Der Wieder-Auftstieg des Faschismus

Wir erleben das Ende der Demokratie und ein Wieder-Erwachen faschistoider Gesellschaftsstrukturen. Diese Entwicklung wird hier von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit einigen Beispielen belegt.

Wir leben in interessanten Zeiten.

Ich habe den Großteil meines Lebens auf einer historischen Insel der Glückseligkeit verbracht. Mit dem Erwachen meines Bewusstseins erwachte auch das Bewusstsein, dass der kalte Krieg bekloppt ist und wir diesen Planeten nicht gar so schnell verbrauchen sollten. Sexuelle Befreiung und eine Welle demokratischer Partizipation in zahlreichen Demos, Streiks, APOs und basisdemokratisch organisierten kleineren Projekten waren zusammen mit vorgenannten Erkenntnissen die Nachwehen der 68er Revolution vor meiner Geburt. Die Ideale von sozialer Marktwirtschaft, Achtung der Grundrechte, Freiheit der Presse und Demokratie waren völlig unantastbar.

Ich habe das Ufer dieser Insel der Glückseligkeit fühlbar verlassen und finde mich nun in einem stetig windiger werdenden Ozean.

Berichterstattung zur Überwachung

Es ist verblüffend, wie stark Medien die Wahrnehmung großer Phänomene und Ereignisse prägen. Nachdem 1989 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zusammenbrach, schwappte eine lange und hohe Welle der Empörung über die Ausforschung der Bevölkerung der DDR durch die Staats-Sicherheit (StaSi) durch Deutschland. Die viel gründlichere Überwachung durch die zeitgenössischen Geheimdienste wird dagegen fast komplett ignoriert.

Wer glaubt, “unsere” Geheimdienste seien im Gegensatz zur StaSi ja nicht böse, der hat sich offensichtlich nicht mit bekannten und allgemein akzeptierten Fakten zu Organisationen wie der CIA befasst.

Der plausibelste Grund für diesen frappierenden Mangel an Empörung über den aktuellen Geheimdienst-Skandal ist meiner Meinung nach das schleichende Ende der Pressefreiheit. Natürlich behält die Pressefreiheit ihre juristisch-akademische Bedeutung. Aber eine nicht ausgeübte Freiheit endet mit dem Ende ihrer Ausübung. Dieses Ende zeigt sich, wenn man sich tiefer mit der Berichterstattung zu einzelnen Themen befasst – wie zum Beispiel dem Ukraine Konflikt, Charlie Ebdo, islamistischem Terror allgemein, der Flüchtlings-Krise, der Subprime-/Finanz-/Staatsschulden-/Griechenland- … Banken(!)-Krise (ist alles eins).

Das schleichende Ende der Demokratie

Ein Drittel bis die Hälfte der Menschen hat das Wählen aufgegeben, weil eine Wahl heute keine bedeutsame Richtungs-Entscheidung mehr ist. Es gibt nur den Weg des Geldes, je nach Geschmack rot oder schwarz lackiert. Der Sozialstaat wurde gründlich entkernt und seine Aushöhlung schreitet zügig weiter voran. Meine nach unvorstellbaren Gräueltaten 60 Jahre lang weitgehend pazifistische Heimat heizt heute kräftig mit bei den prächtig laufenden Geschäften der internationalen Rüstungs-Industrie.

Selbst wenn man all das richtig findet, weil man glühender Anhänger des Neoliberalismus ist, selbst dann muss man besorgt sein über die zunehmende Ermächtigung totalitärer Willkür. Die unstrittig zentralste Funktion des Staates ist die Definition und Durchsetzung des Strafrechts. Auf das es uns Menschen überhaupt möglich wird, gewaltfrei zu interagieren. Dies sind nur mal zwei Beispiele staatlichen Versagens in dieser zentralsten Funktion: Beweismittel aus 1) Haarproben und 2) Drogentests sind Gegenstand völliger staatlicher Willkür.

Damit ist grob geschätzt die Hälfte aller Straf-Verfahren (und in den USA höchstwahrscheinlich noch mehr) deutlich jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter “Rechtstaatlich” vorstellt. In der Schule fing bei 50% glaube ich die Note sechs an. Aber es muss natürlich auch in dieser Anklage gegen den Staat die Maxime “in dubio pro reo” gelten, “im Zweifel für den Angeklagten”. Das Urteil lautet daher, Staat: Fünf minus, setzen.

Die Machtergreifung des Kapitals

Es läuft seit Jahren ein fortwährender Angriff der Wirtschaft auf die Demokratie in Form dubioser Handels-Abkommen. Ein aktuelles Scharmützel in diesem Krieg ist TTP. Hier findet sich eine gute Analyse nur einiger Gründe wieso die 6000 Seiten Vertragswerk in Juristen-Sprache für die Öffentlichkeit nichts Gutes verheißen. Dieses Handelsabkommen mag wie das letzte von der Öffentlichkeit verhindert werden. Doch die Angriffe hören nicht auf. Irgendwann wird ein solcher Angriff erfolgreich sein. Und dann können nationale Parlamente nichts mehr beschließen, was internationalen Konzernen nicht passt.

Tatsächlich gibt es bereits erste Erfolge der Wirtschaft in diesem Krieg vorzuweisen. So verklagen einige Energie-Konzerne die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Energiecharta Vertrages wegen des Atomausstieges. Der vorläufige Erfolg liegt in der Möglichkeit der Klage, der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.

Jedes dieser Handelsabkommen versucht neue derartige Klage-Möglichkeiten zu schaffen. TTP beispielsweise versucht eine Enteignung des so genannten intellektuellen Eigentums der Öffentlichkeit (der “public domain”) durch die Hintertür zu erschleichen (siehe im bereits oben verlinkten Artikel.

Vorrangig geht es bei diesen Handelsabkommen offenbar nicht darum, Handels-Hemmnisse zu überwinden und die Marktwirtschaft zu stärken. Ich bin Teilhaber einer kleinen Firma, die unter anderem mit bestimmten Komponenten handelt, die auch ins Ausland versandt werden. Dies ist für eine kleine Firma ein bürokratischer Alptraum – schon z.B. bei einem Versand von Deutschland in die Schweiz.

Für kleine Firmen stellt dies ein ernstes wirtschaftliches Problem dar – das relativ leicht und wahrscheinlich völlig ohne öffentlichen Protest zu beheben wäre. Doch im Mittelpunkt der Verhandlungen geht es offensichtlich um anderes. Marktwirtschaft findet im Wettbewerb kleiner Firmen statt. Die großen internationalen Konzerne sind geprägt durch Monopole und Kartelle, Lobbyismus und Marketing-Propaganda. Mit Marktwirtschaft hat das alles wenig zu tun, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe.

Es geht den internationalen Multis, die bei den Verhandlungen von Handelabkommen im Gegensatz zu kleinen Firmen mit am Tisch sitzen, nicht um Marktwirtschaft, im Gegenteil. Es geht um die Usurpation nationaler Legislativen durch die mächtigen Rechts-Abteilungen der Multis und um die Abschaffung eines Kernelements der Marktwirtschaft: des unternehmerischen Risikos. Der Marktwirtschaft – kleinen Firmen und damit auch unliebsamer Konkurrenz der Multis – bleibt dieser äußerst kostspielige Klage-Weg verschlossen. Damit ergaunert sich das große Geld einen weiteren unter vielen Wettbewerbsvorteilen. So wird Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Handstreich geschwächt. Der Erfolg dieser Strategie scheint momentan langfristig unausweichlich.

Das klingt alles weit weg für den Otto-Normal-Bürger. Doch wenn z.B. die Klage der Energie-Konzerne gegen Deutschland Erfolg hat, wird Otto-Normal-Bürger für das Privileg des Atom-Ausstieges 4,7 Milliarden Euro bezahlen. Gesetzes-Änderungen sind ohne Zusatzkosten nur noch zu Gunsten der Wirtschaft möglich nie mehr in zu ihrem Nachteil.

Lohnentwicklung und Wohlstands-Schere

Noch drastischer ist die Auswirkung der Wirtschafts-Politik auf das Lohngefüge, und das spüren bereits sehr viele Menschen. Es ist der Wirtschaft gelungen, die Löhne in den alten sozialen Marktwirtschaften in direkte Konkurrenz zu den Löhnen in aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien, Südamerika und Südafrika zu bringen.

Dies ist eigentlich eine positive Entwicklung. So bekommen diese sich entwickelnden Wirtschaftsräume auch endlich eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Und es schadet Deutschland oder anderen alten Nationen mit starker Wirtschaft als Ganzes betrachtet auch nicht. Doch im Zuge dieser Entwicklung ist es gelungen, den dadurch erlangten wirtschaftlichen Gewinn in den Händen weniger zu belassen und die immer breiter werdende wirtschaftliche Unterschicht auszubluten.

Teile und Herrsche

Getreu der alten Maxime “teile und herrsche” werden so – wenn auch vielleicht nicht zentral koordiniert oder auch nur bewusst – verschiedene Fraktionen dieser Unterschicht gegeneinander ausgespielt. Dies findet in regelrechten Medien-Kampagnen (die Nachdenkseiten berichten regelmäßig dazu) gegen so genannte Hartz 4 Schmarotzer, Migranten, Flüchtlinge und besonders gern die Unterschicht anderer Länder (insbesondere in Südeuropa) statt.

Derweil lebt die stetig schwindende Mittelschicht in Angst vor dem sozialen Abstieg unter dem Dauerfeuer medialer Propaganda, die immer wieder neue Kaninchen aus dem Hut zaubert, die angeblich die Schuld an der Misere tragen. Neben den vorgenannten Unterschichtlern auch “feindliche” Konzerne wie Google und Uber, Russen, Moslems … alle außer denen, die fortwährend den Reichtum anhäufen, den die anderen Schichten vermissen.

Die politischen Entscheider und Wirtschaftsführer finden sich unterdessen in eitler Interesseneinheit, dem Interesse an einem ordentlichen Happen von diesem Reichtum. Während Wirtschaftsführer direkt mit Millionen für ihre moralischen Verfehlungen entschädigt werden ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass hochrangige Politiker nach ihrer politischen Karriere mit hoch dotierten Pöstchen für ihre Gefälligkeiten bedacht werden. Dies und die enorme Macht des Lobbyismus sorgen dafür, dass die Politik der Wirtschaft immer weniger in die Quere kommt.

Die ultimative Propaganda-Maschine

Was für die Politik die Lobby ist für das Demos, das Staatsvolk, die Werbung. Deutsche sind heute jeden Tag durchschnittlich 10 Stunden dem Dauerbombardement mit wirtschaftlicher Propaganda in Form von Werbung ausgesetzt, davon allein 4 Stunden Fernsehen in der Freizeit und noch mal so lange Radio am Arbeitsplatz. Deutsche Gesetze schreiben z.B. bei Fernsehen (noch!) vor, dass vier Fünftel des Programms dem Zweck dienen müssen, die Aufmerksamkeit des Publikums für die Propaganda abzugreifen, während “nur” ein Fünftel der Zeit für die eigentliche Propaganda verwendet darf. Macht zwei volle Stunden reine Propaganda-Berieselung für jeden Bürger vom Kleinkind bis zum Greis, jeden Tag, 24/7.

Doch es ist allgemein bekannt, dass auch die anderen vier Fünftel des Programms zumindest teilweise den Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, gilt es doch ein attraktives Werbeumfeld zu schaffen, und eine attraktive Werbe-Zielgruppe anzuziehen.

Die allgegenwärtige und hoch wirksame Wirtschafts-Propaganda, vulgo “Werbung”, ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich dem einen eigenen Artikel gewidmet habe. Im Zusammenhang mit dem Wieder-Aufstieg des Faschismus bleibt fest zu halten, dass wir täglich rund zwei Stunden mit der Aufnahme lupenreiner pro-Wirtschaftlicher Propaganda beschäftigt sind und den größeren Teil unseres wachen Lebens entweder mit der Vorbereitung auf diese Propaganda oder ihrer Aufnahme beschäftigt sind. Historische faschistische Regime haben von einer solch umfassenden und allgegenwärtigen, bereitwillig aufgenommen Propaganda wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Der rote Faden

Es zieht sich ein roter Faden durch all diese Entwicklungen: Es ist die Machtergreifung des großen Geldes. Und es ist dies in dieser Ausprägung ein historisches Novum. Es gab z.B. auch im 19ten Jahrhundert mächtige Kapital-Konzentrationen wie zum Beispiel das Rothschild-Imperium, welches zu einem guten Teil auf der Finanzierung von Kriegen fußt, oder Standard Oil, Rockefellers Öl-Monopolist.

Doch anders als damals reicht diese Macht heute bis in den letzten Winkel der Gesellschaft. Und obwohl es sicher mächtige Graue Eminenzen gibt und sinistre Verschwörungen unterscheidet sich die Situation gerade hierin von der der vergangen Jahrhunderte: Die Macht wird heute gerade nicht von einem Rockefeller oder einem kleinen Zirkel von Verschwörern ausgeübt sondern von einem Netzwerk, einem System des Geldes.

Das Netz des Geldes

Geknüpft ist dieses Netzwerk aus Geld. Die Handelnden sind keine natürlichen sondern juristische Personen, Firmen, die über gegenseitige Beteiligungen verknüpft sind. Individuen – Politiker, Journalisten, Wirtschafts- und Meinungsführer und alle anderen – sind über ihren Wohlstand und ihr gesellschaftliches Ansehen an dieses Netzwerk gefesselt. Wer sich dagegen zu stellen versucht wird schnell als weltfremd und/oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt und sozial abgewertet.

