Der Wieder-Auftstieg des Faschismus

Wir erleben das Ende der Demokratie und ein Wieder-Erwachen faschistoider Gesellschaftsstrukturen. Diese Entwicklung wird hier von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit einigen Beispielen belegt.

Wir leben in interessanten Zeiten.

Ich habe den Großteil meines Lebens auf einer historischen Insel der Glückseligkeit verbracht. Mit dem Erwachen meines Bewusstseins erwachte auch das Bewusstsein, dass der kalte Krieg bekloppt ist und wir diesen Planeten nicht gar so schnell verbrauchen sollten. Sexuelle Befreiung und eine Welle demokratischer Partizipation in zahlreichen Demos, Streiks, APOs und basisdemokratisch organisierten kleineren Projekten waren zusammen mit vorgenannten Erkenntnissen die Nachwehen der 68er Revolution vor meiner Geburt. Die Ideale von sozialer Marktwirtschaft, Achtung der Grundrechte, Freiheit der Presse und Demokratie waren völlig unantastbar.

Ich habe das Ufer dieser Insel der Glückseligkeit fühlbar verlassen und finde mich nun in einem stetig windiger werdenden Ozean.

Berichterstattung zur Überwachung

Es ist verblüffend, wie stark Medien die Wahrnehmung großer Phänomene und Ereignisse prägen. Nachdem 1989 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zusammenbrach, schwappte eine lange und hohe Welle der Empörung über die Ausforschung der Bevölkerung der DDR durch die Staats-Sicherheit (StaSi) durch Deutschland. Die viel gründlichere Überwachung durch die zeitgenössischen Geheimdienste wird dagegen fast komplett ignoriert.

Wer glaubt, “unsere” Geheimdienste seien im Gegensatz zur StaSi ja nicht böse, der hat sich offensichtlich nicht mit bekannten und allgemein akzeptierten Fakten zu Organisationen wie der CIA befasst.

Der plausibelste Grund für diesen frappierenden Mangel an Empörung über den aktuellen Geheimdienst-Skandal ist meiner Meinung nach das schleichende Ende der Pressefreiheit. Natürlich behält die Pressefreiheit ihre juristisch-akademische Bedeutung. Aber eine nicht ausgeübte Freiheit endet mit dem Ende ihrer Ausübung. Dieses Ende zeigt sich, wenn man sich tiefer mit der Berichterstattung zu einzelnen Themen befasst – wie zum Beispiel dem Ukraine Konflikt, Charlie Ebdo, islamistischem Terror allgemein, der Flüchtlings-Krise, der Subprime-/Finanz-/Staatsschulden-/Griechenland- … Banken(!)-Krise (ist alles eins).

Das schleichende Ende der Demokratie

Ein Drittel bis die Hälfte der Menschen hat das Wählen aufgegeben, weil eine Wahl heute keine bedeutsame Richtungs-Entscheidung mehr ist. Es gibt nur den Weg des Geldes, je nach Geschmack rot oder schwarz lackiert. Der Sozialstaat wurde gründlich entkernt und seine Aushöhlung schreitet zügig weiter voran. Meine nach unvorstellbaren Gräueltaten 60 Jahre lang weitgehend pazifistische Heimat heizt heute kräftig mit bei den prächtig laufenden Geschäften der internationalen Rüstungs-Industrie.

Selbst wenn man all das richtig findet, weil man glühender Anhänger des Neoliberalismus ist, selbst dann muss man besorgt sein über die zunehmende Ermächtigung totalitärer Willkür. Die unstrittig zentralste Funktion des Staates ist die Definition und Durchsetzung des Strafrechts. Auf das es uns Menschen überhaupt möglich wird, gewaltfrei zu interagieren. Dies sind nur mal zwei Beispiele staatlichen Versagens in dieser zentralsten Funktion: Beweismittel aus 1) Haarproben und 2) Drogentests sind Gegenstand völliger staatlicher Willkür.

Damit ist grob geschätzt die Hälfte aller Straf-Verfahren (und in den USA höchstwahrscheinlich noch mehr) deutlich jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter “Rechtstaatlich” vorstellt. In der Schule fing bei 50% glaube ich die Note sechs an. Aber es muss natürlich auch in dieser Anklage gegen den Staat die Maxime “in dubio pro reo” gelten, “im Zweifel für den Angeklagten”. Das Urteil lautet daher, Staat: Fünf minus, setzen.

Die Machtergreifung des Kapitals

Es läuft seit Jahren ein fortwährender Angriff der Wirtschaft auf die Demokratie in Form dubioser Handels-Abkommen. Ein aktuelles Scharmützel in diesem Krieg ist TTP. Hier findet sich eine gute Analyse nur einiger Gründe wieso die 6000 Seiten Vertragswerk in Juristen-Sprache für die Öffentlichkeit nichts Gutes verheißen. Dieses Handelsabkommen mag wie das letzte von der Öffentlichkeit verhindert werden. Doch die Angriffe hören nicht auf. Irgendwann wird ein solcher Angriff erfolgreich sein. Und dann können nationale Parlamente nichts mehr beschließen, was internationalen Konzernen nicht passt.

Tatsächlich gibt es bereits erste Erfolge der Wirtschaft in diesem Krieg vorzuweisen. So verklagen einige Energie-Konzerne die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Energiecharta Vertrages wegen des Atomausstieges. Der vorläufige Erfolg liegt in der Möglichkeit der Klage, der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.

Jedes dieser Handelsabkommen versucht neue derartige Klage-Möglichkeiten zu schaffen. TTP beispielsweise versucht eine Enteignung des so genannten intellektuellen Eigentums der Öffentlichkeit (der “public domain”) durch die Hintertür zu erschleichen (siehe im bereits oben verlinkten Artikel.

Vorrangig geht es bei diesen Handelsabkommen offenbar nicht darum, Handels-Hemmnisse zu überwinden und die Marktwirtschaft zu stärken. Ich bin Teilhaber einer kleinen Firma, die unter anderem mit bestimmten Komponenten handelt, die auch ins Ausland versandt werden. Dies ist für eine kleine Firma ein bürokratischer Alptraum – schon z.B. bei einem Versand von Deutschland in die Schweiz.

Für kleine Firmen stellt dies ein ernstes wirtschaftliches Problem dar – das relativ leicht und wahrscheinlich völlig ohne öffentlichen Protest zu beheben wäre. Doch im Mittelpunkt der Verhandlungen geht es offensichtlich um anderes. Marktwirtschaft findet im Wettbewerb kleiner Firmen statt. Die großen internationalen Konzerne sind geprägt durch Monopole und Kartelle, Lobbyismus und Marketing-Propaganda. Mit Marktwirtschaft hat das alles wenig zu tun, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe.

Es geht den internationalen Multis, die bei den Verhandlungen von Handelabkommen im Gegensatz zu kleinen Firmen mit am Tisch sitzen, nicht um Marktwirtschaft, im Gegenteil. Es geht um die Usurpation nationaler Legislativen durch die mächtigen Rechts-Abteilungen der Multis und um die Abschaffung eines Kernelements der Marktwirtschaft: des unternehmerischen Risikos. Der Marktwirtschaft – kleinen Firmen und damit auch unliebsamer Konkurrenz der Multis – bleibt dieser äußerst kostspielige Klage-Weg verschlossen. Damit ergaunert sich das große Geld einen weiteren unter vielen Wettbewerbsvorteilen. So wird Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Handstreich geschwächt. Der Erfolg dieser Strategie scheint momentan langfristig unausweichlich.

Das klingt alles weit weg für den Otto-Normal-Bürger. Doch wenn z.B. die Klage der Energie-Konzerne gegen Deutschland Erfolg hat, wird Otto-Normal-Bürger für das Privileg des Atom-Ausstieges 4,7 Milliarden Euro bezahlen. Gesetzes-Änderungen sind ohne Zusatzkosten nur noch zu Gunsten der Wirtschaft möglich nie mehr in zu ihrem Nachteil.

