Wie ich gewählt habe und warum

Der Glaube an den Neoliberalismus setzt den Glauben voraus, dass mit Wachstum alles gut wird. Doch dieses Wachstum – genug davon – gibt es in Deutschland seit 40 Jahren nicht mehr.

In Deutschland gibt es heute 10 Millionen Arbeitnehmer, die keine Arbeit haben, von der sie leben können – 3 Millionen Arbeitslose und 7 Millionen prekär Beschäftigte. Das sind ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeitnehmer und damit ein ähnlich großer Teil der ganzen Gesellschaft. Die 7 Millionen prekär Beschäftigten sind Ergebnis der Deutschen Niedriglohnpolitik, die SPD und Grüne eingeführt und CDU/CSU und FDP ausgebaut haben.

Außerhalb Deutschlands hat diese Politik aufgrund relativ sinkender deutscher Lohnstückkosten zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen innerhalb Europas geführt und dazu, dass die Lage in Südeuropa noch weit schlimmer ist, als bei uns. Wir versuchen – mit durchaus signifikanten Teilerfolgen – unser Beschäftigungsproblem zu exportieren.

Da ich nicht an das heilbringende Wachstum glaube und aufgrund zahlreicher Einzelpositionen sind für mich in dieser Reihenfolgen CDU/ CSU, FDP und SPD nicht wählbar.

Ich habe bisher meist Grün gewählt. An der Wählerschaft der Grünen kann man sehen, dass man sich die hehren Ziele der Grünen leisten können muss. Wir Grünenwähler sind satt, wohlhabend, besser gestellt, wirtschaftlich wie moralisch überlegen, aber eher keine Unternehmer, die durch Grüne Politik wieder zu viel zu verlieren haben.

Deshalb muss man selbst, wenn man Grüne Ziele verfolgt, erst die Probleme der sich ausbreitenden Massenarmut bekämpfen. Denn der stets steif aufgereckte moralische Zeigefinger der Grünen kann nur Beachtung finden, wenn der Bauch gefüllt ist. Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

Bleiben die Linken. Im Kern stehen sie für den Glauben, dass es besser wird, wenn wir kapitalistische Bevormundung durch staatliche Bevormundung ersetzen. Bei historischer Betrachtung scheint mir diese These gewagt. Und hier im deutschen Westen sind die Chaoten der ehemaligen WASG unwählbar. Dennoch. Stärkere Linke heißt, dass die Problematik deutschen Lohndumpings mehr mediale Airtime bekommt, dass Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik in öffentlichen Diskussionen nicht gänzlich ignoriert wird, dass es noch eine pazifistische Stimme im ehemals pazifistischen Deutschland gibt.

Ich habe meine Stimme dafür verwendet, bestimmten Standpunkten in den Medien etwas mehr Raum zu verschaffen. Wenn die Linke eine realistische Machtoption hätte, hätte sie meine Stimme nicht bekommen. Doch selbst als Junior-Partner der gemäßigt neoliberalen SPD – eine sehr unwahrscheinliche Option – könnte die Linke kaum all zu viel Schaden anrichten.

Es ist Krieg und wir alle kämpfen auf der falschen Seite

Mit unserem dauernden Rufen nach Datenschutz spielen wir genau denen in die Hände, gegen die wir uns eigentlich wehren wollen. Statt unsere Geheimnisse zu schützen müssen wir den anderen verbieten, Geheimnisse zu haben.

Willkommen im Informationszeitalter. Denn darum geht es. Information. Nicht Terrorismus, der Terror kommt aus der Glotze. Und ganz sicher nicht Kinderpornografie. Nein, Information, denn Wissen ist Macht. Und Geld. Und mit unserem dauernden Rufen nach Datenschutz spielen wir genau denen in die Hände, gegen die wir uns eigentlich wehren wollen.

Von Bösen und nicht ganz so Bösen

Es gibt da die Bösen – nein, diesmal nicht wir sondern russische Bot-Netze, koreanische Spammer, nigerianische Scammer, chinesische Produktpiraten, Hacker und Script-Kiddies aller Länder. Es gibt die, die wir Deutschen für so mittelböse halten und die Amis für Helden: Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft und zahllose andere Netz-Firmen. Und dann gibt es die Guten, die uns vor all den mehr oder weniger Bösen beschützen wollen: Die Staaten mit ihrer Polizei und ihren Geheimdiensten.

Doch was sie alle letztendlich tun, ähnelt sich frappierend. Sie nehmen und sammeln Informationen. Und die, die in unserem System die Macht habe, verdienen sehr gut mit diesem Arrangement. Die USA sind eine Korporatokratie, ein Staat der von großen Unternehmen gesteuert wird. Wieso gibt dieser Staat mindestens 75 Milliarden jährlich für Geheimdienste aus?

It’s the Economy, Stupid

Wohl kaum wegen des Terrors. Natürlich spielt der Terror wegen unserer idiotischen Medien eine wichtige Rolle. Aber wenn es wirklich um unserer Sicherheit ginge, würden wir unseren Ärzten das Händewaschen besser bezahlen. Wenn es um die Menschen in Afganistan, Pakistan, Irak oder sonst wo ginge, würden wir einfach aufhören, ihnen zu verbieten, die Medikamente herzustellen, die sie benötigen.

Nein, es geht um Geld und Macht, um Information. Natürlich geht es auch um Wirtschaftsspionage. Doch wichtiger noch ist die Sicherung und der Ausbau des aktuellen Systems. Der Staat soll sich auf wenige Kernaufgaben zurückziehen, insbesondere Law and Order. Ziel ist ein Polizeistaat der den Mächtigen erlaubt, in Ruhe zu verdienen. Und weil dies nunmal das Informationszeitalter ist, muss dafür der Fluss der Information kontrolliert werden.

Man muss auch mal loslassen könne

Vielleicht gelingt es nach Prism tatsächlich eine Zeit lang, die Geheimdienste ein bisschen besser unter parlamentarische Kontrolle zu bringen. Das ist zwar abwegig, aber nicht ausgeschlossen. Doch selbst, wenn das vorübergehend gelingt, bleiben noch die Bösen und die Mittelbösen, die das gleiche tun. Das Ringen um Datenschutz ist ein Kampf, den wir nur verlieren können. Denn jede Schranke in der Informationswelt hilft nur denen, die sie umgehen können. Und umgangen  werden können sie alle. Wir machen unsere Feinde stärker und immer stärker.

Gewinnen können wir nur, wenn wir nicht kämpfen. Wir können Information, das flüchtigste aller Güter, nicht festhalten. Statt dessen muss es das Ziel sein, dass alle gleichen Zugang zu Information haben. Es scheint sich gerade – spät aber immerhin – die Einsicht zu verbreiten, dass nur freie Software unsere Information schützen kann. Doch das ist nur ein Schauplatz im Informationskrieg. Statt den Geheimdiensten zu verbieten unsere Geheimnisse zu stehlen, müssen wir ihnen verbieten Geheimnisse zu haben (ja, wir müssen sie abschaffen). Staat und Wirtschaft müssen völlig Transparent werden, nur dann haben wir eine Chance, einen kleinen Rest Privatsphäre zu retten – und nicht in einer Überwachungs-Dystopie zu enden.

Regierung mal anders

Hier stelle ich eine Alternative zur Demokratie vor. Ein System, das die Ideale der Demokratie um zu setzen versucht – ohne Wahl, ohne Lobbyismus, ohne Regierung im klassischen Sinn, doch mit effizienten klar umrissenen Entscheidungs-Prozessen.

In meinem letzten Artikel habe ich erörtert, woran unsere Demokratie gescheitert ist. Was kann man nun daraus lernen? In diesem Artikel stelle ich die Grundsätze eines Regierungssystems vor, das die Lehren aus dem Scheitern der Demokratie zieht.

Woran ist unsere Demokratie gescheitert?

Doch zunächst werden ich diese Lehren hier noch einmal kurz rekapitulieren, Details finden sich im besagten Artikel. Der Prozess des Interessenausgleichs basiert in der Demokratie auf dem Kuhhandel zur Förderung der Karrieren von Berufspolitikern. Dies trägt wesentlich zur Entfremdung der Konstituenten der Demokratie von ihrem politischen System bei. Aufgrund der begrenzten Legislaturperioden ist der Zeithorizont demokratischer Entscheidungen zu kurz um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen.

Diese beiden Faktoren – Entfremdung und Unfähigkeit zur Lösung zentraler Probleme – haben unsere Demokratie strukturell stark geschwächt. Während die vierte Gewalt – unser Mediensystem – mit seinem eigenen Ausverkauf beschäftigt war, nutzten mächtige Partial-Interessen diese und andere Schwächen unseres kränkelnden System, um ihm den Garaus zu machen. Heute können wir nur noch die mehr oder weniger unterhaltsame Aufführung einer marktkonformen Demokratiesimulation bewundern.

Und was kann man daraus lernen?

Eine Lehre, die man daraus ziehen kann ist, dass wir ein Mediensystem brauchen, das sich nicht so leicht korrumpieren lässt. Damit habe ich mich z.B. hier und hier beschäftigt. Nun geht es um das eigentliche politische System. Dieses muss drei zentrale Forderungen erfüllen, ohne den Vorteil der repräsentativen Demokratie, den Interessenausgleich, aufzugeben.

  1. Es muss eine starke Identifikation zwischen Staat und Bürgern fördern.

  2. Es muss einen langen Zeithorizont für Entscheidungen erlauben.

  3. Es muss extrem Widerstandsfähig gegen Unterwanderung durch Partial-Interessen sein.

Einer für Alle

Es gibt zahlreiche Faktoren, die uns heute eine Identifikation mit unseren Volksvertretern sehr schwer machen. Das fängt schon damit an, dass es immer sehr viele Beteiligte bei allen Entscheidungen gibt. Theoretisch werden die Entscheidungen vom Parlament mit einigen hundert Abgeordneten getroffen. In der Praxis sind es Dutzende von gesichtslosen Karrieristen, die unsichtbar hinter den Kulissen ebenso unsichtbare Fäden ziehen. Unterdessen sondern im Vordergrund ein paar aalglatte Rhetorik-Profis genau geplante Worthülsen in feinstem Neusprech ab. Wenn man gezielt versuchte, Identifikation unmöglich zu machen, könnte man es kaum besser machen.

Die tieferen Ursachen für die Unmöglichkeit der Identifikation sind

  • die Zahl der Beteiligten,

  • die Intransparenz der eigentlichen Entscheidungsfindung,

  • die Tatsache, dass die Entscheider keine normalen Menschen sind, sondern mediale Inszenierungen von Profis im Wieder-Gewählt-Werden.

Kompetenz & Motivation

Ich schlage ein System vor, in dem jede Entscheidung jeweils von wenigen Menschen getroffen wird; In dem die Entscheider keine Profis darin sind, sich vor den Menschen, die sie vertreten, möglichst gut zu verkaufen; In dem völlig transparent ist, wer die Entscheidung trifft. Das sind optimale Bedingungen für die Identifikation der Bürger mit ihrem politischen System.

Zunächst muss man Menschen finden, die die Entscheidungen treffen sollen. Dazu muss das Grundproblem jedes politischen Systems gelöst werden, das irgendwie im Sinn seiner Bevölkerung handeln soll. Das Problem besteht darin Menschen zu finden, die

  1. kompetent sind, die anstehenden Entscheidungen zu treffen und die

  2. motiviert sind, im Interesse der Bevölkerung zu entscheiden.

Ich bestreite, dass unser System der Wahl auch nur eine dieser beiden Anforderungen im Fokus hat. Unser System sucht Selbstdarsteller aus, die psychisch relativ stabil sind, sich wenige all zu große Skandale leisten und die ihre unmittelbare Bedürfnisbefriedigung auf die Zeit nach ihrer politischen Karriere verschieben können – unser System ist völlig korrupt, aber die Auszahlung findet meist erst nach Niederlegung der Ämter statt. Tony Blair, Gerhard Schröder, ehemalige Mitglieder amerikanischer Regierungen – alles absolute Top-Verdiener.