Dahinter steckt vermutlich kein großer Plan. Wir haben über Jahrtausende ein extrem komplexes Gesellschaftssystem geschaffen, das aus Millionen von Regeln besteht. In Regel-Systemen gibt es Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Manche dieser Rückkopplungen bestehen in sich selbst verstärkenden Effekten. So etwas kennt der Volksmund als “Teufelskreis” oder speziell in Bezug zum Kapital als “Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”. Doch das ist bei weitem nicht die einzige sich selbst verstärkende Rückkopplung in unserem Gesellschaftssystem.

Ein resilientes Gesellschaftssystem

Man muss sich mit dem Prinzip der Rückkopplung auseinander setzen, wenn man die Usurpation durch das Kapital überwinden will. Denn es ist nicht damit getan, ein paar Konzerne zu zerschlagen und ein paar Regierungen auszutauschen. Es ist sicher auch nicht damit getan, das gegenwärtige Oligopol in ein staatliches Monopol zu verwandeln, wie es die Sozialisten fordern.

Wir müssen Regelsysteme finden, die stabiler sind als unser gegenwärtiges. Wir dürfen die Macht nicht sozialistisch konzentrieren, wir müssen meiner Ansicht nach versuchen, was noch nie gelungen ist. Wir müssen die Macht stabil dispergieren. Dazu reicht es nicht, das Regierungssystem zu reformieren. Die Machtergreifung des Kapitals betrifft alle Aspekte der Gesellschaft und die Antwort der Gesellschaft muss ebenso alle Aspekte betreffen.

Da wir mittlerweile eine Informationsgesellschaft sind, kommt dem gesellschaftlichen Umgang mit Information eine besondere Bedeutung zu. Doch diese Problematik ist bei weitem zu komplex, um sie in einem Artikel abzuhandeln. Es ist das Grund-Thema dieses ganzen Blogs (bzw. seiner Artikel aus der Kategorie Utopilotik).

Schluss

Geld regiert die Welt immer absolutistischer. Unsere Gesellschaft schleicht langsam, Schritt für Schritt in eine zunehmend militaristisch, faschistische Zukunft. Wir sind glücklicher Weise noch weit weg von den Schrecken der 30er Jahre. Aber wir sind auch weit weg von den langweiligen 70er und 80er Jahren.

Anhang

Anbei noch einige Fragmente, die ich über einige Zeit zu dem Thema gesammelt habe. Es sind kleine Hinweise, dass vielleicht etwas an der oben von mir ausgebreiteten These dran ist. Man beachte, dass hier ausschließlich Nachrichten aus westlichen Demokratien verwendet werden, die man eigentlich für gefestigt halten sollte. Aus Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei und anderen gibt es noch ganz anderes zu berichten.

Der Begriff „Faschismus“

Zunächst eine Begriffsklärung. Ich verwende den historischen Begriff “Faschismus” hier eher unorthodox. Was wir heute erleben ist etwas historisch völlig Neues, der Begriff passt nicht wirklich. Doch in Ermangelung gängiger Vokabeln für die aktuellen Anti-Demokratischen Tendenzen und den absolutistischen Anspruch des großen Geldes habe ich mich entschlossen, bei dem Begriff zu bleiben. Beim Studium von Wikipedias Definition des Begriffs fallen mir schon eine ganze Reihe Parallelen auf.

Meldungen zum Thema

Cameron Zitat:
For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. This government will conclusively turn the page on this failed approach
“For too long, we have been a passively tolerant society, saying to our citizens: as long as you obey the law, we will leave you alone. It’s often meant we have stood neutral between different values. And that’s helped foster a narrative of extremism and grievance.
“This government will conclusively turn the page on this failed approach. As the party of one nation, we will govern as one nation and bring our country together. That means actively promoting certain values.
“Freedom of speech. Freedom of worship. Democracy. The rule of law. Equal rights regardless of race, gender or sexuality.
“We must say to our citizens: this is what defines us as a society.”
Der erste Absatz ist ein Zusammenschnitt aus einer Rede von Cameron. Ich habe darunter noch etwas Kontext hinzugefügt aus verfehlter journalistischer Ethik. Ich halte das für bloße Rhetorik. Der relevante Kern der Aussage steckt im Zusammenschnitt. Es genügt nicht mehr, sich ans Gesetz zu halten um nicht Opfer staatlicher Willkür zu werden. Das ist gar keine schlechte Definition für Faschismus. Vom Regierungs-Chef. Für alle künftigen Krisen-Gewinnler wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, den Briten zu ihrer hervorragenden Wahl zu gratulieren 🙂

Zitat Senator und US-Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham:
„If I’m president of the United States and you’re thinking about joining al-Qaida or ISIL — anybody thinking about that?“ he asked to laughs. „I’m not gonna call a judge. I’m gonna call a drone and we’re gonna kill you.“
Wenn Du auch nur darüber nachdenkst, Dich einer “Terror-Organisation” anzuschließen, werde ich keinen Richter rufen sondern eine Drohne und Dich ermorden. Was in meiner Jugend ein Aussage von beängstigender Menschenverachtung gewesen wäre, beschreibt heute sachlich den Stand der Dinge unter Busch und Obama.

Kanada Terror-Gesetze (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Interessant auch, dass der deutsche Qualitätsjournalismus zwar im Vorfeld immerhin leise über das Gesetz berichtet hat, den endgültigen Abschied vom Rechtsstaat im Mai dann aber weitestgehend ignoriert hat.

Australien, Journalisten droht 10 Jahre Knast, wenn sie über Geheimdienst-Aktivitäten berichten.

Eine sehr interessante Analyse darüber, wie moderne Propaganda funktioniert.

Demonstrationsverbot in Spanien, Organisatoren von Demos müssen mit Existenz-Zerstörenden Bußgeldern rechnen (passierte Unterhaus, Oberhaus gilt als sicher). Siehe auch.

Frankreich Total-Überwachung (vorher schon noch schlimmer als in Deutschland, jetzt noch einmal massive Verschärfung).

Guantanamo hat man von gehört. Andere CIA Folterknäste gibt es in anderen Ländern. Aber selbst mitten in den USA in der Jurisdiktion derselben gibt es einen Knast, der so übel ist, dass Irland einen “Terrorismus-Verdächtigen” lieber nicht an die USA ausliefern wollte.

Kleine obskure Winkelzüge mit gigantischen Effekten in Gesetzen: Ende der 90er Jahre wurde in den USA das Ermächtigungs-Gesetz der Finanz-Industrie gebaut.

Eine empirische Studie aus Princeton belegt in verstörender Klarheit, dass das politische System der USA keine Demokratie (mehr?) ist. Bei uns dürfte es ähnlich aussehen.

Die Verstrickungen der Briten in die Folter-Parties der Amis wurde auf Bitten der Briten aus dem entsprechenden Report entfernt. Begründet wird diese undemokratische Intransparenz, erwirkt auf undemokratischem Weg, mit den gleichen Argumenten wie die Folter Selbst: Innere Sicherheit.

In den USA werden Regelmäßig wichtige Gesetz verabschiedet, von denen die abstimmenden Abgeordneten nichts wissen. Z.B. wurde eine beängstigende Abhörklausel mal eben weitgehend unbemerkt mit dem Budget verabschiedet. Selbst die ohnehin teils alberne Demokratie-Simulation, die regelmäßig vor den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt, wird ist bei näherem Hinsehen löchrig wie ein Schweizer Käse.

“the real dimensions of the US military-intelligence-police-prison complex begin to come into view: a staggering $830 billion, more than 80 cents out of every dollar in the funding bill, is devoted to killing, spying on, imprisoning or otherwise oppressing the people of the world, including the American people.” (Quelle) An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass US-Gefängnisse mittlerweile vielfach kommerziell betrieben werden und ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Menschen einzusperren.

Wer den (fernauslesbaren) Chip auf seinem e-Perso zerstört, muss mit strafrechtlicher Verfolgung und Haft- oder Geldstrafe rechnen.

An east London schoolgirl who was „radicalised“ by Islamic State propaganda provided by her „deceitful parents“ must be removed from her home for her own safety, a judge has said. (Quelle) Das ist eine schwierige Problematik, die mindestens einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion bedürfte. Dem politischen Gegner wegen Gesinnungsverbrechen mal eben die Kinder weg zu nehmen, sollte nicht so einfach möglich sein.

Via Fefe: “Portugals Präsident weigert sich anscheinend gerade, der linken Anti-Austerity-Koalition die Regierungsbildung zu erlauben”

Kommentar Zitat: “This article furnishes additional evidence that democratic regimes tend to fight tyranny by adopting some of its methods.” Die erste Hälfte des Artikels listet diverse Entwicklungen in Europa, die in diese (falsche) Richtung gehen.

Screen Time

Wie kann Erziehung in die Medien-Nutzung von Kindern eingreifen und wie kann dabei eine Balance zwischen intrusiver Überwachung und Kontrolle und elterliche Fürsorge gefunden werden?

Update: Die Nutzungsbedingungen der App haben sich geändert. Eine sinnvolle Nutzung kostet nun bei realistischer Nutzungsdauer 240€. Damit kann ich die App nicht mehr empfehlen.

Liebe Eltern,

Ich verwende seit einiger Zeit eine App namens Screen Time. Doch ich möchte keine Werbung für ein konkretes Produkt machen. Sollte ich Sie also überzeugen, suchen Sie ruhig nach „Screen Time“, aber dann schauen Sie dort nach „ähnliche Apps“ oder suchen Sie gleich nach „parental control“ und suchen sich genau die App, die Ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Das muss nicht Screen Time sein. Es gibt zum Beispiel viele Apps, mit denen Sie den aktuellen Standort ihrer Kinder verfolgen können. Ich möchte das nicht und Screen Time kann das nicht. Wenn Sie aber meinen, ihrer Aufsichtspflicht so besser gerecht zu werden und die gefühlte Sicherheit schätzen, die dieses Standort-Feature vermittelt, dann wählen Sie eine andere, ähnliche App. Aber bitte wählen Sie eine solche App!

Erziehung in Zeiten des Netzes

Denn das Leben ihrer Kinder spielt sich ab einem bestimmten Alter zu einem wichtigen Teil im Netz ab und das Smartphone Ihres Kindes ist der Schlüssel zu dieser Welt. Und wir Eltern müssen unsere Kinder auch noch erziehen und beaufsichtigen, wenn sie 12 Jahre und älter sind.

Es ist dabei schwierig, die richtige Balance zwischen intrusiver Überwachung und elterlicher Fürsorge zu finden.

Aber das Netz ist nun mal ein rauer Ort, an dem wir unsere Kinder nicht ganz allein lassen dürfen. Und so unbestreitbar sinnvoll es ist, dass unsere Kinder lernen, in dieser Welt des Netzes zu leben, so wichtig ist es, dass sie sich darin nicht verlieren.

Erzieherischer Eingriff in die Medien-Nutzung: Screen Time

Screen Time bietet dabei für mich das richtige Maß. Die App wird auf dem SmartPhone des Kindes installiert. Sie limitiert die Gesamtzeit über die täglich ausgewählte Apps verwendet werden dürfen. Welche Apps das sind, bestimmen Sie. Zu Uhrzeiten, die Sie festlegen („Schulzeit“, „Bett-Zeit“), können von Ihnen ausgewählte App gar nicht mehr benutzt werden, und zu einer ebenfalls von Ihnen festgelegten Zeit („Licht aus“), geht dann auf dem Telefon gar nichts mehr.

Außerdem werden Sie per Mail benachrichtigt, welche neuen Apps auf dem Handy Ihres Kindes installiert werden und Sie erhalten täglich eine Mail in der aufgelistet wird, wie viel Zeit Ihr Kind am Vortag mit welcher App verbracht hat. Sie sehen also, wenn z.B. die WhatsApp Nutzung überhand nimmt und können das thematisieren.

All das kostet nichts. Es entbindet Sie auch nicht davon, mit Ihrem Kind darüber zu sprechen, was es mit WhatsApp, Instagram usw. tut. Aber es hilft Ihnen, zu wissen, was Sie ansprechen sollten, ohne dass es eine meiner Meinung nach übermäßige Überwachung von jungen Teenagern bedeutet.

Gegen ein für eine App ziemlich saftiges Entgelt von 3,40€ pro Monat gibt es noch einige Features, die ich nicht getestet habe, die aber grundsätzlich sinnvoll klingen. Man installiert dazu die Eltern-App auf dem Eltern SmartPhone oder den Eltern SmartPhones (für 3,40 gibts bis zu sechs Kinder-Apps und zwei Eltern-Apps) und kann dann bei Bedarf das oder die Kinder-SmartPhones abschließen. Zum Beispiel wenn man zum Essen ruft.

Oder man kann Erweiterungen des Zeit-Budgets anbieten, wenn die Kinder dafür bestimmte Aufgaben erfüllen. Ich habe es wie gesagt nicht getestet, aber ich kann mir das ganz entspannt vorstellen. Man stellt das Zeitbudget relativ knapp ein und richtet Verlängerungen für die üblichen Aufgaben ein – Hausaufgaben, Spülmaschine ausräumen, Instrument üben, Zimmer aufräumen usw. Es wird viele Kinder geben, mit denen das Zusammenleben unter einem solchen Regime angenehmer wäre. Und die Alternative – z.B. Schimpfen – ist der Entwicklung von Kindern vielleicht noch weniger zuträglich als ein solches auch nicht über alle Zweifel erhabenes Verfahren.