Lohnentwicklung und Wohlstands-Schere

Noch drastischer ist die Auswirkung der Wirtschafts-Politik auf das Lohngefüge, und das spüren bereits sehr viele Menschen. Es ist der Wirtschaft gelungen, die Löhne in den alten sozialen Marktwirtschaften in direkte Konkurrenz zu den Löhnen in aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien, Südamerika und Südafrika zu bringen.

Dies ist eigentlich eine positive Entwicklung. So bekommen diese sich entwickelnden Wirtschaftsräume auch endlich eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Und es schadet Deutschland oder anderen alten Nationen mit starker Wirtschaft als Ganzes betrachtet auch nicht. Doch im Zuge dieser Entwicklung ist es gelungen, den dadurch erlangten wirtschaftlichen Gewinn in den Händen weniger zu belassen und die immer breiter werdende wirtschaftliche Unterschicht auszubluten.

Teile und Herrsche

Getreu der alten Maxime “teile und herrsche” werden so – wenn auch vielleicht nicht zentral koordiniert oder auch nur bewusst – verschiedene Fraktionen dieser Unterschicht gegeneinander ausgespielt. Dies findet in regelrechten Medien-Kampagnen (die Nachdenkseiten berichten regelmäßig dazu) gegen so genannte Hartz 4 Schmarotzer, Migranten, Flüchtlinge und besonders gern die Unterschicht anderer Länder (insbesondere in Südeuropa) statt.

Derweil lebt die stetig schwindende Mittelschicht in Angst vor dem sozialen Abstieg unter dem Dauerfeuer medialer Propaganda, die immer wieder neue Kaninchen aus dem Hut zaubert, die angeblich die Schuld an der Misere tragen. Neben den vorgenannten Unterschichtlern auch “feindliche” Konzerne wie Google und Uber, Russen, Moslems … alle außer denen, die fortwährend den Reichtum anhäufen, den die anderen Schichten vermissen.

Die politischen Entscheider und Wirtschaftsführer finden sich unterdessen in eitler Interesseneinheit, dem Interesse an einem ordentlichen Happen von diesem Reichtum. Während Wirtschaftsführer direkt mit Millionen für ihre moralischen Verfehlungen entschädigt werden ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass hochrangige Politiker nach ihrer politischen Karriere mit hoch dotierten Pöstchen für ihre Gefälligkeiten bedacht werden. Dies und die enorme Macht des Lobbyismus sorgen dafür, dass die Politik der Wirtschaft immer weniger in die Quere kommt.

Die ultimative Propaganda-Maschine

Was für die Politik die Lobby ist für das Demos, das Staatsvolk, die Werbung. Deutsche sind heute jeden Tag durchschnittlich 10 Stunden dem Dauerbombardement mit wirtschaftlicher Propaganda in Form von Werbung ausgesetzt, davon allein 4 Stunden Fernsehen in der Freizeit und noch mal so lange Radio am Arbeitsplatz. Deutsche Gesetze schreiben z.B. bei Fernsehen (noch!) vor, dass vier Fünftel des Programms dem Zweck dienen müssen, die Aufmerksamkeit des Publikums für die Propaganda abzugreifen, während “nur” ein Fünftel der Zeit für die eigentliche Propaganda verwendet darf. Macht zwei volle Stunden reine Propaganda-Berieselung für jeden Bürger vom Kleinkind bis zum Greis, jeden Tag, 24/7.

Doch es ist allgemein bekannt, dass auch die anderen vier Fünftel des Programms zumindest teilweise den Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, gilt es doch ein attraktives Werbeumfeld zu schaffen, und eine attraktive Werbe-Zielgruppe anzuziehen.

Die allgegenwärtige und hoch wirksame Wirtschafts-Propaganda, vulgo “Werbung”, ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich dem einen eigenen Artikel gewidmet habe. Im Zusammenhang mit dem Wieder-Aufstieg des Faschismus bleibt fest zu halten, dass wir täglich rund zwei Stunden mit der Aufnahme lupenreiner pro-Wirtschaftlicher Propaganda beschäftigt sind und den größeren Teil unseres wachen Lebens entweder mit der Vorbereitung auf diese Propaganda oder ihrer Aufnahme beschäftigt sind. Historische faschistische Regime haben von einer solch umfassenden und allgegenwärtigen, bereitwillig aufgenommen Propaganda wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Der rote Faden

Es zieht sich ein roter Faden durch all diese Entwicklungen: Es ist die Machtergreifung des großen Geldes. Und es ist dies in dieser Ausprägung ein historisches Novum. Es gab z.B. auch im 19ten Jahrhundert mächtige Kapital-Konzentrationen wie zum Beispiel das Rothschild-Imperium, welches zu einem guten Teil auf der Finanzierung von Kriegen fußt, oder Standard Oil, Rockefellers Öl-Monopolist.

Doch anders als damals reicht diese Macht heute bis in den letzten Winkel der Gesellschaft. Und obwohl es sicher mächtige Graue Eminenzen gibt und sinistre Verschwörungen unterscheidet sich die Situation gerade hierin von der der vergangen Jahrhunderte: Die Macht wird heute gerade nicht von einem Rockefeller oder einem kleinen Zirkel von Verschwörern ausgeübt sondern von einem Netzwerk, einem System des Geldes.

Das Netz des Geldes

Geknüpft ist dieses Netzwerk aus Geld. Die Handelnden sind keine natürlichen sondern juristische Personen, Firmen, die über gegenseitige Beteiligungen verknüpft sind. Individuen – Politiker, Journalisten, Wirtschafts- und Meinungsführer und alle anderen – sind über ihren Wohlstand und ihr gesellschaftliches Ansehen an dieses Netzwerk gefesselt. Wer sich dagegen zu stellen versucht wird schnell als weltfremd und/oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt und sozial abgewertet.

Dahinter steckt vermutlich kein großer Plan. Wir haben über Jahrtausende ein extrem komplexes Gesellschaftssystem geschaffen, das aus Millionen von Regeln besteht. In Regel-Systemen gibt es Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Manche dieser Rückkopplungen bestehen in sich selbst verstärkenden Effekten. So etwas kennt der Volksmund als “Teufelskreis” oder speziell in Bezug zum Kapital als “Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”. Doch das ist bei weitem nicht die einzige sich selbst verstärkende Rückkopplung in unserem Gesellschaftssystem.

Ein resilientes Gesellschaftssystem

Man muss sich mit dem Prinzip der Rückkopplung auseinander setzen, wenn man die Usurpation durch das Kapital überwinden will. Denn es ist nicht damit getan, ein paar Konzerne zu zerschlagen und ein paar Regierungen auszutauschen. Es ist sicher auch nicht damit getan, das gegenwärtige Oligopol in ein staatliches Monopol zu verwandeln, wie es die Sozialisten fordern.

Wir müssen Regelsysteme finden, die stabiler sind als unser gegenwärtiges. Wir dürfen die Macht nicht sozialistisch konzentrieren, wir müssen meiner Ansicht nach versuchen, was noch nie gelungen ist. Wir müssen die Macht stabil dispergieren. Dazu reicht es nicht, das Regierungssystem zu reformieren. Die Machtergreifung des Kapitals betrifft alle Aspekte der Gesellschaft und die Antwort der Gesellschaft muss ebenso alle Aspekte betreffen.

Da wir mittlerweile eine Informationsgesellschaft sind, kommt dem gesellschaftlichen Umgang mit Information eine besondere Bedeutung zu. Doch diese Problematik ist bei weitem zu komplex, um sie in einem Artikel abzuhandeln. Es ist das Grund-Thema dieses ganzen Blogs (bzw. seiner Artikel aus der Kategorie Utopilotik).

Schluss

Geld regiert die Welt immer absolutistischer. Unsere Gesellschaft schleicht langsam, Schritt für Schritt in eine zunehmend militaristisch, faschistische Zukunft. Wir sind glücklicher Weise noch weit weg von den Schrecken der 30er Jahre. Aber wir sind auch weit weg von den langweiligen 70er und 80er Jahren.