Weder Kompetenz noch das Interesse der Bevölkerung spielen da eine große Rolle. Lediglich all zu krasse Auswüchse werden gehemmt.

Kompetenz

Ich habe mit KiIsWhoWi ein System vorgestellt, mit dem sich die Kompetenz von Menschen in bestimmten Fachgebieten ermitteln lässt. Es handelt sich um eine Art Who is Who Wiki, wo jeder seine Meinung kund tun kann und wo aus Einzel-Meinungen in einer Abwandlung des wissenschaftlichen Peer-Review-Prozesses eine Urteil ermittelt wird. Dieser Artikel ist schon ein paar Jahre alt, und mittlerweile gibt es derartiges bereits vielfach. Wer einen Finanzberater sucht, kann das beispielsweise bei Google Maps tun. Dort finden sich auch zahlreiche (teils gefälschte) Urteile. Etwas weiter treibt es beispielsweise dieser Service zum Auffinden eines kompetenten Arztes für bestimmte Malessen.

Das Problem, kompetente Menschen zu beliebigen Themen zu ermitteln, ist gelöst. Mindestens der wissenschaftliche Betrieb hat eine Lösung etabliert und diese lässt sich verallgemeinern und mit technischen Mitteln auf die gesamte Bevölkerung übertragen. KiIsWhoWi legt dar, wie dieser Prozess bereits heute als Teil des normalen Zusammenlebens etabliert wird und welche enormen Vorteile es hätte, diesen Prozess aus der Kommerzialisierung zu befreien – Vorteile weit jenseits der Regierungsbildung.

Motivation

Wie kann man also die so gefundenen kompetenten Menschen motivieren, langfristig und im Sinn der Bevölkerung zu entscheiden? Die Antwort liegt wieder zu einem großen Teil in der Auswahl. Man kann nicht nur Kompetenz beurteilen, sondern auch den Charakter von Entscheidern. Um Entscheidungen für alle zu treffen, sollten nur charakterlich einwandfreie Personen ausgewählt werden.

Doch mindestens ebenso wichtig ist der Auswahl-Prozess selbst. Wir sind ständig den Urteilen unserer Mitmenschen und Nachbarn ausgesetzt. Doch meist erfahren wir davon wenig. KiIsWhoWi macht diese Urteile transparent.

Geld regiert die Welt

Das mag man ablehnen, doch was ist die Alternative? Heute ist der wichtigste gesellschaftliche Faktor für die Beurteilung eines Menschen sein Reichtum. Zur Schau gestellter Reichtum ist der Weg, sich vor seinen Mitmenschen aus zu zeichnen. Viele Menschen versuchen daher Reichtum zu erlangen. Unser Differenzierungs- und Auswahl-System fördert so direkt unmoralisches, asoziales Verhalten, Bereicherung auf Kosten anderer. Anderen zum eigenen Vorteil zu schaden ist nach unserem am weitesten verbreiteten und anerkannten Standard etwas Gutes.

Wenn man den Menschen die Möglichkeit, sich vor ihren Mitmenschen auszuzeichnen, nicht gänzlich nehmen möchte, dann sollte man dieses Streben vieler Menschen nach ein wenig Ruhm wenigstens zum Guten wenden. Indem das fortgesetzte gegenseitige Urteil eine große Bedeutung in unserem Zusammenleben bekommt, wird es für die Entscheider viel wichtiger, sich ihren Mitmenschen gegenüber korrekt zu verhalten.

Arschlochalarm

Eine politische Entscheidung ist eine einzigartige Chance für den Entscheider. Er kann sich bereichern, oder er kann seine Reputation verbessern. Wenn er das richtige tut, bekommt er in der Kneipe sicher ein Bier ausgegeben. Wenn er das Falsche tut, kann er sich vielleicht nicht einmal mehr ein Bier kaufen – weil ihm schlicht keins verkauft wird, egal, was er zahlt.

Man bedenke, dass Smartphones erst der Anfang sind. Mit Google Glass steht gerade die nächste Stufe des Life-Logging-Device vor der Tür. Wir kommen aus einer Welt, in der Information schwer zugänglich war. Mit der beginnenden Vernetzung wurde sie leichter zugänglich. Mit Google Now beobachten wir gerade einen der ersten Dienste, der Information Kontext-Abhängig automatisch einblendet. Die Information kommt zu uns. Wir werden bald in einer Welt leben, wo Informationen zu der Person, die die Kneipe betritt, automatisch eingeblendet werden, wenn das für uns relevant ist. Mit dieser Technik auf Google Glass wäre das bereits heute möglich. Und das ist sicher erst der Anfang. Wenn diese Informationseinblendung der Arschlochalarm ist, ist das gar nicht gut für den, der seine Entscheidungsbefugnis missbraucht hat.

Resistenz gegen Lobbykratie

Wir haben also eine Möglichkeit, einen starken positiven Motivations-Faktor für unsere Entscheider zu schaffen. Doch auch das dürfte nicht reichen, eine Regierung vor der Unterwanderung durch Partial-Interessen zu schützen. Um einen optimalen Schutz zu erreichen, muss man den Entscheidungsprozess zu einem beweglichen Ziel machen. Heute sind unsere Entscheider Jahre, teils Jahrzehnte lang den Einflüsterungen der Lobby ausgesetzt. Dieses ewige Dauerfeuer sowie die korrumpierende Wirkung der Macht selbst sind mehr, als die meisten Menschen auf Dauer verkraften.

Ein politischer Entscheider sollte daher nur sehr kurz agieren, sollte idealer Weise nur genau eine politische Entscheidung treffen. So wird der Einfluss seiner Entscheidung auf seine Reputation maximiert und der Einfluss der Lobby minimiert.

Langfristigkeit

So kommt auch der Faktor der Langfristigkeit in den Entscheidungsprozess. Die Pflicht, eine Entscheidung für alle Mitmenschen zu treffen, ist so eine einzigartige Chance für das ganze eigene Leben. Plötzlich steht man im Rampenlicht. Die Entscheidung, die man trifft, wird großen Einfluss auf die eigene Reputation für den Rest des eigenen Lebens haben. Denn einmalig wird man von vielen Menschen beurteilt, von denen man sonst nie wieder etwas hören wird. Es ist also eine Entscheidung auf Lebenszeit und in wenigen Fällen sogar darüber hinaus. Ein längerer Zeithorizont wird sich für Entscheidungen kaum erreichen lassen.

Zusätzlich zu diesen intrinsischen Schutzmechanismen gegen Lobbykratie, sollten bestimmte Formen politischer Einflussnahme grundsätzlich Untersagt werden. Dies fiele zum Beispiel unter das hier vorgeschlagene generelle Werbeverbot. Statt dessen sollten die Entscheider sich die nötigen Information jederzeit holen können. Dies würde schon durch die umfassende Transparenz ermöglicht, die ich für alle öffentlichen (auch wirtschaftlichen) Lebensbereiche fordere.

Technokratie?

Der Umstand, dass hier nach Kompetenz ausgewählt wird, könnte einen auf die Idee bringen, dass es sich bei meinem Vorschlag um eine Form der Technokratie handelt. Dem ist keineswegs so. Das wesentliche Merkmal einer Technokratie sind Technokraten – eine Klasse von professionellen Entscheidern, die allein nach sachlichen Kriterien entscheidet. Kompetenz macht keinen Technokraten, sondern seine Entscheidungskriterien.

In der Technokratie sind das reine Sachkriterien. In meinem Vorschlag hingegen ist der Maßstab das Urteil der Mitmenschen. Es ist genau das, was es in einer Demokratie sein sollte aber nicht ist. Im Ideal der Demokratie steht im Mittelpunkt der demokratische Diskurs, die Debatte, der Meinungsaustausch. Tatsächlich ist dies bei uns zu einem reinen Schauspiel verkommen. Wenn legislative Entscheidung zur Basis der Reputation werden, bekommt der Diskurs wieder eine viel größere Bedeutung.

Ebenso wichtig ist es, die fatale Nähe von Mächtigen zu ihren Hofberichterstattern aufzubrechen. Dies geschieht in den von mir vorgeschlagenen System automatisch dadurch, dass die „Mächtigen“ ständig wechseln. So kommt es gar nicht er zu der persönlichen Nähe zwischen Politik und denen, die darüber Berichten. So kann der Diskurs sich wieder frei entfalten.

Zudem kann von Technokraten schon gar keine Rede sein. Denn es gibt ja weder Techno- noch sonst welche -kraten. Wer nur eine oder wenige Entscheidungen in seinem Leben trifft, kann kein professioneller Politiker werden.

Frau des Volkes

So jemand bleibt ein Mann oder eine Frau des Volkes. Es sind die berühmten 15 Minuten Ruhm – oder eher fifteen minutes of blame. Auf diese Weise sowie dadurch, dass es jeweils nur wenige Entscheider gibt, wird auch die Identifikation der Bevölkerung mit den Entscheidern und ihrem politischen System gefördert.

One Man One Vote

Was wurde aus dem Prinzip „Ein Mensch, eine Stimme“? Es war ein wichtiger und richtiger Schritt in unserer kulturellen Entwicklung. Ohne dieses Prinzip wäre unsere Welt heute wahrscheinlich ein noch deutlich schlimmerer Ort. Doch wenn sie uns auch paar Schritte in die richtige Richtung gebracht hat, so konnte die Demokratie ihre großen Versprechen letztlich doch nicht erfüllen.

Das romantische Ideal von „Ein Mensch, eine Stimme“ ist gerade, dass jede Stimme zählt, das niemand überhört wird. Doch die Realität der Demokratie verkehrt dieses Ideal in sein genaues Gegenteil: Eine einzeln Stimme wird grundsätzlich überhört, wenn sie nicht in den Chor der Masse einstimmt. Selbst große Minderheiten, wie Homosexuelle, werden Jahrzehnte lang tyrannisiert, wenn nicht zufällig „political correctness“ zur Mode wird.

Die Anwohner des Wendlandes (Gorleben, oder wo immer das Endlager letztlich landet) werden nach ihrem subjektiven Empfinden gar von der Mehrheit ihrer Heimat beraubt. Da braucht niemand mit „rationalen Argumenten“ zu kommen. Atommüll in meinem Hinterhof ist ein drastischer Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte. Demokratie ist die Diktatur der Mehrheit.

Das hier vorgeschlagene Prinzip gibt einzelnen dagegen tatsächlich eine Stimme. Wenn meine politische Entscheidung einem einzelnen massiv schadet, kann dieser das bei KiIsWhoWi über mich schreiben. Andere können das dann lesen, und beurteilen, ob meine Entscheidung dennoch gerechtfertigt war.

Das Ideal von „Ein Mensch, eine Stimme“ ist richtig. Doch um das Ideal zu erreichen, muss man sich gerade von diesem Prinzip verabschieden.

Die Demokratie ist Prinzip-bedingt unfähig unsere zentralen Probleme zu lösen und sie bietet nur unzureichenden Schutz gegen Inkompetenz und Usurpation. In der letzten großen Weltwirtschaftskrise hat sie sich konsequent abgeschafft und in dieser ist sie gerade wieder dabei. Demokratie hatte ihre Berechtigung, doch sie ist nicht das Ende der Geschichte.

Ein neuer Weg

Dies sind die Prinzipien eines politischen Systems von den Menschen für die Menschen: Eines Systems, das kompetente Entscheider wählt und sie motiviert, langfristig und im Sinn des Volkes zu entscheiden; Das resilient ist und resistent gegen Lobbykratie und Usurpation; Das es den Bürgern ermöglicht, sich mit ihrem legislative System zu identifizieren; Das die großen zentralen Probleme unserer Gesellschaft mit ihrem sehr langen Zeithorizont angehen kann.

