Es ist Krieg und wir alle kämpfen auf der falschen Seite

Mit unserem dauernden Rufen nach Datenschutz spielen wir genau denen in die Hände, gegen die wir uns eigentlich wehren wollen. Statt unsere Geheimnisse zu schützen müssen wir den anderen verbieten, Geheimnisse zu haben.

Willkommen im Informationszeitalter. Denn darum geht es. Information. Nicht Terrorismus, der Terror kommt aus der Glotze. Und ganz sicher nicht Kinderpornografie. Nein, Information, denn Wissen ist Macht. Und Geld. Und mit unserem dauernden Rufen nach Datenschutz spielen wir genau denen in die Hände, gegen die wir uns eigentlich wehren wollen.

Von Bösen und nicht ganz so Bösen

Es gibt da die Bösen – nein, diesmal nicht wir sondern russische Bot-Netze, koreanische Spammer, nigerianische Scammer, chinesische Produktpiraten, Hacker und Script-Kiddies aller Länder. Es gibt die, die wir Deutschen für so mittelböse halten und die Amis für Helden: Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft und zahllose andere Netz-Firmen. Und dann gibt es die Guten, die uns vor all den mehr oder weniger Bösen beschützen wollen: Die Staaten mit ihrer Polizei und ihren Geheimdiensten.

Doch was sie alle letztendlich tun, ähnelt sich frappierend. Sie nehmen und sammeln Informationen. Und die, die in unserem System die Macht habe, verdienen sehr gut mit diesem Arrangement. Die USA sind eine Korporatokratie, ein Staat der von großen Unternehmen gesteuert wird. Wieso gibt dieser Staat mindestens 75 Milliarden jährlich für Geheimdienste aus?

It’s the Economy, Stupid

Wohl kaum wegen des Terrors. Natürlich spielt der Terror wegen unserer idiotischen Medien eine wichtige Rolle. Aber wenn es wirklich um unserer Sicherheit ginge, würden wir unseren Ärzten das Händewaschen besser bezahlen. Wenn es um die Menschen in Afganistan, Pakistan, Irak oder sonst wo ginge, würden wir einfach aufhören, ihnen zu verbieten, die Medikamente herzustellen, die sie benötigen.

Nein, es geht um Geld und Macht, um Information. Natürlich geht es auch um Wirtschaftsspionage. Doch wichtiger noch ist die Sicherung und der Ausbau des aktuellen Systems. Der Staat soll sich auf wenige Kernaufgaben zurückziehen, insbesondere Law and Order. Ziel ist ein Polizeistaat der den Mächtigen erlaubt, in Ruhe zu verdienen. Und weil dies nunmal das Informationszeitalter ist, muss dafür der Fluss der Information kontrolliert werden.

Man muss auch mal loslassen könne

Vielleicht gelingt es nach Prism tatsächlich eine Zeit lang, die Geheimdienste ein bisschen besser unter parlamentarische Kontrolle zu bringen. Das ist zwar abwegig, aber nicht ausgeschlossen. Doch selbst, wenn das vorübergehend gelingt, bleiben noch die Bösen und die Mittelbösen, die das gleiche tun. Das Ringen um Datenschutz ist ein Kampf, den wir nur verlieren können. Denn jede Schranke in der Informationswelt hilft nur denen, die sie umgehen können. Und umgangen  werden können sie alle. Wir machen unsere Feinde stärker und immer stärker.

Gewinnen können wir nur, wenn wir nicht kämpfen. Wir können Information, das flüchtigste aller Güter, nicht festhalten. Statt dessen muss es das Ziel sein, dass alle gleichen Zugang zu Information haben. Es scheint sich gerade – spät aber immerhin – die Einsicht zu verbreiten, dass nur freie Software unsere Information schützen kann. Doch das ist nur ein Schauplatz im Informationskrieg. Statt den Geheimdiensten zu verbieten unsere Geheimnisse zu stehlen, müssen wir ihnen verbieten Geheimnisse zu haben (ja, wir müssen sie abschaffen). Staat und Wirtschaft müssen völlig Transparent werden, nur dann haben wir eine Chance, einen kleinen Rest Privatsphäre zu retten – und nicht in einer Überwachungs-Dystopie zu enden.

Ich sollte wissen, was Twitter weiß

Wir haben Angst vor Twitter, Google, Facebook. Wieso kann es nicht umgekehrt sein?

Dies ist eine Entgegnung auf Martin Weigerts Artikel “Ich weiß, was du diesen Sommer twittern wirst”. Dort geht es darum, dass Daten – insbesondere Big Data – Menschen vorhersehbar machen und wie das missbraucht werden könnte – ein lesenswerter Artikel. Leider fügt er sich nahtlos in die große Menge derartiger Artikel ein, wenn er auch qualitativ eher positiv hervorsticht und das Thema immerhin differenziert betrachtet.

Das größte Missbrauchs-Potential sieht Martin Weigert in gezielter Meinungsmache zu konkreten politischen Projekten. Ja, in der Tat, Spin-Doktoren, Profi-Lobbyisten, Kampagnen-Journalisten – sie alle sind fleißig dabei die Reste unserer erodierten Demokratie zu zerstören und mit mächtigeren Werkzeugen wird das schneller gehen. Doch so weit muss man meiner Meinung nach gar nicht denken.

Wissen ist Geld ist Macht

Google, Facebook und andere können das Verhalten von Menschen beeinflussen. Diese Fähigkeit ist die Grundlage ihrer Geschäftsmodelle. Die Möglichkeit, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen nennt man auch schnöde “Macht”. Informations-Konzerne haben sich zu gigantischen in keiner Weise legitimierten Machtzentren gewandelt.

Nutzen sie diese Macht zur Förderung des Gemeinwohls? Eher nicht. Wie alle großen Konzerne diversifizieren sie ihre Macht. Sie versuchen mehr Einfluss in der Informationswirtschaft zu erlangen, sie verdienen sehr viel Geld (= Macht) und beginnen auch politisch Einfluss zu nehmen indem sie ihre Lobby-Ausgaben erhöhen und eigene Kampagnen fahren.

Werbung für den Untergang

Dabei ist ihr Kerngeschäft die Werbung, die Förderung eines konsumeristischen Weltbildes und Lebensstils, der auf der Ausbeutung der Arbeit und Ressourcen wirtschaftlich unterlegener Kulturen basiert und unseren Planeten in atemberaubenden Tempo zerstört. Ich kann da nicht Gutes aber sehr viel Schlechtes dran erkennen.

Dennoch scheint die Einsicht recht abwegig zu sein, dass gigantische, unkrontrollierte Machtkonzentrationen an sich etwas Schlechtes sind. Warum? Warum akzeptieren wir das einfach? Weil es unvermeidlich scheint?

Machtdiffusion

Ich glaube, die offensichtliche Neigung unseres Wirtschaftssystems zu solchen Machtkonzentrationen ist ein Systemfehler – einer der sich durch eine Reihe von Eingriffen überwinden ließe, ohne dafür dieses System komplett aufgeben zu müssen. Ein wichtiger Faktor für die Neigung unseres Systems zur Machtkonzentration ist unsere Informationsgesetzgebung.

Geschichtsstunde

Es ist mittlerweile offensichtlich, dass die von uns gewährte Möglichkeit, anderen die Nutzung bestimmter Informationen zu verbieten, unmittelbar zu Machtkonzentration führt. Die Indizienkette dazu reicht von der Effizienzsteigerung der Dampfmaschine Anfang des 19. Jahrhunderts über den englischen Buchmarkt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Bell-Company, IBM, Microsoft, Google bis zu Facebook.

Und in all diesen Fällen gibt es deutliche Hinweise, dass es ohne Patente, Copyright und andere Informationsschranken nicht deutlich schlechter gegangen wäre.

Nachdem das unsäglich Patent von Watt auslief, beschleunigte sich die Effizienzsteigerung der Dampfmaschine stärker als durch Watt – ohne dass die entsprechenden Entwicklungen patentiert worden wären. Der urheberrechtslose Buchmarkt in Deutschland war diversifizierter, schneller und größer als der konzentrierte englische und bot dem durchschnittlichen Autor bessere Verdienstmöglichkeiten.

Microsoft hatet Ende der 90er das Internet verschlafen und hat es dann geschafft, die Entwicklung der Web-Technologie mindestens um fünf Jahre zu verlangsamen indem sie ihren marktbeherrschenden Browser „Internet Explorer“, der für jeden Web-Entwickler eine unerträgliche Zumutung war, über Jahre nicht weiter entwickelten, manche Standards kaputt-verhandelt und andere mit ihren “Alternativ”-Entwicklungen und extra “Features” untergraben haben.

Freiheit für Information und Mensch

Was ist die Schlussfolgerung aus all dem? Information darf in der Wirtschaft keine Schranken haben. Sie, lieber Leser, Martin Weigert und ich, wir alle müssen in der Lage sein, bei Google in die Firma zu spazieren, unsere (gegebenefalls “sterilisierten”) USB-Sticks in beliebige Computer zu stecken, und zu kopieren, was uns interessiert. Wir müssen die Überwachung unserer Wirtschaft Crowd-sourcen. Und wir müssen verhindern, dass solche gefährlichen Leviathane wie Google und Facebook in Zukunft entstehen. Wir können nicht verhindern, dass andere Einfluss auf uns haben. Aber wir können verhindern, dass dieser Einfluss auf wenige Akteure konzentriert wird.

Künstlerpech

Wir sind eine Kultur, die ihre Künstler beschissen behandelt.