Anhang

Anbei noch einige Fragmente, die ich über einige Zeit zu dem Thema gesammelt habe. Es sind kleine Hinweise, dass vielleicht etwas an der oben von mir ausgebreiteten These dran ist. Man beachte, dass hier ausschließlich Nachrichten aus westlichen Demokratien verwendet werden, die man eigentlich für gefestigt halten sollte. Aus Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei und anderen gibt es noch ganz anderes zu berichten.

Der Begriff „Faschismus“

Zunächst eine Begriffsklärung. Ich verwende den historischen Begriff “Faschismus” hier eher unorthodox. Was wir heute erleben ist etwas historisch völlig Neues, der Begriff passt nicht wirklich. Doch in Ermangelung gängiger Vokabeln für die aktuellen Anti-Demokratischen Tendenzen und den absolutistischen Anspruch des großen Geldes habe ich mich entschlossen, bei dem Begriff zu bleiben. Beim Studium von Wikipedias Definition des Begriffs fallen mir schon eine ganze Reihe Parallelen auf.

Meldungen zum Thema

Cameron Zitat:
For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. This government will conclusively turn the page on this failed approach
“For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. It’s often meant we have stood neutral between different values. And that’s helped foster a narrative of extremism and grievance.
“This government will conclusively turn the page on this failed approach. As the party of one nation, we will govern as one nation and bring our country together. That means actively promoting certain values.
“Freedom of speech. Freedom of worship. Democracy. The rule of law. Equal rights regardless of race, gender or sexuality.
“We must say to our citizens: this is what defines us as a society.”
Der erste Absatz ist ein Zusammenschnitt aus einer Rede von Cameron. Ich habe darunter noch etwas Kontext hinzugefügt aus verfehlter journalistischer Ethik. Ich halte das für bloße Rhetorik. Der relevante Kern der Aussage steckt im Zusammenschnitt. Es genügt nicht mehr, sich ans Gesetz zu halten um nicht Opfer staatlicher Willkür zu werden. Das ist gar keine schlechte Definition für Faschismus. Vom Regierungs-Chef. Für alle künftigen Krisen-Gewinnler wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, den Briten zu ihrer hervorragenden Wahl zu gratulieren 🙂

Zitat Senator und US-Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham:
„If I’m president of the United States and you’re thinking about joining al-Qaida or ISIL — anybody thinking about that?“ he asked to laughs. „I’m not gonna call a judge. I’m gonna call a drone and we’re gonna kill you.“
Wenn Du auch nur darüber nachdenkst, Dich einer “Terror-Organisation” anzuschließen, werde ich keinen Richter rufen sondern eine Drohne und Dich ermorden. Was in meiner Jugend ein Aussage von beängstigender Menschenverachtung gewesen wäre, beschreibt heute sachlich den Stand der Dinge unter Busch und Obama.

Kanada Terror-Gesetze (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Interessant auch, dass der deutsche Qualitätsjournalismus zwar im Vorfeld immerhin leise über das Gesetz berichtet hat, den endgültigen Abschied vom Rechtsstaat im Mai dann aber weitestgehend ignoriert hat.

Australien, Journalisten droht 10 Jahre Knast, wenn sie über Geheimdienst-Aktivitäten berichten.

Eine sehr interessante Analyse darüber, wie moderne Propaganda funktioniert.

Demonstrationsverbot in Spanien, Organisatoren von Demos müssen mit Existenz-Zerstörenden Bußgeldern rechnen (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Siehe auch.

Frankreich Total-Überwachung (vorher schon noch schlimmer als in Deutschland, jetzt noch einmal massive Verschärfung).

Guantanamo hat man von gehört. Andere CIA Folterknäste gibt es in anderen Ländern. Aber selbst mitten in den USA in der Jurisdiktion derselben gibt es einen Knast, der so übel ist, dass Irland einen “Terrorismus-Verdächtigen” lieber nicht an die USA ausliefern wollte.

Kleine obskure Winkelzüge mit gigantischen Effekten in Gesetzen: Ende der 90er Jahre wurde in den USA das Ermächtigungs-Gesetz der Finanz-Industrie gebaut.

Eine empirische Studie aus Princeton belegt in verstörender Klarheit, dass das politische System der USA keine Demokratie (mehr?) ist. Bei uns dürfte es ähnlich aussehen.

Die Verstrickungen der Briten in die Folter-Parties der Amis wurde auf Bitten der Briten aus dem entsprechenden Report entfernt. Begründet wird diese undemokratische Intransparenz, erwirkt auf undemokratischem Weg, mit den gleichen Argumenten wie die Folter Selbst: Innere Sicherheit.

In den USA werden Regelmäßig wichtige Gesetz verabschiedet, von denen die abstimmenden Abgeordneten nichts wissen. Z.B. wurde eine beängstigende Abhörklausel mal eben weitgehend unbemerkt mit dem Budget verabschiedet. Selbst die ohnehin teils alberne Demokratie-Simulation, die regelmäßig vor den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt, wird ist bei näherem Hinsehen löchrig wie ein Schweizer Käse.

“the real dimensions of the US military-intelligence-police-prison complex begin to come into view: a staggering $830 billion, more than 80 cents out of every dollar in the funding bill, is devoted to killing, spying on, imprisoning or otherwise oppressing the people of the world, including the American people.” (Quelle) An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass US-Gefängnisse mittlerweile vielfach kommerziell betrieben werden und ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Menschen einzusperren.

Wer den (fernauslesbaren) Chip auf seinem e-Perso zerstört, muss mit strafrechtlicher Verfolgung und Haft- oder Geldstrafe rechnen.

An east London schoolgirl who was „radicalised“ by Islamic State propaganda provided by her „deceitful parents“ must be removed from her home for her own safety, a judge has said. (Quelle) Das ist eine schwierige Problematik, die mindestens einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion bedürfte. Dem politischen Gegner wegen Gesinnungsverbrechen mal eben die Kinder weg zu nehmen, sollte nicht so einfach möglich sein.

Via Fefe: “Portugals Präsident weigert sich anscheinend gerade, der linken Anti-Austerity-Koalition die Regierungsbildung zu erlauben”

Kommentar Zitat: “This article furnishes additional evidence that democratic regimes tend to fight tyranny by adopting some of its methods.” Die erste Hälfte des Artikels listet diverse Entwicklungen in Europa, die in diese (falsche) Richtung gehen.

Unwürdig

Dies ist Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Ich möchte auf ein paar Dinge hinweisen. Diese zwei Sätze sind die Prämisse unseres Staates. Wir Deutschen haben einen Vertrag miteinander abgeschlossen und diese zwei Sätze sagen uns, worum es in diesem Vertrag geht.

Es geht um die Würde des Menschen. Also die Pointe hier ist: da steht “Mensch”. Da steht nicht “die Würde der Deutschen”. Und das hat übrigens auch einen ganz plausiblen historischen Grund, wieso im Grundgesetz der Deutschen “Menschen” und nicht “Deutschen” steht. Also sicherlich, wenn wie heute die Würde der Deutschen schon keineswegs gewährleistet ist, macht es wenig Sinn zu hoffen, dass das Deutsche Volk sich für die Würde des Menschen einsetzt. Aber trotzdem: Die Würde des Menschen zur Achtung zu bringen ist unser höchster Auftrag.

OK, klar, wir haben alle Day-Jobs. Und es ist auch nicht leicht in einer so großen Familie wie Deutschland. Da zanken sich die Geschwister ganz ordentlich, da geht schon mal was schief. Kommt vor, wäre ja noch zu entschuldigen. Aber ehrlich, dass die Würde des Menschen die allererste “Verpflichtung aller staatlichen Gewalt” ist, davon merke ich wenig.

Massenüberwachung, Waffenlieferungen, zigtausende Tote an den Mauern der Europäischen Festung, radikale Sparmaßnahmen, die die Hälfte der jungen Südeuropäer unter der dünnen Decke unserer kuscheliegen Zivilisation weg-schupsen in die Arbeitslosigkeit ohne (soziales) Netz und doppelten Boden; Massenimporte von Nahrungsmitteln für die Tiermast und für unser grünes Gewissen aus Ländern in denen Menschen verhungern; Export billigster großindustriell gefertigten Güter in ärmste Länder, wo dadurch die lokale Wirtschaft völlig zerstört wird.

