Peeple

Peeple ist ein neuer (während ich dies Schreibe erst angekündigter) Service mit dem sich normale Menschen gegenseitig bewerten können, und mit dem diese Bewertungen allen zugänglich gemacht werden. Der Service ist damit der erste (kommerzielle) Versuch, das KiIsWhoWi Konzept kommerziell umzusetzen. Und das ist gut.

Es war nur eine Frage der Zeit. Zwei Kanadierinnen sind es, die als erste die Idee von KiIsWhoWi in Reinform zu kommerzialisieren versuchen. So vorhersehbar wie die App selbst ist der künstliche Aufruhr um die Digitalisierung und Explizit-Machung des allgegenwärtigen gegenseitigen Bewertungs-Prozesses von Menschen – der auch bekannt ist als “Klatsch und Tratsch”.

Natürlich handelt es sich bei Peeple wie bei ähnlichen Angeboten (z.B. die Bewertung spezifischer Qualifikationen bei LinkedIn) um ein kommerzielles Angebot. Peeple zeichnet sich gegenüber z.B. LinkedIn dadurch aus, dass bei Peeple die Bewertung von Menschen die Kernfunktion ist, während es bei LinkedIn ein ziemlich untergeordnetes Feature ist.

Auch aus anderen Services ergeben sich, wie ich auch an anderer Stelle schon geschrieben habe, indirekt Bewertungen anderer Menschen – z.B. aus den Likes bei Facebook. Um solche indirekten Bewertungen auszuwerten, müsste man allerdings Zugriff auf große Mengen dieser Bewertungen haben und diese mit Hilfe von Computern auswerten.

Darum habe ich geschrieben, dass das Vertrauens-Netz momentan nur Firmen zugänglich ist, denn nur Facebook und die Firmen, an die Facebook (und andere Services) seine Daten verkauft, haben diese Möglichkeit. Ich gehe davon aus, dass solche Informationen z.B. in den Recruiting-Abteilungen großer Unternehmen teils auch bereits genutzt werden.

Hier kommt Peeple ins Spiel. Es handelt sich zwar um ein kommerzielles Angebot, doch gibt es normalen Nutzern die Möglichkeit, selbst auf Informationen dieser Art zuzugreifen. Damit ist es aus meiner Sicht ein bedeutender Fortschritt.

Dieser Artikel liefert eine valide Kritik an dem Konzept von Peeple. Ganz kurz: Einzelne Urteile zwischen Individuen sind nicht besonders wertvoll, weil a) Urteilende oft sehr schnell Urteile aus einzelnen Situationen Fällen, die nicht repräsentativ sein müssen, und b) die Beurteilten vielfältige Persönlichkeiten haben, die in in unterschiedlichen Situationen sehr unterschiedlich reagieren können und sich zudem mittel- und langfristig stark ändern können.

Das ist richtig, doch ist dies ein Problem, das sich durch richtige Auslegung des Services in den Griff kriegen lässt. Wie das genau funktionieren könnte, habe ich hier und hier angerissen.

Natürlich wäre es besser, wenn ein Service dieser Art von einer gemeinnützigen Institution betrieben würde, wie Wikimedia. Und idealer Weise sollte die Datenbank, die all diese Bewertungen enthält, öffentlich zugänglich sein, was bei Peeple vermutlich nicht der Fall sein wird. Dennoch ist Peeple aus Normal-Nutzer-Sicht ein Fortschritt und der Shitstorm, dem sich der angekündigte Service im Vorfeld ausgesetzt sieht, ist heuchlerisch, “hypocritical”, wie der Angelsachse sagt.

Schüss Chef

Der Chef ist ein zivilisatorischer Atavismus. Seine gesellschaftliche Rolle ist so reformbedürftig, dass die Reform eher eine Abschaffung und Neuerfindung ist.

Die Chefs sind an allem Schuld. Immer. Sei es Politik, Wirtschaft, öffentlicher Dienst – geht es schief ist der Chef Schuld. Also der Chef an sich. Denn das Konzept “Chef” ist heute falsch. Ein Chef ist jemand, der anderen sagen darf, was sie zu tun und zu lassen haben. Und ein Chef ist folgerichtig für alles Tun und Lassen seiner Untergebenen verantwortlich.

Ich habe das in der Einleitung dieses Artikels schon erörtert und werde das im Detail hier nicht wiederholen: Der “Chef” ist ein zivilisatorischer Atavismus. Ich habe das in jenem Artikel in Bezug auf Hierarchien erörtert und die gesamte Arbeitsorganisation behandelt. Hier geht es nun speziell um die Rolle des Chefs. Diese Rolle ist grundsätzlich sinnvoll, oft sogar notwendig, doch ihre Ausgestaltung, ja schon ihre grundsätzliche Definition ist heute kaum mehr tragbar.

Der Chef ist unqualifiziert

Die moderne Arbeitswelt ist zunehmend durch die Kooperation hochgradiger Spezialisten gekennzeichnet. Kein Mitglied des Teams deckt alle Qualifikationen des gesamten Teams ab, schon gar nicht der Chef. Denn jener sollte idealer Weise ein Spezialist in seinem eigenen Fachgebiet, dem Führen von Mitarbeitern, sein. Dennoch ist der Chef für alle Aktivitäten seines Teams verantwortlich.

Um dem gerecht zu werden, müsste der Chef seinen Team-Mitgliedern fachlich überlegen sein, er müsste die beste Taktik und die beste Strategie haben (was nicht das Gleiche ist!), er müsste über die besten Kommunikationsfähigkeiten verfügen, die größte Empathie besitzen … der Mensch, der den Anforderungen an einen “Chef” gerecht wird, existiert in der modernen Arbeitswelt nicht.

Führer, vielleicht folgen wir

Der “Chef” ist durch seine Weisungsbefugnis definiert. Hier liegt der Systemfehler. Wir brauchen Menschen, die Entscheidungen für andere treffen. Das ist nicht nur sinnvoll sondern unerlässlich. Doch wir haben das falsche Leitbild. Wir sollten nicht an Generäle denken sondern an Führer. Bitte alle Assoziationen an den Führer ausblenden!

Ein Führer ist jemand, der den Weg kennt. Er zeigt dem Team fortwährend in welche Richtung das Ziel liegt, welche Abkürzung man nehmen sollte, wo verborgene Hindernisse oder Fallen liegen. Andere Team-Mitglieder lösen alle möglichen Probleme auf dem Weg. Niemand ist gezwungen, einem Führer in diesem Sinn zu folgen. Er überzeugt durch Kompetenz in seinem Fachgebiet.

Doch ein Führer steht nicht über der Gruppe, die er führt. Ein Bergführer ist in der Regel Angestellter, Untergebener seiner Gruppe. Es gibt keinen prinzipiellen Grund, wieso das in der Arbeitswelt anders sein sollte. Meist ist es ja richtig, wenn den Anweisungen des Chefs folge geleistet wird. Aber die Definition des “Chefs” – Weisungsbefugnis – untegräbt gerade die Kernkompetenz desselben: Führen.

Führen auf dem Drahtseil

Das Führen hoch qualifizierter Mitarbeiter ist ein delikater Balanceakt. Die hohe Qualifikation des Personals in der Informationsökonomie sorgt dafür, dass kaum ein Chef mehr eine wirklich signifikante Überlegenheit über seine Kollegen besitzt. Die Arbeitsabläufe erfordern eine hohe Motivation des Personals und diese wird durch unsensible den Vorstellungen des Personals zuwiderlaufende Anordnungen gestört. Diese Störung kann größere Schäden anrichten, als kleinere Fehler – zumal es meist viele Wege zum Ziel gibt.

Es gilt also, stets eine Balance zu finden, möglichst nur die Anordnungen zu geben, die das Team auf einem Weg zum Ziel halten und so weit möglich, das Team machen zu lassen. Wenn Korrekturen nötig sind, sollte dies nicht in Form von Befehlen geschehen. Der Führer sagt, welchen Weg er warum für den richtigen hält und wo er Probleme beim eingeschlagenen Weg sieht. Das Team kann das diskutieren und evtl. andere Lösungen vorschlagen. Ein Chef, der sein Handwerk versteht, muss praktisch nie Befehle erteilen.

Den Weg zeigen

Muss er es doch einmal, sagt er dem Team, ausdrücklich, dass er glaubt einen gewissen Weg einschlagen zu müssen. Das Team wird einem bewährten Führer folgen, auch ohne dass er unbedingte Macht über seine Gefolgschaft besitzt – auch dann, wenn der Führer, wie jeder Kollege, mal Fehler macht.

Darüber hinaus trifft ein Chef natürlich zahlreiche Entscheidungen in seiner täglichen Arbeit. Auch seine Kollegen tun dies ja dauernd. Oft benötigen seine Kollegen Entscheidungen, die nicht allein ihren Bereich betreffen und fragen den Chef, der dies dann für sie tut. Dies bedeutet aber nicht, dass der Chef über seinen Kollegen steht. Dieses Entscheidungen treffen lässt sich auch als Service für seine Kollegen begreifen.

