Das I in CIA steht für Igitt

Die CIA, das sind wir alle. Das sind unsere Folterknechte, die haben unsere vollste Unterstützung und wir werden bestimmt nicht insistieren, dass da auch nur einer angeklagt wird.

Schon eklig die CIA. Fragen Sie zum Beispiel mal Abu Zubaydah. Gut, den können Sie jetzt schlecht fragen, denn der sitzt nach wie vor ohne Anklage oder gar ordentliche Gerichtsverhandlung in Guantanamo. Aber Die Amis haben ja jetzt selbst veröffentlicht, wie sie Abu Zubaydah als ersten ihren “verbesserten Befragungstechniken” unterzogen haben: Schlafentzug, körperliche Misshandlung, sexuelle Erniedrigung, regelmäßiges Waterboarding und insgesamt 10 Tage und Nächte in einem Sarg einsperren. Also wenn man die Seele von jemandem gezielt zerstören will, klingt das wie eine ziemlich clevere Strategie – interessante Herangehensweise für eine zutiefst christliche Nation. Gut, man könnte jetzt meinen, zünftige Folterprogramme sind halt was man bekommt, wenn man, wie die Amis mit dem Bush, eine fundamental-christliche Regierung wählt. Aber da machen wir es uns etwas einfach.

Wir sind die CIA

Leider sind die CIA auch wir. Ja, echt. “Die spinnen, die Amis” zählt nicht. Die spinnen ja schon immer. Trotzdem stecken wir so tief im Enddarm der Amis, dass wir anatomisch schwer von ihnen zu unterscheiden sind. Und wenn die Amis vor 70 Jahren 6 Millionen Juden und rund 60 Millionen andere Menschen ermordet hätten, wären die Amis jetzt vielleicht auch etwas ruhiger.

Fakt ist, wir sind nicht nur das Volk, wir sind auch die CIA. Das ist unser System. So sieht es in der ganzen westlichen Welt aus. Wir Deutschen haben uns da in den letzten 70 Jahren etwas zurückgehalten, aber auch wir werden von Dekade zu Dekade wieder sichtbar bellizistischer. Und die Geschichte kennt einige wundervoll gruselige Geschichten. Bleiben wir doch mal bei unseren aller-engsten Verbündeten und ihrer CIA. Das Folterprogramm war nämlich nicht wirklich ein Ausrutscher. Das fügt sich nahtlos in eine lange Reihe ähnlich gruseliger Geschichten.

Contra Affäre

In den 80ern gab es eine echte Hammer-Story, die Contra-Affäre. Die Amis haben total geheim Waffen an den Iran verkauft. Das allein ist schon so krass unmoralisch, da könnte man sich Stunden drüber gruseln. Die haben nämlich nicht nur dem Iran Waffen für den Krieg gegen den Irak verkauft, nein sie haben auch den Irakern beim in mehrfacher Weise völkerrechtswidrigen Chemie-Waffen Angriff auf den Iran geholfen. Das war natürlich bevor die Amis selbst die Iraker zurück ins Mittelalter gebombt haben. Natürlich wieder völkerrechtswidrig und gerechtfertigt mit einem riesigen Sack voller Lügen. Na, wer ist der Babo?

Aber das ist wie gesagt nur eine Nebenhandlung. Die Amis verkauften also Waffen an den Iran. Mit der Kohle aus diesen geheimen Waffendeals haben die Amis die Contras unterstützt. Denn nichts machen Amis lieber, als ein sozialistisches Regime durch ein faschistisches zu ersetzen. Dahinter steckt wieder Stoff für wochenlanges Gruseln. Also die Contras das war so eine faschistische Mörderbande, wie sie die Amis gerne unterstützen. Also wie zum Beispiel die Taliban und Osama Bin Laden, die die Amis ja lange militärisch in Afghanistan unterstützt haben – wie viele vormalige “Freiheitskämpfer”, die die Amis heute als “Terroristen” bekämpfen. Wieder eine andere Geschichte …

Ihre eigene Regierung hatte den Amis verboten, sich da bei den Contras einzumischen. Aber die eigene Regierung konnte einen Ami noch nie von irgendwas abhalten. Darum sind die Amis ja die Amis. Die sind aus Europa geflüchtet um der Regierung zu entkommen, darauf fußt ihr Staat, das Land der Freien, und das hat heute noch sehr großen Einfluss in den USA.

Die Amis haben also die Contras mit Kohle aus den Waffenverkäufen im Iran unterstützt. Aber die Contras haben ja Krieg geführt gegen irgendwelche Sozialisten, und für einen Krieg kann man nicht zu viel Kohle habe. Also haben die Contras so viel Koks wie möglich vertickt um mehr Kohle für ihren Krieg zu kriegen. Und an wen vertickt man möglichst viel Kokain am besten? Klar, an Amis.

Und die CIA wusste von diesen Drogenverkäufen – Drogenverkäufen an die eigenen Leute. Also ich halte diesen ganzen Drogen-Prohibitions-Scheiß ja für Schwachsinn, aber die Amis waren da damals streng gläubig. Tiefer als als Drogenhändler konnte man demnach nicht sinken (außer vielleicht als Kinderficker, wenn die Regierung mal wieder ein paar hübsche Abhörprogramme gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen will … wieder andere Geschichten). Und die CIA hats gewusst. Und geduldet. Denn wenn so ein feiner Fascho-Mob ein paar Sozialisten verprügelt, muss man schon mal Prioritäten setzen.

Von kleinen und großen Arschlöchern

Jo, das war die Contra-Affäre. Das waren auch schon wir. Denn das ist unser System, das sind unsere aller-engsten Verbündeten. Alle mit diesem System machen das so, wir haben uns nur mal eine kleine Auszeit genommen, nachdem wir etwas über die Stränge geschlagen haben. Bei uns läuft auch ne Menge Scheiße, nur halt ein paar Nummern kleiner, weil wir auch ein paar Nummern kleiner sind und wie gesagt, vor 70 Jahren …

Aber hey, wir sind trotzdem besser als die anderen! Hat mir gerade ein Radio-Kommentator erklärt. Der hat nicht etwa uns/und oder die Amis gegeißelt, nein, der hat mir erklärt, was bei uns, respektive den Amis, besser läuft. Denn so aufgeklärte Journalisten, die durchblicken das einfach besser als das blöde Volk, das gleich wieder in dumpfen, völlig unbegründeten Antiamerikanismus verfällt. So ein Journalist hat in der Regel auch viel präzisere Innenansichten aus dem Enddarm der Amis. Also besser ist jedenfalls bei uns, dass wir über so etwas reden. Da hat unsere Demokratie tolle Selbstheilungskräfte.

