Kultur Kann Man Nicht Delegieren

Kultur ist das was wir alle tun und wie wir es tun. Kultur lässt sich daher nicht delegieren, Arbeitsteilung funktioniert hier nur sehr eingeschränkt. Das Urheberrecht einzuführen war einer der größten Fehler unserer jüngeren Geschichte.

Neulich lief mal wieder „I am Legend“ in der Glotze. Kannte ich schon, hatte ich mehr als einmal gesehen, wollte ich nicht nochmal sehen. Aber als ich den Fernseher einschaltete, landete ich zufällig in dem Film und zwar wenige Sekunden nach dem Anfang. Der Protagonist bewegt sich durch ein menschenleeres Manhattan, er Jagd ein Reh. Manns-hohes Gras wächst aus Rissen im Asphalt. Gerade als er seine Beute stellt, kommt ihm ein Löwen-Rudel zuvor. Ich bleibe in dem Film hängen und sehe ihn mit anderen Augen.

Medien Meister

Der Film hat zahlreiche sehr starke Szenen, die eines verbindet: sie machen sich sehr gut auf der Leinwand. Es ist ein enormes kreatives Potential in diesen Streifen geflossen. Daran gemessen ist der künstlerische Gehalt erschütternd gering. Doch es gibt noch viel krassere Beispiele für dieses Phänomen: Transformers, gigantische Roboter kämpfen um die Weltherrschaft. Die Protagonisten wurden mit enormen Aufwand in teils künstlichen, teils realen Settings zum leben erweckt. Allein der Aufwand, einen computergenerierten Robotor in einer Realfilm-Szene natürlich aussehen zu lassen, erfordert immense Meisterschaft und Kreativität. Während ein minimaler künstlerischer Gehalt es trotz kommerzieller Zwänge in „I am Legend“ geschafft hat, kann man das den Transformers nicht vorwerfen.

Ich habe mich Jahrzehnte gefragt, wo die Meisterwerke der bildenden Kunst unserer Zeit sind. Sind Gerhard Richter und Gesellen tatsächlich das Höchste was unsere Kultur hervorbringt? Nein, unsere visuellen Meisterwerke sind in der Matrix, im Herrn der Ringe und in Computerspielen, mit denen ich mich aber nicht mehr auskenne. Kunstwerke wie die Matrix hat keine Epoche vor uns hervorbringen können: Schauspiel, Choreografie, Musik, Lichtkunst, Skulpturen, „Malerei“ verbinden sich zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk. Abertausende unserer begabtesten Künstler arbeiten in CGI-Firmen, bei Spieleherstellern und natürlich in der Werbung.

Kommerz Kunst

Doch unsere Meisterwerke sind vor allem Produkte. In der Antike wurde nicht zwischen Kunst und Handwerk unterschieden. Zwar lässt unser „Handwerk“ in der Regel die künstlerische Liebe zum Werk vermissen, aber unsere Kunst ist meist ein Handwerk – und lässt leider zu oft und genau wie unsere Produkte die Qualität und handwerkliche/künstlerische Liebe zum Werk vermissen. Schließt sich bei uns der Kreis? Ist Kunst und Kultur um ihrer selbst willen ein exzentrisches Pläsier verbohrter Bildungsbürger?

Wir sind als Persönlichkeiten nicht von unserer Kultur unabhängig, ganz im Gegenteil. Wir sind zu einem erheblichen Maße was wir tun und wie wir es tun. Und eben das ist auch Kultur: Kultur sind Tischsitten, Redewendungen, Benimm und Höflichkeit, unser alltäglicher Umgang, die Art, wie wir unsere Arbeit verrichten. Kunst spiegelt immer die Alltagskultur. Kunst steht nie allein, Meisterwerke entstehen auf den Schultern von Riesen – den Meistern der Vergangenheit – und auf unser aller Schultern, denn wir schaffen die Kultur aus der die Meisterwerke hervorgehen.

Ich glaube an das Ideal, dass Kunst frei sein sollte. Doch die überwältigende Mehrheit der Kunst mit der ich im Alltag konfrontiert bin, ist nicht frei sondern verfolgt unerbittlich eins von lediglich zwei universellen Zielen: 1. Sieh her! 2. Kauf mich! Entweder soll Aufmerksamkeit für Werbung oder Umsatz des Werkes selbst erregt werden oder es handelt sich um Werbung. Oder einfacher gesagt: Es ist Eigenwerbung, Werbung für Werbung oder Werbung.

Arbeitsteilung = Delegation

Die enormen Fähigkeiten unserer Kultur sind auf Arbeitsteilung zurückzuführen. Arbeitsteilung ist eine phantastische Errungenschaft. Doch lässt sie sich nicht auf alles anwenden. Ich bin zu einem guten Teil was ich tue und Kultur ist, was wir alle tun. Wir können Kultur nicht delegieren, wir können nicht anders als sie selbst zu erschaffen. Natürlich gibt es Menschen unter uns, die besondere Fähigkeiten besitzen und einen herausragenden Beitrag zu unserer Kultur leisten. Und wir wollen tatsächlich, dass dieses herausragende Schaffen fast ausschließlich unter den Maximen „Sie her!“ und „Kauf mich!“ entsteht? Dass die Sperrspitze unserer Kultur mit derselben Lieblosigkeit produziert wird wie unsere Alltagsprodukte? Und wir wundern uns über die Lieblosigkeit der Letzteren während wir denen Kulturverachtung vorwerfen, die Freiheit für kulturelles Schaffen fordern?