Wir sind eine Kultur, die ihre Künstler beschissen behandelt. Künstler haben bei uns die Wahl:

  • Habe Erfolg, prostituiere Dich, verrate Deine Kunst.
  • Geh ins Gefängnis, lass Dich einlegen im Formalingestank unserer leitkulturellen Kulturelite.
  • Mach Kultur in der Freizeit. Das reicht zwar nicht um ein Meister zu werden, aber es ist besser als nichts.
  • Bleibt als einziges, Lehrer zu werden Deiner Kunst.

Müssen wir eine so jämmerliche Kultur sein? Können wir nicht etwas gnädiger zu unseren Künstlern sein? Wir haben jetzt ein zivilisatorisches Level erreicht, wo das kein grundsätzliches Problem mehr ist. Mit Crowdfunding kann jeder zum Mäzen werden. Ein paar Euro für dieses Projekt, ein paar für jenes. Gebt für das was Euch wert ist, wo ihr denkt, das bringt unsere Kultur weiter oder spiegelt sie besonders gut wieder. Ihr könnt auch gerne weiter den Schwachsinn kaufen, der uns unterhält. Aber hin und wieder eine kleine Spende für unsere Kultur. Dass würde ihr echt gut tun.

Wenn wir nicht mal beweisen können, dass wir unsere Kunst befreien können, dann werden wir uns nie befreien können. Und ganz wichtig: spendet für ein Kulturprojekt, das Euch wert ist, und dann redet davon!

Kultur Kann Man Nicht Delegieren

Kultur ist das was wir alle tun und wie wir es tun. Kultur lässt sich daher nicht delegieren, Arbeitsteilung funktioniert hier nur sehr eingeschränkt. Das Urheberrecht einzuführen war einer der größten Fehler unserer jüngeren Geschichte.

Neulich lief mal wieder „I am Legend“ in der Glotze. Kannte ich schon, hatte ich mehr als einmal gesehen, wollte ich nicht nochmal sehen. Aber als ich den Fernseher einschaltete, landete ich zufällig in dem Film und zwar wenige Sekunden nach dem Anfang. Der Protagonist bewegt sich durch ein menschenleeres Manhattan, er Jagd ein Reh. Manns-hohes Gras wächst aus Rissen im Asphalt. Gerade als er seine Beute stellt, kommt ihm ein Löwen-Rudel zuvor. Ich bleibe in dem Film hängen und sehe ihn mit anderen Augen.

Medien Meister

Der Film hat zahlreiche sehr starke Szenen, die eines verbindet: sie machen sich sehr gut auf der Leinwand. Es ist ein enormes kreatives Potential in diesen Streifen geflossen. Daran gemessen ist der künstlerische Gehalt erschütternd gering. Doch es gibt noch viel krassere Beispiele für dieses Phänomen: Transformers, gigantische Roboter kämpfen um die Weltherrschaft. Die Protagonisten wurden mit enormen Aufwand in teils künstlichen, teils realen Settings zum leben erweckt. Allein der Aufwand, einen computergenerierten Robotor in einer Realfilm-Szene natürlich aussehen zu lassen, erfordert immense Meisterschaft und Kreativität. Während ein minimaler künstlerischer Gehalt es trotz kommerzieller Zwänge in „I am Legend“ geschafft hat, kann man das den Transformers nicht vorwerfen.

Ich habe mich Jahrzehnte gefragt, wo die Meisterwerke der bildenden Kunst unserer Zeit sind. Sind Gerhard Richter und Gesellen tatsächlich das Höchste was unsere Kultur hervorbringt? Nein, unsere visuellen Meisterwerke sind in der Matrix, im Herrn der Ringe und in Computerspielen, mit denen ich mich aber nicht mehr auskenne. Kunstwerke wie die Matrix hat keine Epoche vor uns hervorbringen können: Schauspiel, Choreografie, Musik, Lichtkunst, Skulpturen, „Malerei“ verbinden sich zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk. Abertausende unserer begabtesten Künstler arbeiten in CGI-Firmen, bei Spieleherstellern und natürlich in der Werbung.

Kommerz Kunst

Doch unsere Meisterwerke sind vor allem Produkte. In der Antike wurde nicht zwischen Kunst und Handwerk unterschieden. Zwar lässt unser „Handwerk“ in der Regel die künstlerische Liebe zum Werk vermissen, aber unsere Kunst ist meist ein Handwerk – und lässt leider zu oft und genau wie unsere Produkte die Qualität und handwerkliche/künstlerische Liebe zum Werk vermissen. Schließt sich bei uns der Kreis? Ist Kunst und Kultur um ihrer selbst willen ein exzentrisches Pläsier verbohrter Bildungsbürger?

Wir sind als Persönlichkeiten nicht von unserer Kultur unabhängig, ganz im Gegenteil. Wir sind zu einem erheblichen Maße was wir tun und wie wir es tun. Und eben das ist auch Kultur: Kultur sind Tischsitten, Redewendungen, Benimm und Höflichkeit, unser alltäglicher Umgang, die Art, wie wir unsere Arbeit verrichten. Kunst spiegelt immer die Alltagskultur. Kunst steht nie allein, Meisterwerke entstehen auf den Schultern von Riesen – den Meistern der Vergangenheit – und auf unser aller Schultern, denn wir schaffen die Kultur aus der die Meisterwerke hervorgehen.

Ich glaube an das Ideal, dass Kunst frei sein sollte. Doch die überwältigende Mehrheit der Kunst mit der ich im Alltag konfrontiert bin, ist nicht frei sondern verfolgt unerbittlich eins von lediglich zwei universellen Zielen: 1. Sieh her! 2. Kauf mich! Entweder soll Aufmerksamkeit für Werbung oder Umsatz des Werkes selbst erregt werden oder es handelt sich um Werbung. Oder einfacher gesagt: Es ist Eigenwerbung, Werbung für Werbung oder Werbung.

Arbeitsteilung = Delegation

Die enormen Fähigkeiten unserer Kultur sind auf Arbeitsteilung zurückzuführen. Arbeitsteilung ist eine phantastische Errungenschaft. Doch lässt sie sich nicht auf alles anwenden. Ich bin zu einem guten Teil was ich tue und Kultur ist, was wir alle tun. Wir können Kultur nicht delegieren, wir können nicht anders als sie selbst zu erschaffen. Natürlich gibt es Menschen unter uns, die besondere Fähigkeiten besitzen und einen herausragenden Beitrag zu unserer Kultur leisten. Und wir wollen tatsächlich, dass dieses herausragende Schaffen fast ausschließlich unter den Maximen „Sie her!“ und „Kauf mich!“ entsteht? Dass die Sperrspitze unserer Kultur mit derselben Lieblosigkeit produziert wird wie unsere Alltagsprodukte? Und wir wundern uns über die Lieblosigkeit der Letzteren während wir denen Kulturverachtung vorwerfen, die Freiheit für kulturelles Schaffen fordern?

Ideale

Unsere kulturellen Vorreiter sind Vorbilder und Ideale. Justin Biber und Konsorten haben ab einem gewissen Alter unserer Kinder größeren Einfluss auf dieselben als die Eltern. Wir sind was wir tun, Kultur ist was wir alle tun, Vorbilder prägen unsere Kultur, ihre Motive prägen die Vorbilder. Die Existenz und gegebenenfalls Gestaltung des Urheberrechts hat darum großen Einfluss darauf, wer wir sein werden. Sind Geld und Ruhm alles, was im Leben zählt?  „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ [unbekannt] Doch unsere Kultur wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach radikal wandeln. Zumindest hat sie das in den letzten Jahrhunderten getan.

Ein Blick in die Vergangenheit

Wo kommt unsere Kultur her, wer waren wir? Kultur ist das, was ihre Mitglieder tun und wie sie es tun. Was hätten wir, Sie und ich, früher um diese Zeit getan? Die folgende Beschreibung gilt für Bewohner der nördlichen gemäßigten Breiten mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dreihundert bis vor dreitausend Jahren.

Sie und ich, wir, Sie bei sich, ich bei mir. Ein kalter Herbst-Abend vor dreihundert Jahren. Nur dreihundert Jahre. Wir haben beide wahrscheinlich mit jemandem geredet, der mit jemandem geredet hat, der mit jemandem geredet hat, der das selbst alles erlebt hat. Um uns herum ist es mehr oder weniger düster. Vielleicht hat einer von uns beiden das Glück, sich ein paar Kerzen leisten zu können, oder stinkende Öllampen. Aber es um diese Zeit wirklich hell zu haben – das kann sicher keiner von uns zweien finanzieren.

Die Arbeit des Tages ist getan, denn im Dunkeln kann man nicht arbeiten. Wir können nicht lesen, ich als Mann mache keine Handarbeiten. Doch genau jetzt prägen wir unsere Kultur. Die Zeit der Reflektion des Tagewerks prägt das Tagewerk. Jetzt arbeitet die Tradition, die Kunst „das Feuer weiter zu tragen, nicht die Asche zu bewahren“ [Gustav Mahler]. Wir singen, wir erzählen unseren Kindern Märchen und uns Geschichten aus unserem Leben. Wir schaffen den Fundus, aus dem die Begabtesten von uns die Meisterwerke unserer Zeit schaffen.

Die Kultur formt Sein und Bewusstsein

Es ist kalt und feucht und zugig. Wie praktisch alle Menschen um diese Zeit in diesen Breiten, sitzen wir wahrscheinlich am Feuer. Wir kennen Feuer ganz genau. Wir haben endlose Stunden hinein geschaut in unserem Leben. Wir wissen genau, wie sich Holz in Asche verwandelt, vom lodernden Scheit zum glühenden Kohlen, zum Zerbrechen in kleinere Scheite, zum Glimmen und Erlöschen.