Also nicht dass es langfristig irgendwie besser wird – das zeigt jedenfalls die Geschichte. Aber stimmt schon, ich bin wirklich und ehrlich sehr froh, dass ich für so einen Artikel hier nicht an die Wand gestellt werde. Und ich wette, in der islamischen Welt wird uns das haufenweise Respekt bringen, wie wir drüber reden, wie wir deren Brüder foltern.

Book Review: World War Z

The Dead are not merely walking. They are running – running our society that is. The first and foremost reason for me to recommend reading „World War Z – An Oral History of the Zombie War“ is how brilliantly it makes the case that we are craving apocalypse. Some of ours leaders are thoroughly devoid of humanity. We are enjoying our ride to hell and we are going to profit from it.

The Dead are not merely walking. They are running – running our society that is. The first and foremost reason for me to recommend reading „World War Z – An Oral History of the Zombie War“ is how brilliantly it makes the case that we are craving apocalypse. Some of ours leaders are thoroughly devoid of humanity. We are enjoying our ride to hell and we are going to profit from it.

Flirting with Disaster

Our actual apocalypse, the sixth extinction, has been going on for millennia. We have industrialized it and keep up exponential acceleration of our dive into doom. Still our real apocalypse is considerably slower than the zombie apocalypse that paints the background of this worthwhile novel. And then there’s the invisible megadeath. Millions of children dying each and every year for no reason, just for not mattering. Zombie children, untouchables barely good enough to to slave away for the coltan in our mobiles, the cotton in our shirts and the fruit on our tables. If „Zombie“ gives you literary creeps and you would not sink as low as to touch some sad excuse for a „novel“ on it, still you should read the section „Blame“ if you happen to get your hands on it.

The small smuggler, middle class assholes, big money, politics, the media: everybody sees perfectly well, how everything is going to hell, even if nobody really understands what’s really going on. Yet, everybody understands there’s a profit to be made and flourishes on our demise. This section, „Blame“,  is probably the best of the book.

But there is much more. The failure of the military to contain the thread because they put up a media show instead of a battle, the US becoming temporarily socialist, Cuba capitalist, Israel locking down, the way Russia becomes a Mullah regime, an Apartheid master mind devising the cruel plan for survival, the subtle psychological difference between a „Robinson Crusoe“ and a „Last Man on Earth“ – the book is full of gems, insightful observations on humans and our societies.

I’m a sucker for words. World war Z is no poetry or outstanding literature. But it is a lot better in this department than your average page turner. It consists of dozens of „interviews“ with eye witnesses. The author successfully emulates several different styles without  overdoing that. It convincingly transports this peculiar way of story telling without bothering the reader with overdone quirks. There is some relation to the epistolary novel but the format is quite unique and perfectly fit to the scope and concept of „World War Z“.

So What?

So great book, read it if you care, but what does all this have to do with this blog? Well, I reached the same conclusions about our society as the author Max Brooks (son of infamous Mel): we are hellbound for apocalypse. Poor Max is an American, though, he really can’t help it. Patriotism with the mother milk, same old song. To speak with Max‘ Mrs. Miller from „World War Z“: „You can blame the politicians, the businessmen, the generals, the ‚machine,‘ but really, if you’re looking to blame someone, blame me. I’m the American system, I’m the machine. That’s the price of living in a democracy; we all gotta take the rap.“

Fuck, no. Maybe that’s the price for living in this convoluted excuse for a democracy, this abomination Americans call a nation. I refuse to believe that the price for freedom is apocalypse. There’s a hell of a lot that we can improve upon. We can be free and still care. We do not need to put all the assholes into power. We do not have to arrange things for people to profit from burning down our world. Hopefully this insight spreads somewhat before doomsday.

Wir sind das Netz

Ein Rückblick auf 10 Jahre Systemkrise und ein Ausblick auf die Versprechen, die das Netz uns macht, die wir uns machen.

Ich beobachte diese Krise seit 10 Jahren. Damals waren 10 Jahre vergangen, seitdem die Träume der Linken im Osten geplatzt waren. Doch auch die Versprechen der freiheitlichen Gesellschaft begannen zu brechen. Dieser Bruch hatte mehrere Dimensionen die ich zunächst erläutern werde. Doch ein neues Versprechen wurde inzwischen gegeben und es scheint tatsächlich auf seine Einlösung zu warten, wie ich im Anschluss darlege.

Marktwirtschaft

Da der Kern unseres Systems der freie Markt ist, fange ich damit an. Ich investiere schon seit über 20 Jahren kleine Summen im Kapitalmarkt. Vor 10 Jahren änderten sich ziemlich plötzlich die Regeln.

Davor waren festverzinsliche Papiere relativ sicher und haben ordentliche Renditen gebracht. Seither sind die Zinsen immer weiter gesunken und die festen Laufzeiten dieser Papiere wurden ein immer größeres Risiko. Ich weiß noch wie ich mich geärgert habe, als ein Berater meiner Mutter General Motors Anleihen verkauft hat. So etwas war über Jahrzehnte eine sichere Sache. Nun war es ein sichtbares Risiko.

Immobilien waren seit dem Krieg durchgehend eine sichere Burg und versprachen ordentliche Renditen. Ich hatte ein paar Immobilienanleihen mit langen Laufzeiten (einige Laufen immer noch). Auch hier wurden die Laufzeiten immer bedenklicher, da der Markt immer volatiler wurde. Volatil heißt, flüchtig, das bedeutet große Schwankungen und Unsicherheit. Die vorhersehbare demografische Entwicklung machte Immobilien generell unsicher, man musste jetzt sehr genau hinschauen.

Aktien waren quasi immer langfristig die besten Anlagen. Doch die Dotcomblase hatte gerade (2000) den Glauben an Aktien grundsätzlich erschüttert. Seitdem ist der Aktienmarkt gezeichnet von schwersten Einbrüchen durch 9/11, diverse Kriege und seit drei Jahren die Finanzkrise.