Ideale

Unsere kulturellen Vorreiter sind Vorbilder und Ideale. Justin Biber und Konsorten haben ab einem gewissen Alter unserer Kinder größeren Einfluss auf dieselben als die Eltern. Wir sind was wir tun, Kultur ist was wir alle tun, Vorbilder prägen unsere Kultur, ihre Motive prägen die Vorbilder. Die Existenz und gegebenenfalls Gestaltung des Urheberrechts hat darum großen Einfluss darauf, wer wir sein werden. Sind Geld und Ruhm alles, was im Leben zählt?  „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ [unbekannt] Doch unsere Kultur wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach radikal wandeln. Zumindest hat sie das in den letzten Jahrhunderten getan.

Ein Blick in die Vergangenheit

Wo kommt unsere Kultur her, wer waren wir? Kultur ist das, was ihre Mitglieder tun und wie sie es tun. Was hätten wir, Sie und ich, früher um diese Zeit getan? Die folgende Beschreibung gilt für Bewohner der nördlichen gemäßigten Breiten mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dreihundert bis vor dreitausend Jahren.

Sie und ich, wir, Sie bei sich, ich bei mir. Ein kalter Herbst-Abend vor dreihundert Jahren. Nur dreihundert Jahre. Wir haben beide wahrscheinlich mit jemandem geredet, der mit jemandem geredet hat, der mit jemandem geredet hat, der das selbst alles erlebt hat. Um uns herum ist es mehr oder weniger düster. Vielleicht hat einer von uns beiden das Glück, sich ein paar Kerzen leisten zu können, oder stinkende Öllampen. Aber es um diese Zeit wirklich hell zu haben – das kann sicher keiner von uns zweien finanzieren.

Die Arbeit des Tages ist getan, denn im Dunkeln kann man nicht arbeiten. Wir können nicht lesen, ich als Mann mache keine Handarbeiten. Doch genau jetzt prägen wir unsere Kultur. Die Zeit der Reflektion des Tagewerks prägt das Tagewerk. Jetzt arbeitet die Tradition, die Kunst „das Feuer weiter zu tragen, nicht die Asche zu bewahren“ [Gustav Mahler]. Wir singen, wir erzählen unseren Kindern Märchen und uns Geschichten aus unserem Leben. Wir schaffen den Fundus, aus dem die Begabtesten von uns die Meisterwerke unserer Zeit schaffen.

Die Kultur formt Sein und Bewusstsein

Es ist kalt und feucht und zugig. Wie praktisch alle Menschen um diese Zeit in diesen Breiten, sitzen wir wahrscheinlich am Feuer. Wir kennen Feuer ganz genau. Wir haben endlose Stunden hinein geschaut in unserem Leben. Wir wissen genau, wie sich Holz in Asche verwandelt, vom lodernden Scheit zum glühenden Kohlen, zum Zerbrechen in kleinere Scheite, zum Glimmen und Erlöschen.

Was würden wir um diese Zeit tun, Sie und ich, in einer Kultur wie vor 300 oder 3000 Jahren? Ich würde ins Feuer starren, wie alle anderen. Dabei würde ich mir vielleicht Bilder vorstellen wie Hieronymus Bosch, Bilder, die ich natürlich niemals malen könnte. Denn mir würde das Geld für die teuren Utensilien fehlen und ich könnte gar nicht malen – wie sollte ich neben der harten Arbeit in meinem abgelegen Städtchen einen Meister finden und bezahlen? Oder ich würde mir Märchen von der Art ausdenken, die andere Eltern nicht so gern weiter erzählen. Abwegige Märchen, wie ich es auch jetzt tue. Ich könnte kaum Spuren hinterlassen.

Und Sie? Was würden Sie tun? Natürlich, Sie würden ins Feuer starren. Sie wüssten auf die Minute genau, wann der nächste Scheit bricht. Doch Sie hätten keine auch nur entfernt genaue Vorstellung, wie lange eine Minute dauert. Und was würden Sie sonst jetzt gerade tun, am Abend eines kalten Herbsttages?

Kultur kann man nicht delegieren

Stattdessen sitze ich auf dem Sofa. Der Kamin brennt, doch ich starre nicht in sein Feuer. Ich starre ins kalte Feuer eines Tablett-PC Bildschirms und tippe einen abwegig utopischen Text in sein angedocktes Keyboard. Sie blicken ebenfalls auf einen Bildschirm und lesen das Zeug. Wir machen immer noch Kultur. Ich indem ich ein mikroskopisches Tröpfchen zum kulturellen Schaffen beitrage, Sie indem Sie das weitertragen (durchs Erzählen, Liken, Verlinken) oder nicht.