Was würden wir um diese Zeit tun, Sie und ich, in einer Kultur wie vor 300 oder 3000 Jahren? Ich würde ins Feuer starren, wie alle anderen. Dabei würde ich mir vielleicht Bilder vorstellen wie Hieronymus Bosch, Bilder, die ich natürlich niemals malen könnte. Denn mir würde das Geld für die teuren Utensilien fehlen und ich könnte gar nicht malen – wie sollte ich neben der harten Arbeit in meinem abgelegen Städtchen einen Meister finden und bezahlen? Oder ich würde mir Märchen von der Art ausdenken, die andere Eltern nicht so gern weiter erzählen. Abwegige Märchen, wie ich es auch jetzt tue. Ich könnte kaum Spuren hinterlassen.

Und Sie? Was würden Sie tun? Natürlich, Sie würden ins Feuer starren. Sie wüssten auf die Minute genau, wann der nächste Scheit bricht. Doch Sie hätten keine auch nur entfernt genaue Vorstellung, wie lange eine Minute dauert. Und was würden Sie sonst jetzt gerade tun, am Abend eines kalten Herbsttages?

Kultur kann man nicht delegieren

Stattdessen sitze ich auf dem Sofa. Der Kamin brennt, doch ich starre nicht in sein Feuer. Ich starre ins kalte Feuer eines Tablett-PC Bildschirms und tippe einen abwegig utopischen Text in sein angedocktes Keyboard. Sie blicken ebenfalls auf einen Bildschirm und lesen das Zeug. Wir machen immer noch Kultur. Ich indem ich ein mikroskopisches Tröpfchen zum kulturellen Schaffen beitrage, Sie indem Sie das weitertragen (durchs Erzählen, Liken, Verlinken) oder nicht.

Wow. Wir sind weit gekommen. Und wie soll es weiter gehen mit unserer Kultur? Mal angenommen wir verpassen eine erdrückende Zahl an Möglichkeiten, unsere Zivilisation zu vernichten, wo wollen wir in 30 und 300 Jahren an einem kalten Herbstabend sein und was wollen wir tun? Sie können diese Entscheidung nicht treffen, genauso wenig, wie ich. Aber Sie und ich können mit allen anderen entscheiden, ob und wem wir diese Entscheidung überlassen wollen. Ob wir sie wirklich allein kommerziellen Interessen überlassen wollen.

Und egal wie wir uns entscheiden: Wir können die Entscheidung anderen überlassen, doch abnehmen kann sie uns keiner. Denn Kultur ist das, was wir tun. Kultur kann man nicht delegieren.

Kreutzer kommt, sieht, siegt

Rezension der Sendung „Kreuzer kommt … ins Krankenhaus“, kulturelle und ökonomische Einordnung.

Ein Neugeborenes, ein krebskranker Junge, ein Mann mittleren Alters mit der modisch gerade diktierten Antwort auf Haarausfall. Drei Glatzen in einem einzigen großartigen Bild. Ein Kabinett absurder Situationen, das an Monty Python erinnert. Schwärzester Zynismus. In einer Menagerie grotesker seelischer Krüppel ist die einzig scheinbar halbwegs intakte Persönlichkeit die Mörderin.

Deutschland ist Krimiland. Das Flaggschiff deutscher Fernsehunterhaltung ist ein Krimi und die Konkurrenz ist riesig. Lücken im Krimiprogramm füllen hervorragende skandinavische und britische Produktionen. Wie soll gegen diese öffentlich rechtliche Großmacht ein kommerzielles Angebot ein Geschäft machen? Indem es alles anders macht.

Riesig wie die Konkurrenz ist der Markt. Deutschland ist Krimiland. Und das Marktangebot ist recht gediegen. In einen gediegenen, gesättigten Markt kann man nur mit Innovation einbrechen. Und Innovation ist das beste an Kultur. Kreativität, das Schaffen von Neuem, das finden einer neuen Sprache um die uralten Kernfragen der menschlichen Existenz zu besingen.

„Kreutzer kommt“ ist ein lichter Teil der Gegenwartskultur. Es schafft nichts Neues. Das geschieht sehr selten. Aber es nimmt zahlreiche Elemente moderner audiovisueller Ausdrucksformen, überspitzt alles bis zur Schmerzgrenze, nimmt einen etablierten Star, der perfekt in das überzeichnete Setting passt, und formt aus all dem eine moderne, attraktive, originelle Interpretation des Krimi-Genres. Dabei bedient man sich des besten kreativen Personals, das man für das Budget kaufen kann. Mit perfektem Sound, stimmiger Ausleuchtung, solider Kamera und Regiearbeit, brauchbaren Darstellern und State-of-the-Art Ausstattung entstand eine sehr respektable kulturelle Leistung.

„Kreutzer kommt“ zeigt, was kommerzielle Kultur in ihren besten Momenten leisten kann, nur übertroffen, wenn ein wirklich großer Künstler mal ein kommerzielles Budget verbraten darf. „Kreutzer kommt“ zeigt den Zenit unserer Alltagskultur – wenn wir an der Kommerzialisierung der Kultur festhalten.

Freie Videoschau

Wäre unsere Kultur ohne Urheberrecht verloren? An konkreten Beispielen zeige ich, dass unsere Kultur schon heute keineswegs auf das Urheberrecht angewiesen ist.

Ohne umfangreichen rechtlichen Schutz ihrer Urheber wäre unsere Kultur mehr oder weniger am Ende. Dieser Ansicht ist die breite Mehrheit unserer Bevölkerung. Hier wird an ganz konkreten Beispielen gezeigt, was wir verlören und was wir gewännen wenn wir wie zur Zeit der großen Dichter und Denker (und Komponisten) aufs Urheberrecht verzichteten.

Zunächst ein mal: Unsere Kultur ist gar nicht sooo unglaublich toll. Es gibt auf diesem Planeten tausende anderer Kulturen, die kulturell Großes leisten. Diese anderen Kulturen nutzen das Urheberrecht weniger als wir zur aggressiven Vermarktung und werden folgerichtig nach und nach von uns ausgelöscht. Nur die Größten und Stärksten setzen sich durch, und manchen hilft ein Zufall.

Audio

Das einzige in dem unsere Kultur wohl unübertrefflich ist, ist unsere Arroganz. Noch heute gilt hier beispielsweise das Belcanto als Zenit gesanglicher Virtuosität. Diese Gesangstechnik war unter anderem von der Notwendigkeit geprägt, Opernsäle unverstärkt mit der Stimme zu beschallen und sich dabei gegen ein ganzes Orchester durchzusetzen. Bis heute ist das rhythmische Repertoire klassischer Sänger vergleichsweise primitiv. Sie nutzen von den Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme lediglich jenen Bruchteil, der sich in glasklaren lauten Tönen darstellen lässt – eben jenen Teil, der im natürlichen Ausdruck von Menschen die geringste Rolle spielt.

Wer heute nach gesanglicher Virtuosität sucht, der muss weit über unseren Kulturkreis hinausgehen. Einer der größten Gesangsvirtuosen unserer Zeit war der 1997 verstorbene (Sufi) Qawwali-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan. Wir haben ihn sogar ordentlich mit Preisen überhäuft. Aber kennen tut ihn natürlich keine Sau. Hier gibt’s ein Video (eigentlich Audio). Ich habe das nach der Zugänglichkeit für westliche Ohren ausgewählt, nicht nach der dokumentierten Virtuosität.

Video

Eigentliches Thema dieses Artikels ist jedoch nicht allgemeines Kultur-Bashing. Ich nehme mir eine Folge der Telepolis Video-Schau, und analysiere einige der verlinkten Videos auf ihren Hintergrund und kulturellen Gehalt. Meine Auswahl ist natürlich davon gelenkt, dass ich demonstrieren möchte, dass freie Kultur eben nicht unterlegen ist. Doch ist die Kritik an kommerziellen Medienerzeugnissen eins zu eins auf die große Mehrzahl kommerzieller Medienerzeugnisse verallgemeinerbar. Und durch die Beschränkung auf genau eine Folge der Telepolis Videoschau verdeutliche ich, dass kulturelle Signifikanz in freien Medienerzeugnissen keine Riesen-Ausnahme sein kann.

Wir starten mit einem kommerziellen Erzeugnis. Stephen Colbert ist ein sehr erfolgreicher US-Komiker. Dies ist ein Ausschnitt aus einer seiner Shows. Er wärmt einen Gag mit Siri, Apples neuem sprachgesteuerten Assistenten im iPhone, auf, der schon vorher erfolgreich von anderem im Netz lanciert wurde. So streicht Colbert ohne großen finanziellen Aufwand (Gag-Autoren) ein paar sichere Lacher ein. Das ganze wird natürlich in einer Professionalität präsentiert, die von Amateuren kaum zu leisten ist.

The Won Ton Soup“ von Boo Ya Pictures ist ein Mischprodukt. Die Firma lebt offenbar vom Dreh kleinerer Projekte – z.B. Musikvideos – das hier besprochene Video wurde aber wohl nicht aus unmittelbaren finanziellen Interessen gedreht. Über die Motive der Macher kann ich nur spekulieren, sie mögen von Leidenschaft getrieben sein, stellen es aber sicher zur Aufmerksamkeitsgenerierung für ihr Geschäft ins Netz. Musikvideos wiederum, von denen Boo Ya Pictures lebt, dienen ebenfalls nur der Aufmerksamkeitsgenerierung. Das Geld kommt für die Musiker hauptsächlich aus Konzerten (wäre also nicht vom Auslaufen des Urheberrechts bedroht) und für die Labels aus Plattenverkäufen. Letzteres hängt am Urheberrecht. The Won Ton Soup zeigt immerhin eine originelle Idee, die recht professionell umgesetzt wird.