Vor 10 Jahren begannen Spekulative Anlageinstrumente zunächst zaghaft Einzug in den Endkundenmarkt zu halten. Vorher waren alle Formen von Derivaten Profis vorbehalten. Schon 1995 hatte ein gewisser Nick Leeson mit Optionen die fast 300 Jahre alte Baringsbank in den Bankrott spekuliert. Dennoch fassten Derivate nun langsam Fuß im Endkundenbereich und haben seitdem bekanntlich unfassbares Unheil angerichtet. Damals galten Derivate als ziemlich sicher, da sich niemand vorstellen konnte, dass große Banken pleite gehen, ohne dass die Wirtschaft komplett kollabiert. Das hab ich tatsächlich oft in „Beratungs-“ (also Verkaufs-)Gesprächen mit Bankern gehört. Und jetzt scheint genau das wahr geworden zu sein – selffulfilling prophecy?

Alle Bereiche des Anlagemarktes sind heute im Vergleich zu früher von höchster Unsicherheit geprägt. Sicherheit versprechen heute eher die BRICS Staaten, die damals als „emerging markets“ als hoch spekulativ galten. Das ist auch eine Folge der Krise, aber es ist auch „einfach“ der aktuelle Punkt einer längeren aber insgesamt recht konsistenten Entwicklung, die für mich persönlich etwa gegen Anfang des Jahrtausends begann.

Demokratie

Die Grünen, die Hoffnung vieler sonst von der Demokratie Enttäuschten hatten uns 1998 in den Kosovo-Krieg geführt. Die SPD hatte gerade mit der Agenda 2010 (unter anderem den Hartz-Gesetzen) die Ideale der Sozialdemokratie verraten („Verräterpartei“). Die Rot/Grüne Regierung hat mit diesen beiden Projekten riesigen Schaden für die Demokratie als ganzes in Deutschland angerichtet. Wie bei vielen anderen schwand auch bei mir der Glaube an die Demokratie.

Die Wahlbeteiligung sinkt und sinkt, die Hoffnungen in etablierte Parteien schwinden zusehends. Die Piraten, eine Partei (zu dem Zeitpunkt) weitgehend ohne Programm, ohne Standpunkte oder Kompetenz in nahezu allen Schlüsselthemen, ohne auch nur die Andeutung charismatischer Führer oder politischer Visionen kommt fast aus dem Stand auf Umfragewerte im Bereich von Grünen und SPD, mit einem einzigen Versprechen: Demokratie, Mitbestimmung.

Freiheit

Vor zehn Jahren waren die Anschläge auf das World Trade Center. Und die waren ein überwältigender Erfolg. Unsere freiheitliche Grundordnung ist in Folge bis heute Bedrohungen ausgesetzt, wie schon seit dem Krieg nicht mehr. Das Land der Freien begann relativ offen zu foltern oder Verdächtige zur Folterung in Vasallenstaaten mit noch weniger Schutz der Menschenrechte zu bringen. In Guantanamo werden seitdem Menschen ohne Gerichtsverhandlung festgehalten – vorher unvorstellbar. Es wurden und werden staatlich angeordnete Morde („gezielte Tötungen“) in aller Herren Länder durchgeführt. Völkerrechtswidrige Kriege wurden angefangen. Um diese Kriege zu rechtfertigen haben uns unsere Führer wissentlich belogen und betrogen.

Die Bürger der ehemals mehr oder weniger freien Welt wurden zunehmend von ihren Regierungen ausgehorcht und unter strenge Beobachtung gestellt. In England ist der öffentliche Raum mittlerweile weitgehend Kameraüberwacht, andere Länder ziehen nach. Wir verkaufen Unterdrückungs- und StaSi-Software an Terrorregime, wir setzen ähnliches illegal gegen unsere eigenen Bürger ein, wir werden an Flughäfen nacktgescannt, unsere Telekommunikation wird zu großen Teilen überwacht und automatisch auf Stichwörter gefiltert, unsere Daten sollen auf Vorrat gespeichert werden. Die Polizei prügelt und sprüht Occupier und Castor-Gegner und darüber berichtende Journalisten nieder.

Unsere wehrhafte Demokratie hat beschlossen, dass Wehrhaftigkeit wichtiger ist als Demokratie.

Manifest

Unter dem Eindruck des Niedergangs unserer Gesellschaft begann ich vor 10 Jahren mein Manifest zu entwickeln. Und seitdem beobachte ich die Krise. Mein Ziel war und ist es, eine Alternative Organisationsform unserer Gesellschaft zu verbreiten und auch umzusetzen. Daher habe ich nach Anzeichen dafür gesucht, dass die Unzufriedenheit mit unserem System auch andere erfasst.

Seitdem mehren sich die Anzeichen kontinuierlich, dass genau das geschieht. Diese Krise ist viel älter, als gemeinhin angenommen wird. Fast jährlich habe ich geglaubt, es sei so weit, ich müsse unbedingt anfangen, meine Ideen zu verbreiten. Doch jedes Jahr wurde alles noch schlimmer.

Doch heute – wahrscheinlich kurz vor dem Klimax der Krise – glaube ich plötzlich nicht mehr, dass die Unzufriedenheit das Wichtigste für die Verwirklichung einer Alternative wäre. Im Gegenteil. Aus Unzufriedenheit wächst nichts gutes. Ich bin heute fast da, wo ich vor 10 Jahren angefangen habe. Was mich dazu gebracht hat, meine Gedanken zu entwickeln und nieder zuschreiben war die Unerträglichkeit der Hoffnungslosigkeit. Ich wollte eine Vision an die ich glauben konnte, denn die gab es nicht. Also habe ich eine für mich entwickelt.

Versprechen

Heute haben immer noch viele Leute keine Vision und keine Hoffnung. Doch es hat sich in den letzten 10 Jahren auch etwas Grundlegendes geändert. Es gibt die Vision einer besseren Gesellschaft bereits. Ich muss keine Ideen mehr verbreiten. Ich muss nur noch auf Euch zeigen. Wenn man genau hinsieht, sieht man alles was wir brauchen werden.