Wow. Wir sind weit gekommen. Und wie soll es weiter gehen mit unserer Kultur? Mal angenommen wir verpassen eine erdrückende Zahl an Möglichkeiten, unsere Zivilisation zu vernichten, wo wollen wir in 30 und 300 Jahren an einem kalten Herbstabend sein und was wollen wir tun? Sie können diese Entscheidung nicht treffen, genauso wenig, wie ich. Aber Sie und ich können mit allen anderen entscheiden, ob und wem wir diese Entscheidung überlassen wollen. Ob wir sie wirklich allein kommerziellen Interessen überlassen wollen.

Und egal wie wir uns entscheiden: Wir können die Entscheidung anderen überlassen, doch abnehmen kann sie uns keiner. Denn Kultur ist das, was wir tun. Kultur kann man nicht delegieren.

Freie Videoschau

Wäre unsere Kultur ohne Urheberrecht verloren? An konkreten Beispielen zeige ich, dass unsere Kultur schon heute keineswegs auf das Urheberrecht angewiesen ist.

Ohne umfangreichen rechtlichen Schutz ihrer Urheber wäre unsere Kultur mehr oder weniger am Ende. Dieser Ansicht ist die breite Mehrheit unserer Bevölkerung. Hier wird an ganz konkreten Beispielen gezeigt, was wir verlören und was wir gewännen wenn wir wie zur Zeit der großen Dichter und Denker (und Komponisten) aufs Urheberrecht verzichteten.

Zunächst ein mal: Unsere Kultur ist gar nicht sooo unglaublich toll. Es gibt auf diesem Planeten tausende anderer Kulturen, die kulturell Großes leisten. Diese anderen Kulturen nutzen das Urheberrecht weniger als wir zur aggressiven Vermarktung und werden folgerichtig nach und nach von uns ausgelöscht. Nur die Größten und Stärksten setzen sich durch, und manchen hilft ein Zufall.

Audio

Das einzige in dem unsere Kultur wohl unübertrefflich ist, ist unsere Arroganz. Noch heute gilt hier beispielsweise das Belcanto als Zenit gesanglicher Virtuosität. Diese Gesangstechnik war unter anderem von der Notwendigkeit geprägt, Opernsäle unverstärkt mit der Stimme zu beschallen und sich dabei gegen ein ganzes Orchester durchzusetzen. Bis heute ist das rhythmische Repertoire klassischer Sänger vergleichsweise primitiv. Sie nutzen von den Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme lediglich jenen Bruchteil, der sich in glasklaren lauten Tönen darstellen lässt – eben jenen Teil, der im natürlichen Ausdruck von Menschen die geringste Rolle spielt.

Wer heute nach gesanglicher Virtuosität sucht, der muss weit über unseren Kulturkreis hinausgehen. Einer der größten Gesangsvirtuosen unserer Zeit war der 1997 verstorbene (Sufi) Qawwali-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan. Wir haben ihn sogar ordentlich mit Preisen überhäuft. Aber kennen tut ihn natürlich keine Sau. Hier gibt’s ein Video (eigentlich Audio). Ich habe das nach der Zugänglichkeit für westliche Ohren ausgewählt, nicht nach der dokumentierten Virtuosität.

Video

Eigentliches Thema dieses Artikels ist jedoch nicht allgemeines Kultur-Bashing. Ich nehme mir eine Folge der Telepolis Video-Schau, und analysiere einige der verlinkten Videos auf ihren Hintergrund und kulturellen Gehalt. Meine Auswahl ist natürlich davon gelenkt, dass ich demonstrieren möchte, dass freie Kultur eben nicht unterlegen ist. Doch ist die Kritik an kommerziellen Medienerzeugnissen eins zu eins auf die große Mehrzahl kommerzieller Medienerzeugnisse verallgemeinerbar. Und durch die Beschränkung auf genau eine Folge der Telepolis Videoschau verdeutliche ich, dass kulturelle Signifikanz in freien Medienerzeugnissen keine Riesen-Ausnahme sein kann.

Wir starten mit einem kommerziellen Erzeugnis. Stephen Colbert ist ein sehr erfolgreicher US-Komiker. Dies ist ein Ausschnitt aus einer seiner Shows. Er wärmt einen Gag mit Siri, Apples neuem sprachgesteuerten Assistenten im iPhone, auf, der schon vorher erfolgreich von anderem im Netz lanciert wurde. So streicht Colbert ohne großen finanziellen Aufwand (Gag-Autoren) ein paar sichere Lacher ein. Das ganze wird natürlich in einer Professionalität präsentiert, die von Amateuren kaum zu leisten ist.

The Won Ton Soup“ von Boo Ya Pictures ist ein Mischprodukt. Die Firma lebt offenbar vom Dreh kleinerer Projekte – z.B. Musikvideos – das hier besprochene Video wurde aber wohl nicht aus unmittelbaren finanziellen Interessen gedreht. Über die Motive der Macher kann ich nur spekulieren, sie mögen von Leidenschaft getrieben sein, stellen es aber sicher zur Aufmerksamkeitsgenerierung für ihr Geschäft ins Netz. Musikvideos wiederum, von denen Boo Ya Pictures lebt, dienen ebenfalls nur der Aufmerksamkeitsgenerierung. Das Geld kommt für die Musiker hauptsächlich aus Konzerten (wäre also nicht vom Auslaufen des Urheberrechts bedroht) und für die Labels aus Plattenverkäufen. Letzteres hängt am Urheberrecht. The Won Ton Soup zeigt immerhin eine originelle Idee, die recht professionell umgesetzt wird.