Wie gesagt, es kann schon mal was schief gehen. Aber von unserem Artikel 1, Absatz 1 kann ich in unserer Vertragsumsetzung wenig erkennen.

USA: Bomben ohne Grenzen

Die USA hat am 3. Oktober 2015 ein Hospital der Ärzte ohne Grenzen bombardiert. Wikipedia dazu. Ich schätze, das war irgendwie ein Unfall. So dämlich böse sind die USA eigentlich nicht. Sollte man denken.

Am 15. Oktober rollten sie dann mit einem „gepanzerten Fahrzeug“ durch die Trümmer und haben womöglich Beweise zerstört. Das mit dem „Beweise zerstören“ kann auch wieder Hass-Rhetorik von „Ärzte ohne Grenzen“ sein, wer weiß. Wikipedia dazu, Wikpedias Quelle und der Guardian.

Fakt bleibt: die Amis bombardieren ein Krankenhaus der „Ärzte ohne Grenzen“, warum auch immer, und dann schicken sie einen bewaffneten Trupp an den Schauplatz des potentiellen Kriegsverbrechens.

Wenn irgendein anderes Land der Welt (außer vielleicht Israel) sich so ein Ding leisten würde, wäre der mediale Aufschrei ohrenbetäubend. Und unsere Kanzlerin sowie jeder halbwegs ambitionierte Bundes-Politiker würde sich vor eine Kamera stellen und „diesen barbarischen Akt auf schärfste verdammen“. Oder so.

Dann beobachtet doch mal, was jetzt passiert. Nur so Spaßes halber.

Atombombe

Jeder einzelne Mensch auf diesem Planet ist ständig einer akuten Bedrohung von Leib und Leben ausgesetzt und unser immer offensichtlicher versagendes Regierungs-System erklärt nicht mal die Absicht, etwas dagegen zu tun.

Ein weiteres starkes Indiz für das vollumfängliche Versagen unserer Regierungsform.

Es gibt so rund ein Dutzend Länder mit Atomwaffen. Darunter sind die bekloppten Russen und Amis, die immer mal wieder miteinander Krieg führenden Indien und Pakistan sowie das jüdische Israel, das alle umliegenden Islamischen Staaten gerne von der Landkarte getilgt sähen, wovon übrigens die Saudis (Monarchie diskreter aber mutmaßlich auch bekloppter Scheichs) wahrscheinlich auch Atomwaffen haben.

Insgesamt reden wir von reichlich Firepower um die ganze Erde wortwörtlich in Schutt und Asche zu legen. Fast jede Seite hat alleine immerhin noch reichlich, um zusammen mit dem potentiellen Gegner die ganze Erde richtig zünftig zu verstrahlen.

Oder anders ausgedrückt: Einige Dutzend überwiegend bekloppter Männer spielen mit Nukes “Wer hat den Längsten”. Und unsere Regierung thematisiert das noch nicht mal. Ich würde mir ja wünschen, dass es erklärtes und priorisiertes Ziel meiner Regierung wäre, Atomwaffen aus der Welt zu schaffen. Es kann doch nicht wahr sein, dass ein paar Bekloppte jeden einzelnen Menschen auf diesem Planeten an Leib und Leben bedrohen. Kann da bitte mal langsam wer etwas unternehmen?

Was tut meine Regierung statt dessen? Sie gibt sich im Konflikt mit Russland tendentiell konfrontativ, stellt sich jedenfalls nicht deutlich gegen den bellizistischen Kurs der NATO. Wegen der angeblichen Terror-Gefahr müssen die meisten Westler mittlerweile die Menschenrechte am Eingang abgeben, aber auf Kriegs-Kurs mit den Russen gehen. Völlig ungefährlich, was kann da schon schief gehen? Da, guck mal: ein Islamist!

BRICS und die Kunst des globalen Ökonozids

Ökonozid, der: Der Mord an einer Volkswirtschaft.

Ihr solltet mal was lesen. Aber vorher ist es wichtig, das Gehirn auszuschalten. Soft-Reboot. Wenn man mal kurz  vergisst, was man weiß, oder zu wissen glaubt, ist das eine verblüffend konsistente Geschichte. Das riecht irgendwie arg nach Verschwörung, aber so richtig ist da keine. Jeder macht halt, was in seinem Interesse ist.
„An einer demokratiefreien Zone wird bereits gearbeitet“

Manches glaube ich mal eher nicht. Ich glaube, der Einfluss der Wende wird um des Effekts Willen massiv übertrieben. BRICS hat 5 Buchstaben und nur zwei davon liegen im Ostblock. Und Japan, Taiwan, Süd-Korea und der Rest von Süd-Ost-Asien liegen auch nicht im Ostblock. Überhaupt ist der Stellenweise arg überzogen, der Text.

Ist ja auch egal. Kennt ihr den Schon: Verklagt ein Konzern nen Staat: “Ey Alter, bist du doof Mann? Du kannst doch nicht von jetzt auf gleich die Atomkraft so mir nichts Dir nichts abschaffen wie es dir passt, nur weil den Japanern ein Erdbeben, ein Tsunami und Fukushima um die Ohren fliegen. Alter, das wird nicht billig, Du!” Japan wurde es offenbar zu teuer, die bleiben jetzt doch bei der Atomkraft.

Japan, die hatten wir schon dreimal. An denen wird wohl gerade Ökonozid verübt (Ökonozid, der: Der Mord an einer Volkswirtschaft). Vielleicht, wenn wir mit dem Ökonozid an Griechenland durch sind. Blöde Nationalisten, die. Also die Japaner, die Griechen sind blöde Hellenen.

Gut war nicht witzig. War ja auch kein Witz. Vattenfall verklagt gerade wegen dem Atom-Dings Deutschland. Vor so einem “Internationalen Schiedsgericht”. LOL. Aber wir sind gerade von TTIP, wo noch ein Haufen mehr solcher praktischer Klage-Klauseln verhandelt werden abgelenkt (und von einem halben Dutzend weiterer internationaler Verhandlungen wo es (auch) um ähnliche Klauseln geht).

Und so wird Warren Buffet sich am Ende nicht mehr nur wundern, dass wir uns nicht wehren, sondern sich vermutlich auch freuen, wenn er und die seinen gewonnen haben.

Von Emissionen und Immissionen

Neulich bei Google+: “Okay, zugegeben. Es sterben Tausende, Hunderttausende … es werden Millionen werden, wenn der Klimawandel sich erst mal richtig auswirkt. […] Alle können nicht gerettet werden!”

Ich hatte mal wieder das Thema aufgebracht, dass wir Deutschen im und ums Mittelmeer hunderttausende sterben lassen. “Hunderttausende” ist die richtige Größenordnung, wie viele es wirklich sind, weiß niemand. Und in der Tat, “es werden Millionen werden, wenn der Klimawandel sich erst mal richtig auswirkt“. Wenn z.B. Bangladesch endgültig überflutet wird, und das wird es, werden 160 Millionen Menschen auf der Flucht sein. Da wird die eine oder andere Millionen Tote nicht zu verhindern sein. Wenn man sie nicht wirklich verhindern will. Und das will ja nun wirklich niemand.

Kann man nicht alle retten, oder will man es nicht?

Nur darum gilt: “Alle können nicht gerettet werden!”, weil niemand ernsthaft daran interessiert ist, alle zu retten. Die Nahrung, die momentan auf der Erde verbraucht wird reicht z.B. gerade locker für zwei Erdbevölkerungen – “nur” eine Frage der Verteilung, der effizienten Nutzung (also nicht die Hälfte weg schmeißen) und des Fleischkonsums. Und natürlich ist es auch eine Frage davon, wieviel Nahrungsmittel wir lieber in unseren Autos verbrennen, statt sie an Neger zu verfüttern. Aber der politische Wille, irgend wen zu retten, der nicht gerade den gleichen Pass hat, geht gegen Null.