Postprivacy, die vor 9 einhalb Jahren ein zentraler und radikaler Punkt in meinem ersten Entwurf war, ist nun Alltag für hunderte Millionen Facebook-Nutzer, die Spackeria hat die Diskussion darum dieses Jahr in die Öffentlichkeit getragen. Die Piraten, Wikileaks und viele andere schaffen nach und nach gemeinsam Transparenz bei Regierungen und Unternehmen. Viele Menschen haben bemerkt, dass wir eine Alternative brauchen und sich ernsthaft auf die Suche gemacht. Im Internet, in Blogs und sozialen Netzwerken, ist eine Gegenöffentlichkeit entstanden, die die traditionellen Medien heute in der tiefsten Krise unserer Gesellschaft absolut alt aussehen lässt. Es hat sich eine eigenständige, starke, globale, kreative Kultur im und ums Netz entwickelt, die den musealen Formalin-Gestank unserer mumifizierten Mainstream-Kultur schonungslos offen legt und die den ganzen Millimeter der marktschreierischen Flachheit der Kommerzkultur laut lachend durchmisst. Wir haben heute Techniken im Netz, mit denen wir innerhalb von Tagen globale Organisationen gründen, bevölkern und koordinieren können.

Wir haben alles was wir brauchen. Wir können uns organisieren. Wir können zunächst die Funktion unserer alten Offlinestaaten mit unseren globalen Organisationen ergänzen. Wir können eine Organisation gründen, die Amis und Griechen eine Gesundheitsversicherung bringt (wer schon eine von seinem offline-Staat hat, bekommt ein bisschen was dazu, wer keine hat, soviel, dass er im Endeffekt soviel hat, wie der andere) und den Deutschen wieder eine menschliche Arbeitslosenversicherung. Wir können globale sozialistische Organisationen bilden und neoliberale. Es gibt vieles, was wir innerhalb und unterhalb unserer Offlinestaaten tun können. Und wenn wir alles getan haben, was wir so tun können, und wenn wir genug sind: wer will uns hindern, weiter zu gehen? Wir sind genug, wir haben die Möglichkeiten und wir haben die Träume. Wir sind das Netz.

Menschen, die

Was sind das für Menschen, die unsere Geschicke leiten? Und was sollten das besser für Menschen sein? Wie werden diese Menschen ausgewählt, nach welchen Kriterien sollten sie statt dessen ausgewählt werden und wie lässt sich das bewerkstelligen?

Was sind das für Menschen, die unsere Geschicke leiten? Vor ein paar hundert Jahren konnte man nur relativ wenig darüber sagen. Es waren Menschen, die Kinder von Königen waren, von Fürsten und Rittern. Wer führte und wer folgte wurde durch Erbfolge bestimmt. Und heute?

Demokraten und andere Despoten

Es sind Menschen, die rhetorisch begabt sind, Menschen die planen und vermitteln können; Menschen, die Probleme erkennen und lösen können. Es sind Kommunikatoren. Doch bei weitem nicht alle Menschen, die solche Eigenschaften besitzen, schaffen es an die Spitze. Denn das Wichtigste ist der Wille es nach oben zu schaffen. Heute leiten unsere Geschicke Menschen, die das unbedingt wollen; Menschen, die das wichtiger finden als alles andere, wichtiger als Hobbys, wichtiger als andere Menschen, die das auch wollen, wichtiger als ihre Gesundheit und ihre Familie.

In unserer Gesellschaft gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Gebiete, in denen Menschen unsere Geschicke leiten. Das erste ist die Politik, das zweite die Wirtschaft. Welches „oben“ sich Menschen als ihr Ziel wählen hängt vermutlich teils vom Zufall ab, teils aber auch von den persönlichen Präferenzen: will man lenken und leiten oder will man lenken und leiten und reich werden?

Das Rätsel der fehlenden Arschlöcher

Menschen, die ihren persönlichen Erfolg wichtiger finden als ihre Gesundheit, ihre Kollegen und ihre Familien, sind nicht immer unbedingt die Menschen, die ich mir als Freunde wünsche. Ich habe mich viele viele Jahre über einen mir offenkundigen scheinenden Widerspruch gewundert: Menschen tun, wie man täglich in den Medien erfahren kann, andauernd schreckliche Dinge. Viele dieser Dinge setzen eine bemerkenswerte Menschenverachtung voraus. Aber wo sind all diese Fieslinge? Ich lerne andauernd nette Leute kennen. Wir sind alle schwach und fehlbar und allzu menschlich. Doch wo sind all die echten Arschlöcher?

Heute habe ich einen Verdacht. Es gibt gar nicht so viele davon. Aber um es ganz nach oben zu schaffen braucht man mehr als Schwäche und Fehlbarkeit und Menschlichkeit. Das schafft man kaum, wenn man übermäßige Rücksicht auf die Mitmenschen nimmt. Es gibt sicher zahlreiche Ausnahmen. Es gibt Menschen, die sich für ihre Ideale nach oben kämpfen und sich diese Ideale sogar bewahren. Es gibt Menschen, die es aufgrund ihrer herausragenden Fähigkeiten nach oben schaffen und auf dem Weg nicht völlig verdorben werden. Doch insgesamt fürchte ich, unser Gesellschaftssystem ist ein ziemlich brauchbarer Arschlochselektor. Man lernt die nicht kennen, weil die viel zu beschäftigt mit ihrem Erfolg sind. Vorsichtshalber seien ambitionierte Arschlöcher aber gewarnt: es reicht nicht, ein Arsch zu sein. Man muss dabei auch gut aussehen.

Es war sicher eines der größten Probleme der Monarchie, dass sie meist die Falschen Führer ausgewählt hat. Und vielleicht ist das auch immer noch eins unserer größten Probleme. Dabei scheint das Problem kaum als solches anerkannt zu werden. Die einzige einigermaßen populäre Alternative zu unserem System – der Sozialismus – ignoriert das Problem komplett. Er nimmt den Menschen, die Geld und Macht wollen, diese Option und schickt sie auch noch in die Politik. Dort sind sie dann mit noch umfassenderen Befugnissen ausgestattet als in unserem System. Das heißt, die paar wenigen Idealisten werden weiter „verdünnt“ und so zur völligen Bedeutungslosigkeit verdammt. Das erklärt ziemlich gut das Bild, das der Sozialismus historisch abgegeben hat.