Gänzlich frei ist hingegen „I’m the bomb“. Feraz Ozel, der Macher, ist ebenfalls US-Comedian. Doch dieser lebt von seinen Auftritten und nutzt das Video ebenfalls zur Aufmerksamkeitsgenerierung. Das Video ist originell, witzig, gut präsentiert und problematisiert den gallopierenden Antiislamismus – bisher eindeutig das stärkste Video in diesem Review.

Wiederum kommerziell ist „Lord Monckton“ von „The Hamsterwheel“ einer australischen Comedy-Truppe. Das Video unterstellt, dass der bekannte Klima-Skeptiker Lord Monckton in Wahrheit eine von Sascha Baron Cohen geschaffene Kunstfigur ist. Den Machern ist es sogar gelungen, Lord Monckton für ein Interview zu bekommen, in dem der Interviewer so tut, als hätte er es mit dem verkleideten Sascha Baron Cohen zu tun. Ich sage es ungern in diesem Artikel, aber dieses Video ist ein kleiner Geniestreich.

The Gamers von Dead Gentlemen productions scheint ein Hobby-Projekt zu sein, sicher bin ich aber nicht. Das Video ist einigermaßen originell und bietet Einblick in die weithin unbekannte Subkultur der Pen-and-Paper-Rollenspieler. Unterstellt, dass es sich um ein Hobby-Projekt handelt, hat das Video eine sehr ordentliche Qualität. Ich habe es mir übrigens nicht in voller Länge angetan.

Gänzlich kommerziell ist „Angry Birds Seasons Ham’O’Ween“. Es handelt sich um eine Mini-Zeichentrick-Geschichte die als Werbung für das Spiel „Angry Birds“ dient. Die Story ist sturzblöd und die Optik ist von Tim Burton geklaut. Das ganze natürlich auf höchstem technischen Niveau.

Ein völlig anderes Kaliber ist „I live in the Woods“  von Max Winston. Er hat das Video als Student gedreht und es mit einem Stipendium (hinterm Link auf Award winners/alphabetically/W/runterscrollen/Max Winston, ist leider nicht direkt verlinkbar) finanziert. Es kann somit als völlig unabhängig vom Urheberrecht gelten. Das Video besticht durch eigene Optik und Stilistik, rasante Entwicklung und verstörenden Inhalt. Ein Kurzfilm auf höchstem Niveau.

Google steuert auch etwas bei. Aus Street View wird Rail View, nett anzusehen, gut gemacht, Werbung für Google. Ich habe es hier reingenommen, weil es eine (kommerzielle) Doku ist.

So kann ich Googles Beitrag diesem Meisterwerk der Piratenpartei gegenüberstellen. Ich weiß nicht so recht, was sich die Macher dabei gedacht haben. Es soll wohl auch Werbung für die Piraten sein (aber da ist natürlich nichts kommerzielles und mit Urheberrecht hat das absolut nichts zu tun). Ursprünglich war es als Interview mit Fabio Reinhardt gedacht, der soeben für die Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen ist. Doch dann kam unverhofft Regine Feldewert dazu und es entspann sich ein Dialog zwischen ihr und Reinhardt. Zur Bewertung dieses Videos sollte man sich klarmachen, dass Olli Dittrich für „Dittsche“ (zurecht) unter zahlreichen Preisen auch den Adolf Grimme Preis erhielt. Regine Feldewert hat etwas, was Dittsche fehlt: Sie ist echt. Das allein macht dieses Video schon absolut sehenswert. Hinzu kommt noch, dass es ausgerechnet von den Piraten lanciert wird, die vor allem für Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie stehen. Wie es sich für ein Kulturgut von Rang gehört, eröffnet dieses Video zahlreiche Lesarten:

  • Werbung für die Piraten
  • Anti-Werbung gegen die Piraten
  • Diskreditierung der CDU
  • Bloßstellung und Verachtung der Wähler
  • Schonungslose Transparenz
  • Schlichte Dokumentation
  • Information über die Piraten

Ich nehme es als in jeder Hinsicht absurdes Gesamtkunstwerk.

http://www.youtube.com/watch?v=IPOAXYvs1cw

Kultur in Ketten

Wir kriminalisieren unser Kultur und mit ihr u.a. unsere Kinder. Die Gründe die dafür angeführt werden waren früher schon falsch, heute sind sie absurd.

Wir haben uns die Ketten selbst angelegt. Genau genommen waren es unsere Vorfahren. Doch auch heute zweifeln eher wenige daran, dass wir diese Ketten brauchen. Haben Sie vielleicht Kinder? Teenager? Oder bist Du vielleicht ein Teenager oder unter etwa 25? Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Ihre Kinder oder eben Du selbst kriminell sind/bist.