Ich habe einen legislativen Prozess, der diese Prinzipien beherzigt, hier exemplarisch dargelegt. Dies ist nur ein Beispiel, wichtig sind die Prinzipien: Gegenseitiges Ansehen muss wichtiger sein als Geld, Kompetenz und Integrität sind Voraussetzungen für legislative Entscheidungen, Entscheider treffen nur eine oder wenige Entscheidungen, die große Bedeutung für ihr ganzes Leben haben, der Prozess ist transparent und frei von gezielter Einflussnahme.

Woran ist unsere Demokratie gescheitert?

Was leistet Demokratie und wieso zerstört sie sich zum wiederholten Male selbst?

Und was kann man daraus lernen?

Doch fangen wir damit an, was die Demokratie Gutes leistet. Sie setzt die potentiellen Regenten einem sehr harten Auswahlprozess aus. Volldeppen scheitern an den rhetorischen Anforderungen und debile Monarchensöhne bleiben uns nunmehr erspart. Wer seine Bosheit überhaupt nicht verstecken kann, hat genauso wenig eine Chance, wie der, der das Volk zu offensichtlich bluten lässt.

Doch all dies sind sehr relative Anforderungen. Mit George W. Bush wurde ein Regent wiedergewählt, der über mäßige rhetorische Begabung verfügt, der sein Volk belogen hat und damit aufgeflogen ist, es in einen sinnlosen, teuren Krieg geführt hat, in diesem Krieg weitgehend gescheitert ist, den Löwenanteil der Bevölkerung hat ausbluten lassen und sein Land ruiniert hat. Das ist schlimm doch minderbemittelte und bösartige Despoten haben weit schlimmeres angerichtet. Demokratie bietet offenbar einen begrenzten Schutz davor.

Interessenausgleich?

Der Kern der Demokratie ist der Interessenausgleich. Interessenausgleich gibt es seit vielen Jahrhunderten. Könige können schon sehr lange nicht mehr nach belieben schalten und walten. Doch früher waren die Parteien des Interessenausgleichs oft recht begrenzt. Sie rekrutierten sich im Wesentlichen aus Adel und Klerus. Und es war die Regel, dass einzelne Parteien durch Intrigen und andere Mechanismen aus dem Prozess des Interessenausgleichs herausfielen.

Es ist ein Verdienst der Demokratie, dass jeder, der viel Geld und/oder viel (Meinungs-) Einfluss hat, am Prozess des Interessenausgleichs teil hat. Dadurch bekommen die Interessen des Volkes tatsächlich ein etwas höheres Gewicht und finden mehr Berücksichtigung in dem Prozess. Doch Demokratie bietet nicht annähernd genügenden Schutz gegen die Einflüsterung von Partialinteressen, wie z.B. das Beispiel des FDP-Steuergeschenks an die Hoteliers zeigt (vorletzter Satz des Absatzes).

Tatsächlich sahen die letzten Jahrzehnte eine Zunehmende Professionalisierung der Interessenvertretung. Gleichzeitig nahm die Fähigkeit der „Spin-Doktoren“, die öffentliche Meinung zu beeinflussen solche Ausmaße an, dass Lobbyismus den Einfluss der Volksinteressen sehr weit zurückgedrängt hat.

Lobbykratie!

Ein Grundproblem der Demokratie ist, dass Entscheidungsträger auf externe Experten angewiesen sind, die sich mit der betreffenden Materie auskennen. Und die besten Experten arbeiten meist für die, die die größten Interessen (Investitionen) in den betreffenden Bereichen haben. So bekommen die, die ein finanzielles Interesse in einer gegebenen Frage haben, oft stark überproportionalen Einfluss in ihrem Bereich.

Dabei sind die Einflüsterungen der Lobbyisten noch vergleichsweise subtil. In vielen Fragen werden unsere Entscheidungsträger von Interessenvertretern erpresst. Ein besonders offensichtliches Beispiel ist in diesem Artikel beschrieben: Mitarbeiter des griechischen Parlamentes verhinderten eine Abstimmung bis ein ihnen nicht genehmer Passus aus dem Gesetzesentwurf entfernt wurde.

Doch auch in Deutschland kann sich kein Parlamentarier beispielsweise gegen Springer stellen, da die BILD als Gegner i.d.R. ein politisches Todesurteil ist. Dieser Umstand dürfte uns unter anderem das (mit Ausnahme von den Profiteuren) einhellig verdammte Leistungsschutzrecht beschert haben. Und immer wieder kommt es vor, dass Interessenvertreter mit dem Abbau von Arbeitsplätzen drohen, was meist ein „Killerargument“ (sprich Erpressung) ist und jede Debatte beendet.

Wenn der Prozess des Interessenausgleichs Opfer von Erpressung geworden ist,

  • werden Sachlagen oft völlig ignoriert (z.B. das Gutachten des Max Planck Instituts für Immaterialgüterrecht zum Leistungsschutzrecht),

  • versteckt (z.B. die geheimen Verträge über die Berliner Wasserversorgung, die sehr lange gegen den Volkswillen geheim gehalten wurden)

  • und verfälscht (Armutsbericht , Gorleben-Gutachten siehe „Einflussnahme der Regierung Helmut Kohls“).

Kuhhandel

Wenn man sich den eigentlichen Prozess des Interessenausgleichs ansieht, wundert es nicht, dass dieser völlig korrumpiert ist. Es ist nicht etwas so, dass da die Interessen des Volkes abgewogen werden um einen möglichst ausgewogenen Kompromiss widerstreitender Interessen zu finden. Viel mehr handelt es sich um einen gnadenlosen Konkurrenzkampf desillusionierter Karriere-Politiker, die fürs eigene Fortkommen die Interessen ihrer Wähler verschachern. Wir haben unser Wohl und Wehe an eine Bande – wenn auch ehemals idealistischer – Gebrauchtwagen-Händler delegiert.

Wer die Wahl hat bekommt die Qual

Das definierende Element der Demokratie ist bekanntlich die Wahl. Bemerkenswert ist nun, dass – wie jeder Bürger einer Demokratie bestätigen kann – ausgerechnet die Wahl Regierung in weiten Teilen unmöglich macht. Für ein ganzes Jahr – das gefürchtete „Wahljahr“ – liegen die Regierungsgeschäfte großenteils danieder und die gewählten „Volksvertreter“ beschränken sich weitgehend aufs Verwalten. Reformen sind ausgeschlossen.

Doch die schädliche Wirkung der Wahl geht weit über das Wahljahr – immerhin rund ein Viertel der Zeit – hinaus. Unsere Entscheider werden immer nur für einen begrenzten Zeitraum gewählt, meist vier oder fünf Jahre. Weil das so ist, weil nach spätestens fünf Jahren über das Weitere Schicksal unserer Entscheider entschieden wird, können sie kaum Entscheidungen treffen, die kurzfristige Einschnitte bedeuten und erst jenseits dieses Zeithorizontes positive Folgen haben.

Gesetze sollten eigentlich für eine lange Zeit gemacht sein. Doch tatsächlich erleben wir fortwährende Schnellschüsse und Flickschusterei. Kaum ein politisches Projekt ist auf zehn Jahre angelegt, geschweige denn länger.  Bei der nächsten Wahl darf es nicht gar zu fatal aussehen, danach ist die Frage ohnehin nur noch, wer geschickter lügt.

Damit ist Demokratie ein völlig ungeeignetes System um den großen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Denn diese Herausforderungen haben alle einen sehr langen Zeithorizont:

  • Seit vierzig Jahren (in den alten westlichen Industrienationen) kommt das Wirtschaftswachstum nicht mehr mit dem Produktivitätswachstum mit. Die digitale Revolution verschärft das Problem gerade wieder. Selbst Deutschland, das mit Lohndumping versucht, dieses Problem zu exportieren, kann nur noch Arbeit umverteilen. Seit 20 Jahren wird in Deutschland pro Jahr ungefähr die gleiche Zahl an Arbeitsstunden geleistet (nämlich 57-58 Milliarden; Statistisches Jahrbuch 2012 des Bundesamtes für Statistik Seite 350, oberste Tabellenzeile). Und ganz Europa erstickt an der Deutschen Strategie. Die soziale Marktwirtschaft funktioniert unter diesen Bedingungen nicht mehr und die Politik ist völlig handlungsunfähig –  wenn sie nicht gerade wie die SPD mit der (meiner Meinung nach übrigens verfehlten) Agenda 2010 nachhaltigen politischen Selbstmord begeht, was ja eigentlich nicht im Sinne des Systems ist.

  • Ebenso lange ist bekannt, dass unser Gesellschaftsmodell nicht skaliert, weil der Planet nicht genügend Ressourcen hergibt. Deutschland ist es als einem von ganz wenigen Ländern gelungen, überhaupt halbherzige Schritte zur Lösung des Problems zu unternehmen. Wir laufen sehenden Auge ins Verderben, doch Lobbykratie und die Kurzfristigkeit demokratischer Entscheidungshorizonte lassen uns unseren Ritt ins Verderben beschleunigen statt einen anderen Weg zu suchen.

  • Der Demografische Wandel kommt auch nicht überraschender als die beiden obigen Probleme. Doch statt nach Lösungen zu suchen, werden unsere künftigen Senioren an die private Finanzwirtschaft verschachert.

Diese Probleme bedürfen größter Weitsicht. Sowohl die Entwicklung der Probleme wie ihre Lösung nimmt ganze Generationen, ja ganze Lebenspannen in Anspruch. Und je länger wir warten, desto teurer wird es. Und wir warten immer noch.

Demokratie war laut Churchill die schlechteste Regierungsform – außer all den anderen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert wurden. Doch auch das liegt hinter uns. Mittlerweile spricht selbst unsere Kanzlerin von marktkonformer Demokratie. Was nun? Zurück zur schlechtesten Regierungsform, zur Demokratie, die unsere Zivilisation und den Planeten, den sie bewohnt, mit Vollgas auf einen  Abgrund zusteuert und kurz vor der Klippe aus dem Wagen springt, sich selbst abschafft?

Ich glaube – nicht im Sinn von „ich vermute“ sondern es ist meine Überzeugung – dass wir etwas neues ausprobieren müssen. Die soziale Revolution der Vernetzung und das Vakuum, das die Demokratie hinterlassen hat, bringen uns heute in eine einzigartige Situation. Wir können und müssen unser Zusammenleben neu erfinden. Was können wir nun aus dem Scheitern der Demokratie lernen? Darum wird es in meinem nächsten Artikel gehen.

Ich sollte wissen, was Twitter weiß

Wir haben Angst vor Twitter, Google, Facebook. Wieso kann es nicht umgekehrt sein?

Dies ist eine Entgegnung auf Martin Weigerts Artikel “Ich weiß, was du diesen Sommer twittern wirst”. Dort geht es darum, dass Daten – insbesondere Big Data – Menschen vorhersehbar machen und wie das missbraucht werden könnte – ein lesenswerter Artikel. Leider fügt er sich nahtlos in die große Menge derartiger Artikel ein, wenn er auch qualitativ eher positiv hervorsticht und das Thema immerhin differenziert betrachtet.

Das größte Missbrauchs-Potential sieht Martin Weigert in gezielter Meinungsmache zu konkreten politischen Projekten. Ja, in der Tat, Spin-Doktoren, Profi-Lobbyisten, Kampagnen-Journalisten – sie alle sind fleißig dabei die Reste unserer erodierten Demokratie zu zerstören und mit mächtigeren Werkzeugen wird das schneller gehen. Doch so weit muss man meiner Meinung nach gar nicht denken.

Wissen ist Geld ist Macht

Google, Facebook und andere können das Verhalten von Menschen beeinflussen. Diese Fähigkeit ist die Grundlage ihrer Geschäftsmodelle. Die Möglichkeit, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen nennt man auch schnöde “Macht”. Informations-Konzerne haben sich zu gigantischen in keiner Weise legitimierten Machtzentren gewandelt.

Nutzen sie diese Macht zur Förderung des Gemeinwohls? Eher nicht. Wie alle großen Konzerne diversifizieren sie ihre Macht. Sie versuchen mehr Einfluss in der Informationswirtschaft zu erlangen, sie verdienen sehr viel Geld (= Macht) und beginnen auch politisch Einfluss zu nehmen indem sie ihre Lobby-Ausgaben erhöhen und eigene Kampagnen fahren.