Bis hierhin habe ich “lediglich” eine Umdefinition der Rolle des Chefs vorgenommen. Dies ist nötig doch erst der halbe Weg. Ich habe die für einen Chef erforderlichen Qualifikationen in der Einleitung kurz anklingen lassen: Fachkompetenz, Strategie, Taktik, Kommunikation, Empathie und vieles mehr. Kein Mensch kann all das, was ein Chef braucht, wirklich gut. Daher sollte die Rolle des Chefs nicht nur umdefiniert sondern auch verteilt werden.

Crowd-Cheffing

In Ansätzen geschieht dies heute schon. Es gibt Personalchefs, Produktmanager, technische Leiter und so weiter. Hier werden verteilte Führungsrollen nach Fachkompetenzen geschaffen. Doch ist es immer noch so, dass diese Partialführer jeweils ihr Team haben, dem gegenüber sie weisungsbefugt sind. Dies ist falsch und das nicht nur wegen der Weisungsbefugnis.

Es gibt Menschen, die visionäre Ideen haben, die eine Firma oder ein Team weit bringen können. Es gibt Menschen, die die analytischen Fähigkeiten besitzen, die nötig sind, um visionäre Ideen in Produkte zu verwandeln. Es gibt Menschen, die den ökonomischen Verstand besitzen, dies bezahlbar umzusetzen. Es gibt Menschen, die die Moderationsfähigkeiten besitzen, all diesen Aspekten und mehr den nötigen Raum zu verschaffen.

All diese Menschen – und mehr! – sollten als “Führer” betrachtet werden. Sie führen gemeinsam mit allen anderen das Team oder die Teams zum Erfolg. Warum hat man das nicht schon immer so gemacht? Weil es zu Kompetenzgerangel und hohen Reibungsverlusten führt.

Eine disfunktionale Kultur

Dies ist ein kulturelles Problem. Solange es die Rolle des Chefs gibt, gibt es Menschen, die diese Rolle anstreben, die keine Rücksicht auf den Erfolg des Teams nehmen, sondern ihren eigenen Vorteil über alles stellen. Diese Menschen, zerstören diesen Ansatz. Doch wenn es die Rolle des Chefs nicht mehr gibt, funktioniert diese egoistische Strategie nicht mehr. Wer führt tut dies allein aus dem Grund, dass die anderem ihm folgen, weil die anderem ihm vertrauen. So funktioniert menschliche Gesellschaft natürlicher Weise und genau so sollte sie in der Wirtschaft funktionieren.

In vielen Situationen funktioniert das aber heute nicht ad hoc. Eine komplexe vertrauensbasierte Arbeitsverteilung erfordert ein eingespieltes Team. Es ist schwer zu beurteilen, wer am besten welche Aufgaben übernehmen kann. Doch dieses Problem wird gelöst werden. Wir erleben heute die sich entwickelnde Vernetzung von Information. Wir werden die Vernetzung von Vertrauen erleben und dies wird völlig andere Arbeitsorganisationsformen erlauben. Ich habe mich damit z.B. hier und hier beschäftigt (hier ist eine Übersicht relevanter Artikel von mir).

Wer Menschen institutionelle Macht gibt, überfordert die meisten, tut den Machtbefugten wie ihren Untergebenen Unrecht. Chefs sollten die Diener ihrer Kollegen sein. Sie stehen nicht über ihnen sondern erfüllen – wie alle anderen auch – spezielle Aufgaben für das Team. Hierarchien – auch flache – sind nicht nötig sondern kontraproduktiv. Auf der untersten Organisationsstufe moderner Software-Entwicklung setzt sich hierarchielose Arbeitsorganisation zunehmend durch. Man benötigt, damit das funktioniert, spezielle Arbeitsprozesse.

Doch Hierarchielosigkeit sollte das Leitbild für die gesamte Arbeitswelt sein. Natürlich werden die meisten Chefs ihre komfortable, weitgehend unangreifbare Positionen nicht einfach aufgeben. Die Macht der Chefs wurde über Jahrtausende zu Ungunsten ihrer Untergebenen durchgesetzt. Doch letztlich wird sich das überlegene System durchsetzen.

Dieser Artikel (Englisch) verfolgt sehr ähnliche Ideen aus einer etwas anderen Perspektive.

Vetternwirtschaft 2.0

Das Vertrauensnetz wird die Welt radikal verändern. Aufgrund seiner enormen wirtschaftlichen Bedeutung wird es nicht aufzuhalten sein.

Das soziale Netz ist alles. Egal, worum es geht, Marketing, höheres Management, Politik, Militär, auch die meisten Privat-Leben – immer ist es unerlässlich im Aufgabengebiet Leute zu kennen von denen man weiß woran man ist, und die mit einem zusammenarbeiten. Beziehungen, Vetternwirtschaft, Seilschaften, Vitamin B: alles Wörter für die gleiche Sache. Es gibt keinen Faktor, der eine ähnlich große Bedeutung für den Erfolg hat. Die größten Versager können mit Beziehungen Präsident der USA werden und die größten Genies können ohne Beziehung kaum großen Erfolg haben.

Man mag das beklagen, doch genau so kann man die Schwerkraft beklagen. Wäre es nicht schön, wenn wir alle fliegen könnten? Weiß nicht. Wäre es nicht schön, wenn wir keine Menschen wären? Weiß nicht. Wir sind Menschen und sollten das Beste daraus machen. Wir sind soziale Tiere. Das ist gut. Und wir sind auf Kooperation angewiesen. Auch gut. Vetternwirtschaft ist teils menschlicher Makel, teils aus der Not geborene Strategie um mit einem ganz speziellen Engpass umzugehen: dem allgemeinen Mangel an Vertrauen.

Der Mangel an Vertrauen

Vertrauen ist heute wahrscheinlich der begrenzende Faktor der Wirtschaft. Riesige Kapital-Mengen marodieren auf der Suche nach lohnenden Investitionsmöglichkeit um den Globus. Riesige Arbeitslosenheere verstopfen viele große Volkswirtschaften. Kapital und Arbeitskraft sind im Überfluss vorhanden. Doch wenn eine neue wirtschaftliche Unternehmung gegründet wird – vulgo: ein Startup – ist zunächst das Kapital das existentielle Problem und dann, die richtigen Leute für den Job zu finden.

Und beide Probleme haben die gleiche Wurzel: den Mangel an Vertrauen.

Vertrauen ist eine einzigartige Ressource. Es ist schwer zu verdienen, sehr leicht zu verspielen und nur sehr eingeschränkt übertragbar. Letzteres geschieht durch eine Empfehlung. Diese kann einen Vertrauensvorschuss – Vertrauen auf Kredit! – vermitteln, welcher es erlaubt, sich das Vertrauen auf neuer Position viel schneller zu erarbeiten.

Die Grenzen der Vertrauens-Übertragung

Dieser Vorgang der Empfehlung zeigt, dass Vertrauen durchaus übertragbar ist, wenn auch mit Einschränkungen. Die Einschränkung besteht darin, dass die Übertragung des Vertrauens durch den Mangel an Vertrauen dem Empfehlenden gegenüber beschränkt ist. Der Vorgang der Empfehlung ist so alt wie die Menschheit – für X lege ich meine Hände ins Feuer – und heute durch Arbeitszeugnisse und Empfehlungen formalisiert.

Doch diese Formalisierung stammt noch aus der Ära der Holzmedien. Sie ist enorm umständlich, bürokratisch, ineffizient (Arbeitszeugnisse verwenden z.B. einen speziellen Sprach-Code) und skaliert schlecht bis garnicht. Letzteres bedeutet, dass sie nur für Einzelfallprüfung taugt und sich nicht beschleunigen lässt.

Netzwerke

Wir leben heute in einer Utopie. Der überwiegende Teil der Menschheit ist heute zumindest eingeschränkt Teil des globalen Informationsnetzes und es wird nicht lange dauern, bis fast jeder Mensch uneingeschränkten Zugang zum Informationsnetz haben wird (siehe hier). Das war vor dreißig Jahren völlig unvorstellbar. Und es hat die Welt für die Teilnehmer des Informationsnetzes grundlegend verändert.

Nun stellen Sie sich bitte eine andere Utopie vor: Wir alle seien Teilnehmer eines globalen Vertrauensnetzes. Das Vertrauensnetz unterscheidet sich grundlegend vom Informationsnetz. Ich könnte mir Information theoretisch auch aus einer einzigen Quelle abrufen und es wird gerade versucht, die Netzstruktur des Informationsnetzes genau in diese Richtung um zubauen. Doch das Vertrauensnetz kann ausschließlich als Netzstruktur funktionieren – und es setzt das Informationsnetz voraus.

Ich kann die Vertrauenswürdigkeit einer Person nur beurteilen, wenn ich sehe, welches Vertrauen dieser Person von anderen entgegengebracht wird, welches Vertrauen diesen anderen entgegen gebracht wird und so weiter. Das Vertrauensnetz erfordert also eine netzförmige Informationsübertragung zwischen seinen Teilnehmern.

Vertrauensnetz

Es ist keine Utopie. Das Vertrauensnetz existiert. Doch wir leben in seiner Steinzeit. Wenn Sie alt genug sind, wissen Sie vielleicht noch, wie sich das WWW vor Google angefühlt hat. Information zu finden war furchtbar umständlich. Ein Internetsuche hat meist viel Zeit in Anspruch genommen und man hat bergeweise Information gefunden, die man überhaupt nicht gesucht hat.