Gänzlich frei ist hingegen „I’m the bomb“. Feraz Ozel, der Macher, ist ebenfalls US-Comedian. Doch dieser lebt von seinen Auftritten und nutzt das Video ebenfalls zur Aufmerksamkeitsgenerierung. Das Video ist originell, witzig, gut präsentiert und problematisiert den gallopierenden Antiislamismus – bisher eindeutig das stärkste Video in diesem Review.

Wiederum kommerziell ist „Lord Monckton“ von „The Hamsterwheel“ einer australischen Comedy-Truppe. Das Video unterstellt, dass der bekannte Klima-Skeptiker Lord Monckton in Wahrheit eine von Sascha Baron Cohen geschaffene Kunstfigur ist. Den Machern ist es sogar gelungen, Lord Monckton für ein Interview zu bekommen, in dem der Interviewer so tut, als hätte er es mit dem verkleideten Sascha Baron Cohen zu tun. Ich sage es ungern in diesem Artikel, aber dieses Video ist ein kleiner Geniestreich.

The Gamers von Dead Gentlemen productions scheint ein Hobby-Projekt zu sein, sicher bin ich aber nicht. Das Video ist einigermaßen originell und bietet Einblick in die weithin unbekannte Subkultur der Pen-and-Paper-Rollenspieler. Unterstellt, dass es sich um ein Hobby-Projekt handelt, hat das Video eine sehr ordentliche Qualität. Ich habe es mir übrigens nicht in voller Länge angetan.

Gänzlich kommerziell ist „Angry Birds Seasons Ham’O’Ween“. Es handelt sich um eine Mini-Zeichentrick-Geschichte die als Werbung für das Spiel „Angry Birds“ dient. Die Story ist sturzblöd und die Optik ist von Tim Burton geklaut. Das ganze natürlich auf höchstem technischen Niveau.

Ein völlig anderes Kaliber ist „I live in the Woods“  von Max Winston. Er hat das Video als Student gedreht und es mit einem Stipendium (hinterm Link auf Award winners/alphabetically/W/runterscrollen/Max Winston, ist leider nicht direkt verlinkbar) finanziert. Es kann somit als völlig unabhängig vom Urheberrecht gelten. Das Video besticht durch eigene Optik und Stilistik, rasante Entwicklung und verstörenden Inhalt. Ein Kurzfilm auf höchstem Niveau.

Google steuert auch etwas bei. Aus Street View wird Rail View, nett anzusehen, gut gemacht, Werbung für Google. Ich habe es hier reingenommen, weil es eine (kommerzielle) Doku ist.

So kann ich Googles Beitrag diesem Meisterwerk der Piratenpartei gegenüberstellen. Ich weiß nicht so recht, was sich die Macher dabei gedacht haben. Es soll wohl auch Werbung für die Piraten sein (aber da ist natürlich nichts kommerzielles und mit Urheberrecht hat das absolut nichts zu tun). Ursprünglich war es als Interview mit Fabio Reinhardt gedacht, der soeben für die Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen ist. Doch dann kam unverhofft Regine Feldewert dazu und es entspann sich ein Dialog zwischen ihr und Reinhardt. Zur Bewertung dieses Videos sollte man sich klarmachen, dass Olli Dittrich für „Dittsche“ (zurecht) unter zahlreichen Preisen auch den Adolf Grimme Preis erhielt. Regine Feldewert hat etwas, was Dittsche fehlt: Sie ist echt. Das allein macht dieses Video schon absolut sehenswert. Hinzu kommt noch, dass es ausgerechnet von den Piraten lanciert wird, die vor allem für Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie stehen. Wie es sich für ein Kulturgut von Rang gehört, eröffnet dieses Video zahlreiche Lesarten:

  • Werbung für die Piraten
  • Anti-Werbung gegen die Piraten
  • Diskreditierung der CDU
  • Bloßstellung und Verachtung der Wähler
  • Schonungslose Transparenz
  • Schlichte Dokumentation
  • Information über die Piraten

Ich nehme es als in jeder Hinsicht absurdes Gesamtkunstwerk.

http://www.youtube.com/watch?v=IPOAXYvs1cw

Kultur in Ketten

Wir kriminalisieren unser Kultur und mit ihr u.a. unsere Kinder. Die Gründe die dafür angeführt werden waren früher schon falsch, heute sind sie absurd.

Wir haben uns die Ketten selbst angelegt. Genau genommen waren es unsere Vorfahren. Doch auch heute zweifeln eher wenige daran, dass wir diese Ketten brauchen. Haben Sie vielleicht Kinder? Teenager? Oder bist Du vielleicht ein Teenager oder unter etwa 25? Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Ihre Kinder oder eben Du selbst kriminell sind/bist.

Da wäre natürlich  unsere absurde Drogenpolitik, mit der die USA die Population ihrer Gefängnisinsassen größer hält als die ihrer Universitäten. Die Politik mit der wir Mexiko in einen Drogenkrieg getrieben haben, den es nicht gewinnen kann. Doch darum wird es in einem anderem Artikel gehen. Hier geht es um unsere Kultur, um Musik, Kunst, Literatur, Film usw.

In Ihrem Haus oder in Ihrer Wohnung befinden sich mit großer Wahrscheinlichkeit sogenannte Raubkopien. Abgesehen davon, dass sie sich so natürlich erheblichen zivilrechtlichen Forderungen aussetzen können – in den Medien hat z.B. der Fall von Jammie Thomas eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten – machen Sie sich strafbar. Die sympathischen Hinweise auf bezahlten DVDs („Raubkopierern“ bleibt dieses zweifelhafte Vergnügen oft erspart) sind tatsächlich ernst gemeint. Ein großer Teil der Bevölkerung der westlichen Welt besteht aus Kriminellen. Ein Viertel des Datenverkehrs im Internet ist offenbar kriminell, weil dieses Viertel der Verbreitung unserer Kultur dient. Die meisten tragen ihre Ketten gerade nicht, aber sie könnten jederzeit angelegt werden. Denn die Ketten sind Teil unserer Kultur.

Und damit sind wir bei unseren Vorfahren. In Deutschland haben wir die wichtigsten Schritte 1837 in Preußen und dann 1871 im Deutschen Reich getan. Heute glauben die meisten Menschen, dass die Kriminalisierung der Kultur-Verbreitung eine notwendige Voraussetzung für die wirtschaftliche Schaffung von Kultur ist. Das wird uns ja auch ständig von Lobbyisten und ihren Politikern eingebläut. Doch dies ist eine bewusste oder unbewusste Lüge.

Dieser erhellende Vergleich der Situationen in Deutschland vor Einführung des Urheberrechtes und der Situation in England wo es damals schon Copyright gab, ist sehr aufschlussreich. Es gab sehr viel mehr Bücher in Deutschland, der Büchermarkt war sehr viel vielfältiger sowohl in der Breite wie in der Tiefe und die Autoren verdienten im Schnitt sehr viel besser. In England gab es weniger Verlage, die weniger Bücher verlegten. Diese wenigen Verlage hatten aber höhere Gewinnmargen. Nur Top-Autoren verdienten besser als vergleichbare Autoren in Deutschland.

Das Copyright schützt also offenbar nicht die Schöpfer der Kultur. Ganz im Gegenteil, vielmehr schützt es die überhöhten Gewinnmargen derjenigen, die unsere Kultur finanziell abschöpfen. In der Musik sieht es ganz ähnlich aus. Die überwältigende Mehrheit der Musiker lebt nicht von CD Verkäufen. Die allermeisten sind vor allem Musiklehrer. Dann gibt es auch nicht wenige, die mit Auftritten einiges verdienen. Selbst viele Mega-Acts verdienen an Auftritten mehr (als genug), mehr als durch CD-Verkäufe.

Allerdings ist gerade die musikalische Kultur massiv durch die Kriminalisierung ihrer Verbreitung beeinträchtigt.  Wenn Musiker die Ideen anderer Musiker übernehmen und weiter entwickeln und -verbreiten werden ihre Auftrittsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Denn für viele kleinere Etablissements ist der unverhältnismäßige Aufwand der Erfüllung der GEMA-Auflagen bürokratisch wie finanziell nicht tragbar. Auch die Verbreitung ihrer Musik ist natürlich eingeschränkt. Selbst wenn die Musiker, die sich von anderen inspirieren ließen, ihre Musik verschenken wollen ist das nicht mehr möglich.

Es genügt nicht einmal ein Stück quasi neu zu erfinden. Selbst wenn Musiker Rhythmus, Tempo, Tonart und Sound eines Stückes komplett ändern sowie Text und Melodie deutlich variieren haben sie das Stück nicht von den Ketten des ursprünglichen Autors befreit. Das gilt natürlich auch, wenn die ursprüngliche Version völlig unbekannt ist und als wenig originell gelten darf während das „Plagiat“ eine große Schöpferische Leistung darstellt.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre unsere Kultur heute sehr viel ärmer, wenn schon immer so ein irrsinniges Urheberrecht gegolten hätte wie heute. Denn Kultur lebt gerade davon, dass Ideen von anderen Künstlern weiter entwickelt werden. Kulturelle Leistungen kommen niemals aus dem nichts. Dabei ist es völlige Willkür, was geschützt ist – in der Musik z.B. im Wesentlichen Text und Melodie. Sound-Tüftler beispielsweise gehen da eher mal leer aus. Es kann gut sein, dass sich gerade aus diesem Grund unsere Musik in den vergangenen Jahrzehnten vor allem im Bereich Sound weiterentwickelt hat.

Dabei würde sich für kaum einen Musiker etwas wesentliches ändern, wenn wir aufhören würden unsere Kinder – die offenbar kulturbegeisterter sind als wir – wegen der Verbreitung unserer Kultur zu kriminalisieren. Denn kaum ein Musiker lebt hauptsächlich vom Verkauf seines sogenannten geistigen Eigentums. Anders ist dies zum Beispiel bei Autoren und Filmschaffenden.