Werbung für den Untergang

Dabei ist ihr Kerngeschäft die Werbung, die Förderung eines konsumeristischen Weltbildes und Lebensstils, der auf der Ausbeutung der Arbeit und Ressourcen wirtschaftlich unterlegener Kulturen basiert und unseren Planeten in atemberaubenden Tempo zerstört. Ich kann da nicht Gutes aber sehr viel Schlechtes dran erkennen.

Dennoch scheint die Einsicht recht abwegig zu sein, dass gigantische, unkrontrollierte Machtkonzentrationen an sich etwas Schlechtes sind. Warum? Warum akzeptieren wir das einfach? Weil es unvermeidlich scheint?

Machtdiffusion

Ich glaube, die offensichtliche Neigung unseres Wirtschaftssystems zu solchen Machtkonzentrationen ist ein Systemfehler – einer der sich durch eine Reihe von Eingriffen überwinden ließe, ohne dafür dieses System komplett aufgeben zu müssen. Ein wichtiger Faktor für die Neigung unseres Systems zur Machtkonzentration ist unsere Informationsgesetzgebung.

Geschichtsstunde

Es ist mittlerweile offensichtlich, dass die von uns gewährte Möglichkeit, anderen die Nutzung bestimmter Informationen zu verbieten, unmittelbar zu Machtkonzentration führt. Die Indizienkette dazu reicht von der Effizienzsteigerung der Dampfmaschine Anfang des 19. Jahrhunderts über den englischen Buchmarkt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Bell-Company, IBM, Microsoft, Google bis zu Facebook.

Und in all diesen Fällen gibt es deutliche Hinweise, dass es ohne Patente, Copyright und andere Informationsschranken nicht deutlich schlechter gegangen wäre.

Nachdem das unsäglich Patent von Watt auslief, beschleunigte sich die Effizienzsteigerung der Dampfmaschine stärker als durch Watt – ohne dass die entsprechenden Entwicklungen patentiert worden wären. Der urheberrechtslose Buchmarkt in Deutschland war diversifizierter, schneller und größer als der konzentrierte englische und bot dem durchschnittlichen Autor bessere Verdienstmöglichkeiten.

Microsoft hatet Ende der 90er das Internet verschlafen und hat es dann geschafft, die Entwicklung der Web-Technologie mindestens um fünf Jahre zu verlangsamen indem sie ihren marktbeherrschenden Browser „Internet Explorer“, der für jeden Web-Entwickler eine unerträgliche Zumutung war, über Jahre nicht weiter entwickelten, manche Standards kaputt-verhandelt und andere mit ihren “Alternativ”-Entwicklungen und extra “Features” untergraben haben.

Freiheit für Information und Mensch

Was ist die Schlussfolgerung aus all dem? Information darf in der Wirtschaft keine Schranken haben. Sie, lieber Leser, Martin Weigert und ich, wir alle müssen in der Lage sein, bei Google in die Firma zu spazieren, unsere (gegebenefalls “sterilisierten”) USB-Sticks in beliebige Computer zu stecken, und zu kopieren, was uns interessiert. Wir müssen die Überwachung unserer Wirtschaft Crowd-sourcen. Und wir müssen verhindern, dass solche gefährlichen Leviathane wie Google und Facebook in Zukunft entstehen. Wir können nicht verhindern, dass andere Einfluss auf uns haben. Aber wir können verhindern, dass dieser Einfluss auf wenige Akteure konzentriert wird.

Machtfragen

Welche verbreiteten Vorstellung gibt es darüber, wie unsere Gesellschaft organisiert sein sollte? Wie ordnet sich dieses Blog da ein?

Wie soll unsere Gesellschaft organisiert sein? Das läuft auf die Fragen hinaus: Wie werden Entscheidungen getroffen, wie Macht verteilt? Es gibt zwei starke Fraktionen unter uns, die versuchen, ihre jeweilige Antwort auf diese Frage durchzusetzen. Die einen sind die aktuellen Machthaber in Staat und Wirtschaft. Die anderen sind der überwiegende Teil der linken und progressiven Kräfte. Dann gibt es noch libertäre und anarchistische Splittergruppen sowie Proponenten von (auch flüssigen) Basis-Demokratien und Räte-Republiken. Meiner Ansicht nach liegen diese alle „falsch“. Keine der verbreiteten Antworten stellt mich auch nur ansatzweise zufrieden, weshalb ich mich vor vor gut zehn Jahren diesem Thema verschrieben habe.

Wirtschaft versus Staat

Die aktuelle Machtelite möchte die Steuerung unserer Gesellschaft im Großen wie im Kleinen der Geld-getriebenen Marktwirtschaft überlassen. Der Staat soll lediglich einen rechtlichen Rahmen bieten, der marktwirtschaftliche Transaktionen rechtlich vorhersagbar macht und die so errungenen Vorteile gegen die Benachteiligten absichert. Dazu soll eine weitgehende Überwachung der Bevölkerung und autoritäre Durchsetzung der Gesetze im Law & Order Stil umgesetzt und andere – z.B. Sozial-Gesetzgebung – zurückgefahren werden. Große Kapital- und somit Macht-Akkumulation wird als segenbringend begrüßt. Macht wird vor allem an wirtschaftlich Erfolgreiche und ihre Erben verteilt. Entscheidungen werden nach der Maxime der Maximierung des Profits getroffen. Diese Position lässt sich zusammenfassen als „Alle Macht den Kapitalisten“.

Die populärste Replik darauf lautet heute wie vor hundert Jahren: „Alle Macht dem Staat“. Die Extremposition dieser Fraktion ist der Sozialismus. Diese Position hat mit dem Zusammenbruch des Ostblocks stark an Einfluss verloren. Doch Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen setzen letztendlich schon darauf, dass der Staat Geld und somit Macht einsammelt und wieder verteilt. Mindesteinkommen, Bankenaufsicht, politische Europäische Einheit und Solidarität – all dies sind Forderungen nach einem starken Staat, der uns vor den Kapitalisten beschützt. Die Macht wird auf gewählte Repräsentanten konzentriert. Da Repräsentanten i.d.R. alleine nichts entscheiden können, müssen Mehrheiten organisiert werden. Entscheidungen werden also nach der Maxime des politischen Kuhhandels und der Wiederwahl in spätestens vier Jahren – also kurzfristiger Popularität – getroffen. Letzteres bedeutet, dass Entscheidungen vor allem bei jenen gut ankommen müssen, die nichts von der Materie verstehen – denn von den allermeisten Themen verstehen auch ausgesprochene Experten von Einzeldisziplinen nichts.

Ferner liefen

Anarchisten lehnen eine formale Regelung der Gesellschaft gänzlich ab. Meist stehen dahinter linke Ideologien und die Hoffnung, dass Menschen sich „von allein“ vernünftig verhalten. Diese Ideale finden sich schon in der jüdischen Heilsversprechung (Schalom) und (sehr viel später) im Kommunismus. Libertäre wünschen eine Form von Anarcho-Kapitalismus.

Basisdemokraten aller Couleur fordern die Verteilung von Macht gleichmäßig auf alle. Die Extremposition dieser Richtung ist die Räte-Republik („Rat“ in diesem Sinn heißt auf russisch „Sowjet“, die Sowjet-Union war allerdings eine Diktatur). Ich kann nicht sagen, welche die Entscheidungsprinzipien einer reinen Basisdemokratie wären, da das Prinzip nicht auf größere Gruppen von Menschen skaliert – sprich Basisdemokratie funktioniert nur in sehr kleinem Rahmen und ist dort schon recht anstrengend.

Die von den Piraten favorisierte liquid (= flüssige) Demokratie ist eine Mischform aus Basis-Demokratie und repräsentativer Demokratie (das aktuelle deutsche politische System). Es gibt noch keine hinreichenden Erfahrungswerte mit flüssiger Demokratie um Aussagen über die Entscheidungsprinzipien zu treffen.

Die deutsche und skandinavische Praxis der sogenannten sozialen Marktwirtschaft ist eine Kompromissposition aus Kapitalismus und (repräsentativ-demokratischem) Sozialismus. Tatsächlich ist das deutsche System in dieser Hinsicht auffällig ausgewogen. Etwa die Hälfte des Geldes, also die Hälfte der Macht, wird wirtschaftlich gesteuert, die Hälfte politisch. Allerdings hat die Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten massiv Einfluss auf die Politik erlangt und große Teile der politisch verwalteten Macht werden nach wirtschaftlichen und teils entsprechend unmenschlichen Gesichtspunkten angewendet.

Summa Summarum

Hier noch einmal eine kompakte Zugsamenfassung aller hier besprochenen Extrem-Positionen:

  • Alle Macht den Kapitalisten; Entscheidung nach Profitmaximierung;
  • Alle Macht dem Staat; Entscheidung nach Popularität;
  • Keine formelle Macht-Verteilung;
  • Macht gleichmäßig an alle verteilen;

Bezüglich der Verteilung der Macht gibt es offenbar nur zwei Positionen: Starke Konzentration oder maximale Verteilung. Konzentriert wird entweder auf Superreiche oder Regierungsoberhäupter und ihr Kabinett. Verteilt wird auf alle oder gar nicht – wobei Letzteres eine informelle Verteilung impliziert. Mir ist nur ein einziges Konzept bekannt, das wenigstens versucht, die Verteilung der Macht etwas intelligenter zu gestalten – die flüssige (liquid) Demokratie. Doch ich vermute, das Konzept scheitert daran, wie Entscheidungen letztendlich zustande kommen, da es die meisten Fehler gängiger Demokratie-Konzepte wiederholt und teils verschlimmert.

Staattdessen

Mein Ideal ist eine Verteilung der Macht, die so breit wie möglich und eine Konzentration, die so stark wie nötig ist. Wir brauchen keinen Führer eines ganzen Volkes – höchstens als präsidiale Identifikationsfigur. Wir brauchen keine unantastbaren Wirtschaftslenker. Aber natürlich sollten Entscheidungen von denen getroffen werden, die etwas von den anstehenden Problemen verstehen. Doch es gibt sehr viel mehr kompetente Entscheider als mächtige. Wir könnten und sollten Macht viel stärker verteilen. Wo starke Machtkonzentration nötig ist – z.B. wenn Gesetze für ein ganzes Volk gemacht werden – muss diese z.B. zeitlich begrenzt werden (auf die Verabschiedung eines einzigen Gesetzes), so dass die Macht nicht so leicht korrumpierbar ist und ein bewegliches Ziel bleibt. Macht sollte auch nicht – z.B. in Form von Vermögen – vererbbar sein.

Geld und Wählerstimmen sind nicht die schlechtesten Ratgeber. Aber es sind auch nicht die besten. Den Entscheidungen, die wir als Gesellschaft treffen fehlt eine langfristige Motivation. Und Menschlichkeit. Menschen streben nicht direkt nach Macht und Geld. Sie streben nach gegenseitiger Anerkennung. Und diese Anerkennung sollte direkten Einfluss auf unsere Entscheidungen haben. Mit Geld belohnen wir Menschen teils für Unmenschlichkeit. Doch unsere ehrliche und direkte Anerkennung vergeben wir für Integrität, Kompetenz, langfristigen Erfolg. Wenn es um den Ruf eines Menschen geht, geht es um eine Lebenspanne, nicht um eine Legislaturperiode. Es geht um unsere gesamte Urteilskraft, nicht „bloß“ um Geld. Achtung kann ich auch Entscheidungen entgegenbringen, die nicht in meinem unmittelbaren Interesse sind.

Verteilung der Macht so breit wie möglich und so eng wie nötig; Entscheidungen nach Kompetenz, persönlicher Verantwortung und gegenseitiger Anerkennung – diese zwei Prinzipien ergeben ein völlig neues System. Doch sieht es oberflächlich betrachtet nicht unbedingt so anders aus wie unser derzeitiges. Marktwirtschaft enthält beispielsweise bereits viele Elemente zur breiten Verteilung von Macht nach Kompetenz. Auch ist das alles nicht neu. Noch vor hundert Jahren war „Ehre“ ein enorm wichtiges Konzept.

