Ich bin zufällig über zwei fast zeitgleich erschienene Artikel gestolpert. Beide haben unterschiedliche Themen und unterschiedliche Stoßrichtungen. Der erste befasst sich mit Big Data und seinen verheerenden Auswirkungen auf die Privatsphäre. Wie aus der Schmiede der Aluhüte – Netzpolitik.org – nicht anders zu erwarten, erschöpft er sich in einer lächerlich inadäquaten Forderung nach „Datenbriefen“, die die erfassten Daten für die geneigten Nutzer nachvollziehbar machen sollen. Naja, für Elitenerds zumindest, die eine ungefähre Vorstellung entwickeln können, was sich mit gegebenen Datensätzen anfangen lässt.
Der zweite Artikel hingegen ist ein überaus hellsichtiges Dokument. Aus seinem persönlichen harten Schicksalsschlag – dem Verlust seiner Online-Identität durch gecrackte Accounts – zieht der Autor nicht etwa die üblichen Schlüsse: Forderungen nach mehr Sicherheit, Offenlegung von Sicherheitslücken und so weiter. Nein, er hat sich auf eine Odyssee zur Erforschung von Online-Sicherheit begeben und kommt zu dem Schluss, dass Passwörter ausgedient haben.
Interessant und symptomatisch ist das, was beide Artikel verbindet: Wenn man ein paar Daten zusammen nimmt, ergeben sich plötzlich neue Informationen. Der Big Data Kritiker beklagt, dass man mit Alter, Geschlecht und Wohnort bereits die meisten Menschen eindeutig identifizieren kann. Der Passwort-Kritiker begrüßt, dass Aufenthaltsort, Stimme und Aussehen eine ziemlich gute Identifikation hergeben. Des einen Leid ist des anderen Freud.
Während unsere Alu-behüteten Landsmänner noch der Illusion digitaler Privatsphäre huldigen, hat der seiner Online-Identität verlustig gegangene Autor erkannt, dass Informationstresore nur den Banken und Tresorknackern dienen; dass in unserer Gesellschaft der Wettbewerb zwischen Privatsphäre und Effizienz keiner ist, weil Privatsphäre irrelevant wird, wenn es um Effizienz geht.
Was beide übersehen, obwohl es der Passwort-Artikel andeutet, ist das große Bild hinter beiden Phänomenen. Wir leben mittlerweile mit einem Ozean von Daten. Viele leben zu einem guten Teil darin. Der Versuch, den Ozean zu kanalisieren, Grenzen, Schranken und Barrieren einzubauen, nutzt am allerwenigsten den normalen Nutzern. Schranken dienen immer am meisten denen, die sie umgehen können. Wie so oft sind das große Konzerne und kleinere Verbrecher.