Erinnern Sie sich vielleicht auch noch an die Zeit vor den großen Suchmaschinen wie Lycos, Altavista und Metager? Anfang der Neunziger gab es schon große Informationsmengen im Netz, aber sie waren nur sehr schwer zugänglich. Surfen mit Mosaic machte Spaß und war total spannend, hatte aber noch kaum praktische Bedeutung. Es war jenseits der Universitäten eine Spielerei.

Das Vertrauensnetz befindet sich heute irgendwo zwischen diesen ersten Anfängen mit Mosaic und dem Auftauchen von Googles Page-Rank Algorithmus. Doch das Problem des Vertrauensnetzes ist nicht nur das Fehlen einer Suchmaschiene sondern vor allem das Fehlen der tieferen Vernetzung.

Vertrauensnetz-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Immer mehr Dienste bieten Bewertungs-Möglichkeiten für alles Mögliche. Kunden-Reviews von Amazon-Produkten, Bewertungen von Verkäufern auf Ebay, von Handwerkern auf Myhammer, Bewertungen von Geschäften auf Yelp, Bewertungen von Bars, Restaurants und Shops auf Foursquare, Bewertung von Arbeitgebern auf Kununu, Bewertung von Arbeitnehmern auf Dutzenden Freelancer-Plattformen und geschäftlichen sozialen Netzen wie LinkedIn, die Bewertung des persönlichen Wohnumfeldes auf airbnb – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Es gibt heute nur noch wenige Lebensbereiche, für die keine Bewertungsplattformen existieren.

Und dann gibt es noch die großen sozialen Netze, allen voran Facebook. Auch hier finden mit “Freundschaften” und “likes” dauernd Bewertungen statt, auch wenn die Bewertungsmöglichkeiten hier um des sozialen Friedens willen sehr eingeschränkt sind. Es existiert ein riesiges Netz von Bewertungen. Und diese Bewertungen drücken oft Vertrauen aus: ich vertraue diesem Produkt (oder auch nicht), diesem Handwerker und so weiter.

Kein Vertrauen ohne Netz

Doch insbesondere von Amazon ist das Kernproblem bekannt: ausgesprochenes Vertrauen nutzt genau gar nichts, wenn man dem nicht trauen kann, der das Vertrauen ausgesprochen hat. Interessanter Weise funktioniert es anders herum schon einigermaßen: wer brauchbare Produkte bei Amazon sucht, muss Produkte mit vielen Bewertungen suchen und kann sich dann ein brauchbares Urteil aus Zahl und Inhalt der negativen Bewertungen bilden. Die positiven sind irrelevant, da sie oft gefälscht sind.

Denn was fehlt ist die Vernetzung: wüsste ich, dass ich den Bewertern trauen kann, wären die Bewertungen viel hilfreicher.  Natürlich versucht Amazon dieses Problem mit dem Top-Rezensenten-Programm zu adressieren, stellt sich dabei aber gleich wieder selbst ein Bein.

Dasselbe gilt auf allen Bewertungsportalen: Sie sind nicht völlig nutzlos. Doch da meist nur eine einzelne Ebene des Vertrauens abgebildet und nicht tiefer vernetzt wird, ist der Nutzen extrem eingeschränkt. Das Vertrauensnetz steckt noch in seiner Steinzeit.

Aber wird es hier denn eine dem WWW und Informationsnetz vergleichbare Entwicklung überhaupt geben? Handelt es sich nicht um ein Randphänomen? Oh, ja, diese Entwicklung wird es geben. Oh nein, das ist kein Randphänomen. Das soziale Netz ist alles. Das Vertrauensnetz ist eine Killerapplikation. Eine Killerappliation ist eine Anwendung, die zum Selbstläufer wird und ganzen Technologie-Familien zum gesellschaftlichen Durchbruch verhelfen, weil sie so ungemein nützlich sind. Beispiele? Technologie – Killerapplikation:

  • Elektrizität – elektrisches Licht

  • Computervernetzung – Email

  • Internet – WWW

Ein funktionierendes Vertrauensnetz bedeutet, dass ich genau weiß, welchen Bewertungen, welchen Kommentaren, welchen Artikeln ich trauen kann. Dadurch wird der Wert der Information enorm gesteigert; und unsere Gesellschaft mit einer Radikalität transformiert, die die Anfänge der Vernetzung bis heute recht beschaulich aussehen lässt.

Denn der Mangel an Vertrauen hat unsere Gesellschaft geprägt wie kein anderer Faktor. Menschen organisieren sich auf allen Ebenen zu Gruppen, die meist eine gewisse Zeit bestehen. Von der Familie zur Abteilung, vom Fußballverein zu den Bilderbergern: egal, was man erreichen möchte, man benötigt eine Gruppe von Menschen und diese funktioniert nur mit Vertrauen.

Disruption Reloaded

Wenn nun Vertrauen überall reichlich vorhanden ist, ändert das vieles. Natürlich werden die traditionellen Gruppen fortbestehen, sie sind Teil unserer menschlichen Natur. Doch das Vertrauensnetz erlaubt es, unmittelbar Ad-Hoc-Gruppen zu bilden, die sofort effizient arbeiten können. Jedes Mitglied, weiß, was es von den anderen erwarten kann und was nicht, auch wenn sich alle Mitglieder noch nie vorher begegnet sind. Wenn ich irgendeine Aufgabe zu erledigen habe, kann ich mit Hilfe des Vertrauensnetzes sofort die ideale Person zur Lösung der Aufgabe finden.

Es ist möglich, dass sich feste Arbeitsverhältnisse langfristig weitgehend auflösen. Voraussetzung ist das Vertrauensnetz und die Freelancer-Platformen arbeiten genau daran. Doch es sind nicht nur feste Arbeitsverhältnisse betroffen. Die potentielle Änderung der Organisationsform betrifft alle Bereiche der Gesellschaft.

Man mag das beklagen, doch genau so kann man die Schwerkraft beklagen. Es hat (auch?) Vorteile. Es wird zum Beispiel kein Problem sein, einen guten Handwerker zu finden. Und viele meiner utopischen Ideen setzen das Vertrauensnetz voraus.

Jedenfalls wird es sich kaum aufhalten lassen. Denn der wirtschaftliche Vorteil ist enorm. Es lässt sich beobachten, wie die Wirtschaft zunehmend Projekt-orientiert wird. In Teilen der IT-Wirtschaft gibt es einen Trend, nur mit einer Kernbelegschaft zu arbeiten und die Hauptarbeit von Projekt-bezogenen Ab-Hoc-Teams aus Freelancern erledigen zu lassen. Somit haben solche Unternehmen immer die perfekte Mannschaft für die Projekte und müssen keinen Leerlauf bezahlen, wenn die Auftragslage mal mau ist.

Mit zunehmender Automation wird die Projekt-Bezogenheit zunehmen. Denn die eigentliche Produktion, Dienstleistung und so weiter nimmt immer weniger Arbeitskraft in Anspruch. Was mindestens noch eine Weile bleiben wird ist die Markt-Exploration und der Aufbau neuer Produkte, Dienstleistungen, Produktionsabläufe usw. Alls dies ist Projekt-Arbeit. Und es wird in all diesen Bereichen und mehr immer wichtiger für einen recht begrenzten Zeitraum ein Team auch hoch spezialisierten Experten zusammen zu stellen.

Es ist fraglich, ob die starren Strukturen der traditionellen Wirtschaft den immer schnelleren Innovationszyklen gewachsen sein werden. Der Freelancer-Markt wächst stetig und das trotz gering ausgebildetem Vertrauensnetz und obwohl bisher nur spezielle Persönlichkeiten zu Freelancern werden, da die sozialen Sicherungs-Systeme nicht mit diesem radikalen Wandel mithalten.

An anderer Stelle zeigen sich die Auswirkungen des frühen Vertrauensnetzes noch deutlicher: Airbnb und anderen Plattformen ist es gelungen, den Vertrauensmangel in einem speziellen Marktsegment soweit zu sättigen, dass die Branche der vorübergehenden Unterbringung gerade revolutioniert wird. Nebenwirkungen sind niedrigere Kosten und ein erheblich besserer Service für die Kunden. Dieser Artikel bietet eine interessante Diskussion zu dem Thema und geht explizit und ausführlich darauf ein, was das mit Vertrauen zu tun hat.

Echte Markwirtschaft braucht Vertrauen

Abstrakter lässt sich feststellen, dass mit zunehmender Ausbildung des Vertrauensnetzes die Transaktionskosten auf breiter Front einbrechen. Das Vorhandensein und die Höhe der Transaktionskosten bei der Benutzung des Marktes sind überhaupt dafür verantwortlich, dass es Firmen und andere wirtschaftliche Institutionen gibt. Wenn die Transaktionskosten sinken, sollte das dazu führen, das der Markt kleinteiliger wird. Das heißt es gibt viel mehr kleine Anbieter und viel weniger große.

Genau das lässt sich im Unterbringungsmarkt beobachten, womit wir wieder bei obigem Beispiel Airbnb sind. Auch Ebay, Amazon Marketplace und viele andere Angebote, die die Transaktionskosten senken, haben genau den gleichen Effekt.