Wer sich eingängiger mit Youtube beschäftigt muss zu dem Schluss kommen, dass das Ende der kriminalisierten Kultur-Verbreitung nicht das Ende des Films wäre. Die meisten Clips sind dort kurz doch es gibt durchaus auch längere Filme. Die hochwertigsten sind oft Arbeiten von Film-Studenten und erreichen teils ein erstaunliches Niveau. Es gibt Dokumentationen, Propaganda, Unterhaltung jeder Art, Musik, Sport (insbesondere im Bereich E-Sports auf teils beachtlichem Niveau) Kunst usw.

Natürlich kann all dies technisch nicht mit den Top-Produktionen auf Hollywood mithalten. Cineastisch habe ich auch nichts gesehen, was mit den besten Filmemachern mithalten kann. Doch hier sind zwei Dinge zu beachten. Technisch können die besten freien Produktionen durchaus mit professionellen Produktionen von vor 10 bis 20 Jahren mithalten. Der technische Fortschritt erlaubt es heute mit einem Hobby-Budget Dinge zu produzieren, die vor einigen Jahren Millionen verschlungen haben. Es ist nicht an zu nehmen, dass dieser Prozess ein plötzliches Ende finden sollten. Das heißt aber, dass eine Entkriminalisierung unserer Kultur den Film technisch höchstens um ein paar Jahre zurückwerfen würde.

Wichtiger noch ist aber dieser Punkt: die wahren Filmverrückten arbeiten heute vielfach beim Film. Würden wir aufhören, unsere Kultur zu kriminalisieren, würden all diese Verrückten aufhören, Filme zu machen? Wohl kaum. Vielmehr ist an zu nehmen, dass freie Filme teils professioneller würden. Die Lücke zwischen heutigen professionellen und künftigen freien Werken würde sich also technisch verkleinern und vom cineastischen Anspruch wohl möglich egalisieren. Das gleiche gilt für Musik-Produktionen.

Oben wurde bereits auf diesen verblüffenden Artikel verwiesen, wo dargelegt wird, dass die historische Kriminalisieren der Kulturverbreitung den aller meisten Autoren schwer geschadet hat. Heute ist leider nicht an zu nehmen, dass eine Befreiung der Kultur den Autoren entsprechend nützte. Vor der Kriminalisierung unserer Kultur konnten die Verlage ihren zeitlichen Vorsprung und geschickte Marktplatzierung nutzen um sich vor Plagiaten zu schützen. Heute lässt sich die Duplikation voll automatisieren und praktisch ohne Investitionen und Zeitverluste durchführen.

Aggregatoren könnten beliebige Inhalte bei sich versammeln um aus dem resultierenden Traffic Werbeeinnahmen zu generieren. Dies ist ein weiterer Grund, Werbung zu verbieten. Ich bin bereits verschiedentlich auf andere Gründe eingegangen. Wichtig ist es, das Verbot so zu formulieren, dass freie Rede in keiner Weise beeinträchtigt wird. Wenn dieses Hindernis beseitigt ist, gibt es keinen Grund mehr, Kultur zu stehlen. Doch die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Geschriebenem ist auch dahin – wenn man mal von modernen Ansätzen wie Crowd-Sourcing absieht. Doch hier muss sich erst noch erweisen, ob das langfristig besteht.

Aber es gibt noch einen Unterschied zwischen der Zeit vor der Kriminalisierung unserer Kultur und der Zeit danach: Damals war der Arbeitsaufwand für die Beschaffung des Lebensunterhalts eines Menschen sehr viel höher und die Fähigkeit zu schreiben, sowie auch die fachliche Qualifikation zum Verfassen von Fachtexten sehr viel seltener. Heute haben sehr viele hoch qualifizierte Menschen so viel Freizeit, dass sie einen nie dagewesenen Tsunami von Geschriebenem über uns hereinbrechen lassen.

Das selbe gilt für alle andere Formen von kriminalisierter Kultur: sie ist keine begrenzte Ressource mehr. Marktwirtschaft ist gut in der effizienten Verarbeitung begrenzter Ressourcen. Doch in unseren kulturellen Gütern ist die Marktwirtschaft heute völlig fehl geleitet. Denn diese Güter sind heute reichlich vorhanden, es ist völlig unmöglich, die Grenzen des ständig neu geschaffenen zu erkunden, denn diese Grenzen entfernen sich schneller als irgendjemand lesen, hören oder sehen könnte. Wir können jetzt aufhören, unsere Kinder, ein viertel des Datenvolumens und unsere Kultur an sich zu kriminalisieren. Denn selbst die fadenscheinigen Begründungen, die einmal dafür herhalten mussten, sind heute offensichtlich absurd.

Software Marktwirtschaft ohne Copyright

Es gibt viele Argumente, das Copyright für Software ab zu schaffen. Das mit Abstand wichtigste Argument gegen diese Freigabe lautet in etwa: Dann würde kaum mehr innovative Software entwickelt und für viele Nieschen-Märkte gäbe es gar nichts mehr. Manche Leute führen gar an, dass es dann ja überhaupt keine professionelle Software gäbe. In diesem Artikel versuche ich diese Argumente zu entkräften. Diese Diskussion ist leider sehr fachspezifisch. Aber ihre Implikationen betreffen jedes Mitglied einer Informationsgesellschaft. Tatsächlich ist es eine Diskussion über Freiheit, Transparenz, Solidarität und vor allem Macht-Konzentration. Auch wenn Sie kein IT-Fachmann sind: halten Sie durch.

Verantwortungskultur

Es gibt nach wie vor viele Vorbehalte gegen den professionellen Einsatz freier Software, auch und gerade von IT-Fachleuten. Meiner Erfahrung nach wurzeln diese Vorbehalte aber nicht in Erfahrung mit der Qualität freier Software oder dem Support für diese. Es gibt bei professioneller Software derartig viele Beispiele katastrophaler Qualität und nicht vorhandenen Supports, und bei freier Software so viele gegenteilige Beispiele, dass man derartige Begründungen getrost als vorgeschoben betrachten darf. Derartige Vorbehalte sind schlicht Teil unserer Wirtschafts-Kultur.

Wenn ein Mitarbeiter für seine Firma etwas benötigt, organisiert er ein professionelles Produkt oder einen professionellen Service. Tut er das und es geht etwas schief, ist der Anbieter des Produktes oder Services gegenüber der Firma verantwortlich. Organisiert der Mitarbeiter ein nicht-professionelles Produkt oder eine nicht professionelle Dienstleistung, ist der Mitarbeiter verantwortlich, wenn etwas schief geht.

Hier sind zwei Dinge wichtig: Verantwortung und Professionalität. Mitarbeiter sind oft nicht bereit, Verantwortung für ein überlegenes Produkt zu übernehmen, wenn sie mit einem unterlegenen ihren Job erledigen und sich aus der Verantwortung stehlen können. Das ist völlig verständlich, denn bei IT-Lösungen gibt es praktisch immer Probleme. Wieso sollte man sich unnötig Probleme aufhalsen? Glücklicher Weise führt die in vielen Feldern ausgeprägte Überlegenheit freier Software verbunden mit ihren auf der Hand liegenden geringeren Investitionskosten immer öfter zu professionellem Einsatz freier Software. Dadurch etablieren sich immer mehr professionelle Service-Dienstleister für freie Software und auch professionelle Entwicklungen nehmen zu. Die wirtschaftliche Bedeutung freier Software hat sich massiv gewandelt und der Wandel ist lange nicht abgeschlossen. Die Unkenrufe über angebliche Unprofessionalität werden also bald von allein verstummen, unsere Wirtschafts-Kultur diesen Wandel vollenden.

Service & Anpassung

Wenn man sich den heutigen professionellen Markt freier Software betrachtet, überwiegen zwei Geschäftsmodelle. Viele Unternehmen entwickeln ein Produkt (z.B. ein Programm). Sie verkaufen dann Service-Leistungen rund um ihr Produkt, entwickeln bezahlte Spezial-Versionen ihres Produktes für Kunden mit speziellen Anforderungen und bieten der Allgemeinheit manchmal erweiterte Funktionen zum Kauf. Eine Andere Gruppe von Unternehmen spezialisiert sich auf bestimmte Problemkreise – z.B. e-commerce Plattformen oder Geschäftliche Prozesse – und passt komplexe freie Systeme an die Anforderungen des jeweiligen Kunden an. Natürlich bieten auch solche Unternehmen Service für Ihre Lösungen.

Beide Geschäftsmodelle haben Gemeinsamkeiten: eine wichtige Komponente ist immer Software-Service. Mit der Komplexität moderner Systeme ist Service eine Notwendigkeit geworden. Genauso wie kaum noch jemand ein modernes Fahrzeug selbst warten würde, würde kaum noch eine Firma selbst ihre Software warten, selbst wenn sie selbst Entwickler zu ihrem Personal zählt. Professioneller Software-Service wäre auch in einer copyrightlosen Marktwirtschaft zweifellos ein signifikantes Geschäftsfeld.

Wichtiger noch ist aber folgender Faktor: beide Geschäftsmodelle leben (auch) von der Anpassung bestehender freier Lösungen. Man kann offensichtlich nur etwas anpassen, was schon da ist. Da im Laufe der Zeit immer mehr (und komplexere Software) entwickelt wird, wird auch der Fundus immer größer, aus dem Anpassungen entwickelt werden können. Bezüglich der Anpassbarkeit sind freie Lösungen professionellen schon heute in der Regel weit überlegen. Die Ursachen hierfür liegen in Entwicklungsprozessen und kulturellen Hintergründen, ich werde jetzt aber nicht weiter darauf eingehen. Die Frage ist also nur: wird Software-Copyright auf Dauer von alleine Bedeutungslos? Und wenn nicht, hat es dann nicht eine Daseins-Berechtigung?