Doch eine freiheitliche Gesellschaft, mit individualistisch liberaler Kultur, mit überall flachen bis nicht-existenten Hierarchien, mit über soziale Netzwerke vermittelter persönlicher Verantwortung und Anerkennung: das wäre eine beispiellose (R)Evolution, meine Vision für die Gesellschaft, in der ich leben möchte.

Wir sind das Netz

Ein Rückblick auf 10 Jahre Systemkrise und ein Ausblick auf die Versprechen, die das Netz uns macht, die wir uns machen.

Ich beobachte diese Krise seit 10 Jahren. Damals waren 10 Jahre vergangen, seitdem die Träume der Linken im Osten geplatzt waren. Doch auch die Versprechen der freiheitlichen Gesellschaft begannen zu brechen. Dieser Bruch hatte mehrere Dimensionen die ich zunächst erläutern werde. Doch ein neues Versprechen wurde inzwischen gegeben und es scheint tatsächlich auf seine Einlösung zu warten, wie ich im Anschluss darlege.

Marktwirtschaft

Da der Kern unseres Systems der freie Markt ist, fange ich damit an. Ich investiere schon seit über 20 Jahren kleine Summen im Kapitalmarkt. Vor 10 Jahren änderten sich ziemlich plötzlich die Regeln.

Davor waren festverzinsliche Papiere relativ sicher und haben ordentliche Renditen gebracht. Seither sind die Zinsen immer weiter gesunken und die festen Laufzeiten dieser Papiere wurden ein immer größeres Risiko. Ich weiß noch wie ich mich geärgert habe, als ein Berater meiner Mutter General Motors Anleihen verkauft hat. So etwas war über Jahrzehnte eine sichere Sache. Nun war es ein sichtbares Risiko.

Immobilien waren seit dem Krieg durchgehend eine sichere Burg und versprachen ordentliche Renditen. Ich hatte ein paar Immobilienanleihen mit langen Laufzeiten (einige Laufen immer noch). Auch hier wurden die Laufzeiten immer bedenklicher, da der Markt immer volatiler wurde. Volatil heißt, flüchtig, das bedeutet große Schwankungen und Unsicherheit. Die vorhersehbare demografische Entwicklung machte Immobilien generell unsicher, man musste jetzt sehr genau hinschauen.

Aktien waren quasi immer langfristig die besten Anlagen. Doch die Dotcomblase hatte gerade (2000) den Glauben an Aktien grundsätzlich erschüttert. Seitdem ist der Aktienmarkt gezeichnet von schwersten Einbrüchen durch 9/11, diverse Kriege und seit drei Jahren die Finanzkrise.

Vor 10 Jahren begannen Spekulative Anlageinstrumente zunächst zaghaft Einzug in den Endkundenmarkt zu halten. Vorher waren alle Formen von Derivaten Profis vorbehalten. Schon 1995 hatte ein gewisser Nick Leeson mit Optionen die fast 300 Jahre alte Baringsbank in den Bankrott spekuliert. Dennoch fassten Derivate nun langsam Fuß im Endkundenbereich und haben seitdem bekanntlich unfassbares Unheil angerichtet. Damals galten Derivate als ziemlich sicher, da sich niemand vorstellen konnte, dass große Banken pleite gehen, ohne dass die Wirtschaft komplett kollabiert. Das hab ich tatsächlich oft in „Beratungs-“ (also Verkaufs-)Gesprächen mit Bankern gehört. Und jetzt scheint genau das wahr geworden zu sein – selffulfilling prophecy?

Alle Bereiche des Anlagemarktes sind heute im Vergleich zu früher von höchster Unsicherheit geprägt. Sicherheit versprechen heute eher die BRICS Staaten, die damals als „emerging markets“ als hoch spekulativ galten. Das ist auch eine Folge der Krise, aber es ist auch „einfach“ der aktuelle Punkt einer längeren aber insgesamt recht konsistenten Entwicklung, die für mich persönlich etwa gegen Anfang des Jahrtausends begann.

Demokratie

Die Grünen, die Hoffnung vieler sonst von der Demokratie Enttäuschten hatten uns 1998 in den Kosovo-Krieg geführt. Die SPD hatte gerade mit der Agenda 2010 (unter anderem den Hartz-Gesetzen) die Ideale der Sozialdemokratie verraten („Verräterpartei“). Die Rot/Grüne Regierung hat mit diesen beiden Projekten riesigen Schaden für die Demokratie als ganzes in Deutschland angerichtet. Wie bei vielen anderen schwand auch bei mir der Glaube an die Demokratie.

Die Wahlbeteiligung sinkt und sinkt, die Hoffnungen in etablierte Parteien schwinden zusehends. Die Piraten, eine Partei (zu dem Zeitpunkt) weitgehend ohne Programm, ohne Standpunkte oder Kompetenz in nahezu allen Schlüsselthemen, ohne auch nur die Andeutung charismatischer Führer oder politischer Visionen kommt fast aus dem Stand auf Umfragewerte im Bereich von Grünen und SPD, mit einem einzigen Versprechen: Demokratie, Mitbestimmung.

Freiheit

Vor zehn Jahren waren die Anschläge auf das World Trade Center. Und die waren ein überwältigender Erfolg. Unsere freiheitliche Grundordnung ist in Folge bis heute Bedrohungen ausgesetzt, wie schon seit dem Krieg nicht mehr. Das Land der Freien begann relativ offen zu foltern oder Verdächtige zur Folterung in Vasallenstaaten mit noch weniger Schutz der Menschenrechte zu bringen. In Guantanamo werden seitdem Menschen ohne Gerichtsverhandlung festgehalten – vorher unvorstellbar. Es wurden und werden staatlich angeordnete Morde („gezielte Tötungen“) in aller Herren Länder durchgeführt. Völkerrechtswidrige Kriege wurden angefangen. Um diese Kriege zu rechtfertigen haben uns unsere Führer wissentlich belogen und betrogen.

Die Bürger der ehemals mehr oder weniger freien Welt wurden zunehmend von ihren Regierungen ausgehorcht und unter strenge Beobachtung gestellt. In England ist der öffentliche Raum mittlerweile weitgehend Kameraüberwacht, andere Länder ziehen nach. Wir verkaufen Unterdrückungs- und StaSi-Software an Terrorregime, wir setzen ähnliches illegal gegen unsere eigenen Bürger ein, wir werden an Flughäfen nacktgescannt, unsere Telekommunikation wird zu großen Teilen überwacht und automatisch auf Stichwörter gefiltert, unsere Daten sollen auf Vorrat gespeichert werden. Die Polizei prügelt und sprüht Occupier und Castor-Gegner und darüber berichtende Journalisten nieder.

Unsere wehrhafte Demokratie hat beschlossen, dass Wehrhaftigkeit wichtiger ist als Demokratie.

Manifest

Unter dem Eindruck des Niedergangs unserer Gesellschaft begann ich vor 10 Jahren mein Manifest zu entwickeln. Und seitdem beobachte ich die Krise. Mein Ziel war und ist es, eine Alternative Organisationsform unserer Gesellschaft zu verbreiten und auch umzusetzen. Daher habe ich nach Anzeichen dafür gesucht, dass die Unzufriedenheit mit unserem System auch andere erfasst.

Seitdem mehren sich die Anzeichen kontinuierlich, dass genau das geschieht. Diese Krise ist viel älter, als gemeinhin angenommen wird. Fast jährlich habe ich geglaubt, es sei so weit, ich müsse unbedingt anfangen, meine Ideen zu verbreiten. Doch jedes Jahr wurde alles noch schlimmer.

Doch heute – wahrscheinlich kurz vor dem Klimax der Krise – glaube ich plötzlich nicht mehr, dass die Unzufriedenheit das Wichtigste für die Verwirklichung einer Alternative wäre. Im Gegenteil. Aus Unzufriedenheit wächst nichts gutes. Ich bin heute fast da, wo ich vor 10 Jahren angefangen habe. Was mich dazu gebracht hat, meine Gedanken zu entwickeln und nieder zuschreiben war die Unerträglichkeit der Hoffnungslosigkeit. Ich wollte eine Vision an die ich glauben konnte, denn die gab es nicht. Also habe ich eine für mich entwickelt.

Versprechen

Heute haben immer noch viele Leute keine Vision und keine Hoffnung. Doch es hat sich in den letzten 10 Jahren auch etwas Grundlegendes geändert. Es gibt die Vision einer besseren Gesellschaft bereits. Ich muss keine Ideen mehr verbreiten. Ich muss nur noch auf Euch zeigen. Wenn man genau hinsieht, sieht man alles was wir brauchen werden.

Postprivacy, die vor 9 einhalb Jahren ein zentraler und radikaler Punkt in meinem ersten Entwurf war, ist nun Alltag für hunderte Millionen Facebook-Nutzer, die Spackeria hat die Diskussion darum dieses Jahr in die Öffentlichkeit getragen. Die Piraten, Wikileaks und viele andere schaffen nach und nach gemeinsam Transparenz bei Regierungen und Unternehmen. Viele Menschen haben bemerkt, dass wir eine Alternative brauchen und sich ernsthaft auf die Suche gemacht. Im Internet, in Blogs und sozialen Netzwerken, ist eine Gegenöffentlichkeit entstanden, die die traditionellen Medien heute in der tiefsten Krise unserer Gesellschaft absolut alt aussehen lässt. Es hat sich eine eigenständige, starke, globale, kreative Kultur im und ums Netz entwickelt, die den musealen Formalin-Gestank unserer mumifizierten Mainstream-Kultur schonungslos offen legt und die den ganzen Millimeter der marktschreierischen Flachheit der Kommerzkultur laut lachend durchmisst. Wir haben heute Techniken im Netz, mit denen wir innerhalb von Tagen globale Organisationen gründen, bevölkern und koordinieren können.

Wir haben alles was wir brauchen. Wir können uns organisieren. Wir können zunächst die Funktion unserer alten Offlinestaaten mit unseren globalen Organisationen ergänzen. Wir können eine Organisation gründen, die Amis und Griechen eine Gesundheitsversicherung bringt (wer schon eine von seinem offline-Staat hat, bekommt ein bisschen was dazu, wer keine hat, soviel, dass er im Endeffekt soviel hat, wie der andere) und den Deutschen wieder eine menschliche Arbeitslosenversicherung. Wir können globale sozialistische Organisationen bilden und neoliberale. Es gibt vieles, was wir innerhalb und unterhalb unserer Offlinestaaten tun können. Und wenn wir alles getan haben, was wir so tun können, und wenn wir genug sind: wer will uns hindern, weiter zu gehen? Wir sind genug, wir haben die Möglichkeiten und wir haben die Träume. Wir sind das Netz.

Wurzelbehandlung der Finanzkrise

Die aktuelle Finanzkrise ist Symptom mehrerer Fehler unseres Gesellschaftssystems. Durch Änderung dieses Systems könnte man auch diese Fehler beheben. Extreme Governing liefert dazu Denkanstöße.

Die Ideen, die zusammen Extreme Governing ausmachen wurden lange vor der Subprime-Krise/Lehmann-Pleite von 2008 entwickelt. Dennoch glaube ich, dass dieses System die fortgesetzten Finanzkrisen verhindern könnte, die wir heute erleben. Um das zu verstehen, muss man die Kette von Gründen verfolgen, die uns in die heutige Misere geführt haben.

Staatsschulden

Die heutige Krise – August 2011 – ist angeblich eine Krise der Überschuldung zahlreicher europäischer Länder und der USA. Glauben wir das erst mal. Extreme Governing ist so ausgelegt, dass der Staat überhaupt keine Finanzen benötigt. Das hat diverse Gründe, der wichtigste ist die Tatsache, dass eine Neugründung innerhalb einer postulierten Mosaikgesellschaft (Panarchie) ziemlich aussichtslos wäre, wenn neue Mitglieder gleich Steuern zusätzlich zu dem aufgebrummt bekämen, was sie noch an ihren siechen Altstaat (z.B. die Bundesrepublik Deutschland) zu zahlen haben.

