht. Ich will Freiheit.

Doch dafür muss ich akzeptieren, was heute schon eine verdrängte Wahrheit ist. Es gibt keine garantierte Privatheit digitaler Information. Privatheit gibt es in meinem Kopf und in meinen eigenen vier Wänden – wenn ich Glück habe. Darüber hinaus wird es sehr schnell sehr dünn mit der Privatheit.  Wenn ich schon keine garantierte Privatheit jenseits eines sehr engen Bereiches haben kann, dann will ich wenigsten all die Vorteile, die Offenheit und Transparenz hat. Und ich will Freiheit.

Ich sollte wissen, was Twitter weiß

Wir haben Angst vor Twitter, Google, Facebook. Wieso kann es nicht umgekehrt sein?

Dies ist eine Entgegnung auf Martin Weigerts Artikel “Ich weiß, was du diesen Sommer twittern wirst”. Dort geht es darum, dass Daten – insbesondere Big Data – Menschen vorhersehbar machen und wie das missbraucht werden könnte – ein lesenswerter Artikel. Leider fügt er sich nahtlos in die große Menge derartiger Artikel ein, wenn er auch qualitativ eher positiv hervorsticht und das Thema immerhin differenziert betrachtet.

Das größte Missbrauchs-Potential sieht Martin Weigert in gezielter Meinungsmache zu konkreten politischen Projekten. Ja, in der Tat, Spin-Doktoren, Profi-Lobbyisten, Kampagnen-Journalisten – sie alle sind fleißig dabei die Reste unserer erodierten Demokratie zu zerstören und mit mächtigeren Werkzeugen wird das schneller gehen. Doch so weit muss man meiner Meinung nach gar nicht denken.

Wissen ist Geld ist Macht

Google, Facebook und andere können das Verhalten von Menschen beeinflussen. Diese Fähigkeit ist die Grundlage ihrer Geschäftsmodelle. Die Möglichkeit, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen nennt man auch schnöde “Macht”. Informations-Konzerne haben sich zu gigantischen in keiner Weise legitimierten Machtzentren gewandelt.

Nutzen sie diese Macht zur Förderung des Gemeinwohls? Eher nicht. Wie alle großen Konzerne diversifizieren sie ihre Macht. Sie versuchen mehr Einfluss in der Informationswirtschaft zu erlangen, sie verdienen sehr viel Geld (= Macht) und beginnen auch politisch Einfluss zu nehmen indem sie ihre Lobby-Ausgaben erhöhen und eigene Kampagnen fahren.

Werbung für den Untergang

Dabei ist ihr Kerngeschäft die Werbung, die Förderung eines konsumeristischen Weltbildes und Lebensstils, der auf der Ausbeutung der Arbeit und Ressourcen wirtschaftlich unterlegener Kulturen basiert und unseren Planeten in atemberaubenden Tempo zerstört. Ich kann da nicht Gutes aber sehr viel Schlechtes dran erkennen.

Dennoch scheint die Einsicht recht abwegig zu sein, dass gigantische, unkrontrollierte Machtkonzentrationen an sich etwas Schlechtes sind. Warum? Warum akzeptieren wir das einfach? Weil es unvermeidlich scheint?

Machtdiffusion

Ich glaube, die offensichtliche Neigung unseres Wirtschaftssystems zu solchen Machtkonzentrationen ist ein Systemfehler – einer der sich durch eine Reihe von Eingriffen überwinden ließe, ohne dafür dieses System komplett aufgeben zu müssen. Ein wichtiger Faktor für die Neigung unseres Systems zur Machtkonzentration ist unsere Informationsgesetzgebung.

Geschichtsstunde

Es ist mittlerweile offensichtlich, dass die von uns gewährte Möglichkeit, anderen die Nutzung bestimmter Informationen zu verbieten, unmittelbar zu Machtkonzentration führt. Die Indizienkette dazu reicht von der Effizienzsteigerung der Dampfmaschine Anfang des 19. Jahrhunderts über den englischen Buchmarkt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Bell-Company, IBM, Microsoft, Google bis zu Facebook.

Und in all diesen Fällen gibt es deutliche Hinweise, dass es ohne Patente, Copyright und andere Informationsschranken nicht deutlich schlechter gegangen wäre.

Nachdem das unsäglich Patent von Watt auslief, beschleunigte sich die Effizienzsteigerung der Dampfmaschine stärker als durch Watt – ohne dass die entsprechenden Entwicklungen patentiert worden wären. Der urheberrechtslose Buchmarkt in Deutschland war diversifizierter, schneller und größer als der konzentrierte englische und bot dem durchschnittlichen Autor bessere Verdienstmöglichkeiten.

Microsoft hatet Ende der 90er das Internet verschlafen und hat es dann geschafft, die Entwicklung der Web-Technologie mindestens um fünf Jahre zu verlangsamen indem sie ihren marktbeherrschenden Browser „Internet Explorer“, der für jeden Web-Entwickler eine unerträgliche Zumutung war, über Jahre nicht weiter entwickelten, manche Standards kaputt-verhandelt und andere mit ihren “Alternativ”-Entwicklungen und extra “Features” untergraben haben.

Freiheit für Information und Mensch

Was ist die Schlussfolgerung aus all dem? Information darf in der Wirtschaft keine Schranken haben. Sie, lieber Leser, Martin Weigert und ich, wir alle müssen in der Lage sein, bei Google in die Firma zu spazieren, unsere (gegebenefalls “sterilisierten”) USB-Sticks in beliebige Computer zu stecken, und zu kopieren, was uns interessiert. Wir müssen die Überwachung unserer Wirtschaft Crowd-sourcen. Und wir müssen verhindern, dass solche gefährlichen Leviathane wie Google und Facebook in Zukunft entstehen. Wir können nicht verhindern, dass andere Einfluss auf uns haben. Aber wir können verhindern, dass dieser Einfluss auf wenige Akteure konzentriert wird.

Künstlerpech

Wir sind eine Kultur, die ihre Künstler beschissen behandelt.

Wir sind eine Kultur, die ihre Künstler beschissen behandelt. Künstler haben bei uns die Wahl:

  • Habe Erfolg, prostituiere Dich, verrate Deine Kunst.
  • Geh ins Gefängnis, lass Dich einlegen im Formalingestank unserer leitkulturellen Kulturelite.
  • Mach Kultur in der Freizeit. Das reicht zwar nicht um ein Meister zu werden, aber es ist besser als nichts.
  • Bleibt als einziges, Lehrer zu werden Deiner Kunst.

Müssen wir eine so jämmerliche Kultur sein? Können wir nicht etwas gnädiger zu unseren Künstlern sein? Wir haben jetzt ein zivilisatorisches Level erreicht, wo das kein grundsätzliches Problem mehr ist. Mit Crowdfunding kann jeder zum Mäzen werden. Ein paar Euro für dieses Projekt, ein paar für jenes. Gebt für das was Euch wert ist, wo ihr denkt, das bringt unsere Kultur weiter oder spiegelt sie besonders gut wieder. Ihr könnt auch gerne weiter den Schwachsinn kaufen, der uns unterhält. Aber hin und wieder eine kleine Spende für unsere Kultur. Dass würde ihr echt gut tun.

Wenn wir nicht mal beweisen können, dass wir unsere Kunst befreien können, dann werden wir uns nie befreien können. Und ganz wichtig: spendet für ein Kulturprojekt, das Euch wert ist, und dann redet davon!