Das zeigt gerade die Umstellung des italienischen Programms “Mare Nostrum”. Mit diesem Programm wurden innerhalb eines Jahres rund 100.000 Flüchtlinge sicher nach Italien eskortiert nachdem im Herbst 2013 mal ein paar Flüchtlinge mehr als üblich vor Lampedusa verreckt sind. Wie viele dieser 100.000 ohne “Mare Nostrum” ertrunken wären weiß man nicht, aber es wären sicher mehr als drei. Um einen einstelligen Millionen-Betrag zu sparen wird jetzt vom italienischen “Mare Nostrum” aufs europäische “Triton” umgestellt, das dann nur noch diejenigen retten soll, die in Sichtweite der europäischen Küsten ertrinken – wahrscheinlich auch nur damit Journalisten weniger hässliche Bilder in unsere heile Welt übertragen.

Damit macht sich das Deutsche Volk der gleichen Verbrechen schuldig wie zur Nazi-Zeit. Zur Erinnerung: Das Verbrechen des Deutschen Volkes war es nicht, die Juden zu vergasen – das waren tatsächlich relativ wenige Deutsche – das Verbrechen meines Volkes war es, es geschehen zu lassen. Natürlich hat das Verbrechen der Nazis eine völlig andere Dimension und ist nicht mit dem aktuell statt findenden globalen Pauperozid zu vergleichen. Aber das Volk tut genau das selbe wie vor 70 Jahren: nichts. Millionen sterben und unsere Gleichgültigkeit ist sogar noch größer als damals.

Neuer Grad der Grausamkeit

Und damit das so bleibt, läuft die Propaganda-Maschine auf Hochtouren. Hier berichtet unsere öffentlich rechtliche Tagesschau unter dem Titel “Neuer Grad der Grausamkeit” darüber, wie die Methoden der Schleuser sich weiter entwickeln. Die erhöhen jetzt die Überlebens- und In-Europa-Ankunfts-Wahrscheinlichkeit ihrer Kunden, indem sie größere Schiffe als früher nehmen und die via Auto-Pilot nach Europa steuern.

So große Schiffe können selbst vom auf den meisten Augen blinden “Triton” kaum übersehen werden, da sie meilenweit auf jedem Radar zu sehen sind. Gleichzeitig sorgt so ein großer Frachter voller Flüchtlinge beim Sinken für dermaßen schlechte Presse, dass nicht mal unser Grenzschutz die alle verrecken lassen kann, so gern er auch wollte. In der Tat, uns so zynisch den Spiegel vor zu halten zeugt schon von einer gewissen, wenn auch wohl verdienten, Grausamkeit.

Wir verhindern, dass sie sich selbst helfen.

Ich muss diese ganze Flüchtlings-Problematik noch einmal in das Licht rücken, in dem ich sie sehe. Unsere Wirtschaft ist so stark, dass fast niemand auf der Welt da mithalten kann. Und was machen wir mit den ärmsten der Armen? Wir hindern sie mit unseren ökonomischen Massenvernichtungswaffen (billigste Hähnchenschenkel, Altkleider usw.) am Aufbau einer eigenen Wirtschaft, wir exportieren fleißig unseren Müll zu ihnen und pressen ihnen über internationale Verträge und Schuldenfallen ihre Ressourcen ab – wobei wir uns natürlich nicht die Hände schmutzig machen. Das nigerianische Uran für Frankreichs Stromversorgung lassen wir schön von Niggerianern ausbuddeln. Das gilt natürlich ebenso für andere Ressourcen. Da werden die Nigger auch vergiftet und verbraucht, spielt nur nicht so schön mit der German Angst.

Es heißt immer, die seien selber Schuld, die müssen mal ihre Korruption in den Griff kriegen. Nun ja, die korrupten bürokratischen Drittwelt-Regime haben wir kolonial-Mächte installiert und Korruption hat zwei Seiten. Siemens ist zum Beispiel international ganz weit vorn beim Ausgeben von Korruptions-Mitteln. Und wenn irgendwo ein besonders übler Faschist an der Macht sitzt, wurde er meist vom CIA gesponsert.

Und dann fliehen die verstrahlten, vergifteten Neger aus ihren chancenlosen Wirtschaftsräumen und folgen dem Ruf unserer Werbung ins gelobte Land wo Burger und Cola fließen. Wir tun alles, damit sie hier nicht reinkommen. Und wer ist Schuld? Klar, die Schleuser, wer sonst?

CO², Zyklon B

Es geht mir nicht um die Größe der Schuld der Täter sondern um die Größe der Schuld des Volkes. Die Millionen sind genau so tot. Den Toten ist es mutmaßlich egal, ob sie letztlich aufgrund von CO²-Emissionen starben, weil wir uns ein schöneres Leben machen und sie nicht als Nachbarn haben wollten oder aufgrund von Zyklon-B-Imissionen, weil unsere Großeltern sie nicht als Nachbarn haben wollten. Im letztgenannten Fall ist die Schuld offensichtlicher. Das Verhalten des Volkes ist fast das gleiche.

Sie ist nur fast die gleiche, weil vor 70 Jahren der Widerstand natürlich viel gefährlicher war. Heute müssten nur mal ein paar Millionen demonstrieren gehen und die Sache wäre geritzt. Und die Ausrede, dass wir von nichts wüssten, lässt sich auch deutlich schwerer halten als vor 70 Jahren.

Demos haben wir ja nun auch, allerdings etwas anders als erhofft. Pegida demonstriert nach 14 Jahren allabendlicher anti-Islam-Propaganda dafür, dass die Kanacken doch bitte zu hause verrecken sollen. Ich bin sicher nicht stolz, ein Deutscher zu sein.

Das I in CIA steht für Igitt

Die CIA, das sind wir alle. Das sind unsere Folterknechte, die haben unsere vollste Unterstützung und wir werden bestimmt nicht insistieren, dass da auch nur einer angeklagt wird.

Schon eklig die CIA. Fragen Sie zum Beispiel mal Abu Zubaydah. Gut, den können Sie jetzt schlecht fragen, denn der sitzt nach wie vor ohne Anklage oder gar ordentliche Gerichtsverhandlung in Guantanamo. Aber Die Amis haben ja jetzt selbst veröffentlicht, wie sie Abu Zubaydah als ersten ihren “verbesserten Befragungstechniken” unterzogen haben: Schlafentzug, körperliche Misshandlung, sexuelle Erniedrigung, regelmäßiges Waterboarding und insgesamt 10 Tage und Nächte in einem Sarg einsperren. Also wenn man die Seele von jemandem gezielt zerstören will, klingt das wie eine ziemlich clevere Strategie – interessante Herangehensweise für eine zutiefst christliche Nation. Gut, man könnte jetzt meinen, zünftige Folterprogramme sind halt was man bekommt, wenn man, wie die Amis mit dem Bush, eine fundamental-christliche Regierung wählt. Aber da machen wir es uns etwas einfach.

Wir sind die CIA

Leider sind die CIA auch wir. Ja, echt. “Die spinnen, die Amis” zählt nicht. Die spinnen ja schon immer. Trotzdem stecken wir so tief im Enddarm der Amis, dass wir anatomisch schwer von ihnen zu unterscheiden sind. Und wenn die Amis vor 70 Jahren 6 Millionen Juden und rund 60 Millionen andere Menschen ermordet hätten, wären die Amis jetzt vielleicht auch etwas ruhiger.

Fakt ist, wir sind nicht nur das Volk, wir sind auch die CIA. Das ist unser System. So sieht es in der ganzen westlichen Welt aus. Wir Deutschen haben uns da in den letzten 70 Jahren etwas zurückgehalten, aber auch wir werden von Dekade zu Dekade wieder sichtbar bellizistischer. Und die Geschichte kennt einige wundervoll gruselige Geschichten. Bleiben wir doch mal bei unseren aller-engsten Verbündeten und ihrer CIA. Das Folterprogramm war nämlich nicht wirklich ein Ausrutscher. Das fügt sich nahtlos in eine lange Reihe ähnlich gruseliger Geschichten.