Extreme Governing will zunächst eine neue transnationale Organisationsform innerhalb der alten nationalen Gebilde sein und sich nach und nach von diesen emanzipieren. Da es weitere Gründe gibt – z.B. halte ich die Erhebung von Steuern grundsätzlich für psychologisch und volkswirtschaftlich kontraproduktiv – macht Extreme Governing aus der Not eine Tugend und operiert komplett ohne Staatsfinanzen. Somit sollte es schon Prinzip-bedingt für einen solchen Staat keine Schuldenfalle geben.

Banken-Bailout

Das ist natürlich eine ziemlich naive Herangehensweise. Die Staatsfinanzen wurden ja nicht aus Prinzip ruiniert sondern durch konkrete Ausgaben, die teilweise als alternativlos verbrämt wurden. Da ist zuvorderst die Banken-“Rettung“ (bzw. Banken-Subvention durch Sozialisierung der Spielschulden) in Folge der Lehmann-Pleite zu nennen. Und auch die gegenwärtige „Rettung“ überschuldeter Euro-Länder ist ja zu wesentlichen Teilen wieder eine „Rettung“ derselben Banken, die diesmal nicht faule Immobilienkredite in ihren Bilanzen haben sonder faule Staatskredite.

Die Banken-“Rettung“ war damals durchgeführt worden, weil die Banken sich mit unsicheren (sogenannten sub-prime) Hypotheken verspekuliert hatten. Dazu konnte es kommen, weil diese Immobilien-Kredite mehrfach geschachtelt in komplexen intransparenten Finanzkonstrukten versteckt waren. In einigen bekannt gewordenen Fällen haben Investoren solche komplexen Derivate konstruiert, diese an ihre Kunden (darunter eben auch Banken, die dadurch von der Pleite bedroht waren) verhökert und dann selbst gegen eben diese Papiere gewettet.

Letzteres – doch auch schon intransparente Finanzkonstrukte an sich – wären unter Extreme Governing gar nicht möglich. Denn hier sind alle Unternehmen völlig transparent. Jeder (!) kann Einsicht in alle Unterlagen und elektronischen Daten jeden Unternehmens nehmen (siehe z.B. hier). Ähnlich, wie Fehler in quelloffenen Computer-Programmen meist von findigen Computerspezialisten aufgestöbert werden, würden die Fehler in solchen teils betrügerischen Finanzkonstrukten von findigen Finanzspezialisten aufgestöbert und veröffentlicht werden. Damit wäre durch Extreme Governing schon die letzte Finanzkrise im Keim erstickt worden, eine Banken-“Rettung“ wäre nicht nötig und die heute am stärksten von der Überschuldung betroffenen Staaten hätten diese Probleme heute (noch) nicht.

Arbeitsmarktförderung

Doch die Subprime-Krise war wohl nur der Tropfen, der das Fass ein wenig früher zum Überlaufen brachte als ohnehin erwartbar war. Denn bereits seit Ende der 70er Jahre steigen in den westlichen Industrienationen die Schulden massiv und ohne Unterbrechung. Immer, wirklich immer, wurde damit argumentiert, dass man die Staatsausgaben gerade jetzt nicht senken könne, weil dies je nach Wirtschaftslage den Boom abwürgen oder die Baisse verschärfen und so Arbeitsplätze kosten würde.

Und zu viele Arbeitslose ruinieren sowohl die Staatsfinanzen als auch die Wahlergebnisse. Gerade letzteres ist in repräsentativen Demokratien das Killerargument schlechthin. Abgesehen davon, dass es unter Extreme Governing keine Wahlergebnisse in diesem kontraproduktiven Sinn gibt – es gibt so etwas wie Wahlen, das läuft aber völlig anders – gibt es dort auch keine Arbeitsplatz-Problematik, wie hier ausführlich erörtert wird.

Der mit Abstand wichtigste Grund für das fortgesetzte Schuldenmachen fällt also weg, wie auch die weniger wichtige aber heute stärker disktutierte Banken-“Rettung“.  Extreme Governing bietet Lösungsansätze auch für die Probleme die uns in den letzten zehn Jahren immer schneller von Krise zu Krise führten.

Postpostprivacy – Teil 2

Der Datenschutz muss leider als gescheitert angesehen werden. Hier werden Alternativen zum Datenschutz vorgestellt und diskutiert.

Im ersten Teil dieses Artikels habe ich mich kritisch mit den heutigen Datenschutzbemühungen auseinandergesetzt. In diesem Teil wird es nun darum gehen, Alternativen aufzuzeigen. Dazu muss man sich zunächst klar machen, was überhaupt das Ziel ist, das zu erreichen der Datenschutz so spektakulär scheitert. Im ersten Teil dieses Artikels habe ich eingangs die beteiligten Gruppierungen aufgezählt und behauptet, Ziel der Datenschützer sei es, uns vor den Interessen der Wirtschaft und der staatlichen Exekutive zu schützen. Pointiert geht es um den Schutz vor staatlicher Willkür und ausuferndem Marketing – zu letzterem gehört übrigens auch Kreditvergabepolitik und ähnliches.

Doktorspiele

Der Datenschutz ist hier nur ein Herumdoktorn an den Symptomen. Sowohl wirtschaftliche wie exekutive Akteure sind meist weitgehend intransparent und versuchen Transparenz der Bürger her zu stellen. Dieses Informationsgefälle stellt ein Machtgefälle dar, das als Bedrohung empfunden wird und tatsächlich die Form ungerechter Willkür annehmen kann – als staatliche Willkür oder wirtschaftliche Benachteiligung. Datenschutz ist nun das Bestreben, mit einigen Regeln (deren Einhaltung sich aber aufgrund des Informationsgefälles oft nicht überprüfen lässt) den Missbrauch dieses Informationsgefälle zu vermeiden.

Heilung

Es ist eine Grundthese von Extreme Governing, dass dieses Informationsgefälle keinen sozialen oder volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Natürlich hat es einen privatwirtschaftlichen Nutzen – die Bereicherung Weniger – und wird daher vehement verteidigt. Auch erfordert unser antiquiertes Staatswesen ein solches Machtgefälle. Doch beidem kann prinzipiell abgeholfen werden und Extreme Governing erklärt wie.

Doch eine Informationsparität verhindert noch nicht zwangsläufig Informationsmissbrauch. Daher nimmt Extreme Governing den wirtschaftlichen und exekutiven Akteuren auch die Motivation für diesen Missbrauch. Somit wären die grundsätzlichen Ursachen behoben, die zu dem Bedürfnis nach Datenschutz führen und letzterer – die fortwährend scheiternde Bekämpfung der Symptome – wäre überflüssig.

Doch selbst, wenn all das erreicht ist, bleiben gute Gründe, in bestimmten Situationen „Anonymität“ zu erlauben. Hierzu liefert dieser Artikel neue Ansätze, die noch nicht in Extreme Governing angedeutet sind. Es sind diese Ansätze, die der Postprivacy im Titel dieser Artikel-Serie ein weiteres „Post“ verschaffen.

Das Geheimnis lüften

Die Abschaffung betrieblicher Geheimnisse wäre ein relativ simpler legislativer Akt. Man räume jedem Bürger das Recht ein, in jedem Betrieb auf jede ihm passend erscheinende Art zu recherchieren, beobachten und katalogisieren. Jedem stehe voller Zugang zu allen betrieblichen Informationen offen. Kosten, die dem Betrieb dadurch entstehen hat selbstverständlich der Rechercheur in Gänze zu tragen.

Wäre das das Ende der Marktwirtschaft? Ist das Geheimnis Grundvoraussetzung für einen marktwirtschaftlichen Gewinn? Zur Beantwortung dieser Frage müssen unterschiedlich Betriebsarten betrachtet werden.

Da wären zunächst reine Produktions- und Dienstleistungsbetriebe. Solche haben i.d.R. Relativ wenige Betriebsgeheimnisse und der Erfolg eines vornehmlich produzierenden/dienstleistenden Betriebes hängt nicht an der Geheimhaltung. Der Schlüssel zum Erfolg eines produzierenden/dienstleistenden Betriebes liegt viel mehr im Prozess und dieser wird von den Mitarbeitern getragen. Es ist die Art, wie eine Hand der anderen zuarbeitet, wie dabei Effizienz erreicht und Qualität und Kundenzufriedenheit sicher gestellt werden. Dieses Know How ist Teil der Unternehmenskultur und lässt sich nicht mal eben kopieren. Solche Betriebe wären von einer neuen Offenheit nicht gravierend betroffen. Allerdings ist zu erwarten, dass sich erfolgreiche Unternehmensprozesse deutlich schneller verbreiten würden, was der Gesamtproduktivität und somit der Allgemeinheit zugute käme.

Das andere Extrem bilden reine Forschungs- und Entwicklungsunternehmen. Hier muss wiederum zwischen Software-Entwicklung und anderer Forschung und Entwicklung unterschieden werden. Wie marktwirtschaftliche Software-Entwicklung mit Informationsfreiheit in Einklang zu bringen ist, habe ich hier ausführlich dargelegt. Andere Forschung und Entwicklung wird unter Extreme Governing mit der sogenannten Infotax marktwirtschaftlich organisiert.

Infotax ist eine volkswirtschaftlich vernünftigere Lösung des Problems, das wir vergeblich mit Patenten zu lösen versuchen. Infotaxes erlauben es mir, Lizenzgebühren aus der Vermarktung meiner Erfindungen und Forschungsergebnisse zu erheben. Da ich selbst diese Gebühren an den Staat entrichten muss, wenn ich meine eigene Erfindung vermarkte, kann ich andere Produzenten nicht bei der Vermarktung meiner Erkenntnisse benachteiligen. Andere dürfen jederzeit auf meinen Ergebnissen aufbauen und entsprechend zusätzliche Gebühren kassieren, wenn ihre Weiterentwicklung vermarktet wird.

Ein Betrieb, der vornehmlich in der Forschung und Entwicklung aktiv ist muss also lediglich jederzeit seinen aktuellen Forschungs-/Entwicklungsstand öffentlich dokumentieren. Dann hat er jederzeit Anspruch auf Gebühren für seinen jeweiligen Stand/Anteil, selbst wenn andere seine Ideen weiterführen – und dieses Weiterführen fremder Ideen eröffnet gerade ein enormes Entwicklungspotential. Es ist anzunehmen, dass die marktwirtschaftliche Forschung und Entwicklung unter diesen Bedingungen nicht zum erliegen käme, sondern im Gegenteil in nie dagewesenen Maße aufblühen würde. Da Infotaxes natürlich mit der Zeit auf Null fallen müssen – der Erfinder legt den Startwert als Prozent des Verkaufspreises fest, dann fällt dieser Prozentsatz in einer gesetzlich festgelegten Zeitspanne kontinuierlich auf Null – würde dieser Entwicklungsschub der Allgemeinheit zugute kommen, und nicht die Taschen weniger füllen wie es unser heutiges Erfindungsverhinderungsrecht (besser bekannt als Patentrecht) tut.

Informationsfreiheit würde also übermäßige Gewinne einzelner Betriebe schmälern. Doch Dienstleistung, Produktion, Forschung und Entwicklung würden stark davon profitieren. Und dieser Profit würde allen statt wenigen zugute kommen. Informationsfreiheit ist also in einer Marktwirtschaft volkswirtschaftlich sehr wünschenswert. Und im Rahmen der Datenschutzdiskussion würde sie einen Teil des bedrohlichen Informations- und Machtgefälles beseitigen.

Das Leben der anderen

Den anderen Teil dieses Gefälles bildet der Staat. Von Bürgerseite dürfte es unbestritten sein, dass ein voll transparenter Staat für eine moderne Gesellschaft absolut wünschenswert ist. Das einzige, wo möglicherweise Bedenken auftauchen könnten, sind die Strafverfolgung und die Geheimdienste. Und gerade die sind es auch, wo das Informationsgefälle die größte Bedrohung darstellt.