Für mich ist das ein Grund zum jubeln. Ich glaube, dass der Markt funktionieren würde und die beste Organisationsform der Wirtschaft wäre, wenn man ihm denn eine Chance gäbe. Doch statt vom Markt ist unsere Wirtschaft von Monopolen und Kartellen geprägt. Mit zunehmender reife neigt jeder Markt zu starker Konzentration auf Anbieter-Seite. Das heißt, der Markt schafft sich stets selbst ab. Ein wichtiger Grund für diese Konzentration sind die hohen Transaktionskosten, die durch das Vertrauensnetz massiv gesenkt werden. Ein anderer ist übrigens die Werbung, wie ich hier erörtere.

Wir sehen also Zeiten entgegen, die meinen Idealen deutlich näher kommen. Dieser Artikel stellt das ganz ähnlich dar. Auch hier werden Grenzkosten, Transaktionskosten und der Vertrauensfaktor betrachtet.

Rückkopplung auf die Menschen

Das Vertrauensnetz wirkt natürlich auch auf die Menschen zurück. Wenn ich Mist baue, kann sich das auf das mir entgegen gebrachte Vertrauen auswirken. Und “Mist” kann sowohl fachliche als auch menschliche Dimensionen haben. In einer Welt schnell wechselnder Kooperationen kann es sich z.B. ein Chef nicht leisten, seine Mitarbeiter schlecht zu behandeln – mit ihm würde schlicht niemand arbeiten wollen. Gleiches gilt möglicherweise, für moralisch fragwürdige Unternehmungen: wenn ich z.B. an einem ausbeuterischen Projekt mitarbeite verbaue ich mir damit möglicher Weise meine berufliche Zukunft.

Doch das ist nicht auf den Beruf beschränkt. Wir werden eine Demokratisierung der Wirtschaft erleben. Jemand, der beispielsweise persönlich für die Lieferung von Waffen in Krisengebiete verantwortlich ist, bekommt möglicherweise kein Bier mehr in einer Kneipe. Grund dafür ist der Arschlochdetektor. Man mag den beklagen, aber verhindern wird man ihn kaum. Auch hier wird das z.B. anhand der kaum aufzuhaltenden automatischen Gesichtserkennung erläutert.

Das Vertrauensnetz wird die Welt radikal verändern. Etwas, das so wichtig für unsere Zukunft ist, sollten wir nicht allein zunehmen monopolisierten privatwirtschaftlichen Interessen überlassen. Doch genau das geschieht gerade. Wir brauchen Gesetze, die allgemeinen Zugang zu diesen essentiellen Informationen sichern und Initiativen, die diese Informationen auf öffentlichen Plattformen, ähnlich Wikipedia, zugänglich machen – siehe z.B. KiIsWhoWi.

Hier Archie dort Teamwork

Die Organisation unserer Arbeitswelt folgt überwiegend archaischen Mustern. Das ließe sich – für alle Beteiligten – sehr viel besser und angenehmer regeln.

Wir stammen aus einer Welt in der kaum jemand Ahnung hatte und in der Fehlentscheidungen schnell mal tödlich waren. Zu früh gesät, zu spät? Ernteausfall, Exitus. Gedacht, die Strecke ist sicher? Ausgeraubt, aufgeschlitzt. Krankheit nicht gekannt? Angesteckt, hingestreckt. Wetter verschätzt, rausgesegelt? Blub, blub. Mit dem falschen angelegt? Ganz schlechte Idee.

Hierarchie rettete Leben

Wir stammen aus einer Welt mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von Mitte 40. Wer die Kombination aus Unerfahrenheit, Ahnungslosigkeit und letaler Umwelt lebt, ist sehr froh, wenn er jemanden hat, der brauchbare Entscheidungen für ihn trifft. Wir stammen aus einer Welt, in der Hierarchie einen großen Wert auch für die hatte, die unten in der Pyramide der Macht standen.

Folgerichtig war und ist Hierarchie das zentrale Organisationsprinzip unserer Gesellschaft. Hierarchie ist das System, in dem die vielen Unerfahrenen Ahnungslosen optimal vom Wissen der weisen Wissenden profitieren können. Nicht, dass letztere das nicht gnadenlos ausgenutzt hätten.

Hierarchie ist ein zivilisatorischer Atavismus

Doch in den letzten paar hundert Jahren hat es zwei Entwicklungen gegeben, die die Prämissen grundlegend geändert haben: Die meisten Menschen verfügen über spezialisierte Kompetenzen. Fehler sind kaum noch unmittelbar tödlich. Somit sind alle Gründe, die Hierarchie zum Organisationsprinzip der Wahl machen, obsolet. Hierarchie ist heute ein Atavismus unserer kulturellen Evolution. Sie nutzt nur noch denen, die oben stehen – und wird von diesen entsprechend verteidigt.

In jüngerer Zeit gibt es eine weitere Entwicklung, die die Unterlegenheit der Hierarchie verschärft und offensichtlicher werden lässt: das omnipräsente Datennetz mit seinen im Prinzip gleichberechtigten Knoten. Dieses Netz könnte eine elementare Rolle in einer egalitäreren Organisation unserer Gesellschaft spielen. Doch in diesem Artikel soll es um ein Beispiel gehen, in dem das Netz keine hervorgehobene Rolle spielt: wie könnte eine vernünftigere Organisation der Arbeitsabläufe im Krankenhaus aussehen?

Der Medicus

Es war einmal in einer Welt vor unserer Zeit, da verfügten Ärzte über ein gehütetes Spezialwissen. Ihre Kunst bestand in der Stellung der Diagnose. Die eigentliche Behandlung war aufgrund der sehr beschränkten Möglichkeiten i.d.R. relativ simpel und konnte von weitgehend unqualifiziertem Pflege-Personal durchgeführt werden. Eine echte Prüfung der Diagnose war oft nicht möglich, da es wenig aussagekräftige Analyse-Techniken gab. In diesem Umfeld waren Ärzte unangefochtene Halbgötter auf deren Schultern allein sich Verantwortung und Ruhm verteilten.

Doch dann kam die Aufklärung, dann kamen die Volks-Bildung, die Naturwissenschaft, die moderne Technologie und ein galoppierendes Expertentum, das jeden antiken Arzt neben einer modernen Krankenschwester aussehen lässt wie der schäbige Quacksalber, der er war. Schwestern und Ärzte sind heute Teams mit verteilten Spezialfähigkeiten. Ein Patient benötigt das spezielle Wissen von Schwestern und Ärzten. Es ist keineswegs so, dass Ärzte über alle Fähigkeiten und Erkenntnisse des Pflegepersonals verfügen und lediglich aus Effizienzgründen delegieren.

Arbeit ist eine Team-Sportart

Wie bei fast allen modernen Unternehmen liegt der Erfolg eines Krankenhauses nicht in den arkanen Künsten seiner Halbgötter, sondern im Prozess der alle Team-Mitglieder zusammen zum Erfolg führt. Jede ungewaschene Hand, zahllose Unaufmerksamkeiten oder Therapiefehler von Ärzten oder Pflegern können den Erfolg vereiteln. Nur wenn jeder seinen Job gut erledigt – und das gilt „selbst“ und hier besonders fürs Raumpflege-Personal – kann die gemeinsame Anstrengung von Erfolg gekrönt sein.

Dennoch gibt es ihn immer noch. Schlecht bezahlt und überarbeitet, doch Halbgott bleibt Halbgott. In den Händen der Ärzte liegt nach wie vor die ganze „Verantwortung“ für das Wohl und Wehe der Patienten. „Verantwortung“ bedeutet hier, sie müssen teure Versicherungen abschließen, die einspringen, wenn im „Verantwortungsbereich“ des Arztes z.B. eine Schwester auf Anordnung des Arztes ihre „Kompetenzen“ überschritten hat und dabei ein Fehler unterläuft. Diese Praxis der Konzentration der Verantwortung und Weisungsbefugnis auf die Halbgötter ist genauso deplaziert und anachronistisch wie ein Aderlass.

Orderlass

Doch im Gegensatz zum Aderlass erfreut sich die Hierarchie nach wie vor bester Gesundheit. Denn die wahrhaft großen Führer – jene die zum Erfolg der Geführten führen statt zum eigenen – sind eine seltene Spezies. Und jene, die vor allem den eigenen Erfolg im Blick haben, profitieren trefflich von ihren Führungspositionen.

Das Pflegepersonal hat sehr viel mehr Kontakt zu einzelnen Patienten als die Ärzte. Das Pflegepersonal kümmert sich auch – mit Ausnahme intravenöser Spritzen – um die Verabreichung der Medikation und hat daher bei einem gegebenen Patienten einen besseren Überblick als der Arzt darüber, was der Patient alles bekommt, und wie die Therapie anschlägt. Wenn dieser reiche Informationsschatz von den Ärzten genutzt wird – was durchaus vorkommt – geschieht das nicht wegen des Systems, sondern gegen das System.

Besonders augenfällig ist diese kontraproduktive Arbeitsteilung bei Hebammen und Reproduktionsmedizinern. Erstere umgeben sich mit allerlei Mumpitz und realen Therapie-formen, die das Gesetz ihnen lässt, letztere blicken mit mehr oder weniger Verachtung auf die Hebammen und ihr teils Jahrtausende altes Wissen. Die feine Beobachtungsgabe und der oft enge Kontakt der Hebammen zu den Müttern wird von Ärzten kaum genutzt.