Contra Affäre

In den 80ern gab es eine echte Hammer-Story, die Contra-Affäre. Die Amis haben total geheim Waffen an den Iran verkauft. Das allein ist schon so krass unmoralisch, da könnte man sich Stunden drüber gruseln. Die haben nämlich nicht nur dem Iran Waffen für den Krieg gegen den Irak verkauft, nein sie haben auch den Irakern beim in mehrfacher Weise völkerrechtswidrigen Chemie-Waffen Angriff auf den Iran geholfen. Das war natürlich bevor die Amis selbst die Iraker zurück ins Mittelalter gebombt haben. Natürlich wieder völkerrechtswidrig und gerechtfertigt mit einem riesigen Sack voller Lügen. Na, wer ist der Babo?

Aber das ist wie gesagt nur eine Nebenhandlung. Die Amis verkauften also Waffen an den Iran. Mit der Kohle aus diesen geheimen Waffendeals haben die Amis die Contras unterstützt. Denn nichts machen Amis lieber, als ein sozialistisches Regime durch ein faschistisches zu ersetzen. Dahinter steckt wieder Stoff für wochenlanges Gruseln. Also die Contras das war so eine faschistische Mörderbande, wie sie die Amis gerne unterstützen. Also wie zum Beispiel die Taliban und Osama Bin Laden, die die Amis ja lange militärisch in Afghanistan unterstützt haben – wie viele vormalige “Freiheitskämpfer”, die die Amis heute als “Terroristen” bekämpfen. Wieder eine andere Geschichte …

Ihre eigene Regierung hatte den Amis verboten, sich da bei den Contras einzumischen. Aber die eigene Regierung konnte einen Ami noch nie von irgendwas abhalten. Darum sind die Amis ja die Amis. Die sind aus Europa geflüchtet um der Regierung zu entkommen, darauf fußt ihr Staat, das Land der Freien, und das hat heute noch sehr großen Einfluss in den USA.

Die Amis haben also die Contras mit Kohle aus den Waffenverkäufen im Iran unterstützt. Aber die Contras haben ja Krieg geführt gegen irgendwelche Sozialisten, und für einen Krieg kann man nicht zu viel Kohle habe. Also haben die Contras so viel Koks wie möglich vertickt um mehr Kohle für ihren Krieg zu kriegen. Und an wen vertickt man möglichst viel Kokain am besten? Klar, an Amis.

Und die CIA wusste von diesen Drogenverkäufen – Drogenverkäufen an die eigenen Leute. Also ich halte diesen ganzen Drogen-Prohibitions-Scheiß ja für Schwachsinn, aber die Amis waren da damals streng gläubig. Tiefer als als Drogenhändler konnte man demnach nicht sinken (außer vielleicht als Kinderficker, wenn die Regierung mal wieder ein paar hübsche Abhörprogramme gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen will … wieder andere Geschichten). Und die CIA hats gewusst. Und geduldet. Denn wenn so ein feiner Fascho-Mob ein paar Sozialisten verprügelt, muss man schon mal Prioritäten setzen.

Von kleinen und großen Arschlöchern

Jo, das war die Contra-Affäre. Das waren auch schon wir. Denn das ist unser System, das sind unsere aller-engsten Verbündeten. Alle mit diesem System machen das so, wir haben uns nur mal eine kleine Auszeit genommen, nachdem wir etwas über die Stränge geschlagen haben. Bei uns läuft auch ne Menge Scheiße, nur halt ein paar Nummern kleiner, weil wir auch ein paar Nummern kleiner sind und wie gesagt, vor 70 Jahren …

Aber hey, wir sind trotzdem besser als die anderen! Hat mir gerade ein Radio-Kommentator erklärt. Der hat nicht etwa uns/und oder die Amis gegeißelt, nein, der hat mir erklärt, was bei uns, respektive den Amis, besser läuft. Denn so aufgeklärte Journalisten, die durchblicken das einfach besser als das blöde Volk, das gleich wieder in dumpfen, völlig unbegründeten Antiamerikanismus verfällt. So ein Journalist hat in der Regel auch viel präzisere Innenansichten aus dem Enddarm der Amis. Also besser ist jedenfalls bei uns, dass wir über so etwas reden. Da hat unsere Demokratie tolle Selbstheilungskräfte.

Also nicht dass es langfristig irgendwie besser wird – das zeigt jedenfalls die Geschichte. Aber stimmt schon, ich bin wirklich und ehrlich sehr froh, dass ich für so einen Artikel hier nicht an die Wand gestellt werde. Und ich wette, in der islamischen Welt wird uns das haufenweise Respekt bringen, wie wir drüber reden, wie wir deren Brüder foltern.

Wir sind der Staat

Nach der Legislative stelle ich hier ein Konzept für die Exekutive vor.

Wir sind der Staat. Sollte man meinen. Das ist zumindest die treibende Idee der „Republik“, der „Res Publica“: der „Sache des Volkes“. Doch nach Jahrtausenden der Gegnerschaft von Herrschenden und Beherrschten, ist es letzteren bislang lediglich gelungen, sich eine etwas bessere Position in diesem vormals aussichtslosen Kampf zu verschaffen. Doch die Gegnerschaft ist geblieben.

Staat gegen Volk

Es gibt nicht viele Völker auf der Welt, die sich so mit ihrem Staat identifizieren, wie wir obrigkeitsgläubigen Deutschen. Doch selbst hier wird z.B. Steuerhinterziehung von den meisten Menschen eher als Sport gesehen denn als ernstes Vergehen. In den USA wird der Staat als potentieller Feind gesehen, gegen den man sich bewaffnen sollte und rund die Hälfte der Bürger sähe den Staat lieber auf wenige Tätigkeitsfelder begrenzt, wie Überwachung und Law und Order. Ein wichtiger Grund für die griechische Misere ist der Antagonismus zwischen dem griechischem Staat und seinem Volk.

Selbst in den fortschrittlichen westlichen Demokratien empfindet sich die Bevölkerung also meist nicht als Teil des Staates sondern mehr oder weniger als sein Gegner. Unter den zahlreichen monokratischen Präsidenten und korrupten Oligarchien dürfte das nicht besser aussehen.

Ich habe an anderer Stelle vorgeschlagen, dass man sich seinen Staat unabhängig vom Wohnort aussuchen können sollte. Dies allein würde auf Dauer sicherlich schon von allein zu bürgernäheren Staatsformen führen. Doch wie könnte so ein bürgernaher Staat aussehen? In “”Regierung mal anders” habe ich mich mit dem legislativen Aspekt dieses Problems auseinander gesetzt, hier geht es nun um die Exekutive.

Mitmachen, Mitentscheiden

Es gibt zwei Faktoren, die mehr alles andere die Identifikation von Menschen mit ihren Institutionen bestimmen. Der eine Faktor ist die Möglichkeit der Einflussnahme. Wenn Menschen nicht die geringste Einflussmöglichkeit auf etwas haben, werden sie sich kaum damit identifizieren. Wenn sie hingegen fast alles bestimmen, wird es schnell zu ihrem „Baby“. Der andere Faktor ist das Mitmachen, das Einbringen der eigenen Arbeit, der eigenen Ideen, der eigenen Person. Es ist kaum möglich, sich mit etwas zu identifizieren, das nichts mit einem zu tun hat und kaum möglich, sich nicht mit etwas zu identifizieren, das man allein geschaffen hat.

In einem Staat ist es offensichtlich nicht möglich, dass alle alles bestimmen und alles selbst machen. Das könnte „bestenfalls“ einer tun – der in sich alle Rollen vom obersten Diktator zum untersten Diener des Volkes vereinen müsste. Wenn dies denn möglich wäre, würde es die Identifikationsmöglichkeit einzelner mit ihrem Staat maximieren, und die aller anderen minimieren.