Extreme Governing geht davon aus, dass Nationalstaaten ein überkommenes Konstrukt sind. Geografische Grenzen verschwinden schon heute für die besser Gestellten. Abgesehen von der Bedienung niederster Wählerinstinkte – Nationalismus, ökonomischer Egoismus, Fremdenfeindlichkeit – dienen nationale Grenzen heute vor allem als staatliches Förderprogramm für die organisierte Kriminalität, wie ich hier ausführlicher Erörtert habe.

Vernetzte Gesellschaften werden diese Grenzen hinter sich lassen. Meine Nachbarn, meine Kollegen, die Menschen mit denen ich täglich verkehre, werden sich womöglich einem anderen Staatswesen zurechnen als ich. Sie werden in die Sozial- und Rentenkassen anderer Verbände einzahlen als ich, ihre Steuern an andere Kollektive entrichten und sich einer anderen Rechtsprechung unterwerfen.

In diesem Mosaik von Gesellschaften wird es nicht nur wie heute ethisch höchst fragwürdig sein, sich in dem Geschäft der Spionage und des Staatsterrorismus zu engagieren. Es wird für eine offene Gesellschaft, die sich mittels Extreme Governing organisiert, auch völlig überflüssig sein. Geopolitische Kriege und Geopolitik allgemein sind in der Mosaikgesellschaft passé. Eine kontinuierliche Regierung, die die Geheimdienst-Informationen nutzen könnte, gibt es nicht (siehe unten). Innerhalb der offenen Informationsgesellschaft ist die weitere Geheimhaltung der auf fragwürdigem Wege gewonnenen Information praktisch unmöglich. Extreme Governing etabliert daher keine eigenen Geheimorganisationen.

In Extreme Governing ist jeder Bürger auch Teil des Staatsapparates. Es gibt keine Hauptberuflichen Staatsangestellten. Jeder geht gegebenenfalls einer gewerblichen Tätigkeit nach, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und engagiert sich zudem im Staatsdienst. Das gilt natürlich auch für Polizisten. Des Weiteren baut Extreme Governing auf persönliche Verantwortung und Verantwortlichkeit. Jeder ist dem Urteil seiner Mitmenschen unterworfen. Das gilt natürlich in jeder Gesellschaft, und auch bei uns werden diese Urteile teils öffentlich, teils nicht öffentlich festgehalten. Doch unter Extreme Governing ist die öffentliche Urteilsbildung ein formalisiertes System, das für die (Selbst-)Organisation des Staates genutzt wird. Näheres dazu gibt es im Originaltext und in KiIsWhoWi.

Für dieses System ist es unerlässlich, dass auch die Arbeit von Polizisten transparent und öffentlich dokumentiert sein muss. Sollte sich zeigen, dass die Offenlegung von Ermittlungsverfahren diese zu stark behindert – die Bekämpfung organisierter Kriminalität muss ohnehin völlig andere Wege gehen, und betreffs anderer Vebrechensformen halte ich die Notwendigkeit zur Geheimhaltung von Ermittlungen für nicht bewiesen – so kann die Ermittlung immerhin völlig offen gelegt werden, sobald sie abgeschlossen ist.

Es zeigt sich also, dass das Informations- und Machtgefälle zum Nutzen aller abgeschafft werden kann. Doch solange Staat und Wirtschaft nach wie vor motiviert sind, die verfügbaren Informationen gegen die Interessen der Bürger ein zu setzen, ist noch nicht all zu viel gewonnen.

Die Exekutive und das Urteil des Souveräns

Wie wir gerade gesehen haben, ist die Exekutive des Extreme Governing Teil der Bürgerschaft des selben und ständig der Beurteilung dieser Bürgerschaft ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen kann es nicht im Interesse der Exekutive sein, gegen die Interessen der Bürgerschaft zu handeln, da sich die (in diesem Moment) im Staatsdienst Befindlichen damit selbst unmittelbaren Schaden – als Bürger doch vor allem als Beurteilte – zufügen würden.

Geld regiert die Welt

Bei der Wirtschaft liegt die Sache anders. Hier geht es den Betrieben ja nicht um sozialen Status sondern um monetäre Gewinne. Nun kann man (zurecht) annehmen, dass negative Beurteilungen eines Unternehmens diesem auch finanziell schaden. Doch Unternehmen haben eine Möglichkeit, dem im erheblichen Maße entgegen zu wirken – die Werbung. Die relevanten und richtigen Urteile der Bürgerschaft könnten vom viel „lauteren“ Marketing der Beurteilten übertönt werden.

Dies ist eine Grundeigenschaft von Marketing: Der einzige Zweck der Werbung ist i.d.R. Die Verbreitung von Fehlinformation. Werbung versucht Verbindungen herzustellen, die es so nicht gibt, z.B. die Verbindung zwischen dem Kauf eines Produktes sowie sozialer Anerkennung, Glück, Schönheit, Reichtum und so weiter. Es wird versucht, das Produkt besser darzustellen, als es tatsächlich ist. Werbung dient auch der Finanzierung eines erheblichen Teils unser Medien, Kommunikationsmittel und Kultur.

Es gibt zahlreiche Gründe, die Finanzierung der Kernelemente einer Informationsgesellschaft nicht ausgerechnet durch die Verbreitung von Fehlinformationen zu finanzieren. Dieses Vorgehen stellt nebenbei bemerkt einen volkswirtschaftlichen Unsinn sondergleichen dar. Doch im Kontext der Datenschutz-Diskussion ergeben sich ganz andere Argumente.

Das Bestreben, gezielt Werbung zu verbreiten, ist der wesentliche Grund für Unternehmen, die persönlichen Daten der Bürger zu missbrauchen. Wenn es keine Werbung mehr gibt, gibt es auch diesen Datenmissbrauch nicht mehr.

Ein Verbot von Werbung ließe sich relativ leicht durchsetzen, denn Werbung muss gerade möglichst viel Aufmerksamkeit erregen. Das verträgt sich schlecht mit kriminellen Unternehmungen – wobei die Beseitigung von Email-Spam offenbar schon nicht leicht ist. Doch in einer transparenten Gesellschaft sollte es gelingen, auch das in den Griff zu bekommen.

Es muss allerdings darauf geachtet werden, die freie Rede in keiner Weise zu beeinträchtigen. Daher schlägt Extreme Governing folgende Definition vor: Es ist verboten, jemanden dafür zu bezahlen, einen dritten von etwas zu überzeugen. Diese Definition umfasst sowohl Werbung als auch die meisten Formen politischer Propaganda, doch sie beschränkt die freie Meinungsäußerung nicht im geringsten. Ich darf jederzeit sagen, dass Cola-Trinken mich reich, sexy, cool und beliebt gemacht hat – man darf mich nur nicht dafür bezahlen, dies zu sagen.

So ließe sich also eine Gesellschaft verwirklichen, in der die Transparenz zwischen Bürgern, Regierung und Unternehmen symmetrisch ist; Und in der weder die Exekutive noch die Wirtschaft ein Interesse am Missbrauch der Transparenz der Bürger hat. Die Bedenken manch antikapitalistischer Datenschützer lassen sich so sicher nicht anfechten. Aber die Bedenken der heute vielfach schon recht freizügigen Bürgerschaft sollten damit ausgeräumt sein.

Postpostprivacy

Doch eine völlig transparente Gesellschaft macht eine anonyme Opposition praktisch unmöglich. Sie erstickt den Untergrund im Keim. Eine solche Gesellschaft wäre für manche ein formidables Schreckgespenst und das nicht zu unrecht. Denn wenn nicht alles nach meinen Idealvorstellungen läuft und sich warum auch immer ein suppressives Regime herausbildet, steckt die Gesellschaft in einer Sackgasse, aus der sie nicht so leicht wieder herauskommt. Natürlich wäre dies in einer Mosaikgesellschaft kein Problem, denn man könnte sich einfach einem anderen Staat anschließen. Doch wenn sich eine Gesellschaft als dominierend herausbildet, sollte auch sie noch einen Fußweg aus der Sackgasse bieten.

Zudem ist völlige Transparenz auch gar nicht durchsetzbar. Denn gegen Kryptoanarchisten ist (glücklicher Weise) kein technisches Kraut gewachsen. Die Underdogs des Informationszeitalters haben sich bisher jedem technischen Angriff weit überlegen gezeigt und werden das voraussichtlich auch in Zukunft tun. Ihnen verdanken wir alles, was uns technisch stark gegen Terrorregime macht: Email-Verschlüsselung, TOR, Freenet, Bitcoin und so fort. Wir sollten diese Tugend also zum Prinzip machen.

Unser heutiges Recht erzwingt als juristische Personen solche, die vom Staat in irgendeiner Form erfasst sind: zum Beispiel im Einwohnermeldeamt oder im Unternehmensregister. Dies ist wiederum ein wichtiger Kniff zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Doch dies muss wie gesagt ohnehin ganz anders bekämpft werden. Ich schlage vor, von diesem Rechtsgrundsatz abzusehen.

Ich kann mir ein beliebiges Pseudonym zulegen, oder in beliebiger anderer Form Verträge eingehen, die sich nicht ohne weiteres mit anderen rechtlichen Repräsentationen meiner Person in Verbindung bringen lassen. Natürlich wird sich nicht jeder und nicht jedes Unternehmen darauf einlassen, mit solchen „Inselpersonen“ Geschäftsverhältnisse einzugehen. Und auch über solche Inselpersonen können Profile (zum Beispiel bei KiIsWhoWi) angelegt werden. Doch solange die Person hinter diesen Fassaden verhindern kann, dass die Fassaden verbunden werden, genießt sie reichlich Anonymität.

Diese Anonymität erfordert natürlichen erheblichen Aufwand – das tut sie übrigens heute schon, wie ich im ersten Teil dieser Miniserie angedeutet habe. Sie wird auch nur von sehr wenigen tatsächlich genutzt werden – wie übrigens heute schon. Doch viele Leute werden wenig gegen Verbindung der Fassaden gesicherte Pseudopersonen aufbauen – auch dies lässt sich heute schon beobachten. Es ist dies offenbar ein Bedürfnis vieler Menschen. Und es ist ein weiteres Argument für die Legalisierung dieses Vorgehens, denn ein Staat sollte den Bedürfnissen seiner Bürger nichts in den Weg legen, wenn nichts kritisches dem entgegen steht.

Die technischen Voraussetzungen für pseudonyme Finanztransaktionen existiert mit Bitcoin übrigens bereits und lässt sich womöglich nicht so leicht aus der Welt schaffen. Ich tue hier also nicht viel mehr, als die Gesetze schnell den von der Wirklichkeit geschaffenen Fakten hinterher zu definieren.

Wenn es möglich wäre, rechtliche bindende Verträge und Transaktionen mit pseudonymen Personen durch zu führen, und nur dann, wäre ein wirksamer Datenschutz durchführbar. Denn dann wäre ich nicht mehr gezwungen, meine Daten in irgendeiner Form herauszugeben. Die Spackeria hat völlig recht, wenn sie behauptet, dass ich Daten die ich einmal herausgegeben habe als öffentlich ansehen sollte. Nur Daten, die ich nicht herausgebe sind wirklich geschützt. Deshalb kann es Datenschutz nur mit diesem rechtlichen Kniff geben.

Utopilotik

Das ist eine Welt, in der ich gerne Leben würde. Bezüglich des Elixiers der Informationsgesellschaft – eben bezüglich der Information – bin ich mit den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft gleich gestellt. Ich habe auch ohnehin nichts vor ihnen zu fürchten, denn sie haben keinen Grund (mehr), mir zu schaden. Wenn es denn nach meinem Geschmack wäre, könnte ich auch trotzdem versuchen, meine rechtliche Repräsentation zu fragmentieren und diese Fragmente vor dem Auge der Öffentlichkeit getrennt zu halten. Und wenn alle Stricke reißen, suche ich mir halt einen anderen Staat, ohne umziehen zu müssen, und wenn auch das nicht geht, schließe ich mich dem Untergrund an, der extra zu seinem Schutz eine spezielle Rechtsprechung genießt.