Die meisten sind besser als die Schlechtesten

Es wäre also schon mal ein Fortschritt, wenn wir nicht ausgerechnet jene Menschen als unsere Führer bevorzugten, die dazu aus sozialen Gesichtspunkten am wenigsten geeignet sind. Trotzdem sollten sie natürlich sachlich möglichst gut für ihre Aufgabe qualifiziert sein. Und sie sollten motiviert sein, im Sinne der Gemeinschaft zu entscheiden.

Extreme Governing wählt als Entscheider die Menschen, die von anderen sachlich und ethisch positiv beurteilt werden. So werden nur Menschen ausgewählt, die ethisch und sachlich qualifiziert sind. Die Entscheidungen gehen wieder in die Beurteilungen der Entscheider ein, und da jeder höchstens nur sehr wenige Entscheidungen von größter Tragweite treffen darf, sind diese sehr wichtig für seine Beurteilung. Und die Beurteilung spielt ein wichtige Rolle im Leben. So werden die Entscheider motiviert im Sinne der sie Beurteilenden zu entscheiden.

Software Marktwirtschaft ohne Copyright

Es gibt viele Argumente, das Copyright für Software ab zu schaffen. Das mit Abstand wichtigste Argument gegen diese Freigabe lautet in etwa: Dann würde kaum mehr innovative Software entwickelt und für viele Nieschen-Märkte gäbe es gar nichts mehr. Manche Leute führen gar an, dass es dann ja überhaupt keine professionelle Software gäbe. In diesem Artikel versuche ich diese Argumente zu entkräften. Diese Diskussion ist leider sehr fachspezifisch. Aber ihre Implikationen betreffen jedes Mitglied einer Informationsgesellschaft. Tatsächlich ist es eine Diskussion über Freiheit, Transparenz, Solidarität und vor allem Macht-Konzentration. Auch wenn Sie kein IT-Fachmann sind: halten Sie durch.

Verantwortungskultur

Es gibt nach wie vor viele Vorbehalte gegen den professionellen Einsatz freier Software, auch und gerade von IT-Fachleuten. Meiner Erfahrung nach wurzeln diese Vorbehalte aber nicht in Erfahrung mit der Qualität freier Software oder dem Support für diese. Es gibt bei professioneller Software derartig viele Beispiele katastrophaler Qualität und nicht vorhandenen Supports, und bei freier Software so viele gegenteilige Beispiele, dass man derartige Begründungen getrost als vorgeschoben betrachten darf. Derartige Vorbehalte sind schlicht Teil unserer Wirtschafts-Kultur.

Wenn ein Mitarbeiter für seine Firma etwas benötigt, organisiert er ein professionelles Produkt oder einen professionellen Service. Tut er das und es geht etwas schief, ist der Anbieter des Produktes oder Services gegenüber der Firma verantwortlich. Organisiert der Mitarbeiter ein nicht-professionelles Produkt oder eine nicht professionelle Dienstleistung, ist der Mitarbeiter verantwortlich, wenn etwas schief geht.

Hier sind zwei Dinge wichtig: Verantwortung und Professionalität. Mitarbeiter sind oft nicht bereit, Verantwortung für ein überlegenes Produkt zu übernehmen, wenn sie mit einem unterlegenen ihren Job erledigen und sich aus der Verantwortung stehlen können. Das ist völlig verständlich, denn bei IT-Lösungen gibt es praktisch immer Probleme. Wieso sollte man sich unnötig Probleme aufhalsen? Glücklicher Weise führt die in vielen Feldern ausgeprägte Überlegenheit freier Software verbunden mit ihren auf der Hand liegenden geringeren Investitionskosten immer öfter zu professionellem Einsatz freier Software. Dadurch etablieren sich immer mehr professionelle Service-Dienstleister für freie Software und auch professionelle Entwicklungen nehmen zu. Die wirtschaftliche Bedeutung freier Software hat sich massiv gewandelt und der Wandel ist lange nicht abgeschlossen. Die Unkenrufe über angebliche Unprofessionalität werden also bald von allein verstummen, unsere Wirtschafts-Kultur diesen Wandel vollenden.

Service & Anpassung

Wenn man sich den heutigen professionellen Markt freier Software betrachtet, überwiegen zwei Geschäftsmodelle. Viele Unternehmen entwickeln ein Produkt (z.B. ein Programm). Sie verkaufen dann Service-Leistungen rund um ihr Produkt, entwickeln bezahlte Spezial-Versionen ihres Produktes für Kunden mit speziellen Anforderungen und bieten der Allgemeinheit manchmal erweiterte Funktionen zum Kauf. Eine Andere Gruppe von Unternehmen spezialisiert sich auf bestimmte Problemkreise – z.B. e-commerce Plattformen oder Geschäftliche Prozesse – und passt komplexe freie Systeme an die Anforderungen des jeweiligen Kunden an. Natürlich bieten auch solche Unternehmen Service für Ihre Lösungen.

Beide Geschäftsmodelle haben Gemeinsamkeiten: eine wichtige Komponente ist immer Software-Service. Mit der Komplexität moderner Systeme ist Service eine Notwendigkeit geworden. Genauso wie kaum noch jemand ein modernes Fahrzeug selbst warten würde, würde kaum noch eine Firma selbst ihre Software warten, selbst wenn sie selbst Entwickler zu ihrem Personal zählt. Professioneller Software-Service wäre auch in einer copyrightlosen Marktwirtschaft zweifellos ein signifikantes Geschäftsfeld.

Wichtiger noch ist aber folgender Faktor: beide Geschäftsmodelle leben (auch) von der Anpassung bestehender freier Lösungen. Man kann offensichtlich nur etwas anpassen, was schon da ist. Da im Laufe der Zeit immer mehr (und komplexere Software) entwickelt wird, wird auch der Fundus immer größer, aus dem Anpassungen entwickelt werden können. Bezüglich der Anpassbarkeit sind freie Lösungen professionellen schon heute in der Regel weit überlegen. Die Ursachen hierfür liegen in Entwicklungsprozessen und kulturellen Hintergründen, ich werde jetzt aber nicht weiter darauf eingehen. Die Frage ist also nur: wird Software-Copyright auf Dauer von alleine Bedeutungslos? Und wenn nicht, hat es dann nicht eine Daseins-Berechtigung?