Staat ohne Bürger

Und so weit das denn möglich ist, gehen wir heute diesen Weg, der der großen Mehrheit eine Identifikation mit ihrem Staat verwehrt. Wir schaffen – seit Jahrhunderten schon – eine bestimmte Klasse von Menschen, die Staat machen. Dies sind die Beamten. Es gibt auch andere Menschen, die letztendlich für den Staat arbeiten. Doch jene führen lediglich einzelne Aufträge aus und arbeiten nicht direkt für den Staat sondern werden von privaten Unternehmen bezahlt, die Aufträge für den Staat übernehmen. Solche Macher werden sich eher mit ihrem Unternehmen identifizieren als mit dem Staat.

Die Beamten sind die Macher. Bestimmen tun sie mit wenigen Ausnahmen kaum etwas, da sie stets streng nach Vorschrift verfahren. Die Entscheidungsmacht wird so stark wie möglich konzentriert. Zwar gibt es mittlere Entscheidungsebenen doch wird die Weisungsbefugnis und letztliche Verantwortung pyramidal nach oben konzentriert wie schon seit Jahrhunderten. Die letzte Entscheidungsbefugnis und Verantwortung trägt auf kommunaler Ebene der Bürgermeister (siehe z.B. Love Parade Debakel in Duisburg), auf Landesebene die Ministerpräsidentin (siehe z.B. Rücktritt Albertz wegen der Ausschreitungen und Benno Ohnesorgs Tod beim Schah-Besuch) und auf Bundesebene die Minister (siehe z.B. Rücktritt Jungs wegen Kunduz-Affaire), bzw. die Kanzlerin.

Ich habe dies schon bezüglicher der Legislative festgestellt und hier für die Exekutive gilt es ebenso: Wenn man bewusst versuchen würde, ein System zu schaffen, mit dem sich die Menschen nicht identifizieren können, könnte man es kaum besser machen: Die Macher sind die unsichtbaren Beamten, die aber nichts entscheiden und sich – wenn sie doch mal kurz sichtbar werden – hinter ihren regalfüllenden Vorschrifts-Gebirgen verstecken. Die Verantwortlichen sind von ihren grauen unsichtbaren Verwaltern kaum zu unterscheiden und sind zusätzlich entrückt in fernen Regierungsgebäuden oder -Kammern, zu denen der Normalsterbliche nie Zugang erhält.

Mitmachen

Die zwei Faktoren, die Identifikation bedingen, sind Mitmachen und Mitentscheiden. Der erste Faktor lässt sich prinzipiell leicht verwirklichen. Jeder Bürger könnte statt steuerpflichtig zu sein, verpflichtet werden, durch seine Arbeit und Qualifikation zum Gemeinwesen bei zu tragen. Jeder Bürger muss einfach einen gewissen Anteil seiner Lebensarbeitszeit für den Staat ableisten. Mit der Wehrpflicht gab es so etwas schon einmal. Man könnte jede Woche ein paar Stunden für den Staat arbeiten oder einige Jahre pro Dekade – das sollte flexibel gehandhabt werden.

Um so etwas umzusetzen braucht es noch ein Anreizsystem. Beamte haben heute eine nahezu perfekt gesicherte Existenz und erhalten regelmäßig Beförderungen. Die größte Schwäche des existierenden Anreizsystems ist, dass es offenbar dazu führt, dass die Bürokratisierung sich ständig ausdehnt, wenn nicht gerade versucht wird ausufernde Bürokratisierung gezielt einzudämmen. Dies liegt daran, dass Ansehen und teilweise auch Sold eines Beamten unter anderem davon abhängen, wieviele Untergebene er zählt. Also ist es mit das wichtigste Interesse der Beamten, ihren Zuständigkeitsbereich – ihre Verantwortung – auszudehnen.

Wenn hingegen alle gleichermaßen Staatsdienst leisten müssen, gibt es nur einen Parameter, den man beeinflussen kann – die Dauer dieses Dienstes. Staatsdiener, die ihren Dienst nicht vernünftig erfüllen müssen also Zusatzdienst leisten, am besten in Bereichen, wo sie der Öffentlichkeit keinen Schaden zufügen können.

Staatsdiener, die es schaffen, die staatlich zu leistende Arbeit zu verringern – durch Effizienzsteigerung oder sinnvolle Eingrenzung der Zuständigkeit – sollten ihrerseits mit Verringerung ihrer Dienstpflicht belohnt werden. Dies würde zu einer Bürokratie führen, die im Gegensatz zu unserer nicht zur Expansion sondern zur Kontraktion neigt.

Natürlich bedarf es weiterer Justierungs-Mechanismen, damit sich die Bürokratie nicht binnen kurzem selbst zur Gänze Abschafft. Und ordentliche Arbeit muss direkt mit hohem Ansehen verbunden werden, wie z.B. hier erläutert.

Entscheidend

Wenn nun jeder beim Staat mitmacht, bestimmt auch jeder automatisch ein Stück weit mit. Arbeiten, die völlig ohne jegliche Entscheidungsbefugnis der Ausführenden auskommen sind rar und stehen in der Regel kurz vor der maschinellen Automatisierung. Doch die Entscheidungsbefugnis heutiger Beamter wird schon sehr weitgehend durch ein enges Vorschriftenkorsett eingegrenzt. Aus verschiedenen Gründen – Effizienz, Identifikation von Bürgern mit ihrem Staat, Anpassung an lokale Gegebenheiten, Motivation der Dienstleistenden, Zufriedenheit der Bürger mit den Dienst Leistenden und vieles andere mehr – sollte jede Entscheidung statt dessen so weit wie irgend möglich in Richtung der Ausführenden verschoben werden.

Ob ein Individuum ein bestimmte Frage entscheiden darf oder vielmehr kann, hängt vom Vertrauen der Kollegen und der in dieser Sache betroffenen Bürger ab. Dieses Vertrauen in professionelle Fähigkeiten wird digital dokumentiert und ist allen zugänglich. Dieser Punkt erfordert eine einigermaßen Umfangreiche Erörterung, die ich hier beispielhaft für ein Krankenhaus geführt habe. Das gleiche System lässt auch auf den Staatsdienst und viele andere Bereiche übertragen.

Wenn Entscheidungen die Koordination unterschiedlicher Bereiche oder mehrerer Kollegen im gleichen Bereich erfordern, dann können sich die Betroffenen Kollegen entsprechend abstimmen oder auch vermittelt durch Koordinatoren (vergleichbar mit heutigen Managern doch nicht unbedingt mit Weisungsbefugnis) einigen. Solche Koordinatoren können auch bei Uneinigkeit eine Entscheidung fällen, oder auch Entscheidungen von einzelnen überstimmen wenn sie höhere oder gleichwertige Interessen gefährdet sehen.

Crowd-Staating

So ist also jeder bei der Umsetzung wie auch bei der Gestaltung des Gemeinwesens beteiligt, so weit es seine Fähigkeiten irgend erlauben. Dies sind optimale Bedingungen für einen bürgernahen Staat. Doch es hat noch andere Vorteile. Es hat wie gezeigt den Bürokratieabbau gleich eingebaut. Und es ist eine Organisationsform, die daraus ausgerichtet ist, aus kleinen Keimzellen dezentral zu wachsen.

Ein solcher Staat muss nicht gleich die komplette Souveränität übernehmen. Er kann mit kleinen Teilaufgaben heutiger Staaten beginnen oder sich auch zunächst andere Aufgaben suchen. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen bereit sind, einen Teil ihrer Freizeit in gemeinschaftliche Projekte zu investieren. Der vorgeschlagene Staat will nicht gleich über Steuern in die Brieftaschen der Menschen greifen sondern nimmt sie einfach soweit auf, wie sie sich einzubringen bereit sind. Gleichzeitig skaliert das System – hoffentlich, doch ich sehe hier zu Zeit keine begrenzenden Faktoren – auf ein großes transnationales Gemeinschaftswesen.