Virale Freiheit

Ich vermute, sehr langfristig würde Software-Copyright tatsächlich bedeutungslos. RMS wird mit seiner viralen GPL diesen Krieg langfristig gewinnen (die GPL ist eine virale freie Software-Lizenz, die sich immer weiter ausbreitet). Es sei denn Software Patente blieben uns erhalten. Doch die Diskussion dieses volkswirtschaftlichen Wahnsinns, sei anderen überlassen. Hier muss der Verweis genügen, dass maximal Infotags volkswirtschaftlichen Sinn machen könnten. Ein weiteres potentielles Hemmnis für die Verbreitung freier Software ist Software as a Service, doch dazu später mehr.

Wie auch immer, es könnte lange dauern, bis freie Software sich komplett durchsetzt. Denn Unternehmen in marktbeherrschender Stellung werden diese Position immer nutzen um die Weiterentwicklung ihres Marktsegmentes zu verhindern. Microsoft ist es z.B. gelungen, die enorme Innovationskraft des World Wide Web für ein ganzes Jahrzehnt stark zu bremsen. Freie Software würde sich also vermutlich sowieso irgendwann durchsetzen, bis dahin ließe sich aber erheblicher Schaden abwenden, wenn die Abschaffung des Copyrights vorgezogen würde.

Innovation durch Monopole?

Würde somit die Innovationskraft der Softwarebranche beschnitten? Patente gelten gemeinhin als guter Anzeiger der Innovationskraft. Da ist es billig, auf ein paar Beispiele der vorgeblichen Innovationskraft des Marktes zu verweisen. Informativer ist es aber wohl ein paar Beispiele an zu führen, die nicht oder nicht ausschließlich kommerziell entwickelt wurden: Die E-Mail wurde in einem Unternehmen erfunden, allerdings tat der Entwickler es aus eigenem Interesse, entgegen seiner eigentlichen Aufgabenstellung; MP3 ist eine halb-kommerzielle Entwicklung, die aber auf rund hundert Jahre, großen Teils öffentlich finanzierter, psycho-akustischer Forschung zurück geht; Die SMS wurde von einer Behörde (Bundespost) in Kooperation mit einem Unternehmen entwickelt; Das World Wide Web wurde an einer Forschungseinrichtung entwickelt.

In diesen Beispielen, spiegelt sich ein Grund-Thema. Sie zeigen, dass Innovation nicht grundsätzlich  auf Marktwirtschaft angewiesen ist. Aber all diese Beispiele betreffen grundlegende Technologien, was sicher kein Zufall ist. Die Ausgestaltung dieser Technologien geschieht dann doch oft im Rahmen marktwirtschaftlicher Unternehmungen. Während also das Argument der mangelnden Innovationskraft freier Entwicklung relativ leicht zu entkräften ist, ist das mit dem Nieschen-Markt-Argument ungleich schwieriger.

Als roter Faden dieser Erörterung mag folgendes Beispiel dienen: Die automatisierte Spracherkennung ist ein etabliertes Forschungsgebiet an dem sehr viele öffentlich finanzierte Forscher gearbeitet haben. Doch nachdem die (kommerziell viel-versprechenden) Prinzipien erforscht waren, haben kommerzielle Unternehmen die Perfektionierung dieser Verfahren übernommen. Insbesondere haben Unternehmen die Spracherkennung für Diktate von Anwälten und Medizinern optimiert.

Gerade letzteres ist ein perfektes Beispiel für die Vorteile der Marktwirtschaft. Irgendwer hat erkannt, dass sich u.a. bei Anwälten und Medizinern große Einsparungen erzielen lassen, wenn man Diktate automatisieren könnte. Also wurde investiert und so ein Mehrwert geschaffen. Es ist nicht sonderlich naheliegend, dass freie Entwickler aus Spaß oder zur Mehrung des eigenen Ruhms den hohen, großen teils vermutlich stupiden Aufwand zur Bewältigung dieser Aufgabe auf sich genommen hätten – zumal sich Anwälte in Kreisen, die sich freier Software widmen, nicht gerade eines hohen Ansehens erfreuen.

Software als Service

Wie könnte so eine Software also in einer Copyright-losen Gesellschaft entwickelt werden? Eine naheliegende Antwort aus heutiger Perspektive ist: Als Software as a Service. Der Arzt diktiert, die Audio-Daten werden an den Server der Transkriptions-Firma übermittelt und dort in einen Text übersetzt, der wiederum an den Arzt zurück übertragen wird. Für den Arzt gibt es keinen merklichen Unterschied in seinem Arbeitsablauf. Aber die Übersetzungs-Software verlässt nie die Server der Übersetzungsfirma und somit kann sie niemand kopieren.

Aber darf der Arzt, der ja einer Schweigepflicht unterliegt, seine Diagnosen an eine fremde Firma übertragen? Bei freier Software geht es nicht vorrangig um Copyright, sondern offen gelegte Programme. Bei freien Programmen kann jeder (der sich damit auskennt) nachvollziehen, was sie tun. Wenn der Software Service freie Software verwendete, müsste der Arzt keine Bedenken haben. Andernfalls kann er nicht sicher sein, was mit seinen Diagnosen geschieht, auch wenn er sich vielleicht rechtlich absichern kann.

Es zeigt sich also, dass eine Abschaffung des Copyright nicht genügt. Ohne die Forderung der Offenlegung der Software, würden Software-Services die Copyright-Regelungen aushebeln und die wichtige Forderung der Transparenz umgehen. Ist Offenlegung aber gefordert, funktioniert auch Software as a Service nicht mehr zur Vermarktung von Nieschen-Produkten – zumindest nicht mit den überkommenen Formen von Marketing. Diese bestehen darin, Software entweder zu verkaufen oder zu vermieten.

Service als Chance

Doch Software Services bieten hier sehr wohl eine Chance, man muss das Problem nur anders betrachten. Wozu überhaupt Software? Software erlaubt uns zuweilen, Dinge zu tun, die wir ohne sie nicht tun könnten. Doch der bei weitem verbreitere Grund für den wirtschaftlichen Einsatz von Software ist Kostenersparnis. Man möchte menschliche Arbeitskräfte effizienter machen oder sie für bestimmte Aufgaben ersetzen. In diesem Fall besteht die Aufgabe in der Transkription von Diktaten.

Man stelle sich also einen Internet Service für die Transkription von Diktaten vor. Wohlgemerkt, hier geht es um die Finanzierung der Entwicklung von Software. Nehmen wir also an, unser Service verfügt nur über einen frühen Prototypen einer Spracherkennungs-Software, der gerade aus der öffentlichen Forschung abgeleitet wurde. Auch damit ließen sich vor 15 Jahren (in den 1990er Jahren) prinzipiell Kosten gegenüber Diktaten mit menschlichen Sekretären sparen. Allerdings war das eher umständlich. Speziell auf diese Software geschultes Personal wäre aber für unseren Service selbstverständlich. Und so könnte der Diktierservice die gleiche Qualität günstiger bieten als ohne den Einsatz seiner Software.

Gleichzeitig könnte sich der Anbieter vor Nachahmern schützen, da er einen Vorsprung in der Schulung seines Personals hat. Da der Service auch seine Software weiter entwickelt und optimiert, kann er diesen Vorsprung bei entsprechendem Einsatz auch halten. Wenn die Software irgendwann ausgereift ist, schwindet der Vorsprung und das Produkt geht automatisch ins allgemein Gut über.

Eine denkbare Möglichkeit der Abgrenzung gegen die Konkurrenz besteht auch darin, umfassenderen Service an zu bieten. So könnten weitere IT-Bedürfnisse der Kunden – z.B. Arzt-Praxen – in Services ausgegliedert werden. In den Praxen stünden nur noch einfach zu wartende so genannte thin Clients. Der Service-Anbieter pflegt und Administriert die IT-Systeme der Kunden in seiner (des Anbieters) virtualisierten Server Landschaft.

In einem transparenten System würde dies die Sicherheit der Daten der Kunden der Praxen wahrscheinlich eher erhöhen. Denn heute kümmern sich eben oft keine Profis um die Wartung und Sicherung dieser Systeme. Aus Anbietersicht stellt dies einen Schutz gegen Konkurrenz dar, da es natürlich schwieriger ist, einen komplexen rund-um Service zu bieten als sich auf einen Diktier-Service zu beschränken.

Man vergleiche dieses Geschäftsmodell mit heutigen – aus Kundensicht. Heute würde der Prototyp verkauft und Kunden sehen sich über Jahre den Zumutungen von Entwicklungssoftware ausgesetzt, während sich Einsparungen aufgrund des Einsatzes durch ungeschultes Personal in Grenzen halten. Der Hersteller muss viel Kapital vorschießen, da er ein unausgereiftes nicht lukratives Produkt am leben halten muss, bis es sich für alle lohnt. Dann darf er damit weitgehend ohne weitere Leistungen seinerseits Geld drucken.

König Kunde

Im Service-Modell lohnt sich der Einsatz von Anfang an für alle Seiten. Der Hersteller hat gute Einnahmen während der Entwicklung und nicht danach. Kunden bekommen von Anfang an ein ausgereiftes Produkt. Durch die kontinuierliche Entwicklung ist der Preis des Produktes am Anfang hoch (wenn auch dennoch billiger als die herkömmliche Diktiermethode) und sinkt kontinuierlich, bis er am Ende gegen Null geht. Aufgrund der Transparenz des Service Dienstleisters kann durch jeden überprüft werden, ob die Prozesse des Service-Anbieters den Anforderungen an Umgang mit Daten beispielsweise einer Arztpraxis genügen.