Virale Freiheit

Ich vermute, sehr langfristig würde Software-Copyright tatsächlich bedeutungslos. RMS wird mit seiner viralen GPL diesen Krieg langfristig gewinnen (die GPL ist eine virale freie Software-Lizenz, die sich immer weiter ausbreitet). Es sei denn Software Patente blieben uns erhalten. Doch die Diskussion dieses volkswirtschaftlichen Wahnsinns, sei anderen überlassen. Hier muss der Verweis genügen, dass maximal Infotags volkswirtschaftlichen Sinn machen könnten. Ein weiteres potentielles Hemmnis für die Verbreitung freier Software ist Software as a Service, doch dazu später mehr.

Wie auch immer, es könnte lange dauern, bis freie Software sich komplett durchsetzt. Denn Unternehmen in marktbeherrschender Stellung werden diese Position immer nutzen um die Weiterentwicklung ihres Marktsegmentes zu verhindern. Microsoft ist es z.B. gelungen, die enorme Innovationskraft des World Wide Web für ein ganzes Jahrzehnt stark zu bremsen. Freie Software würde sich also vermutlich sowieso irgendwann durchsetzen, bis dahin ließe sich aber erheblicher Schaden abwenden, wenn die Abschaffung des Copyrights vorgezogen würde.

Innovation durch Monopole?

Würde somit die Innovationskraft der Softwarebranche beschnitten? Patente gelten gemeinhin als guter Anzeiger der Innovationskraft. Da ist es billig, auf ein paar Beispiele der vorgeblichen Innovationskraft des Marktes zu verweisen. Informativer ist es aber wohl ein paar Beispiele an zu führen, die nicht oder nicht ausschließlich kommerziell entwickelt wurden: Die E-Mail wurde in einem Unternehmen erfunden, allerdings tat der Entwickler es aus eigenem Interesse, entgegen seiner eigentlichen Aufgabenstellung; MP3 ist eine halb-kommerzielle Entwicklung, die aber auf rund hundert Jahre, großen Teils öffentlich finanzierter, psycho-akustischer Forschung zurück geht; Die SMS wurde von einer Behörde (Bundespost) in Kooperation mit einem Unternehmen entwickelt; Das World Wide Web wurde an einer Forschungseinrichtung entwickelt.

In diesen Beispielen, spiegelt sich ein Grund-Thema. Sie zeigen, dass Innovation nicht grundsätzlich  auf Marktwirtschaft angewiesen ist. Aber all diese Beispiele betreffen grundlegende Technologien, was sicher kein Zufall ist. Die Ausgestaltung dieser Technologien geschieht dann doch oft im Rahmen marktwirtschaftlicher Unternehmungen. Während also das Argument der mangelnden Innovationskraft freier Entwicklung relativ leicht zu entkräften ist, ist das mit dem Nieschen-Markt-Argument ungleich schwieriger.

Als roter Faden dieser Erörterung mag folgendes Beispiel dienen: Die automatisierte Spracherkennung ist ein etabliertes Forschungsgebiet an dem sehr viele öffentlich finanzierte Forscher gearbeitet haben. Doch nachdem die (kommerziell viel-versprechenden) Prinzipien erforscht waren, haben kommerzielle Unternehmen die Perfektionierung dieser Verfahren übernommen. Insbesondere haben Unternehmen die Spracherkennung für Diktate von Anwälten und Medizinern optimiert.

Gerade letzteres ist ein perfektes Beispiel für die Vorteile der Marktwirtschaft. Irgendwer hat erkannt, dass sich u.a. bei Anwälten und Medizinern große Einsparungen erzielen lassen, wenn man Diktate automatisieren könnte. Also wurde investiert und so ein Mehrwert geschaffen. Es ist nicht sonderlich naheliegend, dass freie Entwickler aus Spaß oder zur Mehrung des eigenen Ruhms den hohen, großen teils vermutlich stupiden Aufwand zur Bewältigung dieser Aufgabe auf sich genommen hätten – zumal sich Anwälte in Kreisen, die sich freier Software widmen, nicht gerade eines hohen Ansehens erfreuen.

Software als Service

Wie könnte so eine Software also in einer Copyright-losen Gesellschaft entwickelt werden? Eine naheliegende Antwort aus heutiger Perspektive ist: Als Software as a Service. Der Arzt diktiert, die Audio-Daten werden an den Server der Transkriptions-Firma übermittelt und dort in einen Text übersetzt, der wiederum an den Arzt zurück übertragen wird. Für den Arzt gibt es keinen merklichen Unterschied in seinem Arbeitsablauf. Aber die Übersetzungs-Software verlässt nie die Server der Übersetzungsfirma und somit kann sie niemand kopieren.

Aber darf der Arzt, der ja einer Schweigepflicht unterliegt, seine Diagnosen an eine fremde Firma übertragen? Bei freier Software geht es nicht vorrangig um Copyright, sondern offen gelegte Programme. Bei freien Programmen kann jeder (der sich damit auskennt) nachvollziehen, was sie tun. Wenn der Software Service freie Software verwendete, müsste der Arzt keine Bedenken haben. Andernfalls kann er nicht sicher sein, was mit seinen Diagnosen geschieht, auch wenn er sich vielleicht rechtlich absichern kann.

Es zeigt sich also, dass eine Abschaffung des Copyright nicht genügt. Ohne die Forderung der Offenlegung der Software, würden Software-Services die Copyright-Regelungen aushebeln und die wichtige Forderung der Transparenz umgehen. Ist Offenlegung aber gefordert, funktioniert auch Software as a Service nicht mehr zur Vermarktung von Nieschen-Produkten – zumindest nicht mit den überkommenen Formen von Marketing. Diese bestehen darin, Software entweder zu verkaufen oder zu vermieten.

Service als Chance

Doch Software Services bieten hier sehr wohl eine Chance, man muss das Problem nur anders betrachten. Wozu überhaupt Software? Software erlaubt uns zuweilen, Dinge zu tun, die wir ohne sie nicht tun könnten. Doch der bei weitem verbreitere Grund für den wirtschaftlichen Einsatz von Software ist Kostenersparnis. Man möchte menschliche Arbeitskräfte effizienter machen oder sie für bestimmte Aufgaben ersetzen. In diesem Fall besteht die Aufgabe in der Transkription von Diktaten.