Team-Diagnose

In einer idealen Welt – oder auch in jeder Welt, die den Realitäten der modernen Medizin auch nur halbwegs gerecht würde – wären Ärzte und Pflegepersonal Teil gleichberechtigter Teams. Natürlich können Schwestern Diagnosen stellen. Einen Patienten allein der Diagnose einer einzigen Schwester zu überlassen ist natürlich genau so idiotisch, wie ihn der Diagnose eines einzigen Arztes zu überlassen.

Es gibt nichts wichtigeres als Gesundheit. Sie ist das höchste Gut, das wir haben. Diesem Wert ist ein einzelnes Urteil niemals angemessen. Das Team muss gemeinsam überzeugt sein von der Diagnose – oder mehrere Pfade gleichzeitig verfolgen. Wertvolle Informationen wie die Beobachtungen, die Schwestern über Tage machen, einfach wegzuwerfen, ist eine bemerkenswerte Torheit.

Fehler und Verantwortung

Und wenn eine Schwester eine Fehldiagnose stellt? Dann haftet sie. Es ist jedoch falsch, ein Mitglied eines Teams alleine haften zu lassen. Es müssen alle zusammen überzeugt sein, also müssen sie auch zusammen haften. Ein Pfleger, der gerade von der Schule kommt und mit der Ausbildung beginnt, kann natürlich nicht die gleiche Verantwortung übernehmen, wie ein erfahrener Arzt. Ein auszubildender Pfleger haftet also mit einem deutlich geringeren Anteil als der Arzt.

Wer mit welchem Anteil haftet hängt von der individuellen Kompetenz ab. Diese wird durch gegenseitige Zuschreibung in einem System wie KiIsWhoWi ermittelt. Jeder teilt dort mit, für wie kompetent er andere in Fachgebieten hält. Jemand, der von anderen für kompetent gehalten wird, hat in seiner Fachdisziplin eine größere Wertungskraft als „Inkompetente“. In so einem System trüge eine erfahrene Hebamme eine größere Verantwortung als ein Arzt frisch von der Uni – und so sollte es auch sein.

Vertrauen und Verantwortung

Ich sollte auch nicht für Fehler von Kollegen haften, die ich für inkompetent halte. Wenn also eine Fehlentscheidung getroffen wird, haftet zunächst der oder die EntscheiderIn. Dann wird geschaut, wie die Kompetenz und das gegenseitige Vertrauen im Team  verteilt sind und die Haftung ausgehend vom Entscheider entsprechend verteilt. Jedes Teammitglied kann mit diesem Wissen selbst entscheiden, wie viel Verantwortung es übernehmen möchte, ob es Entscheidungen trifft oder Mangels „Deckung durchs Team“ lieber anderen überlässt.

Da Ärzte in der Regel über besondere Kompetenzen verfügen, würde sich oberflächlich betrachtet gar nicht viel ändern. Doch tatsächlich würde sich sehr viel und sehr grundlegend ändern. Es gäbe keinen Chef per Dekret mehr. Führung und Verantwortung wären abhängig vom gegenseitigen Ansehen. Erfahrene Schwestern trügen große Verantwortung. Senile Professoren verlören nach und nach ihren Status. Ärzte, die nicht teamfähig sind, könnten entsprechend auch keine Teams führen. Es wäre eine Arbeitswelt, wie sie sein sollte.

Dank

Dieser Artikel ist aus einer Diskussion mit Christiane Kretschmer entstanden.
Vielen Dank Christiane.
Christiane kennt die Abläufe im Krankenhaus aus erster Hand –
von Seiten des Pflegepersonals. Ihre Einsichten, decken sich mit
denen meiner Mutter, die die gleichen Missstände aus Sicht der
Ärzteschaft kritiert hat.

Regierung mal anders

Hier stelle ich eine Alternative zur Demokratie vor. Ein System, das die Ideale der Demokratie um zu setzen versucht – ohne Wahl, ohne Lobbyismus, ohne Regierung im klassischen Sinn, doch mit effizienten klar umrissenen Entscheidungs-Prozessen.

In meinem letzten Artikel habe ich erörtert, woran unsere Demokratie gescheitert ist. Was kann man nun daraus lernen? In diesem Artikel stelle ich die Grundsätze eines Regierungssystems vor, das die Lehren aus dem Scheitern der Demokratie zieht.

Woran ist unsere Demokratie gescheitert?

Doch zunächst werden ich diese Lehren hier noch einmal kurz rekapitulieren, Details finden sich im besagten Artikel. Der Prozess des Interessenausgleichs basiert in der Demokratie auf dem Kuhhandel zur Förderung der Karrieren von Berufspolitikern. Dies trägt wesentlich zur Entfremdung der Konstituenten der Demokratie von ihrem politischen System bei. Aufgrund der begrenzten Legislaturperioden ist der Zeithorizont demokratischer Entscheidungen zu kurz um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen.

Diese beiden Faktoren – Entfremdung und Unfähigkeit zur Lösung zentraler Probleme – haben unsere Demokratie strukturell stark geschwächt. Während die vierte Gewalt – unser Mediensystem – mit seinem eigenen Ausverkauf beschäftigt war, nutzten mächtige Partial-Interessen diese und andere Schwächen unseres kränkelnden System, um ihm den Garaus zu machen. Heute können wir nur noch die mehr oder weniger unterhaltsame Aufführung einer marktkonformen Demokratiesimulation bewundern.

Und was kann man daraus lernen?

Eine Lehre, die man daraus ziehen kann ist, dass wir ein Mediensystem brauchen, das sich nicht so leicht korrumpieren lässt. Damit habe ich mich z.B. hier und hier beschäftigt. Nun geht es um das eigentliche politische System. Dieses muss drei zentrale Forderungen erfüllen, ohne den Vorteil der repräsentativen Demokratie, den Interessenausgleich, aufzugeben.

  1. Es muss eine starke Identifikation zwischen Staat und Bürgern fördern.

  2. Es muss einen langen Zeithorizont für Entscheidungen erlauben.

  3. Es muss extrem Widerstandsfähig gegen Unterwanderung durch Partial-Interessen sein.

Einer für Alle

Es gibt zahlreiche Faktoren, die uns heute eine Identifikation mit unseren Volksvertretern sehr schwer machen. Das fängt schon damit an, dass es immer sehr viele Beteiligte bei allen Entscheidungen gibt. Theoretisch werden die Entscheidungen vom Parlament mit einigen hundert Abgeordneten getroffen. In der Praxis sind es Dutzende von gesichtslosen Karrieristen, die unsichtbar hinter den Kulissen ebenso unsichtbare Fäden ziehen. Unterdessen sondern im Vordergrund ein paar aalglatte Rhetorik-Profis genau geplante Worthülsen in feinstem Neusprech ab. Wenn man gezielt versuchte, Identifikation unmöglich zu machen, könnte man es kaum besser machen.

Die tieferen Ursachen für die Unmöglichkeit der Identifikation sind

  • die Zahl der Beteiligten,

  • die Intransparenz der eigentlichen Entscheidungsfindung,

  • die Tatsache, dass die Entscheider keine normalen Menschen sind, sondern mediale Inszenierungen von Profis im Wieder-Gewählt-Werden.

Kompetenz & Motivation

Ich schlage ein System vor, in dem jede Entscheidung jeweils von wenigen Menschen getroffen wird; In dem die Entscheider keine Profis darin sind, sich vor den Menschen, die sie vertreten, möglichst gut zu verkaufen; In dem völlig transparent ist, wer die Entscheidung trifft. Das sind optimale Bedingungen für die Identifikation der Bürger mit ihrem politischen System.

Zunächst muss man Menschen finden, die die Entscheidungen treffen sollen. Dazu muss das Grundproblem jedes politischen Systems gelöst werden, das irgendwie im Sinn seiner Bevölkerung handeln soll. Das Problem besteht darin Menschen zu finden, die

  1. kompetent sind, die anstehenden Entscheidungen zu treffen und die

  2. motiviert sind, im Interesse der Bevölkerung zu entscheiden.

Ich bestreite, dass unser System der Wahl auch nur eine dieser beiden Anforderungen im Fokus hat. Unser System sucht Selbstdarsteller aus, die psychisch relativ stabil sind, sich wenige all zu große Skandale leisten und die ihre unmittelbare Bedürfnisbefriedigung auf die Zeit nach ihrer politischen Karriere verschieben können – unser System ist völlig korrupt, aber die Auszahlung findet meist erst nach Niederlegung der Ämter statt. Tony Blair, Gerhard Schröder, ehemalige Mitglieder amerikanischer Regierungen – alles absolute Top-Verdiener.

Weder Kompetenz noch das Interesse der Bevölkerung spielen da eine große Rolle. Lediglich all zu krasse Auswüchse werden gehemmt.

Kompetenz

Ich habe mit KiIsWhoWi ein System vorgestellt, mit dem sich die Kompetenz von Menschen in bestimmten Fachgebieten ermitteln lässt. Es handelt sich um eine Art Who is Who Wiki, wo jeder seine Meinung kund tun kann und wo aus Einzel-Meinungen in einer Abwandlung des wissenschaftlichen Peer-Review-Prozesses eine Urteil ermittelt wird. Dieser Artikel ist schon ein paar Jahre alt, und mittlerweile gibt es derartiges bereits vielfach. Wer einen Finanzberater sucht, kann das beispielsweise bei Google Maps tun. Dort finden sich auch zahlreiche (teils gefälschte) Urteile. Etwas weiter treibt es beispielsweise dieser Service zum Auffinden eines kompetenten Arztes für bestimmte Malessen.