Da wäre natürlich  unsere absurde Drogenpolitik, mit der die USA die Population ihrer Gefängnisinsassen größer hält als die ihrer Universitäten. Die Politik mit der wir Mexiko in einen Drogenkrieg getrieben haben, den es nicht gewinnen kann. Doch darum wird es in einem anderem Artikel gehen. Hier geht es um unsere Kultur, um Musik, Kunst, Literatur, Film usw.

In Ihrem Haus oder in Ihrer Wohnung befinden sich mit großer Wahrscheinlichkeit sogenannte Raubkopien. Abgesehen davon, dass sie sich so natürlich erheblichen zivilrechtlichen Forderungen aussetzen können – in den Medien hat z.B. der Fall von Jammie Thomas eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten – machen Sie sich strafbar. Die sympathischen Hinweise auf bezahlten DVDs („Raubkopierern“ bleibt dieses zweifelhafte Vergnügen oft erspart) sind tatsächlich ernst gemeint. Ein großer Teil der Bevölkerung der westlichen Welt besteht aus Kriminellen. Ein Viertel des Datenverkehrs im Internet ist offenbar kriminell, weil dieses Viertel der Verbreitung unserer Kultur dient. Die meisten tragen ihre Ketten gerade nicht, aber sie könnten jederzeit angelegt werden. Denn die Ketten sind Teil unserer Kultur.

Und damit sind wir bei unseren Vorfahren. In Deutschland haben wir die wichtigsten Schritte 1837 in Preußen und dann 1871 im Deutschen Reich getan. Heute glauben die meisten Menschen, dass die Kriminalisierung der Kultur-Verbreitung eine notwendige Voraussetzung für die wirtschaftliche Schaffung von Kultur ist. Das wird uns ja auch ständig von Lobbyisten und ihren Politikern eingebläut. Doch dies ist eine bewusste oder unbewusste Lüge.

Dieser erhellende Vergleich der Situationen in Deutschland vor Einführung des Urheberrechtes und der Situation in England wo es damals schon Copyright gab, ist sehr aufschlussreich. Es gab sehr viel mehr Bücher in Deutschland, der Büchermarkt war sehr viel vielfältiger sowohl in der Breite wie in der Tiefe und die Autoren verdienten im Schnitt sehr viel besser. In England gab es weniger Verlage, die weniger Bücher verlegten. Diese wenigen Verlage hatten aber höhere Gewinnmargen. Nur Top-Autoren verdienten besser als vergleichbare Autoren in Deutschland.

Das Copyright schützt also offenbar nicht die Schöpfer der Kultur. Ganz im Gegenteil, vielmehr schützt es die überhöhten Gewinnmargen derjenigen, die unsere Kultur finanziell abschöpfen. In der Musik sieht es ganz ähnlich aus. Die überwältigende Mehrheit der Musiker lebt nicht von CD Verkäufen. Die allermeisten sind vor allem Musiklehrer. Dann gibt es auch nicht wenige, die mit Auftritten einiges verdienen. Selbst viele Mega-Acts verdienen an Auftritten mehr (als genug), mehr als durch CD-Verkäufe.

Allerdings ist gerade die musikalische Kultur massiv durch die Kriminalisierung ihrer Verbreitung beeinträchtigt.  Wenn Musiker die Ideen anderer Musiker übernehmen und weiter entwickeln und -verbreiten werden ihre Auftrittsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Denn für viele kleinere Etablissements ist der unverhältnismäßige Aufwand der Erfüllung der GEMA-Auflagen bürokratisch wie finanziell nicht tragbar. Auch die Verbreitung ihrer Musik ist natürlich eingeschränkt. Selbst wenn die Musiker, die sich von anderen inspirieren ließen, ihre Musik verschenken wollen ist das nicht mehr möglich.

Es genügt nicht einmal ein Stück quasi neu zu erfinden. Selbst wenn Musiker Rhythmus, Tempo, Tonart und Sound eines Stückes komplett ändern sowie Text und Melodie deutlich variieren haben sie das Stück nicht von den Ketten des ursprünglichen Autors befreit. Das gilt natürlich auch, wenn die ursprüngliche Version völlig unbekannt ist und als wenig originell gelten darf während das „Plagiat“ eine große Schöpferische Leistung darstellt.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre unsere Kultur heute sehr viel ärmer, wenn schon immer so ein irrsinniges Urheberrecht gegolten hätte wie heute. Denn Kultur lebt gerade davon, dass Ideen von anderen Künstlern weiter entwickelt werden. Kulturelle Leistungen kommen niemals aus dem nichts. Dabei ist es völlige Willkür, was geschützt ist – in der Musik z.B. im Wesentlichen Text und Melodie. Sound-Tüftler beispielsweise gehen da eher mal leer aus. Es kann gut sein, dass sich gerade aus diesem Grund unsere Musik in den vergangenen Jahrzehnten vor allem im Bereich Sound weiterentwickelt hat.

Dabei würde sich für kaum einen Musiker etwas wesentliches ändern, wenn wir aufhören würden unsere Kinder – die offenbar kulturbegeisterter sind als wir – wegen der Verbreitung unserer Kultur zu kriminalisieren. Denn kaum ein Musiker lebt hauptsächlich vom Verkauf seines sogenannten geistigen Eigentums. Anders ist dies zum Beispiel bei Autoren und Filmschaffenden.