Für und Wider

Viele Eltern lehnen diese Form der Überwachung, Kontrolle und Verhaltens-Lenkung ab. Ich kann das nachvollziehen, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass in der Abwägung dieser Technologie die Argumente für ihren Einsatz deutlich überwiegen.

Da ist zunächst der raue Ort, der das Netz ist. Sie würden Ihre Kinder nicht den ganzen Tag allein am Bahnhof spielen lassen. Aber sie allein den Trollen vorzuwerfen, sie allein dem subversiven 4chan Humor auszusetzen, sie allein in die größte Porno Videothek der Welt zu schicken, kann es auch nicht sein. Die Einblicke, die Apps wie Screentime in das Nutzungsverhalten unserer Kinder geben, können helfen, die notwendigen Gespräche zum Thema in die richtige Richtung zu lenken.

Für noch wichtiger halte ich folgendes Argument. Die Währung moderner Medien ist Aufmerksamkeit. Es gibt das Geschäftsmodell, Aufmerksamkeit zu erregen um dann gezielt Aufmerksamkeitsfresser zu verkaufen – wie im Zirkus oder Kino. Für unsere Kinder relevanter ist aber das Geschäftsmodell, das sie selbst zur Ware macht. Aufmerksamkeit wird erregt um sie dann auf Werbung zu lenken. Unsere Kinder werden ausspioniert, um möglichst “passende” Werbung präsentieren zu können. Unsere Kinder sind bei diesem Geschäftsmodell das vermarktete Produkt.

Erziehung zu effizienter und selbstkritischer Medien-Nutzung

Die Technik der Aufmerksamkeits-Erregung und -Fesselung wurde über Jahrhunderte immer verbessert und hat es heute zu gruseliger Perfektion gebracht. Viele Erwachsene sind dieser Technik nicht gewachsen, geschweige denn Kinder. Eine App, die die Nutzungszeit begrenzt, kann zu einem bewussteren Umgang mit Medien erziehen. Meine Kinder sollen lernen, sich gezielt das aus dem Netz zu holen, was für sie am wichtigsten ist, nicht sich fortwährend in einer Maschine vermarkten lassen, die größer und stärker ist, als wir alle.

Von Emissionen und Immissionen

Neulich bei Google+: “Okay, zugegeben. Es sterben Tausende, Hunderttausende … es werden Millionen werden, wenn der Klimawandel sich erst mal richtig auswirkt. […] Alle können nicht gerettet werden!”

Ich hatte mal wieder das Thema aufgebracht, dass wir Deutschen im und ums Mittelmeer hunderttausende sterben lassen. “Hunderttausende” ist die richtige Größenordnung, wie viele es wirklich sind, weiß niemand. Und in der Tat, “es werden Millionen werden, wenn der Klimawandel sich erst mal richtig auswirkt“. Wenn z.B. Bangladesch endgültig überflutet wird, und das wird es, werden 160 Millionen Menschen auf der Flucht sein. Da wird die eine oder andere Millionen Tote nicht zu verhindern sein. Wenn man sie nicht wirklich verhindern will. Und das will ja nun wirklich niemand.

Kann man nicht alle retten, oder will man es nicht?

Nur darum gilt: “Alle können nicht gerettet werden!”, weil niemand ernsthaft daran interessiert ist, alle zu retten. Die Nahrung, die momentan auf der Erde verbraucht wird reicht z.B. gerade locker für zwei Erdbevölkerungen – “nur” eine Frage der Verteilung, der effizienten Nutzung (also nicht die Hälfte weg schmeißen) und des Fleischkonsums. Und natürlich ist es auch eine Frage davon, wieviel Nahrungsmittel wir lieber in unseren Autos verbrennen, statt sie an Neger zu verfüttern. Aber der politische Wille, irgend wen zu retten, der nicht gerade den gleichen Pass hat, geht gegen Null.

Das zeigt gerade die Umstellung des italienischen Programms “Mare Nostrum”. Mit diesem Programm wurden innerhalb eines Jahres rund 100.000 Flüchtlinge sicher nach Italien eskortiert nachdem im Herbst 2013 mal ein paar Flüchtlinge mehr als üblich vor Lampedusa verreckt sind. Wie viele dieser 100.000 ohne “Mare Nostrum” ertrunken wären weiß man nicht, aber es wären sicher mehr als drei. Um einen einstelligen Millionen-Betrag zu sparen wird jetzt vom italienischen “Mare Nostrum” aufs europäische “Triton” umgestellt, das dann nur noch diejenigen retten soll, die in Sichtweite der europäischen Küsten ertrinken – wahrscheinlich auch nur damit Journalisten weniger hässliche Bilder in unsere heile Welt übertragen.

Damit macht sich das Deutsche Volk der gleichen Verbrechen schuldig wie zur Nazi-Zeit. Zur Erinnerung: Das Verbrechen des Deutschen Volkes war es nicht, die Juden zu vergasen – das waren tatsächlich relativ wenige Deutsche – das Verbrechen meines Volkes war es, es geschehen zu lassen. Natürlich hat das Verbrechen der Nazis eine völlig andere Dimension und ist nicht mit dem aktuell statt findenden globalen Pauperozid zu vergleichen. Aber das Volk tut genau das selbe wie vor 70 Jahren: nichts. Millionen sterben und unsere Gleichgültigkeit ist sogar noch größer als damals.

Neuer Grad der Grausamkeit

Und damit das so bleibt, läuft die Propaganda-Maschine auf Hochtouren. Hier berichtet unsere öffentlich rechtliche Tagesschau unter dem Titel “Neuer Grad der Grausamkeit” darüber, wie die Methoden der Schleuser sich weiter entwickeln. Die erhöhen jetzt die Überlebens- und In-Europa-Ankunfts-Wahrscheinlichkeit ihrer Kunden, indem sie größere Schiffe als früher nehmen und die via Auto-Pilot nach Europa steuern.

So große Schiffe können selbst vom auf den meisten Augen blinden “Triton” kaum übersehen werden, da sie meilenweit auf jedem Radar zu sehen sind. Gleichzeitig sorgt so ein großer Frachter voller Flüchtlinge beim Sinken für dermaßen schlechte Presse, dass nicht mal unser Grenzschutz die alle verrecken lassen kann, so gern er auch wollte. In der Tat, uns so zynisch den Spiegel vor zu halten zeugt schon von einer gewissen, wenn auch wohl verdienten, Grausamkeit.

Wir verhindern, dass sie sich selbst helfen.

Ich muss diese ganze Flüchtlings-Problematik noch einmal in das Licht rücken, in dem ich sie sehe. Unsere Wirtschaft ist so stark, dass fast niemand auf der Welt da mithalten kann. Und was machen wir mit den ärmsten der Armen? Wir hindern sie mit unseren ökonomischen Massenvernichtungswaffen (billigste Hähnchenschenkel, Altkleider usw.) am Aufbau einer eigenen Wirtschaft, wir exportieren fleißig unseren Müll zu ihnen und pressen ihnen über internationale Verträge und Schuldenfallen ihre Ressourcen ab – wobei wir uns natürlich nicht die Hände schmutzig machen. Das nigerianische Uran für Frankreichs Stromversorgung lassen wir schön von Niggerianern ausbuddeln. Das gilt natürlich ebenso für andere Ressourcen. Da werden die Nigger auch vergiftet und verbraucht, spielt nur nicht so schön mit der German Angst.

Es heißt immer, die seien selber Schuld, die müssen mal ihre Korruption in den Griff kriegen. Nun ja, die korrupten bürokratischen Drittwelt-Regime haben wir kolonial-Mächte installiert und Korruption hat zwei Seiten. Siemens ist zum Beispiel international ganz weit vorn beim Ausgeben von Korruptions-Mitteln. Und wenn irgendwo ein besonders übler Faschist an der Macht sitzt, wurde er meist vom CIA gesponsert.

Und dann fliehen die verstrahlten, vergifteten Neger aus ihren chancenlosen Wirtschaftsräumen und folgen dem Ruf unserer Werbung ins gelobte Land wo Burger und Cola fließen. Wir tun alles, damit sie hier nicht reinkommen. Und wer ist Schuld? Klar, die Schleuser, wer sonst?

CO², Zyklon B

Es geht mir nicht um die Größe der Schuld der Täter sondern um die Größe der Schuld des Volkes. Die Millionen sind genau so tot. Den Toten ist es mutmaßlich egal, ob sie letztlich aufgrund von CO²-Emissionen starben, weil wir uns ein schöneres Leben machen und sie nicht als Nachbarn haben wollten oder aufgrund von Zyklon-B-Imissionen, weil unsere Großeltern sie nicht als Nachbarn haben wollten. Im letztgenannten Fall ist die Schuld offensichtlicher. Das Verhalten des Volkes ist fast das gleiche.

Sie ist nur fast die gleiche, weil vor 70 Jahren der Widerstand natürlich viel gefährlicher war. Heute müssten nur mal ein paar Millionen demonstrieren gehen und die Sache wäre geritzt. Und die Ausrede, dass wir von nichts wüssten, lässt sich auch deutlich schwerer halten als vor 70 Jahren.

Demos haben wir ja nun auch, allerdings etwas anders als erhofft. Pegida demonstriert nach 14 Jahren allabendlicher anti-Islam-Propaganda dafür, dass die Kanacken doch bitte zu hause verrecken sollen. Ich bin sicher nicht stolz, ein Deutscher zu sein.

Anti Amok Utopie

Wie müsste eine Gesellschaft aussehen, in der jeder schnell und risikolos an eine Kriegswaffe gelangen kann?

Es ist jetzt bestimmt zehn Jahre her, eher mehr. Doch die Erinnerung ist lebhaft. Denn es war das Highlight der Exkursion. Im Fraunhofer-Institut stand das Ding. Es war nicht der Grund, aus dem wir da waren. Wir wollten irgendeinen Laufroboter besichtigen. Doch dieser Plexiglaskasten war sehr viel eindrucksvoller. Primitiv zwar, doch unverkennbar standen wir vor dem Urahn des Star Trek Replikators. Ein früher 3D-Drucker im Fraunhofer-Institut.

Bei unserem Staubsauger ist diese Halterung rausgebrochen, wo man das Saugrohr im Lagerzustand reinhängt. Ich habe das Teil mit Blender modelliert. Ein Kollege hat jetzt einen 3D-Drucker und hat mir das Teil gedruckt. Der erste Versuch scheiterte an meiner Klebetechnik – habs zu heiß gemacht. Der zweite war ganz gut, aber ich hätte vorm Kleben schmirgeln müssen, hat nicht lange gehalten. Beim dritten experimentierte mein Kollege mit dem Material – zu schwach. Aber wir kriegen das in den Griff, kein Zweifel. Die Technik steckt für den Heimbedarf noch nicht mal in den Kinderschuhen sondern in so einem Säuglings-Strampler mit Söckchen dran. Doch das Potential ist unverkennbar.

Gewehr Gedruckt

Cody ist ein Ami. Und selbst für einen Ami sind seine Vorstellungen von Freiheit „interessant“ – wenn auch leider keineswegs einzigartig. Er findet, jeder sollte das Recht haben, mit Kriegswaffen rumzulaufen. Obama findet das nicht. Oder Obama sieht nach dem Newtown Massaker eine Chance mit dem Thema Wählerstimmen abzugreifen. Was auch immer. Aber nicht mit Cody. Cody arbeitet daran, mit einem 3D-Drucker ein Teil herzustellen, mit dem man aus einer Halbautomatik-Waffe eine Maschinengewehr machen kann. Und er druckt größere Magazine. Denn natürlich sollte jeder das Recht haben, mit fünfzig-Schuss Magazinen in seiner Kriegswaffe rumzulaufen – egal was Obama meinen lässt. Cody ist erfolgreich. 600 Schuss ohne Ausfall.

Ich war lange in keinem Fraunhofer-Institut mehr. Aber die Drucker haben die Forschungsanstalten eh lange verlassen. Sie krempeln gerade die Industrieproduktion um. Lasersintern. Selektives Laserschmelzen. Damit lässt sich Metall und Keramik drucken. Ich versteh nichts von Metallurgie. Aber die Technik – Laser, Argon-Athmosphäre, diverse Stähle als Werkstoffe – klingt für mich, als könnte man damit grundsätzlich auch Waffenstahl drucken. Man kann Härten und Anlassen, den Kohlenstoffanteil und die Legierung wählen. Durch die ultradünnen Schichten hat man unvergleichliche Kontrolle über die Materialeigenschaften. Im Zweifelsfall müssen die Läufe deutlich dicker sein als bei High-Tech-Waffen. Das macht sie schwerer aber nicht weniger tödlich.

Amok auf Abruf

Wann kommt diese Technik in unseren Haushalten an? Meine Tochter erklärt meiner Frau ihr Handy. Erklärt meine Enkelin meiner Tochter dereinst ihren Lasersinter? Druckt mein Enkel eine Kalaschnikow, wenn er das Mobbing nicht mehr aushält?

Heute bereiten sich Amokläufer lange auf ihre Tat vor. Das schwierigste und langwirigste ist die Waffenbeschaffung. Das ist viel Zeit für Zweifel. Wie muss eine Gesellschaft aussehen, in der jeder, sofort, ohne Risiko, ohne großen Aufwand, ohne Probleme oder Kosten, eine Kriegswaffe drucken kann?