Man stelle sich also einen Internet Service für die Transkription von Diktaten vor. Wohlgemerkt, hier geht es um die Finanzierung der Entwicklung von Software. Nehmen wir also an, unser Service verfügt nur über einen frühen Prototypen einer Spracherkennungs-Software, der gerade aus der öffentlichen Forschung abgeleitet wurde. Auch damit ließen sich vor 15 Jahren (in den 1990er Jahren) prinzipiell Kosten gegenüber Diktaten mit menschlichen Sekretären sparen. Allerdings war das eher umständlich. Speziell auf diese Software geschultes Personal wäre aber für unseren Service selbstverständlich. Und so könnte der Diktierservice die gleiche Qualität günstiger bieten als ohne den Einsatz seiner Software.

Gleichzeitig könnte sich der Anbieter vor Nachahmern schützen, da er einen Vorsprung in der Schulung seines Personals hat. Da der Service auch seine Software weiter entwickelt und optimiert, kann er diesen Vorsprung bei entsprechendem Einsatz auch halten. Wenn die Software irgendwann ausgereift ist, schwindet der Vorsprung und das Produkt geht automatisch ins allgemein Gut über.

Eine denkbare Möglichkeit der Abgrenzung gegen die Konkurrenz besteht auch darin, umfassenderen Service an zu bieten. So könnten weitere IT-Bedürfnisse der Kunden – z.B. Arzt-Praxen – in Services ausgegliedert werden. In den Praxen stünden nur noch einfach zu wartende so genannte thin Clients. Der Service-Anbieter pflegt und Administriert die IT-Systeme der Kunden in seiner (des Anbieters) virtualisierten Server Landschaft.

In einem transparenten System würde dies die Sicherheit der Daten der Kunden der Praxen wahrscheinlich eher erhöhen. Denn heute kümmern sich eben oft keine Profis um die Wartung und Sicherung dieser Systeme. Aus Anbietersicht stellt dies einen Schutz gegen Konkurrenz dar, da es natürlich schwieriger ist, einen komplexen rund-um Service zu bieten als sich auf einen Diktier-Service zu beschränken.

Man vergleiche dieses Geschäftsmodell mit heutigen – aus Kundensicht. Heute würde der Prototyp verkauft und Kunden sehen sich über Jahre den Zumutungen von Entwicklungssoftware ausgesetzt, während sich Einsparungen aufgrund des Einsatzes durch ungeschultes Personal in Grenzen halten. Der Hersteller muss viel Kapital vorschießen, da er ein unausgereiftes nicht lukratives Produkt am leben halten muss, bis es sich für alle lohnt. Dann darf er damit weitgehend ohne weitere Leistungen seinerseits Geld drucken.

König Kunde

Im Service-Modell lohnt sich der Einsatz von Anfang an für alle Seiten. Der Hersteller hat gute Einnahmen während der Entwicklung und nicht danach. Kunden bekommen von Anfang an ein ausgereiftes Produkt. Durch die kontinuierliche Entwicklung ist der Preis des Produktes am Anfang hoch (wenn auch dennoch billiger als die herkömmliche Diktiermethode) und sinkt kontinuierlich, bis er am Ende gegen Null geht. Aufgrund der Transparenz des Service Dienstleisters kann durch jeden überprüft werden, ob die Prozesse des Service-Anbieters den Anforderungen an Umgang mit Daten beispielsweise einer Arztpraxis genügen.

Natürlich ist diese Vermarktungsstrategie nicht im Interesse der etablierten Anbieter. Sie verlieren ihre Gelddruck-Monopole. Zudem setzt dieses Modell auch künftige Anbieter einem größeren Konkurrenz-Druck aus als heutige Modelle. Denn im Service Modell kann jeder auf der aktuellen Version der Diktiersoftware aufsetzen und versuchen einen konkurrierenden Service zu etablieren. Im herkömmlichen Modell schützen frühere Investitionen vor Konkurrenz, da ein Vorsprung in der Investition in geschützte Software schwieriger auf zu holen ist als der Vorsprung in der Schulung der Anwendung dieser Software. Das Service-Modell ist also tatsächlich viel Stärker Markt-orientiert als das Monopol-Modell.

Das Service-Modell lässt sich auf viele Anwendungen übertragen, doch bei weitem nicht auf alle. Ich werde noch drei weitere Klassen von Anwendungsentwicklung betrachten.

Geschäfts-Logik

Ein sehr großer Teil der Software-Entwicklung besteht heute darin, Software für die Optimierung von Geschäftsprozessen diverser Firmen an zu passen. Da diese Prozesse so individuell sind wie die Firmen, gibt es hier einen großen Markt. Es gibt drei große Fraktionen, die sich nicht ganz klar trennen lassen, die sich diesen Markt teilen.

Da wären zunächst die Software-Riesen wie SAP und Oracle (vormals Sun, da es hier vor allem um Java geht). Diese haben es geschafft, Software-Ökosysteme von enormer Komplexität zu schaffen. Ein Heer von Beratern, Entwicklern und Dienstleistern lebt davon, diese Systeme an die Anforderungen individueller Firmen an zu passen.

Dann gibt es zahlreiche kleinere Firmen und Freelancer, die das selbe mit unbekannteren, oft innovativen und teils schon freien Technologien tun. Die Kunden dieser Unternehmen sind oft selbst eher kleine und mittlere Unternehmen.

Und schließlich haben viele mittlere und große Unternehmen eigene IT-Abteilungen, die eben diese Aufgaben für sie erfüllen und aus dem Pool der Technologien und Services der ersten beiden Gruppen schöpfen.

All diese Anpassungen wären durch einen Fall des Copyright nicht gefährdet. Problematisch ist augenscheinlich aber die Finanzierung der Weiterentwicklung der Software-Plattformen. Das ist heute die Aufgabe eben dieser Software-Riesen. Doch interessanter Weise sind Java und SAP schon heute weitgehend Open Source. Auch hier also keine unlösbaren Probleme.