Wer sich eingängiger mit Youtube beschäftigt muss zu dem Schluss kommen, dass das Ende der kriminalisierten Kultur-Verbreitung nicht das Ende des Films wäre. Die meisten Clips sind dort kurz doch es gibt durchaus auch längere Filme. Die hochwertigsten sind oft Arbeiten von Film-Studenten und erreichen teils ein erstaunliches Niveau. Es gibt Dokumentationen, Propaganda, Unterhaltung jeder Art, Musik, Sport (insbesondere im Bereich E-Sports auf teils beachtlichem Niveau) Kunst usw.

Natürlich kann all dies technisch nicht mit den Top-Produktionen auf Hollywood mithalten. Cineastisch habe ich auch nichts gesehen, was mit den besten Filmemachern mithalten kann. Doch hier sind zwei Dinge zu beachten. Technisch können die besten freien Produktionen durchaus mit professionellen Produktionen von vor 10 bis 20 Jahren mithalten. Der technische Fortschritt erlaubt es heute mit einem Hobby-Budget Dinge zu produzieren, die vor einigen Jahren Millionen verschlungen haben. Es ist nicht an zu nehmen, dass dieser Prozess ein plötzliches Ende finden sollten. Das heißt aber, dass eine Entkriminalisierung unserer Kultur den Film technisch höchstens um ein paar Jahre zurückwerfen würde.

Wichtiger noch ist aber dieser Punkt: die wahren Filmverrückten arbeiten heute vielfach beim Film. Würden wir aufhören, unsere Kultur zu kriminalisieren, würden all diese Verrückten aufhören, Filme zu machen? Wohl kaum. Vielmehr ist an zu nehmen, dass freie Filme teils professioneller würden. Die Lücke zwischen heutigen professionellen und künftigen freien Werken würde sich also technisch verkleinern und vom cineastischen Anspruch wohl möglich egalisieren. Das gleiche gilt für Musik-Produktionen.

Oben wurde bereits auf diesen verblüffenden Artikel verwiesen, wo dargelegt wird, dass die historische Kriminalisieren der Kulturverbreitung den aller meisten Autoren schwer geschadet hat. Heute ist leider nicht an zu nehmen, dass eine Befreiung der Kultur den Autoren entsprechend nützte. Vor der Kriminalisierung unserer Kultur konnten die Verlage ihren zeitlichen Vorsprung und geschickte Marktplatzierung nutzen um sich vor Plagiaten zu schützen. Heute lässt sich die Duplikation voll automatisieren und praktisch ohne Investitionen und Zeitverluste durchführen.

Aggregatoren könnten beliebige Inhalte bei sich versammeln um aus dem resultierenden Traffic Werbeeinnahmen zu generieren. Dies ist ein weiterer Grund, Werbung zu verbieten. Ich bin bereits verschiedentlich auf andere Gründe eingegangen. Wichtig ist es, das Verbot so zu formulieren, dass freie Rede in keiner Weise beeinträchtigt wird. Wenn dieses Hindernis beseitigt ist, gibt es keinen Grund mehr, Kultur zu stehlen. Doch die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Geschriebenem ist auch dahin – wenn man mal von modernen Ansätzen wie Crowd-Sourcing absieht. Doch hier muss sich erst noch erweisen, ob das langfristig besteht.

Aber es gibt noch einen Unterschied zwischen der Zeit vor der Kriminalisierung unserer Kultur und der Zeit danach: Damals war der Arbeitsaufwand für die Beschaffung des Lebensunterhalts eines Menschen sehr viel höher und die Fähigkeit zu schreiben, sowie auch die fachliche Qualifikation zum Verfassen von Fachtexten sehr viel seltener. Heute haben sehr viele hoch qualifizierte Menschen so viel Freizeit, dass sie einen nie dagewesenen Tsunami von Geschriebenem über uns hereinbrechen lassen.

Das selbe gilt für alle andere Formen von kriminalisierter Kultur: sie ist keine begrenzte Ressource mehr. Marktwirtschaft ist gut in der effizienten Verarbeitung begrenzter Ressourcen. Doch in unseren kulturellen Gütern ist die Marktwirtschaft heute völlig fehl geleitet. Denn diese Güter sind heute reichlich vorhanden, es ist völlig unmöglich, die Grenzen des ständig neu geschaffenen zu erkunden, denn diese Grenzen entfernen sich schneller als irgendjemand lesen, hören oder sehen könnte. Wir können jetzt aufhören, unsere Kinder, ein viertel des Datenvolumens und unsere Kultur an sich zu kriminalisieren. Denn selbst die fadenscheinigen Begründungen, die einmal dafür herhalten mussten, sind heute offensichtlich absurd.

Zwölf andere Positionen zum Urheberrecht

Anke wies mich auf das gerade erschienene Positionspapier des Kultur-Ministeriums zum Urheberrecht hin. Danke Anke! Dieser Artikel liefert Gegenpositionen zu den zwölf Positionen von Staatsminister Bernd Neumann.