Um das gleich mal aus der Welt zu schaffen: Es gibt da nicht die eine Lösung, auch keine simplen Lösungen, es ist nicht ganz einfach und es wird ganz bestimmt nicht alles gut.

Verbrechen Deorganisieren

Der wichtigste Aspekt im Umgang einer Gesellschaft mit der Verfügbarkeit schwerer Waffen ist das organisierte Verbrechen. Darauf will ich jetzt aber gar nicht groß eingehen. Die USA demonstriert überzeugend, dass man dem mit Null-Toleranz und Sicherheitspolitischer Aufrüstung nicht Herr wird. Man kann dem organisierten Verbrechen aber beikommen, indem man ihm die Grundlage entzieht. Ich habe das für Drogen-Handel mal hier dargelegt und für Menschen-Handel hier. Für Drogen beweist Portugal übrigens seit einem Jahrzehnt, dass das keinesfalls ein Hirngespinst ist.

Der Waffenhandel erledigt sich ja vermutlich von selbst. Schrecklich, aber nun geht es ja gerade darum, wie man damit umgehen kann. Andere Betätigungsfelder des organisierten Verbrechens lassen sich durch allgemeine wirtschaftliche Transparenz bekämpfen, wie ich sie z.B. hier und hier analysiere.

Gemeinschaft gegen Amok

So. Zum Thema. Amok. Das Problem verschärft sich vor allem dadurch, dass Waffen leicht und schnell zugänglich sind. Es ist davon auszugehen, dass die heute „erfolgreichen“ Amokläufer nur ein winziger Bruchteil derer sind, die grundsätzlich in Frage kämen. Nur die, die ihr Vorhaben über Monate konsequent verfolgen, laufen heute Amok. Wenn ein gemobbter Schüler am nächsten Tag mit einer Uzi in der Tür des Klassenraumes stehen kann, dürfte das ein Problem werden. Gleiches gilt für die Gemobbten, Geschassten, Aufgegebenen, Ausgeschlossenen in Schulen, Fabriken, Büros, Arbeitsämtern, Altenheimen und so weiter.

Das Amok-Potential unserer Gesellschaft ist erschütternd, weil wir es uns leisten, so, so viele aus unserer ohnenhin atomisierten Gemeinschaft auszuschließen. „Gemeinschaft“ ist das Schlüsselwort. Wenn jeder beim nächsten Treffen mit einer automatischen Waffe auftauchen kann, gibt es zwei Möglichkeiten, dem zu begegnen: Wir rüsten alle auf. Oder wir vertrauen einander.

Vertrauen setzt aber Vertrautheit voraus, Gemeinschaft. Wenn wir nicht zu einer Gesellschaft von Waffennarren werden wollen, müssen wir wieder eine Gemeinschaft werden. Wir müssten zum Beispiel die Getthoisierung von all jenen aufgeben, die ihr Leben (noch) nicht auf dem Altar des Konsums opfern, wie ich hier erörtere. Wir müssten allen eine Chance geben, mit uns zusammen etwas zu unserer Gesellschaft beizutragen. Dazu müssen wir uns Regeln geben, die Arbeit verteilt und mehr nach persönlichem Einsatz entlohnt als nach persönlicher Chancenlosigkeit.

Wir müssten aufeinander achten und dazu müssten wir ein Stück von unserer eingebildeten Privatsphäre abgeben. Wir müssten mehr Zeit miteinander verbringen als damit, uns zu besseren Konsumenten erziehen zu lassen. Und wir müssten füreinander Verantwortung übernehmen. Diesen letzten Artikel habe ich noch nicht geschrieben. Wird nachgeliefert.

Ich sollte wissen, was Twitter weiß

Wir haben Angst vor Twitter, Google, Facebook. Wieso kann es nicht umgekehrt sein?

Dies ist eine Entgegnung auf Martin Weigerts Artikel “Ich weiß, was du diesen Sommer twittern wirst”. Dort geht es darum, dass Daten – insbesondere Big Data – Menschen vorhersehbar machen und wie das missbraucht werden könnte – ein lesenswerter Artikel. Leider fügt er sich nahtlos in die große Menge derartiger Artikel ein, wenn er auch qualitativ eher positiv hervorsticht und das Thema immerhin differenziert betrachtet.

Das größte Missbrauchs-Potential sieht Martin Weigert in gezielter Meinungsmache zu konkreten politischen Projekten. Ja, in der Tat, Spin-Doktoren, Profi-Lobbyisten, Kampagnen-Journalisten – sie alle sind fleißig dabei die Reste unserer erodierten Demokratie zu zerstören und mit mächtigeren Werkzeugen wird das schneller gehen. Doch so weit muss man meiner Meinung nach gar nicht denken.

Wissen ist Geld ist Macht

Google, Facebook und andere können das Verhalten von Menschen beeinflussen. Diese Fähigkeit ist die Grundlage ihrer Geschäftsmodelle. Die Möglichkeit, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen nennt man auch schnöde “Macht”. Informations-Konzerne haben sich zu gigantischen in keiner Weise legitimierten Machtzentren gewandelt.

Nutzen sie diese Macht zur Förderung des Gemeinwohls? Eher nicht. Wie alle großen Konzerne diversifizieren sie ihre Macht. Sie versuchen mehr Einfluss in der Informationswirtschaft zu erlangen, sie verdienen sehr viel Geld (= Macht) und beginnen auch politisch Einfluss zu nehmen indem sie ihre Lobby-Ausgaben erhöhen und eigene Kampagnen fahren.

Werbung für den Untergang

Dabei ist ihr Kerngeschäft die Werbung, die Förderung eines konsumeristischen Weltbildes und Lebensstils, der auf der Ausbeutung der Arbeit und Ressourcen wirtschaftlich unterlegener Kulturen basiert und unseren Planeten in atemberaubenden Tempo zerstört. Ich kann da nicht Gutes aber sehr viel Schlechtes dran erkennen.

Dennoch scheint die Einsicht recht abwegig zu sein, dass gigantische, unkrontrollierte Machtkonzentrationen an sich etwas Schlechtes sind. Warum? Warum akzeptieren wir das einfach? Weil es unvermeidlich scheint?

Machtdiffusion

Ich glaube, die offensichtliche Neigung unseres Wirtschaftssystems zu solchen Machtkonzentrationen ist ein Systemfehler – einer der sich durch eine Reihe von Eingriffen überwinden ließe, ohne dafür dieses System komplett aufgeben zu müssen. Ein wichtiger Faktor für die Neigung unseres Systems zur Machtkonzentration ist unsere Informationsgesetzgebung.

Geschichtsstunde

Es ist mittlerweile offensichtlich, dass die von uns gewährte Möglichkeit, anderen die Nutzung bestimmter Informationen zu verbieten, unmittelbar zu Machtkonzentration führt. Die Indizienkette dazu reicht von der Effizienzsteigerung der Dampfmaschine Anfang des 19. Jahrhunderts über den englischen Buchmarkt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Bell-Company, IBM, Microsoft, Google bis zu Facebook.

Und in all diesen Fällen gibt es deutliche Hinweise, dass es ohne Patente, Copyright und andere Informationsschranken nicht deutlich schlechter gegangen wäre.

Nachdem das unsäglich Patent von Watt auslief, beschleunigte sich die Effizienzsteigerung der Dampfmaschine stärker als durch Watt – ohne dass die entsprechenden Entwicklungen patentiert worden wären. Der urheberrechtslose Buchmarkt in Deutschland war diversifizierter, schneller und größer als der konzentrierte englische und bot dem durchschnittlichen Autor bessere Verdienstmöglichkeiten.

Microsoft hatet Ende der 90er das Internet verschlafen und hat es dann geschafft, die Entwicklung der Web-Technologie mindestens um fünf Jahre zu verlangsamen indem sie ihren marktbeherrschenden Browser „Internet Explorer“, der für jeden Web-Entwickler eine unerträgliche Zumutung war, über Jahre nicht weiter entwickelten, manche Standards kaputt-verhandelt und andere mit ihren “Alternativ”-Entwicklungen und extra “Features” untergraben haben.

Freiheit für Information und Mensch

Was ist die Schlussfolgerung aus all dem? Information darf in der Wirtschaft keine Schranken haben. Sie, lieber Leser, Martin Weigert und ich, wir alle müssen in der Lage sein, bei Google in die Firma zu spazieren, unsere (gegebenefalls “sterilisierten”) USB-Sticks in beliebige Computer zu stecken, und zu kopieren, was uns interessiert. Wir müssen die Überwachung unserer Wirtschaft Crowd-sourcen. Und wir müssen verhindern, dass solche gefährlichen Leviathane wie Google und Facebook in Zukunft entstehen. Wir können nicht verhindern, dass andere Einfluss auf uns haben. Aber wir können verhindern, dass dieser Einfluss auf wenige Akteure konzentriert wird.

Kultur Kann Man Nicht Delegieren

Kultur ist das was wir alle tun und wie wir es tun. Kultur lässt sich daher nicht delegieren, Arbeitsteilung funktioniert hier nur sehr eingeschränkt. Das Urheberrecht einzuführen war einer der größten Fehler unserer jüngeren Geschichte.

Neulich lief mal wieder „I am Legend“ in der Glotze. Kannte ich schon, hatte ich mehr als einmal gesehen, wollte ich nicht nochmal sehen. Aber als ich den Fernseher einschaltete, landete ich zufällig in dem Film und zwar wenige Sekunden nach dem Anfang. Der Protagonist bewegt sich durch ein menschenleeres Manhattan, er Jagd ein Reh. Manns-hohes Gras wächst aus Rissen im Asphalt. Gerade als er seine Beute stellt, kommt ihm ein Löwen-Rudel zuvor. Ich bleibe in dem Film hängen und sehe ihn mit anderen Augen.

Medien Meister

Der Film hat zahlreiche sehr starke Szenen, die eines verbindet: sie machen sich sehr gut auf der Leinwand. Es ist ein enormes kreatives Potential in diesen Streifen geflossen. Daran gemessen ist der künstlerische Gehalt erschütternd gering. Doch es gibt noch viel krassere Beispiele für dieses Phänomen: Transformers, gigantische Roboter kämpfen um die Weltherrschaft. Die Protagonisten wurden mit enormen Aufwand in teils künstlichen, teils realen Settings zum leben erweckt. Allein der Aufwand, einen computergenerierten Robotor in einer Realfilm-Szene natürlich aussehen zu lassen, erfordert immense Meisterschaft und Kreativität. Während ein minimaler künstlerischer Gehalt es trotz kommerzieller Zwänge in „I am Legend“ geschafft hat, kann man das den Transformers nicht vorwerfen.

Ich habe mich Jahrzehnte gefragt, wo die Meisterwerke der bildenden Kunst unserer Zeit sind. Sind Gerhard Richter und Gesellen tatsächlich das Höchste was unsere Kultur hervorbringt? Nein, unsere visuellen Meisterwerke sind in der Matrix, im Herrn der Ringe und in Computerspielen, mit denen ich mich aber nicht mehr auskenne. Kunstwerke wie die Matrix hat keine Epoche vor uns hervorbringen können: Schauspiel, Choreografie, Musik, Lichtkunst, Skulpturen, „Malerei“ verbinden sich zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk. Abertausende unserer begabtesten Künstler arbeiten in CGI-Firmen, bei Spieleherstellern und natürlich in der Werbung.

Kommerz Kunst

Doch unsere Meisterwerke sind vor allem Produkte. In der Antike wurde nicht zwischen Kunst und Handwerk unterschieden. Zwar lässt unser „Handwerk“ in der Regel die künstlerische Liebe zum Werk vermissen, aber unsere Kunst ist meist ein Handwerk – und lässt leider zu oft und genau wie unsere Produkte die Qualität und handwerkliche/künstlerische Liebe zum Werk vermissen. Schließt sich bei uns der Kreis? Ist Kunst und Kultur um ihrer selbst willen ein exzentrisches Pläsier verbohrter Bildungsbürger?

Wir sind als Persönlichkeiten nicht von unserer Kultur unabhängig, ganz im Gegenteil. Wir sind zu einem erheblichen Maße was wir tun und wie wir es tun. Und eben das ist auch Kultur: Kultur sind Tischsitten, Redewendungen, Benimm und Höflichkeit, unser alltäglicher Umgang, die Art, wie wir unsere Arbeit verrichten. Kunst spiegelt immer die Alltagskultur. Kunst steht nie allein, Meisterwerke entstehen auf den Schultern von Riesen – den Meistern der Vergangenheit – und auf unser aller Schultern, denn wir schaffen die Kultur aus der die Meisterwerke hervorgehen.

Ich glaube an das Ideal, dass Kunst frei sein sollte. Doch die überwältigende Mehrheit der Kunst mit der ich im Alltag konfrontiert bin, ist nicht frei sondern verfolgt unerbittlich eins von lediglich zwei universellen Zielen: 1. Sieh her! 2. Kauf mich! Entweder soll Aufmerksamkeit für Werbung oder Umsatz des Werkes selbst erregt werden oder es handelt sich um Werbung. Oder einfacher gesagt: Es ist Eigenwerbung, Werbung für Werbung oder Werbung.