Das Problem, kompetente Menschen zu beliebigen Themen zu ermitteln, ist gelöst. Mindestens der wissenschaftliche Betrieb hat eine Lösung etabliert und diese lässt sich verallgemeinern und mit technischen Mitteln auf die gesamte Bevölkerung übertragen. KiIsWhoWi legt dar, wie dieser Prozess bereits heute als Teil des normalen Zusammenlebens etabliert wird und welche enormen Vorteile es hätte, diesen Prozess aus der Kommerzialisierung zu befreien – Vorteile weit jenseits der Regierungsbildung.

Motivation

Wie kann man also die so gefundenen kompetenten Menschen motivieren, langfristig und im Sinn der Bevölkerung zu entscheiden? Die Antwort liegt wieder zu einem großen Teil in der Auswahl. Man kann nicht nur Kompetenz beurteilen, sondern auch den Charakter von Entscheidern. Um Entscheidungen für alle zu treffen, sollten nur charakterlich einwandfreie Personen ausgewählt werden.

Doch mindestens ebenso wichtig ist der Auswahl-Prozess selbst. Wir sind ständig den Urteilen unserer Mitmenschen und Nachbarn ausgesetzt. Doch meist erfahren wir davon wenig. KiIsWhoWi macht diese Urteile transparent.

Geld regiert die Welt

Das mag man ablehnen, doch was ist die Alternative? Heute ist der wichtigste gesellschaftliche Faktor für die Beurteilung eines Menschen sein Reichtum. Zur Schau gestellter Reichtum ist der Weg, sich vor seinen Mitmenschen aus zu zeichnen. Viele Menschen versuchen daher Reichtum zu erlangen. Unser Differenzierungs- und Auswahl-System fördert so direkt unmoralisches, asoziales Verhalten, Bereicherung auf Kosten anderer. Anderen zum eigenen Vorteil zu schaden ist nach unserem am weitesten verbreiteten und anerkannten Standard etwas Gutes.

Wenn man den Menschen die Möglichkeit, sich vor ihren Mitmenschen auszuzeichnen, nicht gänzlich nehmen möchte, dann sollte man dieses Streben vieler Menschen nach ein wenig Ruhm wenigstens zum Guten wenden. Indem das fortgesetzte gegenseitige Urteil eine große Bedeutung in unserem Zusammenleben bekommt, wird es für die Entscheider viel wichtiger, sich ihren Mitmenschen gegenüber korrekt zu verhalten.

Arschlochalarm

Eine politische Entscheidung ist eine einzigartige Chance für den Entscheider. Er kann sich bereichern, oder er kann seine Reputation verbessern. Wenn er das richtige tut, bekommt er in der Kneipe sicher ein Bier ausgegeben. Wenn er das Falsche tut, kann er sich vielleicht nicht einmal mehr ein Bier kaufen – weil ihm schlicht keins verkauft wird, egal, was er zahlt.

Man bedenke, dass Smartphones erst der Anfang sind. Mit Google Glass steht gerade die nächste Stufe des Life-Logging-Device vor der Tür. Wir kommen aus einer Welt, in der Information schwer zugänglich war. Mit der beginnenden Vernetzung wurde sie leichter zugänglich. Mit Google Now beobachten wir gerade einen der ersten Dienste, der Information Kontext-Abhängig automatisch einblendet. Die Information kommt zu uns. Wir werden bald in einer Welt leben, wo Informationen zu der Person, die die Kneipe betritt, automatisch eingeblendet werden, wenn das für uns relevant ist. Mit dieser Technik auf Google Glass wäre das bereits heute möglich. Und das ist sicher erst der Anfang. Wenn diese Informationseinblendung der Arschlochalarm ist, ist das gar nicht gut für den, der seine Entscheidungsbefugnis missbraucht hat.

Resistenz gegen Lobbykratie

Wir haben also eine Möglichkeit, einen starken positiven Motivations-Faktor für unsere Entscheider zu schaffen. Doch auch das dürfte nicht reichen, eine Regierung vor der Unterwanderung durch Partial-Interessen zu schützen. Um einen optimalen Schutz zu erreichen, muss man den Entscheidungsprozess zu einem beweglichen Ziel machen. Heute sind unsere Entscheider Jahre, teils Jahrzehnte lang den Einflüsterungen der Lobby ausgesetzt. Dieses ewige Dauerfeuer sowie die korrumpierende Wirkung der Macht selbst sind mehr, als die meisten Menschen auf Dauer verkraften.

Ein politischer Entscheider sollte daher nur sehr kurz agieren, sollte idealer Weise nur genau eine politische Entscheidung treffen. So wird der Einfluss seiner Entscheidung auf seine Reputation maximiert und der Einfluss der Lobby minimiert.

Langfristigkeit

So kommt auch der Faktor der Langfristigkeit in den Entscheidungsprozess. Die Pflicht, eine Entscheidung für alle Mitmenschen zu treffen, ist so eine einzigartige Chance für das ganze eigene Leben. Plötzlich steht man im Rampenlicht. Die Entscheidung, die man trifft, wird großen Einfluss auf die eigene Reputation für den Rest des eigenen Lebens haben. Denn einmalig wird man von vielen Menschen beurteilt, von denen man sonst nie wieder etwas hören wird. Es ist also eine Entscheidung auf Lebenszeit und in wenigen Fällen sogar darüber hinaus. Ein längerer Zeithorizont wird sich für Entscheidungen kaum erreichen lassen.

Zusätzlich zu diesen intrinsischen Schutzmechanismen gegen Lobbykratie, sollten bestimmte Formen politischer Einflussnahme grundsätzlich Untersagt werden. Dies fiele zum Beispiel unter das hier vorgeschlagene generelle Werbeverbot. Statt dessen sollten die Entscheider sich die nötigen Information jederzeit holen können. Dies würde schon durch die umfassende Transparenz ermöglicht, die ich für alle öffentlichen (auch wirtschaftlichen) Lebensbereiche fordere.

Technokratie?

Der Umstand, dass hier nach Kompetenz ausgewählt wird, könnte einen auf die Idee bringen, dass es sich bei meinem Vorschlag um eine Form der Technokratie handelt. Dem ist keineswegs so. Das wesentliche Merkmal einer Technokratie sind Technokraten – eine Klasse von professionellen Entscheidern, die allein nach sachlichen Kriterien entscheidet. Kompetenz macht keinen Technokraten, sondern seine Entscheidungskriterien.

In der Technokratie sind das reine Sachkriterien. In meinem Vorschlag hingegen ist der Maßstab das Urteil der Mitmenschen. Es ist genau das, was es in einer Demokratie sein sollte aber nicht ist. Im Ideal der Demokratie steht im Mittelpunkt der demokratische Diskurs, die Debatte, der Meinungsaustausch. Tatsächlich ist dies bei uns zu einem reinen Schauspiel verkommen. Wenn legislative Entscheidung zur Basis der Reputation werden, bekommt der Diskurs wieder eine viel größere Bedeutung.

Ebenso wichtig ist es, die fatale Nähe von Mächtigen zu ihren Hofberichterstattern aufzubrechen. Dies geschieht in den von mir vorgeschlagenen System automatisch dadurch, dass die „Mächtigen“ ständig wechseln. So kommt es gar nicht er zu der persönlichen Nähe zwischen Politik und denen, die darüber Berichten. So kann der Diskurs sich wieder frei entfalten.

Zudem kann von Technokraten schon gar keine Rede sein. Denn es gibt ja weder Techno- noch sonst welche -kraten. Wer nur eine oder wenige Entscheidungen in seinem Leben trifft, kann kein professioneller Politiker werden.

Frau des Volkes

So jemand bleibt ein Mann oder eine Frau des Volkes. Es sind die berühmten 15 Minuten Ruhm – oder eher fifteen minutes of blame. Auf diese Weise sowie dadurch, dass es jeweils nur wenige Entscheider gibt, wird auch die Identifikation der Bevölkerung mit den Entscheidern und ihrem politischen System gefördert.

One Man One Vote

Was wurde aus dem Prinzip „Ein Mensch, eine Stimme“? Es war ein wichtiger und richtiger Schritt in unserer kulturellen Entwicklung. Ohne dieses Prinzip wäre unsere Welt heute wahrscheinlich ein noch deutlich schlimmerer Ort. Doch wenn sie uns auch paar Schritte in die richtige Richtung gebracht hat, so konnte die Demokratie ihre großen Versprechen letztlich doch nicht erfüllen.

Das romantische Ideal von „Ein Mensch, eine Stimme“ ist gerade, dass jede Stimme zählt, das niemand überhört wird. Doch die Realität der Demokratie verkehrt dieses Ideal in sein genaues Gegenteil: Eine einzeln Stimme wird grundsätzlich überhört, wenn sie nicht in den Chor der Masse einstimmt. Selbst große Minderheiten, wie Homosexuelle, werden Jahrzehnte lang tyrannisiert, wenn nicht zufällig „political correctness“ zur Mode wird.