Automation

Ich arbeite für eine Firma, die Automationssysteme, Smart Systems, Smart Meters und ähnliches verkauft. Während es auf dem Markt der Gebäudeautomation viele kleinere Anbieter und Projekte gibt, werden Smart Systems (z.B. Automation von Straßenbeleuchtung) und intelligente Zähler meist von sehr großen Firmen und in großen Projekten eingesetzt. Die Leistung der Software-Entwicklung besteht hier heute darin, bestehende Lösungen zu integrieren und an zu passen. Aufgrund der Größe dieser Projekte wäre es möglich, diese Leistungen durch ihren Einsatz in sehr großen Projekten zu finanzieren.

Heute werden Lösungen oft zunächst in kleineren Projekten eingesetzt. Erst, wenn sich die Systeme dort bewähren, werden sie in größerem Maßstab eingesetzt. Dies würde von den Großunternehmen, die solche Projekte umsetzen, langfristige Planungen und Strategien erfordern. Doch ist dies kein Ausschlusskriterium für derartige Finanzierungs-Modelle. Der Schutz gegen die Konkurrenz besteht hier wieder darin, dass auch beim Personal viel Know-How über die Umsetzung derartiger Projekte angehäuft werden muss. Man kann nicht einfach eine Software stehlen und dann damit große Beleuchtungs-Projekte umsetzen. Derartige Software ist im übrigen oft auch an bestimmte Hardware gebunden. Die muss man ja nicht unbedingt an seine Konkurrenz verkaufen.

Allerdings würde sich durch eine Abschaffung des Copyrights vermutlich auch hier der Konkurrenzdruck erhöhen – was ja aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht schlecht ist. Es bleibt fest zu halten, dass derartige Großprojekte langfristige Planung und große vorab-Investitionen erfordern. Dies würde möglicher Weise den Markt für derartige Produkte deutlich verändern. Es ist jedoch nicht an zu nehmen, dass Großprojekte der Automatisierungstechnik grundsätzlich durch eine Abschaffung des Copyrights unmöglich gemacht würden.

Klassische freie Software

Eine letzte große Software-Sparte soll nicht verschwiegen werden, obwohl man meinen sollte, dass die hier gemachten Feststellungen mittlerweile Gemeingut sind. Heim-Anwender benötigen bereits heute kaum kommerzielle Software. Ich verwende seit über zehn Jahren fast ausschließlich freie Software und mein Nutzungsumfang sowie meine Ansprüche sind wahrscheinlich eher hoch. Sicher gibt es noch die eine oder andere Nieschenanwendung, die mancher nicht so leicht wird ersetzen können. Aber das sind eher Ausnahmen, die mit dem Fall des Copyrights bald obsolet wären.

Es ist zu erwarten, dass sich die Entwicklungsmodelle klassischer freier Software – die andere sind als die von Software-Riesen wie SAP, die ihre Mammut-Produkte offen gelegt haben – sich auch weiter in die Welt jener Software ausbreiten werden, die vorrangig kommerziell eingesetzt wird. Eine Abschaffung des Copyrights würde diesen Vorgang natürlich beschleunigen.

Ein Sektor der vermutlich unter einer Abschaffung des Copyrights leiden würde, ist Unterhaltungssoftware. Es ist denkbar, dass manche Unterhaltungsfirmen Modelle finden, mit denen sich weiter Geld zur Finanzierung dieser Software-Sparte verdienen lässt. Dies könnten z.B. Services sein, die die Etablierung großer Communities für massive multiplayer games oder ähnliches erlaubt. Auch gibt es freie Unterhaltungs-Software. Diese reicht aber im Gegensatz zur Anwendungssoftware und anderen produktiven Sparten bei weitem nicht an das Niveau der kommerziellen Pendants heran.

Auch hier ist zu erwarten, dass eine Abschaffung des Copyrights freien Produkten zu gute käme. Doch erwarte ich, dass diese Sparte qualitativ ein paar Jahre hinter den heutigen kommerziellen Status Quo zurück fällt. Man mag das bedauern oder nicht. Volkswirtschaftlich ist es bedeutungslos, da diese Software eben keine produktive Bedeutung hat.

Was vom Tage übrig blieb

Es wurde eine mögliche Software-Marktwirtschaft illustriert, die nicht trotz der Abwesenheit von Copyright funktioniert, sondern eine, die gerade deswegen viel marktwirtschaftlicher ist. Gewaltige Kapital-Anhäufungen durch anti-marktwirtschaftliche Monopole würden verhindert. Durch die Einsparung dieser Anhäufungen ergibt sich ein Volkswirtschaftlicher Nutzen – dieses Geld steht dann anderswo zur Verfügung.  Denn Software Giganten waren selten große Innovatoren. Microsoft z.B. hat sich dadurch hervor getan, Konkurrenz zu zerstören und den Fortschritt soweit irgend möglich auf zu halten. Denn der Fortschritt entzieht den etablierten Monopolen oft die Grundlage.

Hier wurden nur einige Beispiele von Software-Entwicklung und ihrer Finanzierung beleuchtet. Es gibt noch viele viele andere, und sicher auch anders geartete, auf die sich die hier illustrierten Beispiele vielleicht nicht übertragen lassen. Man muss sich jedoch einen zentralen Punkt vor Augen halten: Mit Software lässt sich Geld sparen. Ich weigere mich zu glauben, dass sich ohne Copyright keine Wege finden ließen, etwas von diesem Geld für die Entwicklung von Software ab zu zweigen. Ich habe in einigen Beispielen gezeigt, wie es gehen könnte. Wenn es wirklich kein Copyright mehr gäbe, davon bin ich überzeugt, fänden sich kreative Köpfe, die Wege finden, trotzdem Geld zu verdienen. Tatsächlich gibt es ja heute schon reichlich derartige Beispiele, obwohl es Copyright gibt.

Die Feinde freier Software bezeichnen diese oft als Software-Sozialismus. Dabei sind diese Feinde freier Software selbst die Feinde der Marktwirtschaft. Denn sie versuchen Monopole zu errichten und zu verteidigen. Eine Welt ohne Copyright wäre weniger sozialistisch, da sie nicht auf die destruktive Planwirtschaft der siechen Software-Riesen angewiesen wäre. Sie wäre im Gegenteil von einer freieren Wirtschaft, und was wichtiger ist, von freieren Nutzern geprägt.