Arbeitsteilung = Delegation

Die enormen Fähigkeiten unserer Kultur sind auf Arbeitsteilung zurückzuführen. Arbeitsteilung ist eine phantastische Errungenschaft. Doch lässt sie sich nicht auf alles anwenden. Ich bin zu einem guten Teil was ich tue und Kultur ist, was wir alle tun. Wir können Kultur nicht delegieren, wir können nicht anders als sie selbst zu erschaffen. Natürlich gibt es Menschen unter uns, die besondere Fähigkeiten besitzen und einen herausragenden Beitrag zu unserer Kultur leisten. Und wir wollen tatsächlich, dass dieses herausragende Schaffen fast ausschließlich unter den Maximen „Sie her!“ und „Kauf mich!“ entsteht? Dass die Sperrspitze unserer Kultur mit derselben Lieblosigkeit produziert wird wie unsere Alltagsprodukte? Und wir wundern uns über die Lieblosigkeit der Letzteren während wir denen Kulturverachtung vorwerfen, die Freiheit für kulturelles Schaffen fordern?

Ideale

Unsere kulturellen Vorreiter sind Vorbilder und Ideale. Justin Biber und Konsorten haben ab einem gewissen Alter unserer Kinder größeren Einfluss auf dieselben als die Eltern. Wir sind was wir tun, Kultur ist was wir alle tun, Vorbilder prägen unsere Kultur, ihre Motive prägen die Vorbilder. Die Existenz und gegebenenfalls Gestaltung des Urheberrechts hat darum großen Einfluss darauf, wer wir sein werden. Sind Geld und Ruhm alles, was im Leben zählt?  „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ [unbekannt] Doch unsere Kultur wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach radikal wandeln. Zumindest hat sie das in den letzten Jahrhunderten getan.

Ein Blick in die Vergangenheit

Wo kommt unsere Kultur her, wer waren wir? Kultur ist das, was ihre Mitglieder tun und wie sie es tun. Was hätten wir, Sie und ich, früher um diese Zeit getan? Die folgende Beschreibung gilt für Bewohner der nördlichen gemäßigten Breiten mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dreihundert bis vor dreitausend Jahren.

Sie und ich, wir, Sie bei sich, ich bei mir. Ein kalter Herbst-Abend vor dreihundert Jahren. Nur dreihundert Jahre. Wir haben beide wahrscheinlich mit jemandem geredet, der mit jemandem geredet hat, der mit jemandem geredet hat, der das selbst alles erlebt hat. Um uns herum ist es mehr oder weniger düster. Vielleicht hat einer von uns beiden das Glück, sich ein paar Kerzen leisten zu können, oder stinkende Öllampen. Aber es um diese Zeit wirklich hell zu haben – das kann sicher keiner von uns zweien finanzieren.

Die Arbeit des Tages ist getan, denn im Dunkeln kann man nicht arbeiten. Wir können nicht lesen, ich als Mann mache keine Handarbeiten. Doch genau jetzt prägen wir unsere Kultur. Die Zeit der Reflektion des Tagewerks prägt das Tagewerk. Jetzt arbeitet die Tradition, die Kunst „das Feuer weiter zu tragen, nicht die Asche zu bewahren“ [Gustav Mahler]. Wir singen, wir erzählen unseren Kindern Märchen und uns Geschichten aus unserem Leben. Wir schaffen den Fundus, aus dem die Begabtesten von uns die Meisterwerke unserer Zeit schaffen.

Die Kultur formt Sein und Bewusstsein

Es ist kalt und feucht und zugig. Wie praktisch alle Menschen um diese Zeit in diesen Breiten, sitzen wir wahrscheinlich am Feuer. Wir kennen Feuer ganz genau. Wir haben endlose Stunden hinein geschaut in unserem Leben. Wir wissen genau, wie sich Holz in Asche verwandelt, vom lodernden Scheit zum glühenden Kohlen, zum Zerbrechen in kleinere Scheite, zum Glimmen und Erlöschen.

Was würden wir um diese Zeit tun, Sie und ich, in einer Kultur wie vor 300 oder 3000 Jahren? Ich würde ins Feuer starren, wie alle anderen. Dabei würde ich mir vielleicht Bilder vorstellen wie Hieronymus Bosch, Bilder, die ich natürlich niemals malen könnte. Denn mir würde das Geld für die teuren Utensilien fehlen und ich könnte gar nicht malen – wie sollte ich neben der harten Arbeit in meinem abgelegen Städtchen einen Meister finden und bezahlen? Oder ich würde mir Märchen von der Art ausdenken, die andere Eltern nicht so gern weiter erzählen. Abwegige Märchen, wie ich es auch jetzt tue. Ich könnte kaum Spuren hinterlassen.

Und Sie? Was würden Sie tun? Natürlich, Sie würden ins Feuer starren. Sie wüssten auf die Minute genau, wann der nächste Scheit bricht. Doch Sie hätten keine auch nur entfernt genaue Vorstellung, wie lange eine Minute dauert. Und was würden Sie sonst jetzt gerade tun, am Abend eines kalten Herbsttages?

Kultur kann man nicht delegieren

Stattdessen sitze ich auf dem Sofa. Der Kamin brennt, doch ich starre nicht in sein Feuer. Ich starre ins kalte Feuer eines Tablett-PC Bildschirms und tippe einen abwegig utopischen Text in sein angedocktes Keyboard. Sie blicken ebenfalls auf einen Bildschirm und lesen das Zeug. Wir machen immer noch Kultur. Ich indem ich ein mikroskopisches Tröpfchen zum kulturellen Schaffen beitrage, Sie indem Sie das weitertragen (durchs Erzählen, Liken, Verlinken) oder nicht.

Wow. Wir sind weit gekommen. Und wie soll es weiter gehen mit unserer Kultur? Mal angenommen wir verpassen eine erdrückende Zahl an Möglichkeiten, unsere Zivilisation zu vernichten, wo wollen wir in 30 und 300 Jahren an einem kalten Herbstabend sein und was wollen wir tun? Sie können diese Entscheidung nicht treffen, genauso wenig, wie ich. Aber Sie und ich können mit allen anderen entscheiden, ob und wem wir diese Entscheidung überlassen wollen. Ob wir sie wirklich allein kommerziellen Interessen überlassen wollen.

Und egal wie wir uns entscheiden: Wir können die Entscheidung anderen überlassen, doch abnehmen kann sie uns keiner. Denn Kultur ist das, was wir tun. Kultur kann man nicht delegieren.

Dezentrales Micropayment

Ich stelle in diesem Artikel ein dezentrales Zahlungssystem vor, das sich durch minimale Transaktionskosten auszeichnet. Ein solches System könnte aus diversen Gründen von großer Bedeutung sein. Und wer weiß, vielleicht macht es Dich reich 😉

Ich stelle in diesem Artikel ein dezentrales Zahlungssystem vor, das sich durch minimale Transaktionskosten auszeichnet. Ein solches System könnte aus diversen Gründen von großer Bedeutung sein. Und wer weiß, vielleicht macht es Dich reich ;-). Die Idee ist in einer Off-Topic Diskussion zu diesem Artikel entstanden wo mir Thomas Honesz sehr bei der Entwicklung dieser Gedanken geholfen hat. Danke Thomas.

Warum?

Geld regiert die Welt. Und wer die Zahlungsströme kontrollieren kann, hat fast unbegrenzte Macht über alle Projekte, deren Maßstab Hobby-Status überschreitet. Den Beweis dazu ist die Regierung der USA im Zusammenhang mit WikiLeaks angetreten. Nach Cablegate war es für WikiLeaks fast unmöglich Spenden anzunehmen und das Projekt verschwand erst mal von der Bildfläche. Wer sich im Netz für Informationsfreiheit organisieren will, könnte auf ein dezentrales Zahlungssystem angewiesen sein.

Aber auch sonst ist dieses spezielle Problem von großer Bedeutung für viele meiner Vorschläge. In meinem letzten Artikel bin ich zum Beispiel gegen Werbung zu Feld gezogen. Doch Werbung finanziert praktisch die gesamte weiche Infrastruktur unseres Netzes – genau das habe ich als Argument gegen Werbung verwendet. Doch wenn es keine Werbung gäbe, wie soll das dann finanziert werden? Da ich keine plausible Lösung hatte, bin ich dem Problem bisher immer ausgewichen.

Das einzige, was mir dazu einfällt, ist ein effizientes Micropayment System. Das Problem ist nur, dass es so etwas nicht gibt. Die etablierten Micropaymentsysteme operieren im unteren Euro-Bereich. Um Werbung zu ersetzen braucht man aber den unteren Cent und Subcent-Bereich. Doch dafür sind bisher die realen Transaktionskosten viel zu hoch. Das hier erörterte System könnte dafür eine Lösung darstellen.

Kundensicht

Der technische Kern der hier vorgeschlagenen Lösung ist Bitcoin. Die Betonung liegt hier auf „technisch“. Die Nutzer kommen gar nicht mit Bitcoin in Berührung. Bitcoin selbst eignet sich leider (noch?) nicht als allgemeines Zahlungsmittel, da sein Wert bisher starken Schwankungen unterworfen ist und es als Zahlungsmittel kein allgemeines Vertrauen genießt. Und Vertrauen ist das einzige, was eine Währung auszeichnet. Geld ist nichts als das Vertrauen in seinen Wert.

Aus Nutzersicht wären Preise in seiner Währung ausgezeichnet. Zur Bezahlung müsste er lediglich einen Knopf klicken. Er könnte seinen Browser auch so einstellen, dass Kleinstbeträge (z.B. 1¢ und weniger) immer automatisch bezahlt werden, so dass sein Surf-Fluss gar nicht durch Zahlungsvorgänge unterbrochen wird. Er würde lediglich mittels einer immer sichtbaren Anzeige über seine Ausgaben informiert. Dies ließe sich gegebenenfalls auch von Seite zu Seite anpassen. Anbieter könnten Nutzer auch erstmal lesen lassen und erst Geld fordern, wenn ein Angebot länger genutzt, z.B. ein Artikel weiter gelesen wird. Größere Ausgaben würden in mehreren Schritten wie z.B. bei Paypal üblich abgewickelt.

Eine derartig komfortable Zahlungsabwicklung würde eine kleine Browser-Erweiterung erfordern. Ohne diese Erweiterung müsste man pro Zahlung eine Web-Adresse eingeben und dann noch die Zahlung bestätigen oder ein Bookmarklet verwenden – was evtl. auch Einklick-Bezahlungen ermöglichen würde, aber keine vollautomatischen.

Um überhaupt mit diesem System zahlen zu können ist für den Zahler allerdings eine vorherige Anmeldung bei einem Zahlungsdienst seiner Wahl nötig. Diese freie Wahl ist die erste Besonderheit des hier vorgeschlagenen Systems. Dazu unten mehr. Man muss sich mit seinem Zahlungsdienst auf eine Zahlungsmodalität einigen. Man kann z.B. vorab 50€ einzahlen (z.B. über Paypal, Kreditkarte oder Überweisung) und dann dieses Budget „absurfen“, man kann eine Einzugsermächtigung erteilen oder monatliche Rechnungen erhalten. Alle Zahlungen an den Zahlungsdienst finden immer in der eigenen Währung statt. Der Wechsel des Zahlungsdienstes stellt kein prinzipielles Problem dar. Potentielle Zahlungsempfänger können ebenfalls einen Zahlungsdienst für den Zahlungsempfang beauftragen (in der Regel wird dies ein anderer Dienst sein als der des Zahlers), oder er kann die Zahlung selbst in Empfang nehmen.

Hinter den Kulissen

Die Zahlungsdienste – Bitcoin-Broker – wickeln die eigentlichen Zahlungen an die Empfänger oder ihre Dienste über Bitcoin ab. Die Zahlungen bestehen in der Übertragung von ein paar Bytes und Kosten praktisch nichts. Die Arbeit der Broker besteht darin, dafür zu sorgen, immer genug Bitcoins für die Zahlungsabwicklung zu haben. Bitcoin-Broker können das Wechselkursrisiko zu Bitcoin ausschließen indem sie den Bitcoin-Bestand im Verhältnis zum Umsatz niedrig halten oder sich mit den üblichen Finanzinstrumenten gegen das Risiko versichern. Sie können von einer geringen Provision leben. Umtauschkosten zwischen den Währungen von Zahler und Zahlungsempfänger entfallen komplett.

Der wesentliche Punkt ist, dass die eigentlichen Transaktionen praktisch kostenfrei sind. Der Trick besteht darin, das offene billige Netz für Zahlungen zu verwenden, ohne ein Vertrauensverhältnis zwischen den Transaktionspartnern herstellen zu müssen. Signifikante Kosten fallen nur bei den Transaktionen zwischen dem Zahlungsdienst und seinen Kunden statt. Diese Transaktionen bündeln aber sehr viele Transaktionen im Web. Zusätzlich fallen natürlich laufende Kosten beim Zahlungsdienst an. Dieser muss Server betreiben, Bitcoins kaufen und verkaufen, seine Software warten und seine Kunden betreuen. Mit steigendem Umsatz sinken die Kosten pro Transaktion gegen Null sofern die Kundenbetreuung geringen Aufwand mit sich bringt.

Idealer Weise gäbe es eine freie Software für den Betrieb einer Bitcoin-Brokerage. Des weiteren wird ein Standard-Protokoll für die Zahlungsabwicklung zwischen Empfänger und Broker benötigt und eine Standard-Prozedur zur Freischaltung der bezahlten Inhalte. Da die Server-Architekturen sehr vielfältig sind, könnte letzteres sogar den größten Aufwand erfordern. Und dann werden Browser-Erweiterungen für die üblichen Browser benötigt um komfortable Bedienung zu ermöglichen. Wenn all diese Bestandteile des Systems vorhanden wären, könnte vermutlich schon eine Einzelperson einen darauf basierenden Zahlungsdienst betreiben.