Die Kernschmelze der Demokratie

Die Nutzung der Atomenergie illustriert die größten Schwächen der repräsentativen Demokratie. In diesem Artikel wird erörtert, wie eben diese Schwächen mit Extreme Governing behoben würden und wieso es unwahrscheinlich ist, dass sich die zivile Nutzung der Atomenergie unter Extreme Governing durchsetzen könnte.

Die Nutzung der Atomenergie illustriert die größten Schwächen der repräsentativen Demokratie. In diesem Artikel wird erörtert, wie eben diese Schwächen mit Extreme Governing behoben würden und wieso es unwahrscheinlich ist, dass sich die zivile Nutzung der Atomenergie unter Extreme Governing durchsetzen könnte.

Die Nutzung der Atomenergie ist einer der großen Fehltritte der westlichen Demokratien. Nur für den Fall, dass noch Unklarheit über die Vor- und Nachteile der Atomenergie besteht, seien hier die wichtigsten Argumente noch einmal kurz angerissen.

Unbillig

Atomenergie wurde in den einschlägigen Propagandalügen als billig dargestellt. Kernkraft wurde und wird massiv subventioniert und zwar in deutlich höherem Maß als regenerative Energien. Greenpeace hat eine Studie erstellen lassen, die die Subventionen erstmals zusammenfasst. Das statistische Bundesamt hat diese Gesamtkalkulation bisher verschleiert.

Zählt man nur Forschungsförderung, Steuervorteile und bisher geleistete Zahlungen für Endlager zusammen, so ergibt sich eine Subvention von 4,3 Cent pro Kilowattstunde. Erneuerbare Energien werden entsprechend mit 2 Cent pro kW/h gefördert. Zählt man andere Faktoren wie regelmäßige Polizei-Großeinsätze zum Schutz der Atommülltransporte und erwartbare Kosten für die Endlagerung hinzu liegt die Förderung erheblich höher.

Die Risiken der Kernkraft trägt die Gesellschaft: die Deckelung der Haftung für Kernkraft-Havarien stellt eine weitere Subvention dar. Müssten Kernkraftanlagen für einen Supergau versichert werden, wäre Kernkraft völlig unbezahlbar.

Unsicher

Das führt uns zum nächsten Punkt. Kernkraftanlagen, insbesondere deutsche, seien sicher. Mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg wurde auch der Ausstieg der fortlaufenden Modernisierung beschlossen. Die Gesetze, die die Betreiber zwangen, ihre Atomkraftwerke sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand zu halten, wurden erheblich gelockert, Sicherheitsfragen zunehmend dem Ermessen und Wohlwollen der Betreiber überlassen.

Doch schon vorher kann von hinreichender Sicherheit keine Rede sein. Brunsbüttel war 2001 vermutlich nur 2 Meter Rohleitung von einer Kernschmelze entfernt. Wäre der Wasserstoff an anderer Stelle detoniert, wäre eine weitere Kühlung vermutlich unmöglich gewesen. Tatsächlich hatte es schon eine Explosion im kritischen Bereich gegeben, die war nur etwas kleiner und war unentdeckt geblieben.

Der GAU ist also praktisch schon mindestens zweimal eingetreten, wir hatten nur beide Male großes Glück, dass es noch einmal gut gegangen ist. Doch schon kleinere Probleme hätten in Brunsbüttel zur Katastrophe führen können. Denn das Kraftwerk lief über Jahrzehnte ohne zuverlässige Backup-Systeme. Wie gesagt, wir hatten bisher lediglich Glück.

Ungeeignet

Atomkraft sei eine „Brückentechnologie“. Der Einsatz regenerativer Energien hat heute schon einen solchen Umfang erreicht, dass in Spitzenzeiten ein ganzes Drittel unseres Stroms regenerativ erzeugt wird (die aktuellen Werte kann man übrigens hier verfolgen). Bei einem weiteren Ausbau der regenerativen Energien werden wir sehr bald in Bereiche kommen, wo regelmäßig sogenannte Grundlastkraftwerke herunter geregelt werden müssten um Platz für die Regenerativen zu machen. Atomkraftwerke sind aber nicht kurzfristig regelbar. Zudem erhöht jede zusätzliche Regelung das Betriebsrisiko von Kernkraftanlagen erheblich.

Wie konnten wir uns also entgegen aller Vernunft für die Atomkraft entscheiden? Hier haben sicher einige historische Gegebenheiten eine wichtige Rolle gespielt. Der Enthusiasmus über die scheinbare Beherrschung des Atoms hat die Epoche von den 50er bis 70er Jahren derart geprägt, dass wir gar vom Atomzeitalter sprechen. Wieder glaubten wir an die grundsätzliche Beherrschbarkeit von Technologie. Das Menetekel des Gegenteils, die unsinkbare Titanic, ward verdrängt. Hinzu kam Anfang der 70er der Ölschock.

Doch dass wir uns überzeugen ließen, dass Atomkraft sicher und billig und zukunftsfähig ist, hat andere Gründe. Diese Gründe sind fundamentale Konstruktionsfehler in der repräsentativen Demokratie. Es sind letztendlich die gleichen Gründe, die uns das Leid verdrängen lassen, das unser Lebensstil über die Menschheit bringt, und die Verheerung, die er über die Ökosysteme des Planeten bringt.

Populismus & Inkompetenz

Die Menschen, die in repräsentativen Demokratien die politischen Entscheidungen treffen, verfügen in den Fragen, über die sie entscheiden, meist nur über eine sehr begrenzte Kompetenz. Unsere Entscheider sind Rhetoriker, Darsteller, Überzeuger, Mehrheitsbeschaffer, Vermittler, Diplomaten, Unterhändler – aber selten auch Fachleute. Sie sind bezüglich der Fachkompetenz auf Dritte angewiesen. Diese Dritten sind teils Staatsangestellte, eine erhebliche Rolle spielen aber die Lobbyisten.

Diese verfügen über massive Gelder und Heerscharen von Fachleuten mit tiefen Einblicken in z.B. die Kerntechnik. Da können auch staatliche Fachleute mangels interner Einblicke in die betreffenden Branchen kaum mithalten. Die Lobbyisten sind natürlich immer darauf aus, ihrer Branche Vorteile zu verschaffen. Den Bock zum Gärtner zu machen ist kein Unfall in der repräsentativen Demokratie, es ist ein Leitmotiv. Lobbyisten mit Zugriff auf die absoluten Spitzenfachleute der industriellen Kerntechnik war es ein Leichtes, inkompetente Politiker von der Sicherheit und Rentabilität der Kerntechnik zu überzeugen.

Extreme Governing geht hier einen völlig anderen Weg. Hier darf grundsätzlich nur Entscheiden, wer genügend Fachkompetenz besitzt, um die fraglichen Probleme selbst zu beurteilen. Darüber hinaus kommt es nicht auf Popularität an, sondern auf moralische Integrität. Diese beiden Kriterien, sorgen dafür, dass die Entscheider den richtigen Weg erkennen können, und dann gewillt sind, diesem auch zu folgen. Doch ein weiterer Faktor ist mindestens genau so wichtig. Dieser Faktor ist der Schutz, den Minderheiten unter Extreme Governing genießen, bzw. der ihnen in Demokratien weitgehend vorenthalten wird.

Diktatur der Mehrheit

Ein wichtiges Argument gegen Atomkraft wurde hier noch gar nicht genannt. Der Müll muss irgendwo hin. Und niemand will ihn bei sich haben. Die Lösung dieses Problems liegt darin, dass man sich eine möglichst kleine Gruppe von politisch möglichst wenig wehrhaften Leuten sucht, auf deren Rücken man Kernenergie durchsetzt. In unserem Fall sind diese Menschen die Wendländer Landbevölkerung. Die Gegenwehr ist dennoch beachtlich, insbesondere weil sich Gruppen aus ganz Deutschland mit den Wendländern solidarisieren. Doch dieser Widerstand wird regelmäßig mit Polizei-Einsätzen gebrochen, deren Größe selbst für demokratische Regime bedenklich sind.

Wenn der Laut und deutlich vorgebrachte Protest breiter Bevölkerungsschichten regelmäßig mit massiver Exekutiv-Gewalt gebrochen werden muss, ist offenbar selbst der fragwürdige Interessenausgleich gescheitert, den Demokratien bieten. Die Durchsetzung von Beschlüssen, die Minderheiten derartig stark in ihren Interessen verletzen, dass sie Reisen ins Wendland auf sich nehmen um dort im nasskalten November zu protestieren – die Durchsetzung solcher Beschlüsse mit staatlicher Gewalt illustriert ein weiteres Mal das Scheitern der Demokratie. Demokratie ist ein System, dass Menschen nicht vor willkürlichen Interessen schützt.

Da unter Extreme Governing jeder jeden beurteilen kann, gibt es hier keine reinen Mehrheitsentscheidungen. Mehrheitsentscheidung sind grundsätzlich gut und richtig und würden auch unter Extreme Governing eine große Rolle spielen. Doch auch das Interesse der Mehrheit kann nicht als Rechtfertigung dafür dienen, massivst in die Interessen Weniger oder Einzelner einzugreifen. Einzelne können sicher mal für die Mehrheit Opfer bringen. Doch das Opfer der Heimat, der Gesundheit oder – siehe nächster Absatz – des Lebens darf die Mehrheit nicht fordern.

Das Sterben der Anderen

Und dann waren da noch die Neger. Uns ist es üblicher Weise egal, ob die sich mit unseren Waffen abschlachten, ob sie verhungern, weil wir Nahrungsmittel lieber verbrennen oder an Schweine als an Neger verfüttern, ob sie an Aids eingehen, weil wir unsere Medikamente nicht kostendeckend an solch wertlose „Menschen“ abgeben wollen, ob sie auf der Flucht vor der Hölle, die wir in ihrer Heimat schaffen, im Mittelmeer ertrinken, oder ob sie eben in unseren Uranminen verheizt werden. In der Entscheidungsfindung westlicher Demokratien spielt das Leben oder gar andere Interessen afrikanischer Bürger nicht die geringste Rolle.

Bei Extreme Governing gibt es keine Grenzen. Die Urteile afrikanischer Minenarbeiter sind erst mal genau so viel Wert, wie die Urteile westdeutscher Lehrer. Eine Entscheidung zu treffen, für die dann Nigerianer sterben müssen, wäre unter Extreme Governing kaum weniger verhängnisvoll als Entscheidungen zu treffen, für die Deutsche sterben müssen.

Integrität, Kompetenz, Grenzenlosigkeit

In der Demokratie werden Entscheidungen von populären Menschen getroffen. Kompetenz wird hauptsächlich von Lobbyisten eingebracht, moralische Integrität spielt überhaupt keine Rolle. Extreme Governing wählt die Menschen, die zu Entscheiden haben, nach Kompetenz und moralischer Integrität aus. Die Interessen von Minderheiten können in Demokratien völlig missachtet werden. Extreme Governing zählt jedermanns Urteil. Zu massive Eingriffe in die Rechte Einzelner sind nicht tolerierbar.

Nationalstaaten ignorieren die Rechte von Menschen jenseits der Nation grundsätzlich komplett. Verlust von Heimat, Gesundheit und Leben Dritter wird ohne weiteres in Kauf genommen. Extreme Governing ist nicht national. „Bürger“ wie „Nicht-Bürger“ haben unabhängig von Wohnort und Herkunft eine Stimme. Den Tot von „Nicht-Bürgern“ in Kauf zu nehmen hat für die Entscheider die gleiche Bedeutung, wie den Tot von „Bürgern“ in Kauf zu nehmen. Es ist schwer vorstellbar, dass mit diesem System Kernenergie im industriellen Maßstab genutzt worden wäre.