Von der Unmöglichkeit, Gutes zu tun

Der Grünen Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hat den NSA-Whitsleblower Edward Snowden in Russland getroffen. Ich finde, das ist eine sehr gute Sache. Ströbele kann als Mitglied des Bundestages Dinge tun, die den meisten Menschen unmöglich sind. Er kann nach Russland reisen und genießt dort eine gewisse diplomatische Immunität. Er kann den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nutzen, um Rechtsgutachten zur Snowden-Frage erstellen zu lassen. So kann er klären, ob Snowden nach Deutschland kommen könnte, um als Zeuge auszusagen. Er kann die Einberufung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zum NSA-Skandal betreiben (wobei das aufgrund der sehr kleinen Opposition im Falle einer großen Koalition vielleicht scheitert).

Ströbele setzt all diese besonderen Befugnisse für eine gute Sache ein. Er verschafft dem NSA-Skandal Aufmerksamkeit. Er entkriminalisiert Snowden indem er ihn als Zeugen statt als Angeklagten aufsucht. Vielleicht schafft er es sogar, die Regierung zu etwas genaueren Einlassungen zum NSA Skandal zu nötigen. Bisher waren diese Einlassungen von geradezu alberner Einfältigkeit und dokumentieren lediglich das völlige Versagen unserer Medien in dieser Sache. Zudem ist Ströbele von allen Bundestagsmidtgliedern jenes, dem ich am meisten moralische Integrität zutraue.

Tu Gutes; nicht um darüber zu reden

Und genau darum gruselte es mich ein bisschen, als ich die Bilder von Ströbeles Besuch bei Snowden sah. Edward Snowden braucht Aufmerksamkeit um seinen großen Mitteilungsdrang zu stillen (was ich nicht abwertend meine). Doch Snowdens Anwalt meint, Snowden könne auf keinen Fall nach Deutschland. Ströbele ist als Direktkandidat der Grünen beruflich völlig von der Medienaufmerksamkeit abhängig. Und darum kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser ganze Besuch in erster Linie eine Show für die Medien war, eine Show, die den Beteiligten die nötige Aufmerksamkeit liefert. Und die nebenbei den Wein der guten Sache gründlich verwässert.

Dabei glaube ich in diesem Fall, dass es Ströbele und Snowden um eine gute Sache geht und sie das Aufmerksamkeitsspiel um der Sache willen spielen. In anderen Fällen – wenn es z.B. Westerwelle statt Ströbele wäre – würde ich darauf eher nicht kommen. Unser ganzes politisches System ist so von Geld, Lobbyismus und der Aufmerksamkeitsökonomie korrumpiert, dass es den Akteuren immer schwerer wird, überhaupt noch etwas Gutes zu tun, das um seiner selbst willen als solches wahrgenommen wird.

Die allgemein verbreitete Meinung dazu ist, dass das egal ist – wenn denn letztlich das Richtige dabei herauskommt. „Tu Gutes und rede darüber“. Doch ich glaube, dass das falsch ist. Zwar ist es richtig, Gutes zu tun und darüber zu reden. Doch es ist falsch, Gutes zu tun, nur um darüber reden zu können.

Menschlich Mächtig

Wir sind darauf angewiesen, Entscheidungen zu delegieren. Die einzige Alternative zu Macht-Delegation ist Basisdemokratie in der einen oder anderen Form und bisher konnte kein basisdemokratisches System demonstriert werden, das skaliert. Das bedeutet, Basisdemokratie funktioniert bisher ausschließlich in kleinem Rahmen und bricht schon bei mittleren Organisationen zusammen.

Wenn Macht delegiert wird, entsteht automatisch eine Führungsperson, die für andere Entscheidungen trifft. Und hier kommt unsere Menschlichkeit ins Spiel. Ein menschlicher Führer kann Menschen nur auf eine ganz bestimmte Art führen. Er muss Entscheidungen treffen, die die anderen respektieren. Und er muss relativ durchgängig so handeln, dass die anderen das respektieren können. Tut er dies nicht, kann er zwar prinzipiell dennoch führen, doch wird er dann nie von den anderen akzeptiert. Er wird stattdessen als – überlegener – Gegner aufgefasst.

Mein Respekt für das mediale Kasperle-Theater hält sich in Grenzen. Wenn es bei uns mal jemand schafft, als politische Führungsperson menschlich respektiert zu werden, schafft er dass nicht wegen unseres Systems sondern trotzdem. Entsprechend selten geschieht dies. Wir haben ein unmenschliches Politik-System geschaffen, das seine Delegierten und Konstituenten fast zwangsläufig zu Gegnern macht.

Für nicht-anonyme Bürgerentscheide

Es sollte mehr Bürgerentscheide geben, doch bei diesen sollten die Bürger nicht anonym sondern namentlich abstimmen.

Dies ist ein Gastbeitrag, dessen Autor nicht genannt werden möchte.

In Bielefeld waren am 22.09. nicht nur Wahlen, sondern zum ersten Mal stand auch ein Bürgerentscheid an.

Die zu entscheidende Frage lautete: Soll das Freibad Gadderbaum  teilsaniert werden oder nicht?

Grundsätzlich finde ich die Maßnahme eines Bürgerentscheids gut. Man hat das Gefühl direkt mit entscheiden zu können. Deswegen war ich auch höchst gespannt auf das Ergebnis.

Als pflichtbewusster Wähler habe ich mir das den Wahlunterlagen beigefügte Pamphlet von Anfang bis Ende durchgelesen. Zuerst das Statement vom Förderverein.

Die meinen, die Stadt soll einen Kredit aufnehmen, der hätte 20ig Jahre Laufzeit und würde demnach den Haushalt der Stadt nicht übermäßig belasten.

Dann die Standpunkte der einzelnen Ratsfraktionen, jede im Rat vertretene Partei hat ihre Meinung zur Sanierung mitgeteilt. Alle, bis auf die Linken, waren dagegen weil das benötigte Geld für Feuerwehr, Schulen, Kindergärten und Straßen fehlen würde.

Es wurde darauf hingewiesen das Bielefeld was Bäder angeht durchaus gut aufgestellt ist.

Das Freibad sollte damals als der Förderverein den Betrieb übernommen hat, schon geschlossen werden, weil es marode war. Damals war die Stadt schon nicht bereit, oder in der Lage das Freibad zu sanieren. Der Förderverein hat die Schließung also schon damals verhindert. Und so immerhin ein paar Jahre den Betrieb für die Bürger aufrechterhalten.

Eine Leistung die ich durchaus anerkenne.

Im Winter habe ich eine Schlagzeile in der Zeitung gelesen, das täglich tonnenweise Wasser aus dem leckenden Freibad in den Hang läuft, so viel, das die Gefahr des abrutschens bestand.

Für mich war die Sache klar. Feuerwehr, Schulen und Straßen sind wichtiger als eine Freibadsanierung. Zumal ja auch im folgenden die Betriebskosten von jährlich 380 000 € aufgebracht werden müssen. Von denen war in dem Pamphlet so weit ich mich erinnere gar nicht die Rede.

Seit das Ergebnis des Bürgerentscheids klar ist, die Bürger haben  mit knapper Mehrheit  für eine Sanierung entschieden, bin ich nicht mehr so sicher ob ich Bürgerentscheide gut finde.

Ich hätte den Bielefelder Bürgern doch mehr Vernunft zugetraut.

Oder lesen die das Pamphlet nicht durch? Oder lesen und glauben den Worten der von ihnen gewählten Vertreter nicht? Sondern denken nur, das ein Freibad doch eine gute Sache ist?

Bedenken die nicht, das nun der Stadtrat für jede unpopuläre Entscheidung oder für jedes Defizit die perfekte Entschuldigung hat? Wenn die Bürger nicht für das Freibad gestimmt hätten…

Ich wünschte diese Abstimmung wäre öffentlich gewesen. Dann könnte ich nachlesen welche Mitbürger dafür gestimmt haben. Wenn die sich dann beschweren das die Straßen so schlecht sind, kann man ihnen sagen, selber Schuld.

So eine Abstimmung öffentlich zu machen dürfte auch kein Problem sein, da ja die Unterschriftensammlung für den Bürgerentscheid auch öffentlich gewesen ist.

Wer dafür ist muss da ja schon drauf stehen, dann dürfte es demjenigen auch nichts ausmachen öffentlich abzustimmen.