Für Kunden wäre dieses System billiger als das Werbefinanzierte, denn bei letzterem muss der Kunde über Produktpreise ganze Marketing-Abteilungen und -Unternehmen finanzieren, die erhebliche Kosten verursachen. Das Ergebnis wäre ein Zahlungssystem, das dezentral und also schwer angreifbar ist und welches beliebig kleine Zahlungen zu sehr geringen Kosten ermöglicht.

Wider die Werbung

Werbung ist einer der bedeutendsten einzelnen Faktoren unseres gesellschaftlichen Systems. Werbung ist wichtiger als Wahlen, wichtiger als der öffentlich rechtliche Rundfunk, wichtiger als der Föderalismus. Gleichzeitig ist Werbung wahrscheinlich das destruktivste einzelne Element unserer gesellschaftlichen Organisation.

Werbung ist einer der bedeutendsten einzelnen Faktoren unseres gesellschaftlichen Systems. Werbung ist wichtiger als Wahlen, wichtiger als der öffentlich rechtliche Rundfunk, wichtiger als der Föderalismus. Gleichzeitig ist Werbung wahrscheinlich das destruktivste einzelne Element unserer gesellschaftlichen Organisation.

Werbung ist eine allgegenwärtige Propagandamaschine. Das wäre nicht unbedingt schlimm, wenn sie nicht konsistent eine einzige Botschaft verbreiten würde. Doch genau das tut sie. Natürlich gibt es so viele Werbebotschaften wie Produkte. Doch jede Werbung sagt ausnahmslos „Kauf mich!“. Das hat selbstverständlich gravierende und tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

Teufelskreis

Gleichzeitig ist Werbung selbstverstärkend. Ein immer größerer Teil unserer Gesellschaft widmet sich der Erzeugung von Aufmerksamkeit, von Aufmerksamkeit für die Botschaft der Werbung und von Aufmerksamkeit für die Werbung selbst. Werbung für schriftliche Publikationen, für Hörfunk und Fernsehangebote und auch für Internetangebote ist letztendlich Werbung für Werbung. Und so wird unsere Gesellschaft immer und immer tiefer von diesem Virus durchdrungen.

Dies alleine ist schon mehr als bedenklich. Doch die unisono verbreitete Botschaft der Werbung stiftet kaum Nutzen und erheblichen Schaden. Dieser Schaden erstreckt sich über praktisch alle Aspekte unseres Zusammenlebens, vom Privatleben über Wirtschaft und Politik bis zur Kultur.

Ich werde im Folgenden eine ganze Reihe der destruktiven Folgen der Werbung erörtern. Ich tue dies jeweils so kurz, wie sinnvoll möglich. Es ist zu beachten, dass die meisten angesprochenen Probleme nicht monokausal sind. Vieles hat mehrere Ursachen, Werbung ist immer ein Faktor von vielen – wenn auch ein oft wichtiger.

Ich bin was ich kaufe

Werbung ist das zentrale Vehikel, das in unserer Gesellschaft sozialen Status primär mit Geld und zur Schau gestelltem Konsum verknüpft. Diese Umdeutung sozialer Anerkennung ist einerseits verantwortlich für zahlreiche soziale Schieflagen unserer Gesellschaft, da so sozial destruktives Verhalten durchaus sozial positiv sanktioniert wird, andererseits ist sie in hohem Maße mitverantwortlich für die Zerstörung unseres Planeten, der dem überbordenden Konsumerismus nicht gewachsen ist.
Der letztgenannte Aspekt hängt mit einem weiteren zentralen Übel der Werbung zusammen. Werbung suggeriert als Ganzes genommen, dass der Sinn des Lebens – was immer das ist – nur über Konsum erfüllt werden kann. Damit ist Werbung zentraler Teil der allgegenwärtigen Propagandamaschine, die letztlich den scheinbar verblüffenden Siegeszug des Neoliberalismus befördert hat. Werbung ist als ganzes Propaganda für eine anti-soziale konsumeristische Politik und stellt durch ihre große Wirksamkeit eine immense Gefahr für die Demokratie dar.

Werbung ist der alleinige Motor der medialen Aufmerksamkeitsökonomie. Werbung ist der Grund, dass in kommerziellen Medien ausschließlich zählt, was (die) Aufmerksamkeit (der Zielgruppe) erregt. Sie ist somit verantwortlich für die zunehmende Skandalisierung und Verflachung des öffentlichen Diskurses, sie ist verantwortlich für die groteske Überbewertung des Terrorismus und somit der Aushöhlung der freiheitlichen Grundordnung und sie ist Verantwortlich für die Trivialisierung der Mainstream-Kultur und Marginalisierung echter Kreativität, sofern sie nicht auf Skandal und Schockeffekte setzt.

Werbung wider Marktwirtschaft

Werbung ist ein wichtiger Faktor dafür, dass in einer Marktwirtschaft größere Unternehmen zusätzliche Vorteile haben. Diese positive Rückkopplung ist einer Gründe für die fatale Tendenz zur Marktkonzentration. Werbung höhlt somit die Grundidee der Marktwirtschaft aus. Werbung wirkt. Je größer ein Unternehmen (bei gleicher Produktpalette) desto größer das Marketing-Budget pro Produkt, desto größer der Vorteil des großen Unternehmens. Dies stellt eine massive Wettbewerbsverzerrung dar.

Marktwirtschaft bedeutet (auch) Wettbewerb, Qualität, Effizienz und Innovation. Wo passt da Werbung rein? Ich laufe zwar langsamer als die anderen, gewinne aber den 100-Meter Lauf, weil ich die Punkte-Richter von mir überzeugen lasse? Genau das ist Werbung in der Marktwirtschaft. Zum Ausgleich hat Werbung keinen volkswirtschaftlichen Nutzen, außer dass sie das Wirtschaftswachstum ankurbelt. Letzteres aber nicht genug, das Problem müssen wir ohnehin anders lösen.

Werbung ist der Grund, dass Unternehmen um jeden Preis versuchen, alles, aber auch alles über jeden herauszufinden, zu speichern und weiter zu verarbeiten. So ist Werbung verantwortlich für gefährliche Informations-Ungleichgewichte (Wissen ist Macht). Werbung ist die zentrale Ursache dafür, dass Datenschutz so ein wichtiges Thema ist, dass wir bereit sind, dafür einen erheblichen Teil der digitalen Dividende zu opfern.

Sex sells

Ich vermute, dass Werbung auch für einen strukturellen Sexismus in unserer Gesellschaft verantwortlich ist. Wer schon mal mit einer schönen Frau unterwegs war weiß: Sie erregt Aufmerksamkeit. Ich behaupte, das steckt tief in unserer Biologie, damit müssen wir leben. Wie ich oben dargelegt habe, ist Aufmerksamkeit das vordergründige Ziel der Werbetreibenden. Daher dominiert in der öffentlichen Darstellung ein Frauenbild, dass auf seine aufmerksamkeitserregenden Aspekte optimiert ist. Auch die Politik scheint massiv davon betroffen zu sein. Zumindest vermute ich, dass dieser Wirkzusammenhang ursächlich für Marina Weisbands Klage ist:

In der Politik sind wenig Frauen, „weil die Zeitungen über sie nur berichten, was sie an haben, oder Heldenstories mit ihnen machen, wie sie sich als Frau durchschlagen. Weil sie erst auf politischer Linie total versagen müssen, ehe man anfängt, über das Inhaltliche zu sprechen. Weil sie unweiblich sein müssen, weil man sonst über ihre Frisuren spricht.

Ausverkauf der Demokratie

Noch gravierender sind natürlich die direkten Auswirkungen der Werbung auf die Politik. Lobbyismus ist nichts anderes als eine besondere Form von Werbung. Besonders ist dabei nicht die Wirkungsweise – Versicherungen zum Beispiel werden oft auf nahezu identische Art und Weise vermarktet – sondern das Produkt. Und die Effizienz. Das Produkt ist die Berücksichtigung der Interessen der Auftraggeber in der Gesetzgebung. Lobbyismus hat mittlerweile Ausmaße angenommen, die unsere Demokratie selbst ad Absurdum führen. Der Einfluss der Lobbyisten ist sehr viel größer als der der Wähler. Der Einfluss der Wähler sollte hierbei nicht mit dem Einfluss der Mainstream-Medien verwechselt werden, die sicherlich einen ähnlichen Einfluss haben wie die Lobbys.

Werbeverbot

All diese gravierenden Nachteile legen es nahe, Werbung zu verbieten. Dies umzusetzen wäre simpel. Schon heute gelten Werbeverbote für Alkohol und Tabak in zahlreichen Medien (im Fernsehen, bei Formel 1 Rennen usw.). Wenn Bedenken bestehen, dies könnte mit der Meinungsfreiheit in Konflikt geraten, ließe sich auch eine Form wie diese wählen: Es ist verboten, jemanden dafür zu bezahlen, einen dritten von etwas zu überzeugen. Zur hundert prozentigen Durchsetzung des Werbeverbots bedürfte es evtl. auch einer umfassenden Transparenz der Wirtschaft, für die wiederum eigene Argumente sprechen. Wie auch immer, einem Verbot stehen keine prinzipiellen Probleme entgegen.

Ohne Werbung

Es sind eher die zu erwartenden Konsequenzen, die Bedenken auslösen werden. Einerseits hängt ein ganz erheblicher Teil unseres Kulturschaffens am Tropf der Werbung. Dieser Teil unserer Kultur wäre durch ein Werbeverbot bedroht. Wie ich oben dargelegt habe, hat diese Finanzierungsform für Kultur aber sehr einseitige, nachteilige Folgen. Wie eine freie, bessere Kultur funktionieren könnte, habe ich unter anderem hier erörtert.

Wenn man von öffentlich rechtlichen Medien absieht, hängt quasi unser gesamter Journalismus von der Werbung ab. Auch dies hat, wie oben dargelegt, massive negative Konsequenzen. Doch ohne Werbung, gäbe es da gar keinen Journalismus mehr? Ich habe unter anderem hier erläutert, wie ein freierer, besserer Journalismus und öffentlicher Diskurs aussehen könnte.

Interessanter Weise müssen wir diesen alternativen Diskurs vervollkommnen, bevor wir überhaupt über die Umsetzung eines Werbeverbotes nachdenken können. Denn wie bereits dargelegt, hängt die große Mehrzahl der Medienwirtschaft und die komplette nicht-öffentlich-rechtliche Journaille am Tropf der Werbung. Etwas gegen diese Mutter aller Lobbys auszurichten, dürfte unmöglich sein.

Noch tiefgreifender wären die Folgen eines Werbeverbots für den Arbeitsmarkt. Kurzfristig würde ein solches Verbot zahlreiche Arbeitskräfte freisetzen. Zudem ist zu erwarten, dass die Wirtschaft in Ermangelung der omnipräsenten Konsumpropaganda zunächst schrumpft, was mittelfristig noch mehr Arbeitskräfte freisetzte. Doch wenn wir nicht glauben, dass wir das gesamte Wohl und Wehe unserer Gesellschaft dem unendlichen und exponentiellen Wachstum unser kaum kontrollierbaren, chaotischen Wirtschaft ausliefern sollten, dann müssen wir dieses Problem ohnehin lösen. Wie man das angehen könnte, habe ich hier erläutert.

Das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden

Werbung hat also zahlreiche, tiefgreifende negative Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Werbung lässt sich zwar abschaffen, doch ist sie so tief mit unserem gesellschaftlichen System verflochten, dass diese Abschaffung allein einen bedeutenden Umbau unserer Gesellschaft implizieren würde. Doch diesen Umbau müssen wir ohnehin in Angriff nehmen, wenn wir unseren immer weiter beschleunigten Lauf mit dem Kopf gegen die Mauern dieses Planeten verlangsamen wollen. Und wenn wir dies endlich angehen, winkt uns eine bessere, humanere Organisation unseres Zusammenlebens.

Freie Videoschau

Wäre unsere Kultur ohne Urheberrecht verloren? An konkreten Beispielen zeige ich, dass unsere Kultur schon heute keineswegs auf das Urheberrecht angewiesen ist.

Ohne umfangreichen rechtlichen Schutz ihrer Urheber wäre unsere Kultur mehr oder weniger am Ende. Dieser Ansicht ist die breite Mehrheit unserer Bevölkerung. Hier wird an ganz konkreten Beispielen gezeigt, was wir verlören und was wir gewännen wenn wir wie zur Zeit der großen Dichter und Denker (und Komponisten) aufs Urheberrecht verzichteten.

Zunächst ein mal: Unsere Kultur ist gar nicht sooo unglaublich toll. Es gibt auf diesem Planeten tausende anderer Kulturen, die kulturell Großes leisten. Diese anderen Kulturen nutzen das Urheberrecht weniger als wir zur aggressiven Vermarktung und werden folgerichtig nach und nach von uns ausgelöscht. Nur die Größten und Stärksten setzen sich durch, und manchen hilft ein Zufall.

Audio

Das einzige in dem unsere Kultur wohl unübertrefflich ist, ist unsere Arroganz. Noch heute gilt hier beispielsweise das Belcanto als Zenit gesanglicher Virtuosität. Diese Gesangstechnik war unter anderem von der Notwendigkeit geprägt, Opernsäle unverstärkt mit der Stimme zu beschallen und sich dabei gegen ein ganzes Orchester durchzusetzen. Bis heute ist das rhythmische Repertoire klassischer Sänger vergleichsweise primitiv. Sie nutzen von den Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme lediglich jenen Bruchteil, der sich in glasklaren lauten Tönen darstellen lässt – eben jenen Teil, der im natürlichen Ausdruck von Menschen die geringste Rolle spielt.