Natürlich ist diese Vermarktungsstrategie nicht im Interesse der etablierten Anbieter. Sie verlieren ihre Gelddruck-Monopole. Zudem setzt dieses Modell auch künftige Anbieter einem größeren Konkurrenz-Druck aus als heutige Modelle. Denn im Service Modell kann jeder auf der aktuellen Version der Diktiersoftware aufsetzen und versuchen einen konkurrierenden Service zu etablieren. Im herkömmlichen Modell schützen frühere Investitionen vor Konkurrenz, da ein Vorsprung in der Investition in geschützte Software schwieriger auf zu holen ist als der Vorsprung in der Schulung der Anwendung dieser Software. Das Service-Modell ist also tatsächlich viel Stärker Markt-orientiert als das Monopol-Modell.

Das Service-Modell lässt sich auf viele Anwendungen übertragen, doch bei weitem nicht auf alle. Ich werde noch drei weitere Klassen von Anwendungsentwicklung betrachten.

Geschäfts-Logik

Ein sehr großer Teil der Software-Entwicklung besteht heute darin, Software für die Optimierung von Geschäftsprozessen diverser Firmen an zu passen. Da diese Prozesse so individuell sind wie die Firmen, gibt es hier einen großen Markt. Es gibt drei große Fraktionen, die sich nicht ganz klar trennen lassen, die sich diesen Markt teilen.

Da wären zunächst die Software-Riesen wie SAP und Oracle (vormals Sun, da es hier vor allem um Java geht). Diese haben es geschafft, Software-Ökosysteme von enormer Komplexität zu schaffen. Ein Heer von Beratern, Entwicklern und Dienstleistern lebt davon, diese Systeme an die Anforderungen individueller Firmen an zu passen.

Dann gibt es zahlreiche kleinere Firmen und Freelancer, die das selbe mit unbekannteren, oft innovativen und teils schon freien Technologien tun. Die Kunden dieser Unternehmen sind oft selbst eher kleine und mittlere Unternehmen.

Und schließlich haben viele mittlere und große Unternehmen eigene IT-Abteilungen, die eben diese Aufgaben für sie erfüllen und aus dem Pool der Technologien und Services der ersten beiden Gruppen schöpfen.

All diese Anpassungen wären durch einen Fall des Copyright nicht gefährdet. Problematisch ist augenscheinlich aber die Finanzierung der Weiterentwicklung der Software-Plattformen. Das ist heute die Aufgabe eben dieser Software-Riesen. Doch interessanter Weise sind Java und SAP schon heute weitgehend Open Source. Auch hier also keine unlösbaren Probleme.

Automation

Ich arbeite für eine Firma, die Automationssysteme, Smart Systems, Smart Meters und ähnliches verkauft. Während es auf dem Markt der Gebäudeautomation viele kleinere Anbieter und Projekte gibt, werden Smart Systems (z.B. Automation von Straßenbeleuchtung) und intelligente Zähler meist von sehr großen Firmen und in großen Projekten eingesetzt. Die Leistung der Software-Entwicklung besteht hier heute darin, bestehende Lösungen zu integrieren und an zu passen. Aufgrund der Größe dieser Projekte wäre es möglich, diese Leistungen durch ihren Einsatz in sehr großen Projekten zu finanzieren.

Heute werden Lösungen oft zunächst in kleineren Projekten eingesetzt. Erst, wenn sich die Systeme dort bewähren, werden sie in größerem Maßstab eingesetzt. Dies würde von den Großunternehmen, die solche Projekte umsetzen, langfristige Planungen und Strategien erfordern. Doch ist dies kein Ausschlusskriterium für derartige Finanzierungs-Modelle. Der Schutz gegen die Konkurrenz besteht hier wieder darin, dass auch beim Personal viel Know-How über die Umsetzung derartiger Projekte angehäuft werden muss. Man kann nicht einfach eine Software stehlen und dann damit große Beleuchtungs-Projekte umsetzen. Derartige Software ist im übrigen oft auch an bestimmte Hardware gebunden. Die muss man ja nicht unbedingt an seine Konkurrenz verkaufen.

Allerdings würde sich durch eine Abschaffung des Copyrights vermutlich auch hier der Konkurrenzdruck erhöhen – was ja aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht schlecht ist. Es bleibt fest zu halten, dass derartige Großprojekte langfristige Planung und große vorab-Investitionen erfordern. Dies würde möglicher Weise den Markt für derartige Produkte deutlich verändern. Es ist jedoch nicht an zu nehmen, dass Großprojekte der Automatisierungstechnik grundsätzlich durch eine Abschaffung des Copyrights unmöglich gemacht würden.

Klassische freie Software

Eine letzte große Software-Sparte soll nicht verschwiegen werden, obwohl man meinen sollte, dass die hier gemachten Feststellungen mittlerweile Gemeingut sind. Heim-Anwender benötigen bereits heute kaum kommerzielle Software. Ich verwende seit über zehn Jahren fast ausschließlich freie Software und mein Nutzungsumfang sowie meine Ansprüche sind wahrscheinlich eher hoch. Sicher gibt es noch die eine oder andere Nieschenanwendung, die mancher nicht so leicht wird ersetzen können. Aber das sind eher Ausnahmen, die mit dem Fall des Copyrights bald obsolet wären.

Es ist zu erwarten, dass sich die Entwicklungsmodelle klassischer freier Software – die andere sind als die von Software-Riesen wie SAP, die ihre Mammut-Produkte offen gelegt haben – sich auch weiter in die Welt jener Software ausbreiten werden, die vorrangig kommerziell eingesetzt wird. Eine Abschaffung des Copyrights würde diesen Vorgang natürlich beschleunigen.

Ein Sektor der vermutlich unter einer Abschaffung des Copyrights leiden würde, ist Unterhaltungssoftware. Es ist denkbar, dass manche Unterhaltungsfirmen Modelle finden, mit denen sich weiter Geld zur Finanzierung dieser Software-Sparte verdienen lässt. Dies könnten z.B. Services sein, die die Etablierung großer Communities für massive multiplayer games oder ähnliches erlaubt. Auch gibt es freie Unterhaltungs-Software. Diese reicht aber im Gegensatz zur Anwendungssoftware und anderen produktiven Sparten bei weitem nicht an das Niveau der kommerziellen Pendants heran.

Auch hier ist zu erwarten, dass eine Abschaffung des Copyrights freien Produkten zu gute käme. Doch erwarte ich, dass diese Sparte qualitativ ein paar Jahre hinter den heutigen kommerziellen Status Quo zurück fällt. Man mag das bedauern oder nicht. Volkswirtschaftlich ist es bedeutungslos, da diese Software eben keine produktive Bedeutung hat.

Was vom Tage übrig blieb

Es wurde eine mögliche Software-Marktwirtschaft illustriert, die nicht trotz der Abwesenheit von Copyright funktioniert, sondern eine, die gerade deswegen viel marktwirtschaftlicher ist. Gewaltige Kapital-Anhäufungen durch anti-marktwirtschaftliche Monopole würden verhindert. Durch die Einsparung dieser Anhäufungen ergibt sich ein Volkswirtschaftlicher Nutzen – dieses Geld steht dann anderswo zur Verfügung.  Denn Software Giganten waren selten große Innovatoren. Microsoft z.B. hat sich dadurch hervor getan, Konkurrenz zu zerstören und den Fortschritt soweit irgend möglich auf zu halten. Denn der Fortschritt entzieht den etablierten Monopolen oft die Grundlage.

Hier wurden nur einige Beispiele von Software-Entwicklung und ihrer Finanzierung beleuchtet. Es gibt noch viele viele andere, und sicher auch anders geartete, auf die sich die hier illustrierten Beispiele vielleicht nicht übertragen lassen. Man muss sich jedoch einen zentralen Punkt vor Augen halten: Mit Software lässt sich Geld sparen. Ich weigere mich zu glauben, dass sich ohne Copyright keine Wege finden ließen, etwas von diesem Geld für die Entwicklung von Software ab zu zweigen. Ich habe in einigen Beispielen gezeigt, wie es gehen könnte. Wenn es wirklich kein Copyright mehr gäbe, davon bin ich überzeugt, fänden sich kreative Köpfe, die Wege finden, trotzdem Geld zu verdienen. Tatsächlich gibt es ja heute schon reichlich derartige Beispiele, obwohl es Copyright gibt.

Die Feinde freier Software bezeichnen diese oft als Software-Sozialismus. Dabei sind diese Feinde freier Software selbst die Feinde der Marktwirtschaft. Denn sie versuchen Monopole zu errichten und zu verteidigen. Eine Welt ohne Copyright wäre weniger sozialistisch, da sie nicht auf die destruktive Planwirtschaft der siechen Software-Riesen angewiesen wäre. Sie wäre im Gegenteil von einer freieren Wirtschaft, und was wichtiger ist, von freieren Nutzern geprägt.

Zwölf andere Positionen zum Urheberrecht

Anke wies mich auf das gerade erschienene Positionspapier des Kultur-Ministeriums zum Urheberrecht hin. Danke Anke! Dieser Artikel liefert Gegenpositionen zu den zwölf Positionen von Staatsminister Bernd Neumann.

Anke wies mich auf das gerade erschienene Positionspapier des Kultur-Ministeriums zum Urheberrecht hin. Danke Anke! Dieser Artikel liefert Gegenpositionen zu den zwölf Positionen von Staatsminister Bernd Neumann.