Die Anwohner des Wendlandes (Gorleben, oder wo immer das Endlager letztlich landet) werden nach ihrem subjektiven Empfinden gar von der Mehrheit ihrer Heimat beraubt. Da braucht niemand mit „rationalen Argumenten“ zu kommen. Atommüll in meinem Hinterhof ist ein drastischer Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte. Demokratie ist die Diktatur der Mehrheit.

Das hier vorgeschlagene Prinzip gibt einzelnen dagegen tatsächlich eine Stimme. Wenn meine politische Entscheidung einem einzelnen massiv schadet, kann dieser das bei KiIsWhoWi über mich schreiben. Andere können das dann lesen, und beurteilen, ob meine Entscheidung dennoch gerechtfertigt war.

Das Ideal von „Ein Mensch, eine Stimme“ ist richtig. Doch um das Ideal zu erreichen, muss man sich gerade von diesem Prinzip verabschieden.

Die Demokratie ist Prinzip-bedingt unfähig unsere zentralen Probleme zu lösen und sie bietet nur unzureichenden Schutz gegen Inkompetenz und Usurpation. In der letzten großen Weltwirtschaftskrise hat sie sich konsequent abgeschafft und in dieser ist sie gerade wieder dabei. Demokratie hatte ihre Berechtigung, doch sie ist nicht das Ende der Geschichte.

Ein neuer Weg

Dies sind die Prinzipien eines politischen Systems von den Menschen für die Menschen: Eines Systems, das kompetente Entscheider wählt und sie motiviert, langfristig und im Sinn des Volkes zu entscheiden; Das resilient ist und resistent gegen Lobbykratie und Usurpation; Das es den Bürgern ermöglicht, sich mit ihrem legislative System zu identifizieren; Das die großen zentralen Probleme unserer Gesellschaft mit ihrem sehr langen Zeithorizont angehen kann.

Ich habe einen legislativen Prozess, der diese Prinzipien beherzigt, hier exemplarisch dargelegt. Dies ist nur ein Beispiel, wichtig sind die Prinzipien: Gegenseitiges Ansehen muss wichtiger sein als Geld, Kompetenz und Integrität sind Voraussetzungen für legislative Entscheidungen, Entscheider treffen nur eine oder wenige Entscheidungen, die große Bedeutung für ihr ganzes Leben haben, der Prozess ist transparent und frei von gezielter Einflussnahme.

Imagine Trust

Imagine finding people with the right competencies, people whom you could trust to solve your problems were utterly trivial.

Lend me your mind, imagine. Imagine yourself in a foreign country, in a huge city, in distress. Imagine you pull out your smartphone, fire up that app, and make your choices. You sway its camera at the hundreds of passersby. There, it highlights that gal, highlights her because out of the hundreds of people around you she is the one you chose. She is trustworthy, kind, helpful, speaks your language and knows what it takes to get you out of your calamity. “Excuse me miss?” You are right on your way out of your dire straights.

Imagine you are in a room full of the strangers you called upon to help with this new project. Right when you get up to commence this start up meeting the door opens. Your phone gives off a tiny sound. Its asshole alarm. No problem, nothing to worry about. Maybe you’ll read up on what caused people to label this latecomer so unfavorably. You may talk to him about it and tell him what you expect of him. Or you’ll just have an eye on him throughout the project.

Imagine you lived in a world pervaded by an ubiquitous network. Imagine a globe spanning web of people, linking you, me, everyone. Cliquism, nepotism, cronyism, favoritism … these are all solutions to a fundamental problem in the organization of human society – the problem of finding people who you can trust to rise to the challenges you set them. We will not need these superannuated solutions. We may not even need hierarchies.

All we need is to know about each other. We need to know about our capabilities and characters. Or rather, we just need a way to find out, a way that is considerably easier than what we have. The good news is, we already have that knowledge. We just need to share it. With this knowledge at our fingertips there is nothing that the web of people cannot do. We can change our lifes and the organization of the world by sharing this knowledge.

This is what Ki is Who Wi is about – sharing that kind of knowledge. The original article about this idea is here. The project is currently under development hereKiIsWhoWi the Who is Who Wiki matters because the Key is who we are.

Mobbing als Chance

SchülerVZ gibt Schülern die Möglichkeit, sich gegenseitig zu beurteilen. Nur positive Bewertungen werden angezeigt. Ganz klar: das ist eine Mobbingplattform. Oder?

Ahhh, Weihnachtszeit, Zeit der Liebe, Zeit auf diesen dummen geldgeilen unfähigen Arschlöchern von SchülerVZ rumzuprügeln. Zeit mich unbeliebt zu machen.

Kontext: SchülerVZ gibt Schülern die Möglichkeit, sich gegenseitig zu beurteilen. Nur positive Bewertungen werden angezeigt. Ganz klar: das ist eine Mobbingplattform.

Ich war immer ein Außenseiter. Privat, in der Schule, an der Uni. Ich hatte entweder großes Glück, oder auf meiner Stirn steht einfach nicht „Opfer“. Jedenfalls hatte ich das Glück, stets zusehen zu dürfen, wie andere gemobbt wurden statt selbst das Opfer zu sein. Aber soweit ich mich erinnere, war praktisch immer irgendwer das Opfer. Mal war es schlimmer, mal aber auch absolut persönlichkeitszerstörend. Ja, gab auch friedliche Zeiten. Und es war nie ein Geheimnis unter uns Kindern. Es war völlig klar, wer dran war. Es war natürlich auch immer klar, wer beliebt ist und wer nicht.

Willkommen im Netz. Plötzlich können Eltern das ganze Ausmaß dieser brutalen Misshandlungen sehen. Und was passiert? Shitstorm! Weg damit, hinter die bürgerliche Fassade!

Mir scheint, SchülerVZ dokumentiert für die Schüler nichts, was die nicht ohnehin wüssten. Einige bekommen wahrscheinlich eine Gelegenheit zur Korrektur ihres Selbstbildes. Aber durchs Netz geht ein Sturm der Entrüstung. Was ist mit den armen Kindern, die weniger Punkte kriegen als die anderen??? Ja was denn? Die bekommen eine Gelegenheit zu erkennen, dass das Leben kein Beliebtheitswettbewerb ist. Dass 1000 Facebook Freunde einen Scheiß bedeuten im Vergleich zu einem echten Freund.

Und wir Älteren bekommen die Gelegenheit, zu sehen, was da passiert. Wir können unsere Kinder Fragen, was da los ist, ob die oder der unbeliebt sind. Mobbing gibt es immer. Cybermobbing hat sicher schreckliche Aspekte, die real life Mobbing nicht hat. Und hier macht SchülerVZ den riesigen Fehler, Anonymität zu gewähren. Wer andere bewertet, soll gefälligst mit seinem Namen dafür stehen. Hinten rum geht gar nicht. Chance verpasst SchülerVZ.

Lasst uns wenigsten versuchen, diese Chance zur Teilhabe am Leben unserer Kinder zu nutzen. Mobbing so schnell wie möglich zu erkennen. Und zu handeln.

Arschlochfreie Zone

Eine Diskussion, die die Ziele und Hintergründe von KiIsWhoWi verdeutlicht.

Ich marodierte so durchs Netz, da animierte mich ein Bild zum Klugscheißen. Was folgte war eine wundervolle Diskussion, die relativ knapp einige zentrale Aspekte der KiIsWhoWi Idee verdeutlicht. Diese Diskussion ist unten ungekürzt wiedergegeben. Dank an den anonymen Spender, der mir seine Gedanken für mein Blog geschenkt hat!

Neulich im Netz

Ich: Hach, schön, muss ja jeden ansprechen, der sich für einen Intellektuellen hält. Leider Quatsch. The whole problem with the world is that wir einen Arschlochselektor aus ihr gemacht haben. Und die weisen Arschlöcher sind die schlimmsten.

Er: Der Gefahr, dass man mit solch einem Post als sich im eigenen Lichte sonnender Intellektueller rüberkommt, war ich mir bewusst 🙂

Aber kannst du den „Arschlochselektor“ etwas genauer definieren?

Ich: Das Problem ist nicht, dass Du Dich im eigenen Licht sonnst, sondern dass Du mir in der Sonne stehst 😉

Meine These ist, dass nicht Gier nach Geld, Macht oder was auch immer die meisten Menschen antreibt, sondern „Gier“ nach sozialer Anerkennung. Unsere Gesellschaft bevorzugt in allen öffentlichen Belangen anti-soziales Verhalten. Das wichtigste Maß für soziale Anerkennung ist bei uns Geld und das zu erlangen – vor allem in größeren Mengen – geht i.d.R. leichter antisozial. Das gilt besonders für größere wirtschaftliche Macht. Die Studie über Investment-Banker und Soziopathen kennst Du wahrscheinlich. Politische Macht basiert meist auf Abgrenzung statt Integration (Position deutlich machen), darauf politische Gegner schlecht zu machen (völlig unabhängig davon ob sie gerade etwas Vernünftiges sagen oder tun) und politisch Gleichgesinnte zu benutzen oder auszuschalten. Das durchzieht unsere ganze Gesellschaft.

Und gleich noch Klarstellung, weil das sonst falsch verstanden werden muss: Ich finde Wettbewerb prima. Nur sind unsere Erfolgsmaßstäbe beschissen.