Wer heute nach gesanglicher Virtuosität sucht, der muss weit über unseren Kulturkreis hinausgehen. Einer der größten Gesangsvirtuosen unserer Zeit war der 1997 verstorbene (Sufi) Qawwali-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan. Wir haben ihn sogar ordentlich mit Preisen überhäuft. Aber kennen tut ihn natürlich keine Sau. Hier gibt’s ein Video (eigentlich Audio). Ich habe das nach der Zugänglichkeit für westliche Ohren ausgewählt, nicht nach der dokumentierten Virtuosität.

Video

Eigentliches Thema dieses Artikels ist jedoch nicht allgemeines Kultur-Bashing. Ich nehme mir eine Folge der Telepolis Video-Schau, und analysiere einige der verlinkten Videos auf ihren Hintergrund und kulturellen Gehalt. Meine Auswahl ist natürlich davon gelenkt, dass ich demonstrieren möchte, dass freie Kultur eben nicht unterlegen ist. Doch ist die Kritik an kommerziellen Medienerzeugnissen eins zu eins auf die große Mehrzahl kommerzieller Medienerzeugnisse verallgemeinerbar. Und durch die Beschränkung auf genau eine Folge der Telepolis Videoschau verdeutliche ich, dass kulturelle Signifikanz in freien Medienerzeugnissen keine Riesen-Ausnahme sein kann.

Wir starten mit einem kommerziellen Erzeugnis. Stephen Colbert ist ein sehr erfolgreicher US-Komiker. Dies ist ein Ausschnitt aus einer seiner Shows. Er wärmt einen Gag mit Siri, Apples neuem sprachgesteuerten Assistenten im iPhone, auf, der schon vorher erfolgreich von anderem im Netz lanciert wurde. So streicht Colbert ohne großen finanziellen Aufwand (Gag-Autoren) ein paar sichere Lacher ein. Das ganze wird natürlich in einer Professionalität präsentiert, die von Amateuren kaum zu leisten ist.

The Won Ton Soup“ von Boo Ya Pictures ist ein Mischprodukt. Die Firma lebt offenbar vom Dreh kleinerer Projekte – z.B. Musikvideos – das hier besprochene Video wurde aber wohl nicht aus unmittelbaren finanziellen Interessen gedreht. Über die Motive der Macher kann ich nur spekulieren, sie mögen von Leidenschaft getrieben sein, stellen es aber sicher zur Aufmerksamkeitsgenerierung für ihr Geschäft ins Netz. Musikvideos wiederum, von denen Boo Ya Pictures lebt, dienen ebenfalls nur der Aufmerksamkeitsgenerierung. Das Geld kommt für die Musiker hauptsächlich aus Konzerten (wäre also nicht vom Auslaufen des Urheberrechts bedroht) und für die Labels aus Plattenverkäufen. Letzteres hängt am Urheberrecht. The Won Ton Soup zeigt immerhin eine originelle Idee, die recht professionell umgesetzt wird.

Gänzlich frei ist hingegen „I’m the bomb“. Feraz Ozel, der Macher, ist ebenfalls US-Comedian. Doch dieser lebt von seinen Auftritten und nutzt das Video ebenfalls zur Aufmerksamkeitsgenerierung. Das Video ist originell, witzig, gut präsentiert und problematisiert den gallopierenden Antiislamismus – bisher eindeutig das stärkste Video in diesem Review.

Wiederum kommerziell ist „Lord Monckton“ von „The Hamsterwheel“ einer australischen Comedy-Truppe. Das Video unterstellt, dass der bekannte Klima-Skeptiker Lord Monckton in Wahrheit eine von Sascha Baron Cohen geschaffene Kunstfigur ist. Den Machern ist es sogar gelungen, Lord Monckton für ein Interview zu bekommen, in dem der Interviewer so tut, als hätte er es mit dem verkleideten Sascha Baron Cohen zu tun. Ich sage es ungern in diesem Artikel, aber dieses Video ist ein kleiner Geniestreich.

The Gamers von Dead Gentlemen productions scheint ein Hobby-Projekt zu sein, sicher bin ich aber nicht. Das Video ist einigermaßen originell und bietet Einblick in die weithin unbekannte Subkultur der Pen-and-Paper-Rollenspieler. Unterstellt, dass es sich um ein Hobby-Projekt handelt, hat das Video eine sehr ordentliche Qualität. Ich habe es mir übrigens nicht in voller Länge angetan.

Gänzlich kommerziell ist „Angry Birds Seasons Ham’O’Ween“. Es handelt sich um eine Mini-Zeichentrick-Geschichte die als Werbung für das Spiel „Angry Birds“ dient. Die Story ist sturzblöd und die Optik ist von Tim Burton geklaut. Das ganze natürlich auf höchstem technischen Niveau.

Ein völlig anderes Kaliber ist „I live in the Woods“  von Max Winston. Er hat das Video als Student gedreht und es mit einem Stipendium (hinterm Link auf Award winners/alphabetically/W/runterscrollen/Max Winston, ist leider nicht direkt verlinkbar) finanziert. Es kann somit als völlig unabhängig vom Urheberrecht gelten. Das Video besticht durch eigene Optik und Stilistik, rasante Entwicklung und verstörenden Inhalt. Ein Kurzfilm auf höchstem Niveau.

Google steuert auch etwas bei. Aus Street View wird Rail View, nett anzusehen, gut gemacht, Werbung für Google. Ich habe es hier reingenommen, weil es eine (kommerzielle) Doku ist.

So kann ich Googles Beitrag diesem Meisterwerk der Piratenpartei gegenüberstellen. Ich weiß nicht so recht, was sich die Macher dabei gedacht haben. Es soll wohl auch Werbung für die Piraten sein (aber da ist natürlich nichts kommerzielles und mit Urheberrecht hat das absolut nichts zu tun). Ursprünglich war es als Interview mit Fabio Reinhardt gedacht, der soeben für die Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen ist. Doch dann kam unverhofft Regine Feldewert dazu und es entspann sich ein Dialog zwischen ihr und Reinhardt. Zur Bewertung dieses Videos sollte man sich klarmachen, dass Olli Dittrich für „Dittsche“ (zurecht) unter zahlreichen Preisen auch den Adolf Grimme Preis erhielt. Regine Feldewert hat etwas, was Dittsche fehlt: Sie ist echt. Das allein macht dieses Video schon absolut sehenswert. Hinzu kommt noch, dass es ausgerechnet von den Piraten lanciert wird, die vor allem für Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie stehen. Wie es sich für ein Kulturgut von Rang gehört, eröffnet dieses Video zahlreiche Lesarten:

  • Werbung für die Piraten
  • Anti-Werbung gegen die Piraten
  • Diskreditierung der CDU
  • Bloßstellung und Verachtung der Wähler
  • Schonungslose Transparenz
  • Schlichte Dokumentation
  • Information über die Piraten

Ich nehme es als in jeder Hinsicht absurdes Gesamtkunstwerk.

http://www.youtube.com/watch?v=IPOAXYvs1cw

Postpostprivacy – Teil 2

Der Datenschutz muss leider als gescheitert angesehen werden. Hier werden Alternativen zum Datenschutz vorgestellt und diskutiert.

Im ersten Teil dieses Artikels habe ich mich kritisch mit den heutigen Datenschutzbemühungen auseinandergesetzt. In diesem Teil wird es nun darum gehen, Alternativen aufzuzeigen. Dazu muss man sich zunächst klar machen, was überhaupt das Ziel ist, das zu erreichen der Datenschutz so spektakulär scheitert. Im ersten Teil dieses Artikels habe ich eingangs die beteiligten Gruppierungen aufgezählt und behauptet, Ziel der Datenschützer sei es, uns vor den Interessen der Wirtschaft und der staatlichen Exekutive zu schützen. Pointiert geht es um den Schutz vor staatlicher Willkür und ausuferndem Marketing – zu letzterem gehört übrigens auch Kreditvergabepolitik und ähnliches.

Doktorspiele

Der Datenschutz ist hier nur ein Herumdoktorn an den Symptomen. Sowohl wirtschaftliche wie exekutive Akteure sind meist weitgehend intransparent und versuchen Transparenz der Bürger her zu stellen. Dieses Informationsgefälle stellt ein Machtgefälle dar, das als Bedrohung empfunden wird und tatsächlich die Form ungerechter Willkür annehmen kann – als staatliche Willkür oder wirtschaftliche Benachteiligung. Datenschutz ist nun das Bestreben, mit einigen Regeln (deren Einhaltung sich aber aufgrund des Informationsgefälles oft nicht überprüfen lässt) den Missbrauch dieses Informationsgefälle zu vermeiden.

Heilung

Es ist eine Grundthese von Extreme Governing, dass dieses Informationsgefälle keinen sozialen oder volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Natürlich hat es einen privatwirtschaftlichen Nutzen – die Bereicherung Weniger – und wird daher vehement verteidigt. Auch erfordert unser antiquiertes Staatswesen ein solches Machtgefälle. Doch beidem kann prinzipiell abgeholfen werden und Extreme Governing erklärt wie.

Doch eine Informationsparität verhindert noch nicht zwangsläufig Informationsmissbrauch. Daher nimmt Extreme Governing den wirtschaftlichen und exekutiven Akteuren auch die Motivation für diesen Missbrauch. Somit wären die grundsätzlichen Ursachen behoben, die zu dem Bedürfnis nach Datenschutz führen und letzterer – die fortwährend scheiternde Bekämpfung der Symptome – wäre überflüssig.

Doch selbst, wenn all das erreicht ist, bleiben gute Gründe, in bestimmten Situationen „Anonymität“ zu erlauben. Hierzu liefert dieser Artikel neue Ansätze, die noch nicht in Extreme Governing angedeutet sind. Es sind diese Ansätze, die der Postprivacy im Titel dieser Artikel-Serie ein weiteres „Post“ verschaffen.

Das Geheimnis lüften

Die Abschaffung betrieblicher Geheimnisse wäre ein relativ simpler legislativer Akt. Man räume jedem Bürger das Recht ein, in jedem Betrieb auf jede ihm passend erscheinende Art zu recherchieren, beobachten und katalogisieren. Jedem stehe voller Zugang zu allen betrieblichen Informationen offen. Kosten, die dem Betrieb dadurch entstehen hat selbstverständlich der Rechercheur in Gänze zu tragen.

Wäre das das Ende der Marktwirtschaft? Ist das Geheimnis Grundvoraussetzung für einen marktwirtschaftlichen Gewinn? Zur Beantwortung dieser Frage müssen unterschiedlich Betriebsarten betrachtet werden.

Da wären zunächst reine Produktions- und Dienstleistungsbetriebe. Solche haben i.d.R. Relativ wenige Betriebsgeheimnisse und der Erfolg eines vornehmlich produzierenden/dienstleistenden Betriebes hängt nicht an der Geheimhaltung. Der Schlüssel zum Erfolg eines produzierenden/dienstleistenden Betriebes liegt viel mehr im Prozess und dieser wird von den Mitarbeitern getragen. Es ist die Art, wie eine Hand der anderen zuarbeitet, wie dabei Effizienz erreicht und Qualität und Kundenzufriedenheit sicher gestellt werden. Dieses Know How ist Teil der Unternehmenskultur und lässt sich nicht mal eben kopieren. Solche Betriebe wären von einer neuen Offenheit nicht gravierend betroffen. Allerdings ist zu erwarten, dass sich erfolgreiche Unternehmensprozesse deutlich schneller verbreiten würden, was der Gesamtproduktivität und somit der Allgemeinheit zugute käme.

Das andere Extrem bilden reine Forschungs- und Entwicklungsunternehmen. Hier muss wiederum zwischen Software-Entwicklung und anderer Forschung und Entwicklung unterschieden werden. Wie marktwirtschaftliche Software-Entwicklung mit Informationsfreiheit in Einklang zu bringen ist, habe ich hier ausführlich dargelegt. Andere Forschung und Entwicklung wird unter Extreme Governing mit der sogenannten Infotax marktwirtschaftlich organisiert.

Infotax ist eine volkswirtschaftlich vernünftigere Lösung des Problems, das wir vergeblich mit Patenten zu lösen versuchen. Infotaxes erlauben es mir, Lizenzgebühren aus der Vermarktung meiner Erfindungen und Forschungsergebnisse zu erheben. Da ich selbst diese Gebühren an den Staat entrichten muss, wenn ich meine eigene Erfindung vermarkte, kann ich andere Produzenten nicht bei der Vermarktung meiner Erkenntnisse benachteiligen. Andere dürfen jederzeit auf meinen Ergebnissen aufbauen und entsprechend zusätzliche Gebühren kassieren, wenn ihre Weiterentwicklung vermarktet wird.

Ein Betrieb, der vornehmlich in der Forschung und Entwicklung aktiv ist muss also lediglich jederzeit seinen aktuellen Forschungs-/Entwicklungsstand öffentlich dokumentieren. Dann hat er jederzeit Anspruch auf Gebühren für seinen jeweiligen Stand/Anteil, selbst wenn andere seine Ideen weiterführen – und dieses Weiterführen fremder Ideen eröffnet gerade ein enormes Entwicklungspotential. Es ist anzunehmen, dass die marktwirtschaftliche Forschung und Entwicklung unter diesen Bedingungen nicht zum erliegen käme, sondern im Gegenteil in nie dagewesenen Maße aufblühen würde. Da Infotaxes natürlich mit der Zeit auf Null fallen müssen – der Erfinder legt den Startwert als Prozent des Verkaufspreises fest, dann fällt dieser Prozentsatz in einer gesetzlich festgelegten Zeitspanne kontinuierlich auf Null – würde dieser Entwicklungsschub der Allgemeinheit zugute kommen, und nicht die Taschen weniger füllen wie es unser heutiges Erfindungsverhinderungsrecht (besser bekannt als Patentrecht) tut.