Anke wies mich auf das gerade erschienene Positionspapier des Kultur-Ministeriums zum Urheberrecht hin. Danke Anke! Dieser Artikel liefert Gegenpositionen zu den zwölf Positionen von Staatsminister Bernd Neumann.

1.“Denn ein wirksames Urheberrecht ist unverzichtbare Voraussetzung für das kulturelle Schaffen …„. Somit kann es also vor Einführung eines wirksamen Urheberrechtes kein kulturelles Schaffen gegeben haben. Don Quixote, der schon mal als bedeutendstes Werk der Weltliteratur gehandelt wurde, ist also kein kulturelles Schaffen, da Cervantes sich ja bekanntlich mit zahlreichen Plagiaten rum schlagen musste. „… und auch ein Beitrag zur Gewährleistung der künsterischen Freiheit„. Wie kann denn bitte ein Gesetz die künstlerische Freiheit gewährleisten, das künstlerische Verwertung anderer künstlerische Werke einschränkt? Da haben die Autoren gerade mit ihren zwölf Positionen angefangen und schon ist das Hirn alle. Das kann ja heiter werden. „[…] kann der Urheber nicht im bisherigen Umfang kulturelle Werke und Werte schaffen.“ Ach so, na dann. Ja, alles klar, es geht hier erklärter Maßen nicht um Klasse sondern um Masse und die angesprochenen Werte sind dann wahrscheinlich doch eher monetärer als kultureller Natur. Liebe Autoren, wenn Ihr als unsere gewählten Vertreter schon so einen inkonsistenten Schmarn raushaut, schreibt doch bitte wenigstens drunter, welcher Lobbyist das bezahlt hat. Transparenz und so.

2. Die zweite These ist keine These und es taucht auch nicht einmal der Versuch eines Argumentes auf. Da steht nur ein Dogma: Liebe Nutzer, „Urheber und sonstige Rechteinhaber“ (ich tippe ja vor allem auf letztere) haben Rechte auf Eure Kohle inne. Dem stelle ich glatt mal ein anderes Dogma gegenüber: Die Nutzung von Information muss frei sein. Und Freiheit verträgt sich nicht damit, dass mir jemand etwas verbieten kann, wenn ich nicht seine Bedingungen erfülle.

3. „Die Wertschätzung kreativen Schaffens bedarf auch in Zeiten der Digitalisierung einer breiten gesellschaftlichen Fundierung.“ Und Wertschätzung, insbesondere die kulturellen Schaffens, kann ja bekanntlich ausschließlich durch Bezahlung erfolgen. Herr Neumann, wenn Ihnen zur Wertschätzung kulturellen Schaffens tatsächlich nichts anderes als Geld einfällt, wollen sie sich nicht vielleicht nach einem Job umsehen, der besser zu Ihnen passt als ausgerechnet Minister für Kultur?

4. „Kulturelle Teilhabe erfordert – auch wegen der Komplexität medialer Welten – kulturelle Bildung und insbesondere Medienkompetenz.“ Ja genau! Das stimmt! Herr Minister, ich bin froh, dass Sie es selbst ansprechen. Es muss Ihnen auch gar nicht peinlich sein, dass Sie in Ihrem Alter nicht mehr so ganz durchblicken, wie das in modernen Medien funktioniert. So mit diesen Semmpels in der Musik, Mäschabs im Netz. Zumal andere Medien wie Literatur und bildende Künste gerade erst anfangen, die neuen Möglichkeiten zu erkunden. „Der Bund wird hier stärker als bisher als Impulsgeber, z.B. über die Unterstützung von Modellprojekten für kulturelle Bildung tätig werden.“ Ich bin sehr gespannt auf das Projekt „Kulturelle Bildung für Kultur Minister“. Aber sehen sie sich vor, wenn Sie erst erschnuppern, was künstlerische Freiheit im digitalen Zeitalter bedeuten kann, wollen Sie nachher gar nicht mehr zurück in Ihre Amtsstube.

5. „Gleichzeitig ist ihre Tätigkeit [die der Verwertungsgesellschaften] auch für Nutzer von Vorteil, weil sie als Zentralstellen eine gebündelte Rechtevergabe zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.“ Herr Neumann, Sie Schelm. Haben Sie auch gulli gelesen? Der Aachener Weihnachtsmarkt muss dieses Jahr ohne Musik auskommen, weil die zuständige Zentralstelle die Gebühren ordentlich erhöht hat. Für viele Nutzer ist das tatsächlich ein Vorteil. Die freuen sich, dass sie die üblichen schrecklichen komerziellen Versionen diverser Weihnachtslieder ausnahmsweise mal nicht auf sich ein dudeln lassen müssen.

6. „Bleibt die Suche erfolglos [nach dem Urheber], so sollte gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung eine Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften ermöglicht werden.“ Anders ausgedrückt: Wird der „Besitzer“ nicht ermittelt, gehört die Fundsache nicht etwa dem Finder oder gar der Allgemeinheit, sondern dem Fundbüro. Tolles Geschäftsmodell! Ja ich weiß, der Vergleich hinkt. Denn Information kann man nicht im üblichen Sinn besitzen. Man kann mir eine Melodie nicht wegnehmen. Aber dieser kleine Kategorien-Fehler hindert Sie ja leider auch nicht an der Verbreitung derartiger Positionen.