1.“Denn ein wirksames Urheberrecht ist unverzichtbare Voraussetzung für das kulturelle Schaffen …„. Somit kann es also vor Einführung eines wirksamen Urheberrechtes kein kulturelles Schaffen gegeben haben. Don Quixote, der schon mal als bedeutendstes Werk der Weltliteratur gehandelt wurde, ist also kein kulturelles Schaffen, da Cervantes sich ja bekanntlich mit zahlreichen Plagiaten rum schlagen musste. „… und auch ein Beitrag zur Gewährleistung der künsterischen Freiheit„. Wie kann denn bitte ein Gesetz die künstlerische Freiheit gewährleisten, das künstlerische Verwertung anderer künstlerische Werke einschränkt? Da haben die Autoren gerade mit ihren zwölf Positionen angefangen und schon ist das Hirn alle. Das kann ja heiter werden. „[…] kann der Urheber nicht im bisherigen Umfang kulturelle Werke und Werte schaffen.“ Ach so, na dann. Ja, alles klar, es geht hier erklärter Maßen nicht um Klasse sondern um Masse und die angesprochenen Werte sind dann wahrscheinlich doch eher monetärer als kultureller Natur. Liebe Autoren, wenn Ihr als unsere gewählten Vertreter schon so einen inkonsistenten Schmarn raushaut, schreibt doch bitte wenigstens drunter, welcher Lobbyist das bezahlt hat. Transparenz und so.

2. Die zweite These ist keine These und es taucht auch nicht einmal der Versuch eines Argumentes auf. Da steht nur ein Dogma: Liebe Nutzer, „Urheber und sonstige Rechteinhaber“ (ich tippe ja vor allem auf letztere) haben Rechte auf Eure Kohle inne. Dem stelle ich glatt mal ein anderes Dogma gegenüber: Die Nutzung von Information muss frei sein. Und Freiheit verträgt sich nicht damit, dass mir jemand etwas verbieten kann, wenn ich nicht seine Bedingungen erfülle.

3. „Die Wertschätzung kreativen Schaffens bedarf auch in Zeiten der Digitalisierung einer breiten gesellschaftlichen Fundierung.“ Und Wertschätzung, insbesondere die kulturellen Schaffens, kann ja bekanntlich ausschließlich durch Bezahlung erfolgen. Herr Neumann, wenn Ihnen zur Wertschätzung kulturellen Schaffens tatsächlich nichts anderes als Geld einfällt, wollen sie sich nicht vielleicht nach einem Job umsehen, der besser zu Ihnen passt als ausgerechnet Minister für Kultur?

4. „Kulturelle Teilhabe erfordert – auch wegen der Komplexität medialer Welten – kulturelle Bildung und insbesondere Medienkompetenz.“ Ja genau! Das stimmt! Herr Minister, ich bin froh, dass Sie es selbst ansprechen. Es muss Ihnen auch gar nicht peinlich sein, dass Sie in Ihrem Alter nicht mehr so ganz durchblicken, wie das in modernen Medien funktioniert. So mit diesen Semmpels in der Musik, Mäschabs im Netz. Zumal andere Medien wie Literatur und bildende Künste gerade erst anfangen, die neuen Möglichkeiten zu erkunden. „Der Bund wird hier stärker als bisher als Impulsgeber, z.B. über die Unterstützung von Modellprojekten für kulturelle Bildung tätig werden.“ Ich bin sehr gespannt auf das Projekt „Kulturelle Bildung für Kultur Minister“. Aber sehen sie sich vor, wenn Sie erst erschnuppern, was künstlerische Freiheit im digitalen Zeitalter bedeuten kann, wollen Sie nachher gar nicht mehr zurück in Ihre Amtsstube.

5. „Gleichzeitig ist ihre Tätigkeit [die der Verwertungsgesellschaften] auch für Nutzer von Vorteil, weil sie als Zentralstellen eine gebündelte Rechtevergabe zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.“ Herr Neumann, Sie Schelm. Haben Sie auch gulli gelesen? Der Aachener Weihnachtsmarkt muss dieses Jahr ohne Musik auskommen, weil die zuständige Zentralstelle die Gebühren ordentlich erhöht hat. Für viele Nutzer ist das tatsächlich ein Vorteil. Die freuen sich, dass sie die üblichen schrecklichen komerziellen Versionen diverser Weihnachtslieder ausnahmsweise mal nicht auf sich ein dudeln lassen müssen.

6. „Bleibt die Suche erfolglos [nach dem Urheber], so sollte gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung eine Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften ermöglicht werden.“ Anders ausgedrückt: Wird der „Besitzer“ nicht ermittelt, gehört die Fundsache nicht etwa dem Finder oder gar der Allgemeinheit, sondern dem Fundbüro. Tolles Geschäftsmodell! Ja ich weiß, der Vergleich hinkt. Denn Information kann man nicht im üblichen Sinn besitzen. Man kann mir eine Melodie nicht wegnehmen. Aber dieser kleine Kategorien-Fehler hindert Sie ja leider auch nicht an der Verbreitung derartiger Positionen.

7. „Zur weiteren Verbesserung der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte in der digitalen Welt sollte der bestehende rechtliche Rahmen um ein effizientes System ergänzt werden, das es ermöglicht, einem (potentiellen) Verletzer einen Warnhinweis zu senden.“ Hui, Herr Neumann, da wurde Ihnen aber ein Trojaner unter gejubelt. Sehen Sie, es zahlt sich schon aus, dass Sie oben zugegeben haben, dass sie von modernen Medien nicht viel verstehen. Sonst könnte man jetzt glatt glauben, Sie seien ein ganz schlimmer. Denn sehen Sie, wenn man mir „effizient“ einen Warnhinweis schicken wollte, egal welche Inhalte ich über welches „Protokoll“ auch immer gerade abrufe, dann müsste man ja meine gesamte Kommunikation überwachen. Ich glaube, ich habs jetzt, Herr Neumann! Wir hatten ja bei 3. herausgefunden, dass Kultur eigentlich gar nicht so Ihr Ding ist. Bei 5. haben Sie bewiesen, dass Sie jeden Sophisten locker an die Wand argumentieren. Bei 6. bewiesen Sie Sinn für lukrative Geschäftsmodelle. Und hier geben Sie uns ganz subtil zu verstehen, dass Sie auch mal gerne zusehen. Herr Neumann, fragen Sie doch mal Google, Leute mit Ihren Fähigkeiten und Interessen nehmen die sicher sofort!

8. „Die sog. Providerhaftung ist in diesem Sinn und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Angebote und Geschäftsmodelle der Provider fortzuentwickeln. Hier sind weitergehende Prüf- und sonstige Pflichten für bestimmte Internet Provider, wie etwa Host Provider, im Telemediengesetz zu verankern.“ Kudos, das war clever. Anstatt sich Ihrem neuen Arbeitgeber gleich an zu dienen, knallen Sie ihm diese Position hier vor den Kopf. Haben Sie schon sondiert, was Google Ihnen zahlen würde, um den Punkt da raus zu kaufen? Was Sie dabei wohl übersehen haben (ja, es ist wahrlich ein Kreuz mit der Medienkompetenz), sind all die anderen Anbieter, die sich nicht wie Google über geltendes Recht hinweg setzen können. Die könnten dann nämlich dicht machen. Denn die Annahme, dass man für ein paar Euro im Monat sämtliche Daten seiner Nutzer überprüfen könnte ist absurd. Macht aber nichts, gehen Sie halt ins Ausland. Deutschland ist eh schon schwierig für Host-Provider, Abmahn Recht und Hamburger Gericht sei Dank. Aber Google wird sich sicher für Ihre Konzepte zur Überwachung der Nutzer-Inhalte interessieren. Und wenns bei Google nichts wird, versuchen Sies bei Facebook, die geben nicht mal vor, nicht böse zu sein.

9. „Denn ohne die vielfältige Presselandschaft mit anspruchsvollen journalistischen Inhalten wäre das kulturelle, politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland deutlich ärmer. Deshalb ist es wichtig, die Leistungen von Presseverlegern wie die anderer Werkmittler angemessen zu schützen.“ Ich übersetze mal gerade: Denn wenn ich der Presse hier nicht wenigstens ein bisschen den Bauch pinsele, machen die mich sowas von fertig, dass ich Google und Facebook total vergessen kann. Stimmt.

10. „Digitale Kopien von gemeinfreien Werken sollen von öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen für die nichtkommerzielle Nutzung grundsätzlich kostenfrei angeboten werden.“ Ich bin platt. Das ist ja fast ein Zugeständnis an die so diffamierten „Nutzer“ (diese schrecklichen Menschen, vor denen Sie die Urheber zu schützen müssen glauben). Gut, kommt jetzt satte 40 Jahre zu spät, aber ist ja nicht so wild. Ja, ich weiß, die Medienkompetenz.

11. „Die Neuregelung hat die in sie gesetzten Erwartungen noch nicht erfüllt.“ Mensch Bernd! Da lieferst Du eine 1a Bewerbung in 10 Punkten und mit 11 machst Du alles kaputt. Das schreibt man doch nicht „Ich hab Mist gebaut, aber beim nächsten mal mach ichs bestimmt besser. Ehrlich!“

12. „Konkrete Maßnahmen in Deutschland müssen in einen geeigneten Rahmen auf europäischer Ebene eingebettet sein.“ Hurrah, die Türkei feiert gerade ihr priviligierte Partnerschaft, die genießen dann ja bald das Privileg Europas Hoster zu werden. „Über die Diskussion auf europäischer Ebene ist das Thema auch weltweit voranzutreiben.“ Oops. Sorry wegen des Blödsinns mit Google und Facebook Herr Staatsminister. Sie denken in großen Maßstäben und sind offensichtlich zu höherem berufen Herr Staatsminister. Am deutschen Wesen wird die Welt genesen.