Informationsfreiheit würde also übermäßige Gewinne einzelner Betriebe schmälern. Doch Dienstleistung, Produktion, Forschung und Entwicklung würden stark davon profitieren. Und dieser Profit würde allen statt wenigen zugute kommen. Informationsfreiheit ist also in einer Marktwirtschaft volkswirtschaftlich sehr wünschenswert. Und im Rahmen der Datenschutzdiskussion würde sie einen Teil des bedrohlichen Informations- und Machtgefälles beseitigen.

Das Leben der anderen

Den anderen Teil dieses Gefälles bildet der Staat. Von Bürgerseite dürfte es unbestritten sein, dass ein voll transparenter Staat für eine moderne Gesellschaft absolut wünschenswert ist. Das einzige, wo möglicherweise Bedenken auftauchen könnten, sind die Strafverfolgung und die Geheimdienste. Und gerade die sind es auch, wo das Informationsgefälle die größte Bedrohung darstellt.

Extreme Governing geht davon aus, dass Nationalstaaten ein überkommenes Konstrukt sind. Geografische Grenzen verschwinden schon heute für die besser Gestellten. Abgesehen von der Bedienung niederster Wählerinstinkte – Nationalismus, ökonomischer Egoismus, Fremdenfeindlichkeit – dienen nationale Grenzen heute vor allem als staatliches Förderprogramm für die organisierte Kriminalität, wie ich hier ausführlicher Erörtert habe.

Vernetzte Gesellschaften werden diese Grenzen hinter sich lassen. Meine Nachbarn, meine Kollegen, die Menschen mit denen ich täglich verkehre, werden sich womöglich einem anderen Staatswesen zurechnen als ich. Sie werden in die Sozial- und Rentenkassen anderer Verbände einzahlen als ich, ihre Steuern an andere Kollektive entrichten und sich einer anderen Rechtsprechung unterwerfen.

In diesem Mosaik von Gesellschaften wird es nicht nur wie heute ethisch höchst fragwürdig sein, sich in dem Geschäft der Spionage und des Staatsterrorismus zu engagieren. Es wird für eine offene Gesellschaft, die sich mittels Extreme Governing organisiert, auch völlig überflüssig sein. Geopolitische Kriege und Geopolitik allgemein sind in der Mosaikgesellschaft passé. Eine kontinuierliche Regierung, die die Geheimdienst-Informationen nutzen könnte, gibt es nicht (siehe unten). Innerhalb der offenen Informationsgesellschaft ist die weitere Geheimhaltung der auf fragwürdigem Wege gewonnenen Information praktisch unmöglich. Extreme Governing etabliert daher keine eigenen Geheimorganisationen.

In Extreme Governing ist jeder Bürger auch Teil des Staatsapparates. Es gibt keine Hauptberuflichen Staatsangestellten. Jeder geht gegebenenfalls einer gewerblichen Tätigkeit nach, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und engagiert sich zudem im Staatsdienst. Das gilt natürlich auch für Polizisten. Des Weiteren baut Extreme Governing auf persönliche Verantwortung und Verantwortlichkeit. Jeder ist dem Urteil seiner Mitmenschen unterworfen. Das gilt natürlich in jeder Gesellschaft, und auch bei uns werden diese Urteile teils öffentlich, teils nicht öffentlich festgehalten. Doch unter Extreme Governing ist die öffentliche Urteilsbildung ein formalisiertes System, das für die (Selbst-)Organisation des Staates genutzt wird. Näheres dazu gibt es im Originaltext und in KiIsWhoWi.

Für dieses System ist es unerlässlich, dass auch die Arbeit von Polizisten transparent und öffentlich dokumentiert sein muss. Sollte sich zeigen, dass die Offenlegung von Ermittlungsverfahren diese zu stark behindert – die Bekämpfung organisierter Kriminalität muss ohnehin völlig andere Wege gehen, und betreffs anderer Vebrechensformen halte ich die Notwendigkeit zur Geheimhaltung von Ermittlungen für nicht bewiesen – so kann die Ermittlung immerhin völlig offen gelegt werden, sobald sie abgeschlossen ist.

Es zeigt sich also, dass das Informations- und Machtgefälle zum Nutzen aller abgeschafft werden kann. Doch solange Staat und Wirtschaft nach wie vor motiviert sind, die verfügbaren Informationen gegen die Interessen der Bürger ein zu setzen, ist noch nicht all zu viel gewonnen.

Die Exekutive und das Urteil des Souveräns

Wie wir gerade gesehen haben, ist die Exekutive des Extreme Governing Teil der Bürgerschaft des selben und ständig der Beurteilung dieser Bürgerschaft ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen kann es nicht im Interesse der Exekutive sein, gegen die Interessen der Bürgerschaft zu handeln, da sich die (in diesem Moment) im Staatsdienst Befindlichen damit selbst unmittelbaren Schaden – als Bürger doch vor allem als Beurteilte – zufügen würden.

Geld regiert die Welt

Bei der Wirtschaft liegt die Sache anders. Hier geht es den Betrieben ja nicht um sozialen Status sondern um monetäre Gewinne. Nun kann man (zurecht) annehmen, dass negative Beurteilungen eines Unternehmens diesem auch finanziell schaden. Doch Unternehmen haben eine Möglichkeit, dem im erheblichen Maße entgegen zu wirken – die Werbung. Die relevanten und richtigen Urteile der Bürgerschaft könnten vom viel „lauteren“ Marketing der Beurteilten übertönt werden.

Dies ist eine Grundeigenschaft von Marketing: Der einzige Zweck der Werbung ist i.d.R. Die Verbreitung von Fehlinformation. Werbung versucht Verbindungen herzustellen, die es so nicht gibt, z.B. die Verbindung zwischen dem Kauf eines Produktes sowie sozialer Anerkennung, Glück, Schönheit, Reichtum und so weiter. Es wird versucht, das Produkt besser darzustellen, als es tatsächlich ist. Werbung dient auch der Finanzierung eines erheblichen Teils unser Medien, Kommunikationsmittel und Kultur.

Es gibt zahlreiche Gründe, die Finanzierung der Kernelemente einer Informationsgesellschaft nicht ausgerechnet durch die Verbreitung von Fehlinformationen zu finanzieren. Dieses Vorgehen stellt nebenbei bemerkt einen volkswirtschaftlichen Unsinn sondergleichen dar. Doch im Kontext der Datenschutz-Diskussion ergeben sich ganz andere Argumente.

Das Bestreben, gezielt Werbung zu verbreiten, ist der wesentliche Grund für Unternehmen, die persönlichen Daten der Bürger zu missbrauchen. Wenn es keine Werbung mehr gibt, gibt es auch diesen Datenmissbrauch nicht mehr.

Ein Verbot von Werbung ließe sich relativ leicht durchsetzen, denn Werbung muss gerade möglichst viel Aufmerksamkeit erregen. Das verträgt sich schlecht mit kriminellen Unternehmungen – wobei die Beseitigung von Email-Spam offenbar schon nicht leicht ist. Doch in einer transparenten Gesellschaft sollte es gelingen, auch das in den Griff zu bekommen.

Es muss allerdings darauf geachtet werden, die freie Rede in keiner Weise zu beeinträchtigen. Daher schlägt Extreme Governing folgende Definition vor: Es ist verboten, jemanden dafür zu bezahlen, einen dritten von etwas zu überzeugen. Diese Definition umfasst sowohl Werbung als auch die meisten Formen politischer Propaganda, doch sie beschränkt die freie Meinungsäußerung nicht im geringsten. Ich darf jederzeit sagen, dass Cola-Trinken mich reich, sexy, cool und beliebt gemacht hat – man darf mich nur nicht dafür bezahlen, dies zu sagen.

So ließe sich also eine Gesellschaft verwirklichen, in der die Transparenz zwischen Bürgern, Regierung und Unternehmen symmetrisch ist; Und in der weder die Exekutive noch die Wirtschaft ein Interesse am Missbrauch der Transparenz der Bürger hat. Die Bedenken manch antikapitalistischer Datenschützer lassen sich so sicher nicht anfechten. Aber die Bedenken der heute vielfach schon recht freizügigen Bürgerschaft sollten damit ausgeräumt sein.

Postpostprivacy

Doch eine völlig transparente Gesellschaft macht eine anonyme Opposition praktisch unmöglich. Sie erstickt den Untergrund im Keim. Eine solche Gesellschaft wäre für manche ein formidables Schreckgespenst und das nicht zu unrecht. Denn wenn nicht alles nach meinen Idealvorstellungen läuft und sich warum auch immer ein suppressives Regime herausbildet, steckt die Gesellschaft in einer Sackgasse, aus der sie nicht so leicht wieder herauskommt. Natürlich wäre dies in einer Mosaikgesellschaft kein Problem, denn man könnte sich einfach einem anderen Staat anschließen. Doch wenn sich eine Gesellschaft als dominierend herausbildet, sollte auch sie noch einen Fußweg aus der Sackgasse bieten.

Zudem ist völlige Transparenz auch gar nicht durchsetzbar. Denn gegen Kryptoanarchisten ist (glücklicher Weise) kein technisches Kraut gewachsen. Die Underdogs des Informationszeitalters haben sich bisher jedem technischen Angriff weit überlegen gezeigt und werden das voraussichtlich auch in Zukunft tun. Ihnen verdanken wir alles, was uns technisch stark gegen Terrorregime macht: Email-Verschlüsselung, TOR, Freenet, Bitcoin und so fort. Wir sollten diese Tugend also zum Prinzip machen.

Unser heutiges Recht erzwingt als juristische Personen solche, die vom Staat in irgendeiner Form erfasst sind: zum Beispiel im Einwohnermeldeamt oder im Unternehmensregister. Dies ist wiederum ein wichtiger Kniff zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Doch dies muss wie gesagt ohnehin ganz anders bekämpft werden. Ich schlage vor, von diesem Rechtsgrundsatz abzusehen.

Ich kann mir ein beliebiges Pseudonym zulegen, oder in beliebiger anderer Form Verträge eingehen, die sich nicht ohne weiteres mit anderen rechtlichen Repräsentationen meiner Person in Verbindung bringen lassen. Natürlich wird sich nicht jeder und nicht jedes Unternehmen darauf einlassen, mit solchen „Inselpersonen“ Geschäftsverhältnisse einzugehen. Und auch über solche Inselpersonen können Profile (zum Beispiel bei KiIsWhoWi) angelegt werden. Doch solange die Person hinter diesen Fassaden verhindern kann, dass die Fassaden verbunden werden, genießt sie reichlich Anonymität.

Diese Anonymität erfordert natürlichen erheblichen Aufwand – das tut sie übrigens heute schon, wie ich im ersten Teil dieser Miniserie angedeutet habe. Sie wird auch nur von sehr wenigen tatsächlich genutzt werden – wie übrigens heute schon. Doch viele Leute werden wenig gegen Verbindung der Fassaden gesicherte Pseudopersonen aufbauen – auch dies lässt sich heute schon beobachten. Es ist dies offenbar ein Bedürfnis vieler Menschen. Und es ist ein weiteres Argument für die Legalisierung dieses Vorgehens, denn ein Staat sollte den Bedürfnissen seiner Bürger nichts in den Weg legen, wenn nichts kritisches dem entgegen steht.

Die technischen Voraussetzungen für pseudonyme Finanztransaktionen existiert mit Bitcoin übrigens bereits und lässt sich womöglich nicht so leicht aus der Welt schaffen. Ich tue hier also nicht viel mehr, als die Gesetze schnell den von der Wirklichkeit geschaffenen Fakten hinterher zu definieren.

Wenn es möglich wäre, rechtliche bindende Verträge und Transaktionen mit pseudonymen Personen durch zu führen, und nur dann, wäre ein wirksamer Datenschutz durchführbar. Denn dann wäre ich nicht mehr gezwungen, meine Daten in irgendeiner Form herauszugeben. Die Spackeria hat völlig recht, wenn sie behauptet, dass ich Daten die ich einmal herausgegeben habe als öffentlich ansehen sollte. Nur Daten, die ich nicht herausgebe sind wirklich geschützt. Deshalb kann es Datenschutz nur mit diesem rechtlichen Kniff geben.

Utopilotik

Das ist eine Welt, in der ich gerne Leben würde. Bezüglich des Elixiers der Informationsgesellschaft – eben bezüglich der Information – bin ich mit den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft gleich gestellt. Ich habe auch ohnehin nichts vor ihnen zu fürchten, denn sie haben keinen Grund (mehr), mir zu schaden. Wenn es denn nach meinem Geschmack wäre, könnte ich auch trotzdem versuchen, meine rechtliche Repräsentation zu fragmentieren und diese Fragmente vor dem Auge der Öffentlichkeit getrennt zu halten. Und wenn alle Stricke reißen, suche ich mir halt einen anderen Staat, ohne umziehen zu müssen, und wenn auch das nicht geht, schließe ich mich dem Untergrund an, der extra zu seinem Schutz eine spezielle Rechtsprechung genießt.