7. „Zur weiteren Verbesserung der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte in der digitalen Welt sollte der bestehende rechtliche Rahmen um ein effizientes System ergänzt werden, das es ermöglicht, einem (potentiellen) Verletzer einen Warnhinweis zu senden.“ Hui, Herr Neumann, da wurde Ihnen aber ein Trojaner unter gejubelt. Sehen Sie, es zahlt sich schon aus, dass Sie oben zugegeben haben, dass sie von modernen Medien nicht viel verstehen. Sonst könnte man jetzt glatt glauben, Sie seien ein ganz schlimmer. Denn sehen Sie, wenn man mir „effizient“ einen Warnhinweis schicken wollte, egal welche Inhalte ich über welches „Protokoll“ auch immer gerade abrufe, dann müsste man ja meine gesamte Kommunikation überwachen. Ich glaube, ich habs jetzt, Herr Neumann! Wir hatten ja bei 3. herausgefunden, dass Kultur eigentlich gar nicht so Ihr Ding ist. Bei 5. haben Sie bewiesen, dass Sie jeden Sophisten locker an die Wand argumentieren. Bei 6. bewiesen Sie Sinn für lukrative Geschäftsmodelle. Und hier geben Sie uns ganz subtil zu verstehen, dass Sie auch mal gerne zusehen. Herr Neumann, fragen Sie doch mal Google, Leute mit Ihren Fähigkeiten und Interessen nehmen die sicher sofort!

8. „Die sog. Providerhaftung ist in diesem Sinn und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Angebote und Geschäftsmodelle der Provider fortzuentwickeln. Hier sind weitergehende Prüf- und sonstige Pflichten für bestimmte Internet Provider, wie etwa Host Provider, im Telemediengesetz zu verankern.“ Kudos, das war clever. Anstatt sich Ihrem neuen Arbeitgeber gleich an zu dienen, knallen Sie ihm diese Position hier vor den Kopf. Haben Sie schon sondiert, was Google Ihnen zahlen würde, um den Punkt da raus zu kaufen? Was Sie dabei wohl übersehen haben (ja, es ist wahrlich ein Kreuz mit der Medienkompetenz), sind all die anderen Anbieter, die sich nicht wie Google über geltendes Recht hinweg setzen können. Die könnten dann nämlich dicht machen. Denn die Annahme, dass man für ein paar Euro im Monat sämtliche Daten seiner Nutzer überprüfen könnte ist absurd. Macht aber nichts, gehen Sie halt ins Ausland. Deutschland ist eh schon schwierig für Host-Provider, Abmahn Recht und Hamburger Gericht sei Dank. Aber Google wird sich sicher für Ihre Konzepte zur Überwachung der Nutzer-Inhalte interessieren. Und wenns bei Google nichts wird, versuchen Sies bei Facebook, die geben nicht mal vor, nicht böse zu sein.

9. „Denn ohne die vielfältige Presselandschaft mit anspruchsvollen journalistischen Inhalten wäre das kulturelle, politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland deutlich ärmer. Deshalb ist es wichtig, die Leistungen von Presseverlegern wie die anderer Werkmittler angemessen zu schützen.“ Ich übersetze mal gerade: Denn wenn ich der Presse hier nicht wenigstens ein bisschen den Bauch pinsele, machen die mich sowas von fertig, dass ich Google und Facebook total vergessen kann. Stimmt.

10. „Digitale Kopien von gemeinfreien Werken sollen von öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen für die nichtkommerzielle Nutzung grundsätzlich kostenfrei angeboten werden.“ Ich bin platt. Das ist ja fast ein Zugeständnis an die so diffamierten „Nutzer“ (diese schrecklichen Menschen, vor denen Sie die Urheber zu schützen müssen glauben). Gut, kommt jetzt satte 40 Jahre zu spät, aber ist ja nicht so wild. Ja, ich weiß, die Medienkompetenz.

11. „Die Neuregelung hat die in sie gesetzten Erwartungen noch nicht erfüllt.“ Mensch Bernd! Da lieferst Du eine 1a Bewerbung in 10 Punkten und mit 11 machst Du alles kaputt. Das schreibt man doch nicht „Ich hab Mist gebaut, aber beim nächsten mal mach ichs bestimmt besser. Ehrlich!“

12. „Konkrete Maßnahmen in Deutschland müssen in einen geeigneten Rahmen auf europäischer Ebene eingebettet sein.“ Hurrah, die Türkei feiert gerade ihr priviligierte Partnerschaft, die genießen dann ja bald das Privileg Europas Hoster zu werden. „Über die Diskussion auf europäischer Ebene ist das Thema auch weltweit voranzutreiben.“ Oops. Sorry wegen des Blödsinns mit Google und Facebook Herr Staatsminister. Sie denken in großen Maßstäben und sind offensichtlich zu höherem berufen Herr Staatsminister. Am deutschen Wesen wird die Welt genesen.