Er: Hm, ich glaube nicht, das „wir“ die Welt erst dazu gemacht haben. Gier oder – dezenter ausgedrückt – der Wunsch nach sozialer Anerkennung in welcher Ausprägung auch immer war meiner Meinung nach immer schon Antrieb der Menschheit. In den afrikanischen Steppen war das nur in kleinem Maßstab möglich, heute geht das global und mit ungleich größeren Auswirkungen auf Andere. Der Wunsch nach sozialer Anerkennung spiegelt sich im Kleinen nicht zuletzt auch in den +1-Buttons in sozialen Netzwerken wider.

Dazu passt ein anderes Zitat: wir müssen die Menschen nehmen, wie sie sind. Es gibt keine anderen.

Ich: Ja, da stimme ich voll zu. Aber wir können die Maßstäbe des Erfolgs ändern. Nicht, dass das leicht wäre …

Er: Das kann jeder nur für sich selbst machen und hoffen, dass er nicht allein bleibt damit. Eine Eskalation, wie wir sie derzeit erleben, kann sogar hilfreich sein, viele dazu zu veranlassen, ihre Maßstäbe zu überdenken.

Ich: Nein, das kann nicht jeder nur für sich allein tun. Wie Du richtig festgestellt hast, spielt heute der +1 Button eine nicht unwesentliche Rolle. Das war früher nicht so, das ist eine Änderung der Maßstäbe und die habe ich nicht für mich selbst gemacht.

Er: Die hast du nicht gemacht, aber du kannst sie nutzen oder eben nicht. Du kannst für dich selbst entscheiden, was dir als Maßstab für den „Wert“ anderer Menschen wichtig ist und sie danach beurteilen.

Ich: Na, da überschätzt Du das Individuum glaube ich etwas. Ich vermute die aktuelle Ausgestaltung der gesellschaftlichen Erfolgsmaßstäbe geht wesentlich auf den Calvinismus zurück. Das Internet gibt uns die Chance, neue Maßstäbe zu etablieren, tatsächlich geschieht das bereits. Natürlich geschieht es wieder einmal nicht bewusst. Mal schaun, was diesmal daraus wird.

Er: Ich habe keine hohe Meinung vom Individuum. Aber wer sagt denn, dass meine Maßstäbe die global seeligmachenden sind? Wer dürfte denn für alle entscheiden, nach welchen Maßstäben wir leben sollten? Das würde ich eventuell noch Nelson Mandela in die Hand geben, dann wird’s aber schon dünne. Ich kann nur für mich nach den Maßstäben leben, die ich als richtig empfinde. Und die Mitglieder der „Gesellschaft“, in der ich mich bewege, nach Möglichkeit danach aussuchen. Welche anderen Möglichkeiten gäb’s denn noch, darauf Einfluss zu nehmen? Die Macht des Kollektivs im Internet? Die setzt sich auch aus lauter Individuen zusammen.

Ich: Ich find anti-soziales Verhalten doof und scheinbar geht das den meisten Menschen so. Also brauchen wir „nur“ dafür zu sorgen, dass das sehr schwer zu verstecken ist, schön dokumentiert wird und für alle immer fein abrufbar ist.

Er: Und das soll dann diejenigen von unsozialem Verhalten abhalten, denen das jetzt schon am A… vorbei geht? Ich bin ja noch desillusionierter als Du 😉

Ich: Ja soll es. Ich will eine SmartPhone App, die einen hörbaren Alarm auslöst, wenn mir ein Arschloch gegenüber steht (natürlich nach Maßgabe meiner Filtersouveränität). Das dauert noch ein paar Jahre, dann ist das technisch machbar. Und es könnte die Welt verändern.

Er: Die App für die arschlochfreie Zone? Dafür wär‘ ich sogar bereit einen Jailbreak zu machen, falls die im Apple-Zulassungsprozess hängen bleiben sollte!

KiIsWhoWi Update

KiIsWhoWi Bewertungskategorien werden komplett von den Nutzern festgelegt werden. Die wichtigsten Argumente werden kurz erläutert.

Ich habe mich entschlossen, die Bewertungskategorien von KiIsWhoWi allein von den Usern festlegen zu lassen. Zu verdanken ist dieser komplette Sinneswandel meinerseits Ankes Sturheit, die zurecht auf ihrem Standpunkt beharrte. Hier lege ich kurz die Argumente dar, die mich lange von diesem Schritt abgehalten habe, und jene, die mich letztendlich überzeugt haben.

Contra

Ich habe KiIsWhoWi zwar immer als eigenständiges Projekt gesehen, doch ich habe es auch immer als notwendige Voraussetzung für Extreme Governing gesehen. Und in diesem Zusammenhang hielt ich die vorgegebene Kategorisierung eigentlich für notwendig, denn hierfür ist es wichtig, die Kategorien in Zusammenhang zu bringen. Diesen Zusammenhang nachträglich herzustellen bedeutet einen großen Aufwand, der von mir kaum zu bewältigen ist.

Außerdem stellt die nachträgliche Herstellung dieses Zusammenhangs eine Verzerrung der Ergebnisse dar. Wenn ich dies nachträglich umsetzte würde dies einen Akt der Willkür darstellen, der so von manchen Nutzern sicher nicht akzeptiert würde.

Pro

Die Idee zu KiIsWhoWi ist stark von Wikis inspiriert. Wikis werden bekanntlich von Nutzern gestaltet. Die vorherige Festlegung der Kategorien würde eine zu starke Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten darstellen. Viele Nutzer würden sich durch das enge Korsett der vorgegebenen Möglichkeit unangenehm eingeschränkt fühlen.

Die Kategorien dienen zunächst dazu, Nutzern einen schnellen übersichtlichen Überblick über die bewertete Person zu geben. Vorgegebene Kategorien würden diesen Nutzen viel zu stark einschränken. Es gibt Dinge, die sich sehr sinnvoll bewerten ließen, sich aber unmöglich in vorgegebene Kategorien gießen lassen. Beispiele hierfür sind tiefgehende Kenntnisse spezieller Systeme, zum Beispiel des Programmcodes von KiIsWhoWi, Kommunikationsfähigkeiten bezüglich spezieller Personen, zum Beispiel „X ist der einzige, der Y folgen kann und auf den Y hört“ (dies ist übrigens auch für Extreme Governing relevant, siehe Ideen zur Außenpolitik), oder besondere Ortskenntnisse, zum Beispiel Kenntnisse einer bestimmten Höhle oder einer bestimmten Stadt. Diese Reihe ließe sich wahrscheinlich länger fortsetzen. All diese nützlichen Informationen auszuschließen ist nicht sinnvoll.

Wenn auch die Nutzer einen Nutzen darin sehen, Kategorien in einen Zusammenhang zu bringen, dann kann man es auch den Nutzern überlassen, diesen Zusammenhang herzustellen. Dies macht das Problem zu einem leicht zu bewältigenden und schließt Willkür meinerseits aus.

Danke Anke.

KiIsWhoWi braucht Deine Hilfe

KiIsWhoWi soll unter anderem die Möglichkeit bieten, beliebige Personen zu bewerten. Ich suche Feedback zu der Frage, nach welchen Kriterien diese Bewertung erfolgen soll, welche Schulfächer quasi benotet werde können.

KiIsWhoWi the
Who is Who Wiki matters because the
Key is who we are.
KiIsWhoWi soll unter anderem die Möglichkeit bieten, beliebige Personen zu bewerten. Ich suche Feedback zu der Frage, nach welchen Kriterien diese Bewertung erfolgen soll, welche Schulfächer quasi benotet werden können.

KiIsWhoWi soll eine nicht-kommerzielle Plattform werden, auf der man Informationen zu beliebigen Personen teilen kann. Mir ist bewusst, dass dies ein sehr kontroverses Projekt wird. Mit dem Für und Wider habe ich mich hier auseinandergesetzt. KiIsWhoWi soll die Möglichkeit bieten, eindeutig identifizierte Personen zu bewerten und beliebig editierbare Kommentare zu ihnen abzugeben. Es wird vorerst keine Diskussions-Threads geben. Man wird zu jeder Person (auch sich selbst) genau einen Kommentar abgeben und diesen immer wieder ändern (oder löschen) können. Missbrauch soll durch ein eingebautes Web-of-Trust eingedämmt werden. Die Entwicklung ist schon relativ weit fortgeschritten, das Projekt könnte in absehbarer Zukunft online gehen.

Die offene Frage ist nun, wie die Bewertung von statten gehen soll. Eine Grundannahme ist, dass Bewertungskriterien in einem Baum organisiert sind. Wer in einem Kriterium gut bewertet ist, hat für dieses Kriterium eine deutlich gewichtigere Stimme bei der Bewertung anderer. Wer in einem ähnlichen Kriterium (ein Zweig am gleichen Ast des Baumes) gut bewertet ist, hat eine etwas gewichtigere Stimme als andere. Als Diskussions-Grundlage stelle ich den Foren-Baum von wer-weiss-was zur Disposition. Ich halte als Ergänzung dazu mindestens moralische und vermutlich auch generelle analytische Kategorien für wichtig.

Es muss aber nicht unbedingt ein Kompetenz-Baum sein. Ein Vorschlag wäre Kriterien frei wählen zu lassen (Nutzer können das „Fach“ selbst frei benennen) und evtl. später zu versuchen, dies zu normieren. Das erzeugt natürlich technische Schwierigkeiten, die sich aber evtl. lösen ließen. Ich bin für alle konstruktiven Vorschläge dankbar.